Drees: "Wahrnehmung konnte nicht eindeutig widerlegt werden"

Im DFB-Pokalachtelfinale sorgte bei der Begegnung Borussia Dortmund gegen SC Paderborn das durch BVB-Angreifer Erling Haaland erzielte Siegtor zum 3:2 nach Verlängerung für emotionale Diskussionen. Dr. Jochen Drees, fachlicher Projektleiter für den Bereich Video-Assistent beim DFB, bezieht auf DFB.de Stellung zur diskutierten Situation.

DFB.de: Herr Drees, wie bewerten Sie die Entstehung des Treffers zum 3:2? Hat es sich beim Zuspiel auf den Dortmunder Spieler Erling Haaland um eine strafbare Abseitsposition gehandelt?

Dr. Jochen Drees: Beim Abspiel des Dortmunder Mitspielers befand sich Erling Haaland kurz hinter der Mittellinie knapp, aber deutlich belegbar in einer Abseitssituation. Die relevante Frage hierbei war nun, ob der Paderborner Spieler Ingelsson den Ball durch den Versuch eines bewussten Spielens berührt hat.

DFB.de: In der emotionalen Diskussion nach dem Spiel wurde dem Schiedsrichter mangelnder Respekt vorgeworfen, da sich dieser die betreffende Situation nicht in der Review-Area angeschaut hatte. Haben Sie Verständnis für diesen Vorwurf, und wie ordnen Sie den vermeintlich fehlenden On-Field-Review ein?

Drees: Gerade nach K.o.-Spielen sind Emotionen ein Stück weit verstärkt, doch auch diese sollten dann in einem angemessenen und respektvollen Rahmen stattfinden. Der Gang in die Review-Area ist hingegen keine Frage des Respekts. Ein On-Field-Review (OFR) ergibt nur Sinn, wenn der Video-Assistent dem Schiedsrichter einen bildlichen Beleg liefern kann, der die Wahrnehmung auf dem Feld eindeutig widerlegt. Dies war in der Szene am gestrigen Abend aber nicht möglich, ein On-Field-Review hätte dem Schiedsrichter keine anderen beziehungsweise neuen Informationen liefern können. Der Video-Assistent informierte den Schiedsrichter über die Abseitsposition von Haaland und die bildliche, nicht zweifelsfreie Aussage der vorliegenden Kameraperspektiven bezüglich der Berührung des Paderborner Spielers.

DFB.de: Welche Rolle spielt die Wahrnehmung des Schiedsrichters auf dem Platz? Nach dem Spiel wurde spekuliert, dass der Schiedsrichter die Ballberührung vor allem akustisch wahrgenommen hat?

Drees: Bei der Bewertung einer Situation spielen immer mehrere Sinne, eben auch die akustische Wahrnehmung, eine relevante Rolle. In erster Linie aber sicherlich die visuelle Wahrnehmung. Allerdings stützte der Schiedsrichter in Zusammenarbeit mit seinem Schiedsrichter-Assistenten die gestrige Entscheidung auch auf eine klare akustische Wahrnehmung der Berührung, die sicher auch aufgrund der aktuell fehlenden Zuschauer in den Stadien verstärkt wahrgenommen werden konnte. Die akustische Wahrnehmung lässt sich mit den im Video-Assist-Center VAC vorhandenen Mitteln aktuell nicht auflösen. Der grundsätzliche Ansatz bei einer Intervention des Video-Assistenten ist, dem Schiedsrichter mit dem vorhandenen Bildmaterial Informationen zu geben, die dessen Wahrnehmung belegbar widerlegen können – und eben nicht, die Wahrnehmung des Schiedsrichters zu belegen. Priorität bei einer Bewertung einer Situation hat somit immer die vollständige Wahrnehmung des Schiedsrichters.

DFB.de: Welche Rolle spielt ein bewusstes Berühren des Balles durch einen Verteidiger bei der Bewertung einer Abseitsposition eines Angreifers. Reicht ein unabsichtliches Abfälschen aus, um eine Abseitsposition aufzuheben?

Drees: Wie oben geschildert, war dies im vorliegenden Fall die grundlegende Fragestellung. Regeltechnisch stellt ein bewusstes Spielen oder auch nur aktives Berühren des Balls eine neue Bewertungssituation für die Frage "Abseits" dar. Es ist hierbei unerheblich, ob der Versuch des Spielens tatsächlich gelingt, entscheidend ist der bewusste Versuch des Spielens mit Berührung des Balles. Regeltechnisch spricht man hier von einem sogenannten "bad play" beziehungsweise einem misslungenen Spielen. Wird ein Spieler hingegen angeschossen oder prallt der Ball zufällig von einem Abwehrspieler ab, bleibt das ursprüngliche Abspiel für die Abseitsbewertung relevant.

[ar]

Im DFB-Pokalachtelfinale sorgte bei der Begegnung Borussia Dortmund gegen SC Paderborn das durch BVB-Angreifer Erling Haaland erzielte Siegtor zum 3:2 nach Verlängerung für emotionale Diskussionen. Dr. Jochen Drees, fachlicher Projektleiter für den Bereich Video-Assistent beim DFB, bezieht auf DFB.de Stellung zur diskutierten Situation.

DFB.de: Herr Drees, wie bewerten Sie die Entstehung des Treffers zum 3:2? Hat es sich beim Zuspiel auf den Dortmunder Spieler Erling Haaland um eine strafbare Abseitsposition gehandelt?

Dr. Jochen Drees: Beim Abspiel des Dortmunder Mitspielers befand sich Erling Haaland kurz hinter der Mittellinie knapp, aber deutlich belegbar in einer Abseitssituation. Die relevante Frage hierbei war nun, ob der Paderborner Spieler Ingelsson den Ball durch den Versuch eines bewussten Spielens berührt hat.

DFB.de: In der emotionalen Diskussion nach dem Spiel wurde dem Schiedsrichter mangelnder Respekt vorgeworfen, da sich dieser die betreffende Situation nicht in der Review-Area angeschaut hatte. Haben Sie Verständnis für diesen Vorwurf, und wie ordnen Sie den vermeintlich fehlenden On-Field-Review ein?

Drees: Gerade nach K.o.-Spielen sind Emotionen ein Stück weit verstärkt, doch auch diese sollten dann in einem angemessenen und respektvollen Rahmen stattfinden. Der Gang in die Review-Area ist hingegen keine Frage des Respekts. Ein On-Field-Review (OFR) ergibt nur Sinn, wenn der Video-Assistent dem Schiedsrichter einen bildlichen Beleg liefern kann, der die Wahrnehmung auf dem Feld eindeutig widerlegt. Dies war in der Szene am gestrigen Abend aber nicht möglich, ein On-Field-Review hätte dem Schiedsrichter keine anderen beziehungsweise neuen Informationen liefern können. Der Video-Assistent informierte den Schiedsrichter über die Abseitsposition von Haaland und die bildliche, nicht zweifelsfreie Aussage der vorliegenden Kameraperspektiven bezüglich der Berührung des Paderborner Spielers.

DFB.de: Welche Rolle spielt die Wahrnehmung des Schiedsrichters auf dem Platz? Nach dem Spiel wurde spekuliert, dass der Schiedsrichter die Ballberührung vor allem akustisch wahrgenommen hat?

Drees: Bei der Bewertung einer Situation spielen immer mehrere Sinne, eben auch die akustische Wahrnehmung, eine relevante Rolle. In erster Linie aber sicherlich die visuelle Wahrnehmung. Allerdings stützte der Schiedsrichter in Zusammenarbeit mit seinem Schiedsrichter-Assistenten die gestrige Entscheidung auch auf eine klare akustische Wahrnehmung der Berührung, die sicher auch aufgrund der aktuell fehlenden Zuschauer in den Stadien verstärkt wahrgenommen werden konnte. Die akustische Wahrnehmung lässt sich mit den im Video-Assist-Center VAC vorhandenen Mitteln aktuell nicht auflösen. Der grundsätzliche Ansatz bei einer Intervention des Video-Assistenten ist, dem Schiedsrichter mit dem vorhandenen Bildmaterial Informationen zu geben, die dessen Wahrnehmung belegbar widerlegen können – und eben nicht, die Wahrnehmung des Schiedsrichters zu belegen. Priorität bei einer Bewertung einer Situation hat somit immer die vollständige Wahrnehmung des Schiedsrichters.

DFB.de: Welche Rolle spielt ein bewusstes Berühren des Balles durch einen Verteidiger bei der Bewertung einer Abseitsposition eines Angreifers. Reicht ein unabsichtliches Abfälschen aus, um eine Abseitsposition aufzuheben?

Drees: Wie oben geschildert, war dies im vorliegenden Fall die grundlegende Fragestellung. Regeltechnisch stellt ein bewusstes Spielen oder auch nur aktives Berühren des Balls eine neue Bewertungssituation für die Frage "Abseits" dar. Es ist hierbei unerheblich, ob der Versuch des Spielens tatsächlich gelingt, entscheidend ist der bewusste Versuch des Spielens mit Berührung des Balles. Regeltechnisch spricht man hier von einem sogenannten "bad play" beziehungsweise einem misslungenen Spielen. Wird ein Spieler hingegen angeschossen oder prallt der Ball zufällig von einem Abwehrspieler ab, bleibt das ursprüngliche Abspiel für die Abseitsbewertung relevant.

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