Dotchev: "Auf der Bank besser als im Büro"

Der FC Erzgebirge Aue startet in der 3. Liga heute (ab 19 Uhr, live bei MagentaSport) mit der Partie beim Mitabsteiger FC Ingolstadt 04. Auf der Bank nimmt ein alter Bekannter Platz: Drittliga-Rekordtrainer Pavel Dotchev soll die "Veilchen" zum Klassenverbleib führen. Im DFB.de-Interview spricht der 57-Jährige mit Mitarbeiter Dominik Dittmar über sein erneutes Engagement und die Ausgangslage.

DFB.de: Seit etwas mehr als einem Monat sind Sie zum insgesamt schon dritten Mal als Cheftrauner beim FC Erzgebirge Aue tätig. Hätten Sie im Vorfeld gedacht, dass es zu einer erneuten Rückkehr kommen könnte, Herr Dotchev?

Pavel Dotchev: Um ehrlich zu sein: Nein. Nach der Trennung im Sommer hätte ich das nicht mehr für möglich gehalten. Ich habe in der Region zwar viele Freunde gewonnen. Den Kontakt zum FC Erzgebirge Aue hatte ich aber komplett abgebrochen. Nachdem Timo Rost als Cheftrainer freigestellt worden war, gab es zunächst zwei unverbindliche Telefonate. Konkreter wurde es dann Anfang Dezember. Ich wurde eingeladen und hatte mit dem neuen Vorstand sowie Sport-Geschäftsführer Matthias Heidrich ein sehr gutes Gespräch. Daher war die Entscheidung für mich nicht schwer.

DFB.de: Wie haben Sie die Reaktionen im Umfeld wahrgenommen?

Dotchev: Die Rückmeldungen waren alle sehr positiv. Ich habe viele emotionale Bindungen zum FC Erzgebirge, zu den Fans, den Spielern und der gesamten Region. Da konnte ich den Verein auch nicht einfach im Stich lassen, wenn ich gefragt werde, ob ich helfen kann.

DFB.de: Zu Beginn Ihrer zweiten Amtszeit im November 2021 waren Sie als Sportdirektor nach Aue gekommen. Können Sie sich eine solche Rolle für die Zukunft noch einmal vorstellen?

Dotchev: Bevor ich in Aue Sportdirektor wurde, hatte ich mit dem FC Viktoria Köln und dem MSV Duisburg zwei sehr intensive und anstrengende Trainerstationen hinter mir. Ich habe mit meinen Mannschaften quasi drei Jahre lang immer gegen den Abstieg gespielt. Als Sportdirektor hatte ich die Möglichkeit gesehen, beim Fußball zu bleiben und im Hintergrund auf viele Sachen Einfluss nehmen zu können. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass ich mich in der Rolle als Trainer wohler fühle und meine Stärken auf der Bank besser einbringen kann als im Büro.

DFB.de: Der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz beträgt nach 17 Spieltagen zwei Punkte. Warum hat sich der FC Erzgebirge nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga bislang auch eine Spielklasse tiefer sehr schwergetan?

Dotchev: Unsere Situation ist keineswegs eine Ausnahme. Erst in der vergangenen Saison hatten die Würzburger Kickers als Absteiger ebenfalls große Probleme und sind am Ende sogar bis in die Regionalliga Bayern durchgereicht worden. Als Absteiger denkt man häufig, dass man direkt in die 2. Bundesliga zurückkehren kann. Meiner Meinung nach ist es aber sogar wesentlich "leichter", in der 2. Bundesliga zu bleiben, als aus der 3. Liga aufzusteigen. Mindestens zehn Drittligisten sind so ambitioniert, unbedingt den Sprung in die höhere Spielklasse schaffen zu wollen. Da zu bestehen, ist verdammt schwer. In Aue klafften der Anspruch und die Realität ein wenig auseinander.

DFB.de: Mal Hand aufs Herz: Ist es vielleicht sogar die schwierigste Ausgangslage in Ihrer langen Trainerkarriere?

Dotchev: Das werden wir sehen. Ich habe ja schon einiges erlebt. (lacht) Als ich beispielsweise im Februar 2021 beim MSV Duisburg übernommen hatte, war das Team die schlechteste Heimmannschaft und Vorletzter in der Tabelle. Zwei Spieltage vor dem Saisonende haben wir aber den Klassenverbleib geschafft. Als Trainer war das für mich so hoch wie ein Aufstieg zu bewerten. Ich hoffe, dass uns das auch in Aue gelingt. Wie schwer das wird, weiß ich noch nicht. Mit einer Serie könnten wir uns ein wenig Luft von den unteren Plätzen verschaffen. Genauso kann es aber auch sein, dass wir bis zum Schluss zittern müssen. Das sind Dinge, die ich aktuell nicht voraussehen kann. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir die Qualität besitzen, um uns aus eigener Kraft zu retten.

DFB.de: Durch Ihre Rückkehr in die 3. Liga bleiben Sie vor Stefan Krämer der Rekordtrainer der Spielklasse und werden in Kürze bereits zum 300. Mal eine Mannschaft in einem Drittligaspiel betreuen. Was bedeutet Ihnen das?

Dotchev: Schon viel. Für mich ist es eine tolle Sache, Rekordtrainer zu sein. Ich habe im Jahr 2000 meine Ausbildung zum Fußball-Lehrer abgeschlossen. Seitdem sind sehr viele gut ausgebildete Trainer dazugekommen, teilweise auch Ex-Nationalspieler. Dann so lange im Geschäft zu bleiben, ist nicht selbstverständlich. Das freut mich und macht mich auch stolz.

DFB.de: Zurück zur Aktualität: Was waren in Aue diesmal Ihre ersten Ansatzpunkte?

Dotchev: Durch die WM-Pause hatte ich einige Wochen Zeit, um mit der Mannschaft zu arbeiten, die Spieler kennenzulernen und auf gewisse Punkte Einfluss zu nehmen. Das Team hatte in der Hinrunde immer wieder negative Erlebnisse - auch zurecht. Mir war es daher wichtig, eine positive Grundstimmung in der Mannschaft zu schaffen. Natürlich ging es auch darum, eine Spielphilosophie zu entwickeln. Wir wollten eine gewisse Hierarchie und eine Gruppendynamik aufbauen. Das sind viele Punkte, die wir Schritt für Schritt aufarbeiten müssen.

DFB.de: Welchen Eindruck hat die Mannschaft auf Sie in der Vorbereitung gemacht?

Dotchev: Vor allem das abschließende Testspiel gegen den FC Energie Cottbus war sehr wichtig für uns - auch unter dem Aspekt einer guten Stimmung im Team. Es ging zwar gegen einen unterklassigen Gegner. Von der Qualität her hatte es sich aber wie ein Gegner aus der 3. Liga angefühlt. Das Testspiel war ein hartes Stück Arbeit für uns. Die Mannschaft hat es aber geschafft, gegen Widerstände anzukommen und letztlich 3:1 zu gewinnen.

DFB.de: Worauf wird es im Rennen um den Klassenverbleib ankommen?

Dotchev: Im Vergleich zur Vorbereitung kommt in den Meisterschaftsspielen der psychische Druck dazu. Man ist in der Ausgangsposition, dass man liefern muss. Es gibt keinen Raum, um Fehler zu machen, weil in der Hinrunde viele Punkte liegengelassen wurden. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Spiele weniger werden, man aber immer mehr Punkte benötigt. Die Kunst dabei ist, stabil zu bleiben, regelmäßig zu punkten und sich so aus der Abstiegszone zu befreien.

DFB.de: Die zweite Saisonhälfte startet für den FC Erzgebirge am Montag mit der Partie beim viertplatzierten FC Ingolstadt 04. Wie schätzen Sie die Aufgabe ein?

Dotchev: Ich könnte Druck rausnehmen und sagen, dass wir Außenseiter sind. Mal schauen, ob wir etwas mitnehmen können. Diese Rolle möchte ich aber nicht haben. In der 3. Liga war es schon oft genug der Fall, dass jeder wirklich jeden besiegen kann. Warum sollten wir also in Ingolstadt keine Chance haben? Wir fahren dorthin, um das Spiel zu gewinnen.

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Der FC Erzgebirge Aue startet in der 3. Liga heute (ab 19 Uhr, live bei MagentaSport) mit der Partie beim Mitabsteiger FC Ingolstadt 04. Auf der Bank nimmt ein alter Bekannter Platz: Drittliga-Rekordtrainer Pavel Dotchev soll die "Veilchen" zum Klassenverbleib führen. Im DFB.de-Interview spricht der 57-Jährige mit Mitarbeiter Dominik Dittmar über sein erneutes Engagement und die Ausgangslage.

DFB.de: Seit etwas mehr als einem Monat sind Sie zum insgesamt schon dritten Mal als Cheftrauner beim FC Erzgebirge Aue tätig. Hätten Sie im Vorfeld gedacht, dass es zu einer erneuten Rückkehr kommen könnte, Herr Dotchev?

Pavel Dotchev: Um ehrlich zu sein: Nein. Nach der Trennung im Sommer hätte ich das nicht mehr für möglich gehalten. Ich habe in der Region zwar viele Freunde gewonnen. Den Kontakt zum FC Erzgebirge Aue hatte ich aber komplett abgebrochen. Nachdem Timo Rost als Cheftrainer freigestellt worden war, gab es zunächst zwei unverbindliche Telefonate. Konkreter wurde es dann Anfang Dezember. Ich wurde eingeladen und hatte mit dem neuen Vorstand sowie Sport-Geschäftsführer Matthias Heidrich ein sehr gutes Gespräch. Daher war die Entscheidung für mich nicht schwer.

DFB.de: Wie haben Sie die Reaktionen im Umfeld wahrgenommen?

Dotchev: Die Rückmeldungen waren alle sehr positiv. Ich habe viele emotionale Bindungen zum FC Erzgebirge, zu den Fans, den Spielern und der gesamten Region. Da konnte ich den Verein auch nicht einfach im Stich lassen, wenn ich gefragt werde, ob ich helfen kann.

DFB.de: Zu Beginn Ihrer zweiten Amtszeit im November 2021 waren Sie als Sportdirektor nach Aue gekommen. Können Sie sich eine solche Rolle für die Zukunft noch einmal vorstellen?

Dotchev: Bevor ich in Aue Sportdirektor wurde, hatte ich mit dem FC Viktoria Köln und dem MSV Duisburg zwei sehr intensive und anstrengende Trainerstationen hinter mir. Ich habe mit meinen Mannschaften quasi drei Jahre lang immer gegen den Abstieg gespielt. Als Sportdirektor hatte ich die Möglichkeit gesehen, beim Fußball zu bleiben und im Hintergrund auf viele Sachen Einfluss nehmen zu können. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass ich mich in der Rolle als Trainer wohler fühle und meine Stärken auf der Bank besser einbringen kann als im Büro.

DFB.de: Der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz beträgt nach 17 Spieltagen zwei Punkte. Warum hat sich der FC Erzgebirge nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga bislang auch eine Spielklasse tiefer sehr schwergetan?

Dotchev: Unsere Situation ist keineswegs eine Ausnahme. Erst in der vergangenen Saison hatten die Würzburger Kickers als Absteiger ebenfalls große Probleme und sind am Ende sogar bis in die Regionalliga Bayern durchgereicht worden. Als Absteiger denkt man häufig, dass man direkt in die 2. Bundesliga zurückkehren kann. Meiner Meinung nach ist es aber sogar wesentlich "leichter", in der 2. Bundesliga zu bleiben, als aus der 3. Liga aufzusteigen. Mindestens zehn Drittligisten sind so ambitioniert, unbedingt den Sprung in die höhere Spielklasse schaffen zu wollen. Da zu bestehen, ist verdammt schwer. In Aue klafften der Anspruch und die Realität ein wenig auseinander.

DFB.de: Mal Hand aufs Herz: Ist es vielleicht sogar die schwierigste Ausgangslage in Ihrer langen Trainerkarriere?

Dotchev: Das werden wir sehen. Ich habe ja schon einiges erlebt. (lacht) Als ich beispielsweise im Februar 2021 beim MSV Duisburg übernommen hatte, war das Team die schlechteste Heimmannschaft und Vorletzter in der Tabelle. Zwei Spieltage vor dem Saisonende haben wir aber den Klassenverbleib geschafft. Als Trainer war das für mich so hoch wie ein Aufstieg zu bewerten. Ich hoffe, dass uns das auch in Aue gelingt. Wie schwer das wird, weiß ich noch nicht. Mit einer Serie könnten wir uns ein wenig Luft von den unteren Plätzen verschaffen. Genauso kann es aber auch sein, dass wir bis zum Schluss zittern müssen. Das sind Dinge, die ich aktuell nicht voraussehen kann. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir die Qualität besitzen, um uns aus eigener Kraft zu retten.

DFB.de: Durch Ihre Rückkehr in die 3. Liga bleiben Sie vor Stefan Krämer der Rekordtrainer der Spielklasse und werden in Kürze bereits zum 300. Mal eine Mannschaft in einem Drittligaspiel betreuen. Was bedeutet Ihnen das?

Dotchev: Schon viel. Für mich ist es eine tolle Sache, Rekordtrainer zu sein. Ich habe im Jahr 2000 meine Ausbildung zum Fußball-Lehrer abgeschlossen. Seitdem sind sehr viele gut ausgebildete Trainer dazugekommen, teilweise auch Ex-Nationalspieler. Dann so lange im Geschäft zu bleiben, ist nicht selbstverständlich. Das freut mich und macht mich auch stolz.

DFB.de: Zurück zur Aktualität: Was waren in Aue diesmal Ihre ersten Ansatzpunkte?

Dotchev: Durch die WM-Pause hatte ich einige Wochen Zeit, um mit der Mannschaft zu arbeiten, die Spieler kennenzulernen und auf gewisse Punkte Einfluss zu nehmen. Das Team hatte in der Hinrunde immer wieder negative Erlebnisse - auch zurecht. Mir war es daher wichtig, eine positive Grundstimmung in der Mannschaft zu schaffen. Natürlich ging es auch darum, eine Spielphilosophie zu entwickeln. Wir wollten eine gewisse Hierarchie und eine Gruppendynamik aufbauen. Das sind viele Punkte, die wir Schritt für Schritt aufarbeiten müssen.

DFB.de: Welchen Eindruck hat die Mannschaft auf Sie in der Vorbereitung gemacht?

Dotchev: Vor allem das abschließende Testspiel gegen den FC Energie Cottbus war sehr wichtig für uns - auch unter dem Aspekt einer guten Stimmung im Team. Es ging zwar gegen einen unterklassigen Gegner. Von der Qualität her hatte es sich aber wie ein Gegner aus der 3. Liga angefühlt. Das Testspiel war ein hartes Stück Arbeit für uns. Die Mannschaft hat es aber geschafft, gegen Widerstände anzukommen und letztlich 3:1 zu gewinnen.

DFB.de: Worauf wird es im Rennen um den Klassenverbleib ankommen?

Dotchev: Im Vergleich zur Vorbereitung kommt in den Meisterschaftsspielen der psychische Druck dazu. Man ist in der Ausgangsposition, dass man liefern muss. Es gibt keinen Raum, um Fehler zu machen, weil in der Hinrunde viele Punkte liegengelassen wurden. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Spiele weniger werden, man aber immer mehr Punkte benötigt. Die Kunst dabei ist, stabil zu bleiben, regelmäßig zu punkten und sich so aus der Abstiegszone zu befreien.

DFB.de: Die zweite Saisonhälfte startet für den FC Erzgebirge am Montag mit der Partie beim viertplatzierten FC Ingolstadt 04. Wie schätzen Sie die Aufgabe ein?

Dotchev: Ich könnte Druck rausnehmen und sagen, dass wir Außenseiter sind. Mal schauen, ob wir etwas mitnehmen können. Diese Rolle möchte ich aber nicht haben. In der 3. Liga war es schon oft genug der Fall, dass jeder wirklich jeden besiegen kann. Warum sollten wir also in Ingolstadt keine Chance haben? Wir fahren dorthin, um das Spiel zu gewinnen.

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