Dr. Zwanziger: "Unser Beitrag gegen das Vergessen"

Wenige Stunden vor dem wichtigen Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan verleiht der Deutsche Fußball-Bund heute seinen Julius Hirsch Preis. An der feierlichen Preisverleihung im Historischen Rathaus der Stadt Köln werden unter anderem Otto Schily, Bundesinnenminister a.D., Charlotte Knobloch, Bundesvorsitzende des Zentralrates der Juden, Dr. Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und Dr. Theo Zwanziger teilnehmen.

DFB.de sprach mit dem DFB-Präsidenten über Inhalte und Zielsetzungen des Julius Hirsch Preises.

DFB.de: Bereits seit 2005 verleiht der DFB jährlich den Julius Hirsch Preis. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Dr. Theo Zwanziger: Nach den Feierlichkeiten zum 100. Jubiläum unseres Verbandes im Jahr 2000 und aufgrund der zu dieser Zeit geänderten DFB-Satzung war es aus meiner Sicht zwingend notwendig, eine wissenschaftliche Aufarbeitung unseres Sports in der Zeit des Nationalsozialismus auf den Weg zu bringen. Nicht um neue Schuldzuweisungen zu machen, sondern um zu ergründen, wie sich ein solcher Unrechtsstaat in Deutschland entwickeln konnte und vor allem welche Rolle der Fußball und der Verband in diesem Zusammenhang gespielt haben. Die Erkenntnisse der Havemann-Studie haben deutlich gemacht, dass auch der DFB als Sportverband durch eine klare Positionierung und gezielte Projekte kontinuierlich aufzeigen muss, was passiert, wenn sich die Gesellschaft nicht frühzeitig gegen jedwede Art von Diskriminierung zur Wehr setzt. Je weiter wir uns zeitlich von der grausamen NS-Zeit entfernen, desto stärker müssen wir an diese Gräuel erinnern. In diesem Zusammenhang ist der Julius Hirsch Preis für den DFB seit vielen Jahren der bedeutendste Beitrag gegen das Vergessen.

DFB.de: Wie zufrieden sind Sie mit der Resonanz – von den Vereinen, aber auch vom Sport und der Politik?

Dr. Zwanziger: Ich bin mit der zahlenmäßigen Resonanz sehr zufrieden. Allerdings ist die Quantität nicht unser oberstes Ziel. Zumal es sicherlich gewisse Schwierigkeiten gibt. Die Schnittstelle beziehungsweise Abgrenzung zum Integrationspreis des DFB ist nicht ganz klar. Hier werden wir in Zukunft noch ein wenig nacharbeiten müssen. Der Julius Hirsch Preis muss ein unverwechselbares Profil behalten, das an die aus der Nazi-Diktatur resultierenden Verwerfungen erinnert. Er darf nicht mit der allgemeinen und sehr wichtigen Integrations-Herausforderung, Menschen unterschiedlicher Herkunft und Nationalität in Deutschland zusammenzuführen, vermischt werden. Darauf werden wir achten, auch wenn dies zu Lasten der Quantität geht. Wichtiger ist ohnehin die Qualität der Bewerber und vor allem der Preisträger. Hier allerdings sind wir, so glaube ich, auf einem sehr sehr guten Weg.

DFB.de: Sie sind also erfreut über die Qualität der diesjährigen Preisträger?

Dr. Zwanziger: Ja, auf jeden Fall. Die Projekte sind allesamt bemerkenswert. Zudem hat es mich besonders gefreut, dass in diesem Jahr drei Vereine ausgezeichnet werden, die unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes organisiert Fußball spielen. Die Sedlitzer haben mit geringen Mitteln in einem nicht immer leichten Umfeld ein Vereinsleben kultiviert, dass Miteinander statt Ausgrenzung fördert. Hier spielten und spielen etliche Asylbewerber. Ein wirklich lobenswertes Projekt. Der Ehrenpreis geht zudem an die Diplom-Sportpsychologin Dr. Angela Ribler, die im Auftrag der Sportjugend Hessen interveniert, wenn Rechtsextreme den Sport für ihre politischen Ziele nutzen wollen.



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Wenige Stunden vor dem wichtigen Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan verleiht der Deutsche Fußball-Bund heute seinen Julius Hirsch Preis. An der feierlichen Preisverleihung im Historischen Rathaus der Stadt Köln werden unter anderem Otto Schily, Bundesinnenminister a.D., Charlotte Knobloch, Bundesvorsitzende des Zentralrates der Juden, Dr. Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und Dr. Theo Zwanziger teilnehmen.

DFB.de sprach mit dem DFB-Präsidenten über Inhalte und Zielsetzungen des Julius Hirsch Preises.

DFB.de: Bereits seit 2005 verleiht der DFB jährlich den Julius Hirsch Preis. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Dr. Theo Zwanziger: Nach den Feierlichkeiten zum 100. Jubiläum unseres Verbandes im Jahr 2000 und aufgrund der zu dieser Zeit geänderten DFB-Satzung war es aus meiner Sicht zwingend notwendig, eine wissenschaftliche Aufarbeitung unseres Sports in der Zeit des Nationalsozialismus auf den Weg zu bringen. Nicht um neue Schuldzuweisungen zu machen, sondern um zu ergründen, wie sich ein solcher Unrechtsstaat in Deutschland entwickeln konnte und vor allem welche Rolle der Fußball und der Verband in diesem Zusammenhang gespielt haben. Die Erkenntnisse der Havemann-Studie haben deutlich gemacht, dass auch der DFB als Sportverband durch eine klare Positionierung und gezielte Projekte kontinuierlich aufzeigen muss, was passiert, wenn sich die Gesellschaft nicht frühzeitig gegen jedwede Art von Diskriminierung zur Wehr setzt. Je weiter wir uns zeitlich von der grausamen NS-Zeit entfernen, desto stärker müssen wir an diese Gräuel erinnern. In diesem Zusammenhang ist der Julius Hirsch Preis für den DFB seit vielen Jahren der bedeutendste Beitrag gegen das Vergessen.

DFB.de: Wie zufrieden sind Sie mit der Resonanz – von den Vereinen, aber auch vom Sport und der Politik?

Dr. Zwanziger: Ich bin mit der zahlenmäßigen Resonanz sehr zufrieden. Allerdings ist die Quantität nicht unser oberstes Ziel. Zumal es sicherlich gewisse Schwierigkeiten gibt. Die Schnittstelle beziehungsweise Abgrenzung zum Integrationspreis des DFB ist nicht ganz klar. Hier werden wir in Zukunft noch ein wenig nacharbeiten müssen. Der Julius Hirsch Preis muss ein unverwechselbares Profil behalten, das an die aus der Nazi-Diktatur resultierenden Verwerfungen erinnert. Er darf nicht mit der allgemeinen und sehr wichtigen Integrations-Herausforderung, Menschen unterschiedlicher Herkunft und Nationalität in Deutschland zusammenzuführen, vermischt werden. Darauf werden wir achten, auch wenn dies zu Lasten der Quantität geht. Wichtiger ist ohnehin die Qualität der Bewerber und vor allem der Preisträger. Hier allerdings sind wir, so glaube ich, auf einem sehr sehr guten Weg.

DFB.de: Sie sind also erfreut über die Qualität der diesjährigen Preisträger?

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Dr. Zwanziger: Ja, auf jeden Fall. Die Projekte sind allesamt bemerkenswert. Zudem hat es mich besonders gefreut, dass in diesem Jahr drei Vereine ausgezeichnet werden, die unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes organisiert Fußball spielen. Die Sedlitzer haben mit geringen Mitteln in einem nicht immer leichten Umfeld ein Vereinsleben kultiviert, dass Miteinander statt Ausgrenzung fördert. Hier spielten und spielen etliche Asylbewerber. Ein wirklich lobenswertes Projekt. Der Ehrenpreis geht zudem an die Diplom-Sportpsychologin Dr. Angela Ribler, die im Auftrag der Sportjugend Hessen interveniert, wenn Rechtsextreme den Sport für ihre politischen Ziele nutzen wollen.

DFB.de: Bei Themen wie Anti-Diskriminierung, Integration oder auch Fairplay – welche Anstöße kann der Verband geben? Und wie wichtig ist das Engagement der Vereine?

Dr. Zwanziger: Klar ist, dass ein Sportverband immer nur Anregungen geben kann. Allerdings hat der DFB aufgrund seiner medial-kommunikativen Stärke doch besondere Möglichkeiten. Wir müssen Projekte wie beispielsweise den Julius Hirsch Preis initiieren, um Aufmerksamkeit zu schaffen und Bewusstsein zu bilden. Zudem erkennen wir durch solche Aktionen das ungemein wichtige Engagement der Vereine an, die schon von sich aus bereit waren, den Weg gegen Diskriminierung zu gehen. Zumeist weit über das Sportliche hinaus. Dadurch werden bei den Klubs, die dies bislang noch nicht getan haben, Aufmerksamkeit und Interesse geweckt. Das ist wichtig, denn nur über die Veränderung des Denkens und Handelns in unserer Vereinswelt können wir diese große Aufgabe, der wir uns als Verband im Bereich der Integration und im Kampf gegen Diskriminierung stellen, bewältigen.

DFB.de: Welche Bedeutung hat die Geschichte von Julius Hirsch für junge Fußballer in der heutigen Zeit?

Dr. Zwanziger: Ich würde mich sehr freuen, wenn möglichst viele junge Fußballer in Deutschland den Lebensweg von Julius Hirsch, der viele Jahre als deutscher Nationalspieler ein umjubeltes Idol war, dann plötzlich wegen seines jüdischen Glaubens verfolgt und im KZ umgebracht wurde, genauso vor Auge hätten, wie die Werdegänge der heutigen Fußballstars. Das schlimme Beispiel muss das Verhalten für die Zukunft mitprägen, damit sich so etwas nicht wiederholen kann. Das allerdings setzt voraus, dass man das Wissen hat, denn wer die Vergangenheit nicht kennt, kann nicht für die Zukunft lernen. Also müssen wir gemeinsam mit unseren Landesverbänden die Bildungsarbeit weiter intensivieren.

DFB.de: Der Fußball hat die Kraft, Menschen zusammenzubringen. Wie wichtig ist dies gerade heutzutage in Deutschland?

Dr. Zwanziger: Ich habe immer wieder betont, dass der Fußball bei allen Defiziten und Mängeln, einen wichtigen Beitrag für vielfältige gesellschaftliche Aufgaben in unserem Land leisten kann. Allerdings bedeutet dies, dass man auch bereit sein muss, über die Vermittlung des rein sportlichen Wissens, gesellschaftliche Botschaften zu übermitteln, Bildungsarbeit zu leisten. Da kommt – wie so oft – den vielen Trainern eine Schlüsselfunktion zu. Befassen sie sich nur mit Technik und Taktik oder denken sie auch darüber nach, in welch einer Welt ihre jungen Spielerinnen und Spieler in den nächsten Jahrzehnten leben sollen? Wir versuchen über die Bildungsarbeit genau dies zu intensivieren. Je besser uns dies gelingt, desto besser für die allgemeine Entwicklung in unserem Land. Denn Integration heißt nicht, das ständige Thematisieren von Problemen, sondern stetig daran zu arbeiten, dass genau diese Probleme geringer werden.