Dr. Theo Zwanziger: "Ich werde nie der Ober-Guru sein"

In seiner aktiven Zeit, in der er weniger im Blickpunkt stand als heute, trug Dr. Theo Zwanziger die Nummer 10 auf dem Trikot und war Spielmacher seines Heimatvereins VfL Altendiez. Wegweisend für sein mittlerweile vielfältiges und erfolgreiches Engagement im Sport war eine Begegnung mit dem heutigen DFB-Ehrenpräsidenten Egidius Braun im Jahre 1989 bei der Jagd in der Eifel.

Schon bald danach wurde er als Beauftragter für soziale Integration in den DFB-Vorstand gewählt, parallel dazu war er neun Jahre lang Vorsitzender des Fußball-Verbandes Rheinland. Einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsgestaltung des deutschen Fußballs leistete er als Vorsitzender der Kommission, die die am 30. September 2000 in Mainz beschlossene Strukturreform vorbereitete. Seit seiner Wahl zum Schatzmeister am 28. April 2001 beim DFB-Bundestag in Magdeburg gehört er dem DFB-Präsidium an, am 23. Oktober 2004 wurde er in Osnabrück zum Geschäftsführenden Präsidenten gewählt.

Heute kandidiert Dr. Theo Zwanziger, von dem seit 2003 als Vizepräsident des WM-Organisationskomitees auch viele Impulse für die WM 2006 ausgingen, nun als alleiniger DFB-Präsident. Der Ligaverband sowie die fünf Regional- und 21 Landesverbände haben ihn einmütig dafür vorgeschlagen. Mit dem bekennenden Frauenfußball-Fan, für den die gesellschaftliche und soziale Verantwortung des Sports ein großes Anliegen ist, unterhielt sich DFB-Kommunikationsdirektor Harald Stenger über die Ziele in den kommenden Jahren.

Frage: Herr Dr. Zwanziger, gibt es so etwas wie ein Regierungsprogramm für Ihre Zeit als DFB-Präsident?

Dr. Theo Zwanziger: Natürlich habe ich klare Vorstellungen. Diejenigen, die mich gut kennen, wissen sehr genau, dass mir viele Dinge am Herzen liegen. Wir haben nach dieser großartigen WM 2006 eine einmalige Chance, den Stellenwert und die Popularität des Fußballs in Deutschland für unsere Ziele zu nutzen. Nicht im Sinne von Egoismus oder Selbstdarstellung, sondern besonders im Interesse von vielen Kindern und Jugendlichen, der Basisarbeit unserer Vereine und den dort in vorbildlicher Weise aktiven Ehrenamtlichen.

Frage: Wenn Sie von der WM 2006 reden, was ist die wichtigste Erkenntnis dieses Sommers für Sie und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Zwanziger: Der sportliche Erfolg und das sympathische Auftreten unserer Nationalmannschaft sind sicher das, was zu Recht alles überstrahlt. Die Begeisterung der Fans und die tolle Stimmung im Land waren die logische Folge davon. Im gleichen Atemzug muss ich jedoch darauf hinweisen, dass wir uns als WM-Gastgeber nicht nur international gut präsentiert haben, sondern überall bei uns auch eine friedliche und freundschaftliche Atmosphäre herrschte. Die Menschen in Deutschland, egal wo sie geboren sind, haben wirklich gemeinsam ein Fest gefeiert. Und das ist für mich das Wesentliche: Wer jetzt noch nicht begriffen hat, dass Fußball heutzutage die besten und billigsten Integrations-Möglichkeiten bietet, der lernt es nie mehr. Deshalb müssen wir den Alltag in unseren Vereinen so attraktiv wie möglich gestalten. Darüber hinaus wollen wir an die Schulen und in die Kindergärten, um für das multikulturelle Leben in der Gesellschaft unser sportliches Angebot mit dem sozialen Anspruch zu verknüpfen — für den Fußball geht es jetzt nach der WM erst richtig los.

© Bongarts/Getty Images
Gerhard Mayer-Vorfelder und Dr. Theo Zwanziger
Frage: Einige Initiativen sind ja bereits gestartet...

Zwanziger: Unser bereits seit längerem laufendes Mädchenfußball-Programm ist ein Beispiel. Im Frühjahr hat das Präsidium für eine Schulfußball-Offensive fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ein weiterer Schwerpunkt werden verschiedene Integrations-Projekte werden. All das werden wir personell und finanziell so ausstatten, dass effektiv gearbeitet werden kann. Besonders freut mich in diesem Zusammenhang, dass sich unsere Partner in unterschiedlichen Bereichen aus Überzeugung einbringen werden. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat mir und Generalsekretär Horst R. Schmidt besonders für integrative Aktionen die Unterstützung der Bundesregierung zugesagt. Unsere Sponsoren Mercedes- Benz und adidas werden im Rahmen der seit vielen Jahren absolut bewährten Zusammenarbeit ebenfalls entsprechende Schwerpunkte setzen. Es gibt viele Facetten des Engagements für den DFB, wenn die Einheit des Fußballs in der Praxis funktioniert, zwischen den Profis und Amateuren ein Grundvertrauen herrscht.

Frage: Apropos Einheit des Fußballs. So wichtig und wertvoll die gesellschaftlichen Aktivitäten sind, der Fan schaut natürlich fasziniert auf die Nationalmannschaft und die Bundesliga. Entsprechend ist die Darstellung in der Öffentlichkeit, weil die Medien die schlagzeilen- trächtigen Ereignisse besser als hintergründige Entwicklungen transportieren können. Wie beurteilen Sie diese Situation und Ihr Verhältnis zu den Profis?

Zwanziger: Das ist einfach so und daher kein Problem für mich. Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, dass der Leistungssport immer im Blickpunkt stehen wird. Deshalb ist es von jeher meine Rede bei den Amateuren, dass wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass die Profis die Voraussetzung dafür liefern, dass der DFB im Gegensatz zu anderen Sportverbänden ohne staatliche Zuschüsse auskommen kann. Nur wenn wir eine starke Nationalmannschaft und Bundesliga haben, können wir unsere Amateurverbände entsprechend unterstützen und somit die Basis für eine erfolgreiche Arbeit in unseren 26.000 Vereinen legen. Die Bedeutung der Profis und damit der DFL für sie und den DFB ist unstrittig — darüber muss nicht diskutiert werden. Der Leistungssport wird immer die Nummer 1 bleiben. Dahinter kommen dann die immer wieder von Neuem zu optimierende Nachwuchsförderung, der Schul- und Mädchenfußball sowie die soziale Integration. Gemeinsam mit meinem Freund Werner Hackmann stehe ich dafür auch in der Zukunft.

Frage: Der Grundlagenvertrag ist gewissermaßen der Ordnungsrahmen dieser Zusammenarbeit, das menschlich vertrauensvolle Miteinander ist allerdings viel wichtiger...

Zwanziger: Das ist richtig. Ich achte und respektiere zunächst einmal die Selbstständigkeit der Liga in ihrer Verantwortung für die 36 Klubs. Gleichzeitig ist es für mich enorm wichtig, dass ich als DFB-Mann mit den Kollegen der DFL menschlich harmoniere, Verständnis für ihre Positionen aufbringe und trotz möglicher Interessenskonflikte keine Geheimnisse vor ihnen habe. Da haben Werner Hackmann und ich in den vergangenen Jahren selbst in harten Diskussionen auf Grund von inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten einen klaren Kurs gefahren. Für mich gibt es im deutschen Fußball keine für den Ligaverband bedeutende Entscheidung, die ich nicht mit ihm abstimmen werde. Weder sportlich und organisatorisch noch personell, rechtlich oder wirtschaftlich — auch außerhalb der Zusammenkünfte in den Gremien halten wir ständig Kontakt, tauschen uns aus und streben für alle Beteiligten konstruktive Lösungen an.

Frage: Könnten bei solchen Aussagen die Amateure nicht Verrat wittern?

Zwanziger: Nein. Die Amateure, gerade die kleinen Vereine, kennen mich seit langem. Sie wissen, dass ich meine Grundeinstellung zum Fußball nie verändern werde. Gegenseitiges Vertrauen und Verlässlichkeit auf der Basis eines jederzeit in Offenheit vorangetriebenen Meinungsbildungsprozesses waren für mich stets von großer Bedeutung, daran wird sich von mir aus nie etwas ändern und hoffentlich auch nicht von meinen Mitstreitern. Dies gilt übrigens genauso für alle anderen Repräsentanten des deutschen Sports. Ich werde mich dafür einsetzen, dass der DFB in großer Solidarität mit dem DOSB und seinen Mitgliedern die Herausforderungen der Zukunft in Angriff nimmt.

Frage: Welche Rolle wird der deutsche Sport in den kommenden Jahren in den internationalen Gremien spielen?

Zwanziger: Ich freue mich darüber, dass wir mit Dr. Thomas Bach eine Figur als Präsident im DOSB haben, der im IOC und anderen Gremien der beste Mann ist, den ich mir vorstellen kann. Aus der Fußball-Perspektive gesehen ist Franz Beckenbauer unser Aushängeschild. Er hat international ein enorm großes Ansehen und viele Einflussmöglichkeiten. Er kann uns mit seiner Natürlichkeit und großen Ausstrahlung alle Türen öffnen. Er wird überall mit riesengroßer Freude empfangen und ist überall bekannt, um das so flapsig zu sagen, wie ein bunter Hund. Was er als Präsident des WM-Organisationskomitees für das Ansehen von Deutschland geleistet hat, ist nicht in Worte zu fassen. Von den Spitzenpolitikern in aller Welt bis zu dem Mann auf der Straße — jeder kennt den "Kaiser". Wenn Herr Mayer-Vorfelder aus der FIFA-Exekutive ausscheidet, sollte der Franz seinen Platz für den deutschen Fußball einnehmen.

Frage: Und welche Pläne haben Sie?

Zwanziger: Im Interesse des DFB ist es sicher sinnvoll, in einem internationalen Gremium vertreten zu sein. Wenn die Zeit dazu reif ist, könnte ich mir vorstellen, für die UEFA-Exekutive zu kandidieren. So gern ich das mache, es zieht mich aber dort nicht unbedingt hin. Statt an vielen Sitzungen teilzunehmen, gehe ich halt lieber auf einen Amateurplatz, schaue mir das Spiel an und esse in der Halbzeit eine Bratwurst. Trotzdem würde ich eine UEFA-Aufgabe intensiv und verantwortungsvoll ausüben. Und ich bin mir auch sicher, dass ich meine Verantwortung im Interesse des deutschen Fußballs erfolgreich wahrnehmen würde.

Frage: Jetzt müssen wir aber unbedingt zu Ihrer "stillen Liebe" kommen — dem Frauenfußball!

Zwanziger: Was soll ich da sagen — das ist doch alles bekannt. Ich werde alles dafür tun, dass die Fans in Zukunft nicht nur von "Poldi" und "Schweini" schwärmen werden, sondern auch von Birgit Prinz, Anja Mittag oder Navina Omilade. Ein Schwerpunkt wird es sein, dass wir den Zuschlag für die Ausrichtung der Frauen-WM 2011 erhalten werden. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel wird an unserer Seite stehen, damit in fünf Jahren wieder "Die Welt zu Gast bei Freunden" sein kann.

Frage: Wenn Sie am Freitag zum DFB-Präsidenten gewählt werden, was bedeutet das persönlich für Sie?

Das ist ein großes Glückserlebnis und ich bedanke mich für das mir entgegengebrachte Vertrauen, das ein Zeichen für die Wertschätzung meiner Arbeit in den vergangenen Jahren ist. Als ein auf dem Dorf aufgewachsener Fußballer, für den Fritz Walter und Günter Netzer große Idole waren, hätte ich mir nie träumen lassen, einmal für eine solche Position vorgeschlagen zu werden. Die Seelenverwandtschaft zu Egidius Braun ist künftig für mich eine echte Verpflichtung. Ich hoffe, dass ich dabei außerdem von meinen beruflichen Erfahrungen in verschiedenen Bereichen profitieren und immer den Blick für die Wünsche der Menschen behalten werde. Das Amt des DFB-Präsidenten ist das Schönste, das die Gesellschaft in Deutschland zu bieten und zu vergeben hat. Wie ich denke und handle, habenunter anderem der so genannte "Fall Hoyzer" und die Aufarbeitung der Rolle des DFB in der Zeit des Nationalsozialismus gezeigt.

Frage: Können Sie das präzisieren?

Der Wett- und Manipulationsskandal gab mir ungewollt die Möglichkeit, meinen Charakter und meinen Führungsstil stärker sichtbar zu machen. So haben mich viele Menschen überhaupt erst kennengelernt. Ich stehe für gradliniges und ehrliches Arbeiten, nicht für Taktieren oder Mauscheln. Mir sind Auseinandersetzungen lieber als Friedhofsruhe. Deshalb war es auch unbedingt notwendig, die Rolle des DFB in einem traurigen Kapitel der Geschichte Deutschlands aufarbeiten zu lassen. Das von unserem Präsidium in Auftrag gegebene Gutachten von Dr. Nils Havemann war ein wichtiger Schritt im Sinne der Glaubwürdigkeit unseres Verbandes, selbst wenn dadurch im Rückblick auf unsere Vergangenheit schwere Versäumnisse angesprochen werden. Der DFB war bis 1945 unpolitisch, das hat sich geändert. Ich habe als Präsident einen politischen, aber keinen parteipolitischen Anspruch.

Frage: Eine Frage zum Abschluss: Wie wird Ihr Führungsstil als Nummer 1 im deutschen Fußball sein?

Zwanziger: Ich werde nie der Ober-Guru sein, der von oben alles bestimmt. Wechselseitiges Vertrauen, Respekt und die Anerkennung vor der Leistung des anderen — das sind für mich wichtige Kriterien. Gleichzeitig lautet mein klares Bekenntnis: Der Leistungssport ist die Lokomotive, um andere gesellschaftliche und soziale Aktivitäten ins rechte Licht zu rücken. Der DFB ist in der günstigen Situation, für die Nationalmannschaft mit Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff, in der Nachwuchsarbeit mit Sportdirektor Matthias Sammer oder im Frauenfußball mit Trainerin Silvia Neid und ihrer Vorgängerin Tina Theune-Meyer bekannte Sportler und Sportlerinnen unter Vertrag zu haben, die Garanten für ein erfolgreiches und innovatives Arbeiten sind. Ich persönlich weiß, dass ich in schwierigen Situationen um die Einheit des Fußballs kämpfen muss, und bin selbstbewusst genug, um zu versprechen, dass wir national und international weiterhin die erfolgreichen Aktivitäten der vergangenen Jahre fortsetzen werden. Für die 6,3 Millionen Mitglieder sehe ich den DFB als einen Dienstleister, der für alle ein modernes Service-Angebot anbieten kann, damit bei den Vereinen und dort besonders bei den Talenten viel Spaß herrscht. Das Ziel von Ehren- und Hauptamtlichen muss es sein, dass der DFB weiterhin allen Herausforderungen der Zukunft gerecht wird und stets neue Ziele anstrebt. [hs]


[bild1]In seiner aktiven Zeit, in der er weniger im Blickpunkt stand als heute, trug Dr. Theo Zwanziger die Nummer 10 auf dem Trikot und war Spielmacher seines Heimatvereins VfL Altendiez.
Wegweisend für sein mittlerweile vielfältiges und erfolgreiches
Engagement im Sport war eine Begegnung mit dem heutigen
DFB-Ehrenpräsidenten Egidius Braun im Jahre 1989 bei der
Jagd in der Eifel.



Schon bald danach wurde er als Beauftragter
für soziale Integration in den DFB-Vorstand gewählt, parallel
dazu war er neun Jahre lang Vorsitzender des Fußball-Verbandes
Rheinland. Einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsgestaltung
des deutschen Fußballs leistete er als Vorsitzender der Kommission, die die am 30. September 2000 in Mainz beschlossene
Strukturreform vorbereitete. Seit seiner Wahl zum Schatzmeister
am 28. April 2001 beim DFB-Bundestag in Magdeburg
gehört er dem DFB-Präsidium an, am 23. Oktober 2004 wurde
er in Osnabrück zum Geschäftsführenden Präsidenten gewählt.



Heute kandidiert Dr. Theo Zwanziger, von dem seit 2003 als
Vizepräsident des WM-Organisationskomitees auch viele Impulse
für die WM 2006 ausgingen, nun als alleiniger DFB-Präsident.
Der Ligaverband sowie die fünf Regional- und 21 Landesverbände
haben ihn einmütig dafür vorgeschlagen. Mit dem
bekennenden Frauenfußball-Fan, für den die gesellschaftliche
und soziale Verantwortung des Sports ein großes Anliegen ist,
unterhielt sich DFB-Kommunikationsdirektor Harald Stenger
über die Ziele in den kommenden Jahren.



Frage: Herr Dr. Zwanziger, gibt es so etwas wie ein Regierungsprogramm für Ihre Zeit als DFB-Präsident?



Dr. Theo Zwanziger: Natürlich habe ich klare Vorstellungen. Diejenigen, die mich gut kennen, wissen sehr genau, dass mir viele Dinge am Herzen liegen. Wir haben nach dieser großartigen WM 2006 eine einmalige Chance, den Stellenwert
und die Popularität des Fußballs in Deutschland für unsere
Ziele zu nutzen. Nicht im Sinne von Egoismus oder Selbstdarstellung, sondern besonders im Interesse von vielen Kindern und Jugendlichen, der Basisarbeit unserer Vereine und
den dort in vorbildlicher Weise aktiven Ehrenamtlichen.



Frage: Wenn Sie von der WM 2006 reden, was ist die wichtigste Erkenntnis dieses Sommers für Sie und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?



Zwanziger: Der sportliche Erfolg und das sympathische Auftreten unserer Nationalmannschaft sind sicher das, was zu Recht alles überstrahlt. Die Begeisterung der Fans und die tolle Stimmung im Land waren die logische Folge davon. Im gleichen Atemzug muss ich jedoch darauf hinweisen, dass wir uns als WM-Gastgeber nicht nur international gut präsentiert haben,
sondern überall bei uns auch eine friedliche und freundschaftliche Atmosphäre herrschte. Die Menschen in Deutschland, egal wo sie geboren sind, haben wirklich gemeinsam ein Fest gefeiert. Und das ist für mich das Wesentliche: Wer jetzt noch nicht begriffen hat, dass Fußball heutzutage die besten und billigsten Integrations-Möglichkeiten bietet, der lernt es nie mehr. Deshalb müssen wir den Alltag in unseren Vereinen so attraktiv wie möglich gestalten. Darüber hinaus wollen wir an die Schulen und in die Kindergärten,
um für das multikulturelle Leben in der Gesellschaft
unser sportliches Angebot mit dem sozialen Anspruch zu
verknüpfen — für den Fußball geht es jetzt nach der WM
erst richtig los.


© Bongarts/Getty Images
Gerhard Mayer-Vorfelder und
Dr. Theo Zwanziger

Frage: Einige Initiativen sind ja
bereits gestartet...



Zwanziger: Unser bereits seit längerem laufendes Mädchenfußball-Programm ist ein Beispiel. Im Frühjahr hat das Präsidium für eine Schulfußball-Offensive fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ein weiterer Schwerpunkt werden verschiedene Integrations-Projekte werden. All das werden wir personell und finanziell so ausstatten, dass effektiv gearbeitet
werden kann. Besonders freut mich in diesem Zusammenhang,
dass sich unsere Partner in unterschiedlichen Bereichen aus
Überzeugung einbringen werden. Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel hat mir und Generalsekretär Horst R. Schmidt
besonders für integrative Aktionen die Unterstützung der
Bundesregierung zugesagt. Unsere Sponsoren Mercedes-
Benz und adidas werden im Rahmen der seit vielen Jahren
absolut bewährten Zusammenarbeit ebenfalls entsprechende
Schwerpunkte setzen. Es gibt viele Facetten des Engagements
für den DFB, wenn die Einheit des Fußballs in der Praxis funktioniert, zwischen den Profis und Amateuren ein Grundvertrauen herrscht.



Frage: Apropos Einheit des Fußballs. So wichtig und wertvoll die gesellschaftlichen Aktivitäten sind, der Fan schaut natürlich fasziniert auf die Nationalmannschaft und die Bundesliga. Entsprechend ist die Darstellung in der Öffentlichkeit, weil die Medien die schlagzeilen-
trächtigen Ereignisse besser als hintergründige Entwicklungen transportieren können. Wie beurteilen Sie diese Situation und Ihr Verhältnis zu den Profis?



Zwanziger: Das ist einfach so und daher kein Problem für mich. Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, dass der Leistungssport immer im Blickpunkt stehen wird. Deshalb ist es von jeher meine Rede bei den Amateuren, dass wir uns darüber
im Klaren sein müssen, dass die Profis die Voraussetzung
dafür liefern, dass der DFB im Gegensatz zu anderen
Sportverbänden ohne staatliche Zuschüsse auskommen
kann. Nur wenn wir eine starke Nationalmannschaft
und Bundesliga haben, können wir unsere Amateurverbände
entsprechend unterstützen und somit die Basis für eine
erfolgreiche Arbeit in unseren 26.000 Vereinen legen. Die
Bedeutung der Profis und damit der DFL für sie und den
DFB ist unstrittig — darüber muss nicht diskutiert werden.
Der Leistungssport wird immer die Nummer 1 bleiben.
Dahinter kommen dann die immer wieder von Neuem zu
optimierende Nachwuchsförderung, der Schul- und Mädchenfußball
sowie die soziale Integration. Gemeinsam mit meinem Freund Werner Hackmann stehe ich dafür auch in der Zukunft.



Frage: Der Grundlagenvertrag ist gewissermaßen der Ordnungsrahmen dieser Zusammenarbeit, das menschlich vertrauensvolle Miteinander ist allerdings viel
wichtiger...



Zwanziger: Das ist richtig. Ich achte und
respektiere zunächst einmal die Selbstständigkeit der Liga
in ihrer Verantwortung für die 36 Klubs. Gleichzeitig ist
es für mich enorm wichtig, dass ich als DFB-Mann mit den
Kollegen der DFL menschlich harmoniere, Verständnis für
ihre Positionen aufbringe und trotz möglicher Interessenskonflikte keine Geheimnisse vor ihnen habe. Da haben
Werner Hackmann und ich in den vergangenen Jahren
selbst in harten Diskussionen auf Grund von inhaltlichen
Meinungsverschiedenheiten einen klaren Kurs gefahren.
Für mich gibt es im deutschen Fußball keine für den Ligaverband
bedeutende Entscheidung, die ich nicht mit ihm
abstimmen werde. Weder sportlich und organisatorisch
noch personell, rechtlich oder wirtschaftlich — auch außerhalb
der Zusammenkünfte in den Gremien halten wir ständig
Kontakt, tauschen uns aus und streben für alle Beteiligten
konstruktive Lösungen an.



Frage: Könnten bei solchen Aussagen die Amateure nicht Verrat wittern?



Zwanziger: Nein. Die Amateure, gerade die kleinen Vereine, kennen mich seit langem. Sie wissen, dass ich meine Grundeinstellung zum Fußball nie verändern werde. Gegenseitiges Vertrauen und Verlässlichkeit auf der Basis eines jederzeit in Offenheit vorangetriebenen Meinungsbildungsprozesses
waren für mich stets von großer Bedeutung, daran wird sich von mir aus nie etwas ändern und hoffentlich auch nicht von meinen
Mitstreitern. Dies gilt übrigens genauso für alle anderen
Repräsentanten des deutschen Sports. Ich werde mich dafür
einsetzen, dass der DFB in großer Solidarität mit dem
DOSB und seinen Mitgliedern die Herausforderungen der
Zukunft in Angriff nimmt.



Frage: Welche Rolle wird der deutsche Sport in den kommenden Jahren in den internationalen Gremien spielen?



Zwanziger: Ich freue mich darüber, dass
wir mit Dr. Thomas Bach eine Figur als Präsident im DOSB
haben, der im IOC und anderen Gremien der beste Mann ist,
den ich mir vorstellen kann. Aus der Fußball-Perspektive
gesehen ist Franz Beckenbauer unser Aushängeschild. Er hat
international ein enorm großes Ansehen und viele Einflussmöglichkeiten. Er kann uns mit seiner Natürlichkeit und großen Ausstrahlung alle Türen öffnen. Er wird überall mit riesengroßer Freude empfangen und ist überall bekannt, um das
so flapsig zu sagen, wie ein bunter Hund. Was er als Präsident
des WM-Organisationskomitees für das Ansehen von Deutschland
geleistet hat, ist nicht in Worte zu fassen. Von den Spitzenpolitikern in aller Welt bis zu dem Mann auf der Straße — jeder kennt den "Kaiser". Wenn Herr Mayer-Vorfelder aus der FIFA-Exekutive ausscheidet, sollte der Franz seinen Platz für den
deutschen Fußball einnehmen.



Frage: Und welche Pläne haben Sie?



Zwanziger: Im Interesse des DFB ist es sicher sinnvoll, in einem internationalen Gremium vertreten zu sein. Wenn die Zeit dazu reif ist, könnte ich mir vorstellen, für die UEFA-Exekutive zu kandidieren. So gern ich das mache,
es zieht mich aber dort nicht unbedingt hin. Statt an vielen
Sitzungen teilzunehmen, gehe ich halt lieber auf einen Amateurplatz, schaue mir das Spiel an und esse in der Halbzeit
eine Bratwurst. Trotzdem würde ich eine UEFA-Aufgabe intensiv
und verantwortungsvoll ausüben. Und ich bin mir auch
sicher, dass ich meine Verantwortung im Interesse des deutschen
Fußballs erfolgreich wahrnehmen würde.



Frage: Jetzt müssen wir aber unbedingt zu Ihrer "stillen Liebe" kommen — dem Frauenfußball!



Zwanziger: Was soll ich da sagen — das ist
doch alles bekannt. Ich werde alles dafür tun, dass die Fans in
Zukunft nicht nur von "Poldi" und "Schweini" schwärmen
werden, sondern auch von Birgit Prinz, Anja Mittag oder
Navina Omilade. Ein Schwerpunkt wird es sein, dass wir
den Zuschlag für die Ausrichtung der Frauen-WM 2011 erhalten
werden. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel wird an unserer
Seite stehen, damit in fünf Jahren wieder "Die Welt zu
Gast bei Freunden" sein kann.



Frage: Wenn Sie am Freitag zum DFB-Präsidenten
gewählt werden, was bedeutet das persönlich für Sie?



Das ist ein großes Glückserlebnis und ich bedanke mich für das
mir entgegengebrachte Vertrauen, das ein Zeichen für die
Wertschätzung meiner Arbeit in den vergangenen Jahren
ist. Als ein auf dem Dorf aufgewachsener Fußballer, für
den Fritz Walter und Günter Netzer große Idole waren, hätte
ich mir nie träumen lassen, einmal für eine solche Position
vorgeschlagen zu werden. Die Seelenverwandtschaft zu
Egidius Braun ist künftig für mich eine echte Verpflichtung. Ich hoffe, dass ich dabei außerdem von meinen beruflichen
Erfahrungen in verschiedenen Bereichen profitieren und immer
den Blick für die Wünsche der Menschen behalten werde.
Das Amt des DFB-Präsidenten ist das Schönste, das die Gesellschaft in Deutschland zu bieten und zu vergeben hat.
Wie ich denke und handle, habenunter anderem der so genannte
"Fall Hoyzer" und die Aufarbeitung der Rolle des DFB in der
Zeit des Nationalsozialismus gezeigt.



Frage: Können Sie das präzisieren?



Der Wett- und Manipulationsskandal gab mir ungewollt die
Möglichkeit, meinen Charakter und meinen Führungsstil stärker
sichtbar zu machen. So haben mich viele Menschen überhaupt
erst kennengelernt. Ich stehe für gradliniges und ehrliches
Arbeiten, nicht für Taktieren oder Mauscheln. Mir sind Auseinandersetzungen lieber als Friedhofsruhe. Deshalb war es
auch unbedingt notwendig, die Rolle des DFB in einem
traurigen Kapitel der Geschichte Deutschlands aufarbeiten
zu lassen. Das von unserem Präsidium in Auftrag gegebene
Gutachten von Dr. Nils Havemann war ein wichtiger Schritt
im Sinne der Glaubwürdigkeit unseres Verbandes, selbst
wenn dadurch im Rückblick auf unsere Vergangenheit
schwere Versäumnisse angesprochen werden. Der DFB
war bis 1945 unpolitisch, das hat sich geändert. Ich habe als
Präsident einen politischen, aber keinen parteipolitischen
Anspruch.



Frage: Eine Frage zum Abschluss: Wie wird Ihr Führungsstil als Nummer 1 im deutschen Fußball sein?



[bild2]Zwanziger: Ich werde nie der Ober-Guru
sein, der von oben alles bestimmt. Wechselseitiges Vertrauen,
Respekt und die Anerkennung vor der Leistung des
anderen — das sind für mich wichtige Kriterien. Gleichzeitig
lautet mein klares Bekenntnis: Der Leistungssport ist die
Lokomotive, um andere gesellschaftliche und soziale Aktivitäten
ins rechte Licht zu rücken. Der DFB ist in der günstigen Situation, für die Nationalmannschaft mit Bundestrainer
Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff, in der Nachwuchsarbeit
mit Sportdirektor Matthias Sammer oder im Frauenfußball mit Trainerin Silvia Neid und ihrer Vorgängerin Tina Theune-Meyer
bekannte Sportler und Sportlerinnen unter Vertrag zu
haben, die Garanten für ein erfolgreiches und innovatives
Arbeiten sind. Ich persönlich weiß, dass ich in schwierigen
Situationen um die Einheit des Fußballs kämpfen muss,
und bin selbstbewusst genug, um zu versprechen, dass wir
national und international weiterhin die erfolgreichen
Aktivitäten der vergangenen Jahre fortsetzen werden.
Für die 6,3 Millionen Mitglieder sehe ich den DFB als einen
Dienstleister, der für alle ein modernes Service-Angebot
anbieten kann, damit bei den Vereinen und dort besonders
bei den Talenten viel Spaß herrscht. Das Ziel von Ehren- und
Hauptamtlichen muss es sein, dass der DFB weiterhin
allen Herausforderungen der Zukunft gerecht wird und stets
neue Ziele anstrebt.