Drees: "Bewertung eines strafbaren Handspiels korrekt"

Im Bundesliga-Topspiel des 14. Spieltags zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München (2:3) sorgten Strafraumszenen, vor allem die Strafstoßentscheidung in der 73. Spielminute nach VA-Intervention, für öffentliche Diskussionen. Im DFB.de-Interview beleuchtet Dr. Jochen Drees, fachlicher Projektleiter für den Bereich Video-Assistent und Mitglied der Sportlichen Leitung der Elite-Schiedsrichter*innen, die Szenen.

DFB.de: Kurz vor der Halbzeit in der 43. Spielminute kommt es an der Strafraumgrenze des FC Bayern zu einem Zweikampf zwischen Robert Lewandowski und Erling Haaland. Felix Zwayer lässt weiterlaufen. Lag in dieser Szene ein strafstoßwürdiges Foul vor, bei dem der VA hätte eingreifen können?

Dr. Jochen Drees: In dieser Situation liegt ein Halten des Münchner Spielers vor. Diese findet allerdings kurz vor dem Strafraum seine Wirkung und wurde von Felix Zwayer bewertet. Aus meiner Sicht handelt es sich regeltechnisch um ein Foulspiel, welches einen direkten Freistoß und eine Verwarnung des Bayern-Spielers hätte nach sich ziehen müssen. Zur Frage des Tatorts, also ob das Halten eventuell knapp im Strafraum endete, lassen die vorliegenden Bilder für den VA keinen zweifelsfreien Beleg zu, sodass hier keine Interventionsmöglichkeit für den VA besteht.

DFB.de: In der 53. Spielminute folgt eine Zweikampfszene im Strafraum des FC Bayern, in welcher der Dortmunder Marco Reus nach einem möglichen Kontakt mit Gegenspieler Lucas Hernandez fällt. Zwayer lässt weiterlaufen, der Video-Assistent greift nicht ein. Wie bewerten Sie das VA-Verhalten in dieser Szene?

Dr. Drees: Bei diesem Laufduell kommt es zu einem Oberkörperkontakt und einem leichten Schieben durch den Münchner Spieler. Einen "Treffer" im Fußbereich gibt es hier nicht. Auch hier hat der Schiedsrichter und insbesondere auch der Schiedsrichter-Assistent eine vollständige Wahrnehmung und Kontrolle über den gesamten Vorgang. Der Zweikampf wird als nicht strafwürdig bewertet. Da sich die Information der vorliegenden Bilder nicht von der Wahrnehmung des Schiedsrichters unterscheiden, handelt es sich um eine reine Bewertungsfrage, die der Schiedsrichter auf dem Platz treffen muss. Entscheidend in dieser Szene ist aber auch, dass sich der Spieler Haaland in der Eröffnung der Angriffssituation mit einem Fuß im Abseits befindet, sodass die nachfolgende Bewertung der Zweikampfszene für den VA regeltechnisch keine Rolle mehr spielt. Das bedeutet, dass selbst bei einer strafbaren Bewertung des Zweikampfes, dieser Strafstoß aufgrund der Abseitsstellung des Dortmunder Angreifers durch den VA korrigiert worden wäre.

DFB.de: Für die meisten Diskussionen sorgte die Strafstoßentscheidung in der 73. Spielminute in Folge eines Handspiels des Dortmunder Mats Hummels. Felix Zwayer entscheidet nach VA-Intervention und On-Field-Review (OFR) auf einen Strafstoß für Bayern München. Wie haben Sie die Szene wahrgenommen und wie ordnen Sie den Eingriff des Video-Assistenten ein?

Dr. Drees: Bei der Flanke von der rechten Seite geht der Dortmunder Spieler mit vorgehaltenem Arm in einer aktiven Bewegung zum Ball und spielt diesen mit dem Ellenbogen. Die Armhaltung des Spielers seitlich vom Körper ist als nicht natürlich einzuordnen. Allerdings hat der Spieler zum Zeitpunkt der Ballberührung den Blick nicht zum Ball gerichtet, kann aber sehr wohl einschätzen, woher dieser kommt, und wird gegebenenfalls durch einen weiteren Mitspieler irritiert. In dieser Situation hat Felix Zwayer keine vollständige Wahrnehmung auf den Vorgang und erkennt lediglich, dass der Ball am Arm des Dortmunder Spielers war, nicht jedoch, wie es zu diesem Handspiel gekommen ist und wie die Armhaltung im Verlauf der Situation war. Da der Schiedsrichter ohne diese Informationen keine vollständige, fachliche Bewertung vornehmen kann und die Situation die geschilderten strafbaren Argumente beinhaltet, ist die Empfehlung zu einem OFR durch den VA nachvollziehbar.

DFB.de: War die Entscheidung des Schiedsrichters auf Strafstoß in der 73. Spielminute korrekt?

Dr. Drees: Zunächst muss man sagen, dass Felix Zwayer durch seine großzügige Spielleitung mit dazu beigetragen, dass ein Fußballspiel auf höchstem Niveau ablief. Bei der Frage der fachlichen Bewertung des Handspiels im Zusammenhang mit der großzügigen Linie bei der Bewertung der geschilderten Zweikampfsituationen sind die im Nachgang aufkommenden Fragen, ob die fachliche Bewertung unauslegbar strafbar sein muss, für mich aber auch nachvollziehbar. Betrachtet man die Situation trotzdem losgelöst, ist die Bewertung eines strafbaren Handspiels und somit eines Strafstoßes korrekt.

[dfb]

Im Bundesliga-Topspiel des 14. Spieltags zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München (2:3) sorgten Strafraumszenen, vor allem die Strafstoßentscheidung in der 73. Spielminute nach VA-Intervention, für öffentliche Diskussionen. Im DFB.de-Interview beleuchtet Dr. Jochen Drees, fachlicher Projektleiter für den Bereich Video-Assistent und Mitglied der Sportlichen Leitung der Elite-Schiedsrichter*innen, die Szenen.

DFB.de: Kurz vor der Halbzeit in der 43. Spielminute kommt es an der Strafraumgrenze des FC Bayern zu einem Zweikampf zwischen Robert Lewandowski und Erling Haaland. Felix Zwayer lässt weiterlaufen. Lag in dieser Szene ein strafstoßwürdiges Foul vor, bei dem der VA hätte eingreifen können?

Dr. Jochen Drees: In dieser Situation liegt ein Halten des Münchner Spielers vor. Diese findet allerdings kurz vor dem Strafraum seine Wirkung und wurde von Felix Zwayer bewertet. Aus meiner Sicht handelt es sich regeltechnisch um ein Foulspiel, welches einen direkten Freistoß und eine Verwarnung des Bayern-Spielers hätte nach sich ziehen müssen. Zur Frage des Tatorts, also ob das Halten eventuell knapp im Strafraum endete, lassen die vorliegenden Bilder für den VA keinen zweifelsfreien Beleg zu, sodass hier keine Interventionsmöglichkeit für den VA besteht.

DFB.de: In der 53. Spielminute folgt eine Zweikampfszene im Strafraum des FC Bayern, in welcher der Dortmunder Marco Reus nach einem möglichen Kontakt mit Gegenspieler Lucas Hernandez fällt. Zwayer lässt weiterlaufen, der Video-Assistent greift nicht ein. Wie bewerten Sie das VA-Verhalten in dieser Szene?

Dr. Drees: Bei diesem Laufduell kommt es zu einem Oberkörperkontakt und einem leichten Schieben durch den Münchner Spieler. Einen "Treffer" im Fußbereich gibt es hier nicht. Auch hier hat der Schiedsrichter und insbesondere auch der Schiedsrichter-Assistent eine vollständige Wahrnehmung und Kontrolle über den gesamten Vorgang. Der Zweikampf wird als nicht strafwürdig bewertet. Da sich die Information der vorliegenden Bilder nicht von der Wahrnehmung des Schiedsrichters unterscheiden, handelt es sich um eine reine Bewertungsfrage, die der Schiedsrichter auf dem Platz treffen muss. Entscheidend in dieser Szene ist aber auch, dass sich der Spieler Haaland in der Eröffnung der Angriffssituation mit einem Fuß im Abseits befindet, sodass die nachfolgende Bewertung der Zweikampfszene für den VA regeltechnisch keine Rolle mehr spielt. Das bedeutet, dass selbst bei einer strafbaren Bewertung des Zweikampfes, dieser Strafstoß aufgrund der Abseitsstellung des Dortmunder Angreifers durch den VA korrigiert worden wäre.

DFB.de: Für die meisten Diskussionen sorgte die Strafstoßentscheidung in der 73. Spielminute in Folge eines Handspiels des Dortmunder Mats Hummels. Felix Zwayer entscheidet nach VA-Intervention und On-Field-Review (OFR) auf einen Strafstoß für Bayern München. Wie haben Sie die Szene wahrgenommen und wie ordnen Sie den Eingriff des Video-Assistenten ein?

Dr. Drees: Bei der Flanke von der rechten Seite geht der Dortmunder Spieler mit vorgehaltenem Arm in einer aktiven Bewegung zum Ball und spielt diesen mit dem Ellenbogen. Die Armhaltung des Spielers seitlich vom Körper ist als nicht natürlich einzuordnen. Allerdings hat der Spieler zum Zeitpunkt der Ballberührung den Blick nicht zum Ball gerichtet, kann aber sehr wohl einschätzen, woher dieser kommt, und wird gegebenenfalls durch einen weiteren Mitspieler irritiert. In dieser Situation hat Felix Zwayer keine vollständige Wahrnehmung auf den Vorgang und erkennt lediglich, dass der Ball am Arm des Dortmunder Spielers war, nicht jedoch, wie es zu diesem Handspiel gekommen ist und wie die Armhaltung im Verlauf der Situation war. Da der Schiedsrichter ohne diese Informationen keine vollständige, fachliche Bewertung vornehmen kann und die Situation die geschilderten strafbaren Argumente beinhaltet, ist die Empfehlung zu einem OFR durch den VA nachvollziehbar.

DFB.de: War die Entscheidung des Schiedsrichters auf Strafstoß in der 73. Spielminute korrekt?

Dr. Drees: Zunächst muss man sagen, dass Felix Zwayer durch seine großzügige Spielleitung mit dazu beigetragen, dass ein Fußballspiel auf höchstem Niveau ablief. Bei der Frage der fachlichen Bewertung des Handspiels im Zusammenhang mit der großzügigen Linie bei der Bewertung der geschilderten Zweikampfsituationen sind die im Nachgang aufkommenden Fragen, ob die fachliche Bewertung unauslegbar strafbar sein muss, für mich aber auch nachvollziehbar. Betrachtet man die Situation trotzdem losgelöst, ist die Bewertung eines strafbaren Handspiels und somit eines Strafstoßes korrekt.

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