Drei Duelle in Berlin: Immer besondere Spiele

Bereits 21-mal standen sich Deutschland und die Türkei in A-Länderspielen gegenüber: zweimal bei WM-Endrunden, einmal bei der EM, zehnmal in Qualifikationsspielen, achtmal in Tests. Die Bilanz ist aus deutscher Sicht mit 14 Siegen, vier Remis und drei Niederlagen positiv, doch in Berlin, wo heute das vierte Treffen stattfindet, ist sie ausgeglichen. Ein Rückblick auf drei Spiele, die alle ihren besonderen Charme hatten.

17. Juni 1951: Premiere in Grün

Noch vor dem Anpfiff ließ sich das türkische Team im Olympiastadion feiern. Die rund 90.000 Zuschauer waren dankbar, erstmals nach fast neun Jahren wieder ein Länderspiel in Berlin erleben zu dürfen und bereiteten den Türken einen warmen Empfang. Es war erst das dritte Spiel nach dem Krieg, die Nationalmannschaft lernte gerade wieder laufen. Dennoch wurde ein Sieg erwartet an jenem gewitterschwülen 17. Juni 1951, so sehr Bundestrainer Sepp Herberger im Vorfeld auch gewarnt hatte. Schließlich war der Gegner auch ein großer Unbekannter, denn es war die Länderspielpremiere gegen die Türkei und übrigens auch die Premiere in Grün. Dass diese Farbe später aufgrund diverser wichtiger Erfolge einmal als Glücksbringer gelten sollte, war ja noch keineswegs ausgemacht.

Herbergers Skepsis sollte sich bewahrheiten, Deutschland verlor unter den Augen von FIFA-Präsident Jules Rimet mit 1:2 (0:1). Der Illustrierte Sport Kurier titelte: "Das Länderspiel der großen Enttäuschung". Es endete in einem grellen Pfeifkonzert - weil die Deutschen "Lampenfieber" hatten, wie DFB-Präsident Peco Bauwens feststellte, und weil die Türken ihre erst spät erzielte Führung durch Verzögerungstaktik über die Zeit retteten. Der Sport Kurier mäkelte: "Es wirkte unschön, daß nach bedeutungslosen Zusammenstößen dieser oder jener Spieler im weißen Dreß für Minuten zu Boden ging, dass man von Seiten der Gäste nicht die geringste Lust verspürte, sich bei Einwürfen zu beeilen." Torwart Toni Turek trug eigenhändig einen scheinbar völlig erschöpften Türken vom Feld. Auch ein aberkanntes Tor von Horst Schade, der einen indirekten Freistoß direkt ausgeführt hatte, sorgte für Unruhe auf den Rängen, nicht nur für die Sport Magazin-Reporter sei es "ein einwandfreies Tor" gewesen.

Die Chronologie der Tore, die anerkannt wurden: Schon nach fünf Minuten waren die Gäste durch Recep in Führung gegangen und es dauerte 70 weitere, ehe dem Osnabrücker Hans Haferkamp der überfällige Ausgleich glückte. Die Vorlage kam von Fritz Walter. Nach Muzaffers 2:1 in der 87. Minute resignierten die Deutschen und Walter war auch vor den Reportern ratlos: "Sie haben ja alles gesehen. Was soll ich da sagen?" Das Sport Magazin wurde deutlicher: "Unser Angriff hat versagt!"

26. Oktober 1983: Zwei Rummenigges am Ball

Vor der EM 1984 traf man sich in der Qualifikation wieder. Nach dem 3:0-Auswärtssieg in Izmir gab es auch in Berlin ein deutliches 5:1 (1:0), das souveräner klang, als er war. Das Treffen war überschattet von rechtsextremistischen Drohungen gegen die Gäste, die mit 6000 Kräften vor Ort agierende Polizei nahm 60 Personen wegen illegalen Waffenbesitzes fest. Das mag ein Grund für die nur halbvollen Ränge gewesen sein, 35.000 Zuschauer kamen ins Olympiastadion der damals noch geteilten Stadt.

Der Sieg fiel schwerer, als es den Anschein hatte. Die Türken mit dem Dortmunder Erdal Keser im Sturm waren zunächst die aktivere Mannschaft und kamen in der ersten Viertelstunde zu drei guten Chancen. Nach einem Pfostenschuss von Kapitän Karl-Heinz Rummenigge wurde es wieder vor dem deutschen Tor brenzlig, Toni Schumacher rettete spektakulär gegen den freistehenden Keser. Erst mit dem letzten Angriff vor der Halbzeit gelang Rudi Völler "aus heiterem Himmel" (Kicker) das 1:0. Nach einem Pfostenabpraller landete der Ball an seinem Oberschenkel und flog sodann ins Netz.

Mit einer schmeichelhaften Führung ging das damals in einer spielerischen Krise steckende Team von Jupp Derwall in die Kabinen - und kam wie verwandelt zurück. Jedenfalls nachdem Rummenigge das 2:0 glückte (61.), "danach fiel die unsichtbare Last von den deutschen Spielern ab". Sturmpartner Völler erzielte kurz darauf per Sololauf das schönste Tor des Tages (65.) und gleich nach Wiederanstoß traf auch Real Madrid-Legionär Ulli Stielike (66.), in Abwesenheit von Bernd Schuster in der Spielmacherrolle. Der hochverdiente türkische Ehrentreffer durch Hasan (68.) und ein Foulelfmeter von Karl-Heinz Rummenigge (75.) vollendeten das Torspektakel nach der Pause - fünf Treffer fielen binnen 14 Minuten. Diesmal hatte das komplett grüne Outfit seine wohltuende Wirkung getan.

Als alles klar war, gönnte Derwall dem in der Liga auftrumpfenden "kleinen Rummenigge", dem erst 19-jährigen Michael, wie sein Bruder Bayern-Profi, sein Debüt. Nach gerade mal zwölf Bundesligaspielen! Auch der Uerdinger Matthias Herget debütierte an diesem Oktoberabend im Olympiastadion. Der deutliche Sieg war trügerisch, die Talsohle war längst nicht durchschritten. Nur mit Mühe und Not qualifizierte sich der amtierende Europameister für Frankreich 1984, wo er erstmals in einer Vorrunde ausschied - mit nur einem Rummenigge übrigens. Michael kam erst drei Jahre später zu seinem zweiten und letzten Länderspiel.

08. Oktober 2010: Die Kanzlerin in der Kabine

Im Oktober 2010, so lange ist das schon her, hieß der Tabellenführer der Bundesliga Mainz 05 und sein Trainer Thomas Tuchel. Die Nationalelf war unter Joachim Löw in Südafrika WM-Dritter geworden und stand vor einer großen Zukunft. Das bewies sie auch beim 3:0 (1:0) in Berlin im Rahmen der EM-Qualifikation, die Welt am Sonntag schwärmte: "Auf dem Weg zur Unschlagbarkeit!"

Obwohl es ein gefühltes "Auswärtsspiel" war, das Gros der 75.000 Besucher hielt zu den Gästen - Selten gab es bei einem Heimspiel so viele Pfiffe bei der deutschen Nationalhymne. Besonders Mesut Özil bekam die spezielle Stimmung zu spüren, weil er für das "falsche" Land spielte, wurde er 90 Minuten lang ausgepfiffen. Seine Antwort: ein starkes Spiel und ein Tor, nach dem er verhalten jubelte: "Es war eine spontane Entscheidung, nicht groß zu jubeln. Aus Respekt vor der Heimat meiner Vorfahren. Die Pfiffe habe ich ausgeblendet und mich allein auf mein Spiel konzentriert. Ich wollte meine Leistung bringen, das ist mir gelungen".

Sein ganz spezieller Lohn: ein Handshake mit der Kanzlerin, die überraschend in der Kabine auftauchte. Das Foto mit dem oberkörperfreien Özil und Angela Merkel ging um die Welt und wurde zum Symbolbild für gelungene Integration türkisch-stämmiger Menschen in Deutschland. Zumindest damals glaubte man das.

Die Chronik der Tore, die Deutschland diesmal im traditionellen Weiß-Schwarz erzielte: 1:0 Miroslav Klose per Kopf nach Vorlage von Thomas Müller (42.), 2:0 Özil (79.) flach mit links, 3:0 Klose (87.) nach missglücktem Abschlag von Torwart Volkan.

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Bereits 21-mal standen sich Deutschland und die Türkei in A-Länderspielen gegenüber: zweimal bei WM-Endrunden, einmal bei der EM, zehnmal in Qualifikationsspielen, achtmal in Tests. Die Bilanz ist aus deutscher Sicht mit 14 Siegen, vier Remis und drei Niederlagen positiv, doch in Berlin, wo heute das vierte Treffen stattfindet, ist sie ausgeglichen. Ein Rückblick auf drei Spiele, die alle ihren besonderen Charme hatten.

17. Juni 1951: Premiere in Grün

Noch vor dem Anpfiff ließ sich das türkische Team im Olympiastadion feiern. Die rund 90.000 Zuschauer waren dankbar, erstmals nach fast neun Jahren wieder ein Länderspiel in Berlin erleben zu dürfen und bereiteten den Türken einen warmen Empfang. Es war erst das dritte Spiel nach dem Krieg, die Nationalmannschaft lernte gerade wieder laufen. Dennoch wurde ein Sieg erwartet an jenem gewitterschwülen 17. Juni 1951, so sehr Bundestrainer Sepp Herberger im Vorfeld auch gewarnt hatte. Schließlich war der Gegner auch ein großer Unbekannter, denn es war die Länderspielpremiere gegen die Türkei und übrigens auch die Premiere in Grün. Dass diese Farbe später aufgrund diverser wichtiger Erfolge einmal als Glücksbringer gelten sollte, war ja noch keineswegs ausgemacht.

Herbergers Skepsis sollte sich bewahrheiten, Deutschland verlor unter den Augen von FIFA-Präsident Jules Rimet mit 1:2 (0:1). Der Illustrierte Sport Kurier titelte: "Das Länderspiel der großen Enttäuschung". Es endete in einem grellen Pfeifkonzert - weil die Deutschen "Lampenfieber" hatten, wie DFB-Präsident Peco Bauwens feststellte, und weil die Türken ihre erst spät erzielte Führung durch Verzögerungstaktik über die Zeit retteten. Der Sport Kurier mäkelte: "Es wirkte unschön, daß nach bedeutungslosen Zusammenstößen dieser oder jener Spieler im weißen Dreß für Minuten zu Boden ging, dass man von Seiten der Gäste nicht die geringste Lust verspürte, sich bei Einwürfen zu beeilen." Torwart Toni Turek trug eigenhändig einen scheinbar völlig erschöpften Türken vom Feld. Auch ein aberkanntes Tor von Horst Schade, der einen indirekten Freistoß direkt ausgeführt hatte, sorgte für Unruhe auf den Rängen, nicht nur für die Sport Magazin-Reporter sei es "ein einwandfreies Tor" gewesen.

Die Chronologie der Tore, die anerkannt wurden: Schon nach fünf Minuten waren die Gäste durch Recep in Führung gegangen und es dauerte 70 weitere, ehe dem Osnabrücker Hans Haferkamp der überfällige Ausgleich glückte. Die Vorlage kam von Fritz Walter. Nach Muzaffers 2:1 in der 87. Minute resignierten die Deutschen und Walter war auch vor den Reportern ratlos: "Sie haben ja alles gesehen. Was soll ich da sagen?" Das Sport Magazin wurde deutlicher: "Unser Angriff hat versagt!"

26. Oktober 1983: Zwei Rummenigges am Ball

Vor der EM 1984 traf man sich in der Qualifikation wieder. Nach dem 3:0-Auswärtssieg in Izmir gab es auch in Berlin ein deutliches 5:1 (1:0), das souveräner klang, als er war. Das Treffen war überschattet von rechtsextremistischen Drohungen gegen die Gäste, die mit 6000 Kräften vor Ort agierende Polizei nahm 60 Personen wegen illegalen Waffenbesitzes fest. Das mag ein Grund für die nur halbvollen Ränge gewesen sein, 35.000 Zuschauer kamen ins Olympiastadion der damals noch geteilten Stadt.

Der Sieg fiel schwerer, als es den Anschein hatte. Die Türken mit dem Dortmunder Erdal Keser im Sturm waren zunächst die aktivere Mannschaft und kamen in der ersten Viertelstunde zu drei guten Chancen. Nach einem Pfostenschuss von Kapitän Karl-Heinz Rummenigge wurde es wieder vor dem deutschen Tor brenzlig, Toni Schumacher rettete spektakulär gegen den freistehenden Keser. Erst mit dem letzten Angriff vor der Halbzeit gelang Rudi Völler "aus heiterem Himmel" (Kicker) das 1:0. Nach einem Pfostenabpraller landete der Ball an seinem Oberschenkel und flog sodann ins Netz.

Mit einer schmeichelhaften Führung ging das damals in einer spielerischen Krise steckende Team von Jupp Derwall in die Kabinen - und kam wie verwandelt zurück. Jedenfalls nachdem Rummenigge das 2:0 glückte (61.), "danach fiel die unsichtbare Last von den deutschen Spielern ab". Sturmpartner Völler erzielte kurz darauf per Sololauf das schönste Tor des Tages (65.) und gleich nach Wiederanstoß traf auch Real Madrid-Legionär Ulli Stielike (66.), in Abwesenheit von Bernd Schuster in der Spielmacherrolle. Der hochverdiente türkische Ehrentreffer durch Hasan (68.) und ein Foulelfmeter von Karl-Heinz Rummenigge (75.) vollendeten das Torspektakel nach der Pause - fünf Treffer fielen binnen 14 Minuten. Diesmal hatte das komplett grüne Outfit seine wohltuende Wirkung getan.

Als alles klar war, gönnte Derwall dem in der Liga auftrumpfenden "kleinen Rummenigge", dem erst 19-jährigen Michael, wie sein Bruder Bayern-Profi, sein Debüt. Nach gerade mal zwölf Bundesligaspielen! Auch der Uerdinger Matthias Herget debütierte an diesem Oktoberabend im Olympiastadion. Der deutliche Sieg war trügerisch, die Talsohle war längst nicht durchschritten. Nur mit Mühe und Not qualifizierte sich der amtierende Europameister für Frankreich 1984, wo er erstmals in einer Vorrunde ausschied - mit nur einem Rummenigge übrigens. Michael kam erst drei Jahre später zu seinem zweiten und letzten Länderspiel.

08. Oktober 2010: Die Kanzlerin in der Kabine

Im Oktober 2010, so lange ist das schon her, hieß der Tabellenführer der Bundesliga Mainz 05 und sein Trainer Thomas Tuchel. Die Nationalelf war unter Joachim Löw in Südafrika WM-Dritter geworden und stand vor einer großen Zukunft. Das bewies sie auch beim 3:0 (1:0) in Berlin im Rahmen der EM-Qualifikation, die Welt am Sonntag schwärmte: "Auf dem Weg zur Unschlagbarkeit!"

Obwohl es ein gefühltes "Auswärtsspiel" war, das Gros der 75.000 Besucher hielt zu den Gästen - Selten gab es bei einem Heimspiel so viele Pfiffe bei der deutschen Nationalhymne. Besonders Mesut Özil bekam die spezielle Stimmung zu spüren, weil er für das "falsche" Land spielte, wurde er 90 Minuten lang ausgepfiffen. Seine Antwort: ein starkes Spiel und ein Tor, nach dem er verhalten jubelte: "Es war eine spontane Entscheidung, nicht groß zu jubeln. Aus Respekt vor der Heimat meiner Vorfahren. Die Pfiffe habe ich ausgeblendet und mich allein auf mein Spiel konzentriert. Ich wollte meine Leistung bringen, das ist mir gelungen".

Sein ganz spezieller Lohn: ein Handshake mit der Kanzlerin, die überraschend in der Kabine auftauchte. Das Foto mit dem oberkörperfreien Özil und Angela Merkel ging um die Welt und wurde zum Symbolbild für gelungene Integration türkisch-stämmiger Menschen in Deutschland. Zumindest damals glaubte man das.

Die Chronik der Tore, die Deutschland diesmal im traditionellen Weiß-Schwarz erzielte: 1:0 Miroslav Klose per Kopf nach Vorlage von Thomas Müller (42.), 2:0 Özil (79.) flach mit links, 3:0 Klose (87.) nach missglücktem Abschlag von Torwart Volkan.

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