Drees: "Nur Schiedsrichter selbst trifft endgültige Entscheidung"

Am 4. Spieltag der Bundesligasaison 2019/2020 sorgten vereinzelte Situationen zum Thema Video-Assistent für öffentliche Diskussionen. Im DFB.de-Interview ordnet Dr. Jochen Drees (49), fachlicher Projektleiter für den Bereich Video-Assistent, die diskutierten Entscheidungen vom Wochenende ein.

DFB.de: Am Freitagabend kam es beim Spiel Fortuna Düsseldorf gegen den VfL Wolfsburg zu einer diskutierten Situation, als der Ball vor der Torerzielung durch den Düsseldorfer Niko Gießelmann vermeintlich die Seitenausline überschritten hatte. Schiedsrichter Manuel Gräfe entschied zusammen mit seinem zuständigen Assistenten Thomas Stein auf Tor, und auch der Video-Assistent Günter Perl griff nicht ein. Herr Drees, war es aus Ihrer Sicht korrekt, den Treffer zu geben?

Dr. Jochen Drees: Ja, nach Sichtung des vorhandenen Bildmaterials war die Entscheidung des Schiedsrichters-Teams korrekt.

DFB.de: Welche Möglichkeiten hatte hier das Schiedsrichtergespann in Zusammenarbeit mit den Video-Assistenten im Kölner Video-Assist-Center VAC? Lassen sich solche Situationen aktuell überhaupt zweifelsfrei auflösen?

Drees: Die Grundlage eines Eingriffs des Video-Assistenten ist, dass die im VAC vorliegenden Kameraperspektiven eine klare und offensichtliche Fehlbeurteilung des Schiedsrichter-Teams belegen. Im vorliegenden Fall konnte nicht zweifelsfrei der Beweis geführt werden, dass der Ball mit vollem Umfang die Seitenlinie überschritten hatte. Dabei muss man sich in Erinnerung rufen, dass der Ball vollständig die Linie überschreiten muss, um im Aus zu sein. Hier reicht eben nicht eine 90-prozentige Überschreitung der Linie. Um in solchen Situationen eine hohe Sicherheit zu erzielen, wäre es notwendig, eine Kamera auf oder über den Seitenlinien zu positionieren, ähnlich wie es bei der Torerzielung mittels der Torlinientechnologie erfolgt. Diese Kamera gibt es aktuell aber in den Stadien nicht.

DFB.de: Beim Spiel Union Berlin gegen Werder Bremen gab es drei Strafstöße und zwei Gelb-Rote Karten. Zweimal kam auch der Video-Assistent bei dieser Begegnung zum Einsatz. Dass es sich um ein sehr anspruchsvolles Spiel für den Schiedsrichter und Video-Assistenten gehandelt hat, unterstrich auch Union-Kapitän Christopher Trimmel nach dem Schlusspfiff: "Das war für alle ein schwieriges Spiel, auch für den Schiedsrichter." Wie bewerten Sie die jeweiligen Strafstoß-Situationen aus fachlicher Sicht?

Situation 1 – Foulspiel am Bremer Spieler Davy Klaassen in der 2. Minute:

Drees: Bei der Beurteilung des Zweikampfs im Berliner Strafraum nahm der Schiedsrichter ein Foulspiel des Berliner Torwarts Rafal Gikiewicz wahr, bei welchem dieser den Bremer Angreifer Klaassen zu Fall brachte. Nach Sichtung der Bilder kam der Video-Assistent zu der Bewertung, dass der leichte Kontakt am Bein des Bremer Spielers nicht ursächlich für den Fall des Spielers war. Aus diesem Grunde war der Eingriff des Video-Assistenten und die Empfehlung, einen On-Field-Review durchzuführen korrekt. Nach Ansicht der Bilder am Monitor in der Review-Area blieb der Schiedsrichter allerdings bei seiner ursprünglichen Entscheidung, da nur er selbst die endgültige Entscheidung in einem solchen Prozess trifft. Regeltechnisch ist die Entscheidung, in dieser Situation einen Strafstoß zu geben, aus unserer Sicht aber falsch.

Situation 2 – Handspiel vom Bremer Spieler Christian Groß in der 12. Minute:

Drees: Hier hatte Schiedsrichter Tobias Welz keine Wahrnehmung des Handspiels auf dem Spielfeld. Nach Ansicht der Bilder durch den Video-Assistenten Bastian Dankert war in Übereinstimmung mit der seit Saisonbeginn verbindlichen Auslegung zum Thema Handspiel ein strafbares Vergehen zu belegen, da der Bremer Spieler Groß den Ball an den auf Schulterhöhe gehaltenen Arm bekam und zusätzlich mit dem Arm eine kurze, aber deutliche Bewegung zum Ball machte. Insofern waren sowohl der Eingriff des Video-Assistenten als auch die Entscheidung des Schiedsrichters, nach dem On-Field-Review einen Strafstoß zu geben, korrekt.

Situation 3 – Foulspiel am Bremer Spieler Theo Gebre Selassie in der 54. Minute:

Drees: Diese Situation wurde durch das Schiedsrichter-Team auf dem Feld entschieden, nachdem der Schiedsrichter-Assistent Rafael Foltyn ein kurzes, aber deutliches Trikotziehen des Berliner Spielers wahrgenommen, dem Schiedsrichter dies mitgeteilt und Tobias Welz daraufhin auf Strafstoß entschieden hatte. Der Video-Assistent konnte dieses Vergehen nach Sichtung der vorliegenden Kamerabilder bestätigen und die Entscheidung des Schiedsrichter-Teams unterstützen. Somit waren auch hier sowohl die Entscheidung des Schiedsrichters als auch das Verhalten des Video-Assistenten korrekt.

[ar]

Am 4. Spieltag der Bundesligasaison 2019/2020 sorgten vereinzelte Situationen zum Thema Video-Assistent für öffentliche Diskussionen. Im DFB.de-Interview ordnet Dr. Jochen Drees (49), fachlicher Projektleiter für den Bereich Video-Assistent, die diskutierten Entscheidungen vom Wochenende ein.

DFB.de: Am Freitagabend kam es beim Spiel Fortuna Düsseldorf gegen den VfL Wolfsburg zu einer diskutierten Situation, als der Ball vor der Torerzielung durch den Düsseldorfer Niko Gießelmann vermeintlich die Seitenausline überschritten hatte. Schiedsrichter Manuel Gräfe entschied zusammen mit seinem zuständigen Assistenten Thomas Stein auf Tor, und auch der Video-Assistent Günter Perl griff nicht ein. Herr Drees, war es aus Ihrer Sicht korrekt, den Treffer zu geben?

Dr. Jochen Drees: Ja, nach Sichtung des vorhandenen Bildmaterials war die Entscheidung des Schiedsrichters-Teams korrekt.

DFB.de: Welche Möglichkeiten hatte hier das Schiedsrichtergespann in Zusammenarbeit mit den Video-Assistenten im Kölner Video-Assist-Center VAC? Lassen sich solche Situationen aktuell überhaupt zweifelsfrei auflösen?

Drees: Die Grundlage eines Eingriffs des Video-Assistenten ist, dass die im VAC vorliegenden Kameraperspektiven eine klare und offensichtliche Fehlbeurteilung des Schiedsrichter-Teams belegen. Im vorliegenden Fall konnte nicht zweifelsfrei der Beweis geführt werden, dass der Ball mit vollem Umfang die Seitenlinie überschritten hatte. Dabei muss man sich in Erinnerung rufen, dass der Ball vollständig die Linie überschreiten muss, um im Aus zu sein. Hier reicht eben nicht eine 90-prozentige Überschreitung der Linie. Um in solchen Situationen eine hohe Sicherheit zu erzielen, wäre es notwendig, eine Kamera auf oder über den Seitenlinien zu positionieren, ähnlich wie es bei der Torerzielung mittels der Torlinientechnologie erfolgt. Diese Kamera gibt es aktuell aber in den Stadien nicht.

DFB.de: Beim Spiel Union Berlin gegen Werder Bremen gab es drei Strafstöße und zwei Gelb-Rote Karten. Zweimal kam auch der Video-Assistent bei dieser Begegnung zum Einsatz. Dass es sich um ein sehr anspruchsvolles Spiel für den Schiedsrichter und Video-Assistenten gehandelt hat, unterstrich auch Union-Kapitän Christopher Trimmel nach dem Schlusspfiff: "Das war für alle ein schwieriges Spiel, auch für den Schiedsrichter." Wie bewerten Sie die jeweiligen Strafstoß-Situationen aus fachlicher Sicht?

Situation 1 – Foulspiel am Bremer Spieler Davy Klaassen in der 2. Minute:

Drees: Bei der Beurteilung des Zweikampfs im Berliner Strafraum nahm der Schiedsrichter ein Foulspiel des Berliner Torwarts Rafal Gikiewicz wahr, bei welchem dieser den Bremer Angreifer Klaassen zu Fall brachte. Nach Sichtung der Bilder kam der Video-Assistent zu der Bewertung, dass der leichte Kontakt am Bein des Bremer Spielers nicht ursächlich für den Fall des Spielers war. Aus diesem Grunde war der Eingriff des Video-Assistenten und die Empfehlung, einen On-Field-Review durchzuführen korrekt. Nach Ansicht der Bilder am Monitor in der Review-Area blieb der Schiedsrichter allerdings bei seiner ursprünglichen Entscheidung, da nur er selbst die endgültige Entscheidung in einem solchen Prozess trifft. Regeltechnisch ist die Entscheidung, in dieser Situation einen Strafstoß zu geben, aus unserer Sicht aber falsch.

Situation 2 – Handspiel vom Bremer Spieler Christian Groß in der 12. Minute:

Drees: Hier hatte Schiedsrichter Tobias Welz keine Wahrnehmung des Handspiels auf dem Spielfeld. Nach Ansicht der Bilder durch den Video-Assistenten Bastian Dankert war in Übereinstimmung mit der seit Saisonbeginn verbindlichen Auslegung zum Thema Handspiel ein strafbares Vergehen zu belegen, da der Bremer Spieler Groß den Ball an den auf Schulterhöhe gehaltenen Arm bekam und zusätzlich mit dem Arm eine kurze, aber deutliche Bewegung zum Ball machte. Insofern waren sowohl der Eingriff des Video-Assistenten als auch die Entscheidung des Schiedsrichters, nach dem On-Field-Review einen Strafstoß zu geben, korrekt.

Situation 3 – Foulspiel am Bremer Spieler Theo Gebre Selassie in der 54. Minute:

Drees: Diese Situation wurde durch das Schiedsrichter-Team auf dem Feld entschieden, nachdem der Schiedsrichter-Assistent Rafael Foltyn ein kurzes, aber deutliches Trikotziehen des Berliner Spielers wahrgenommen, dem Schiedsrichter dies mitgeteilt und Tobias Welz daraufhin auf Strafstoß entschieden hatte. Der Video-Assistent konnte dieses Vergehen nach Sichtung der vorliegenden Kamerabilder bestätigen und die Entscheidung des Schiedsrichter-Teams unterstützen. Somit waren auch hier sowohl die Entscheidung des Schiedsrichters als auch das Verhalten des Video-Assistenten korrekt.

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