Doris Fitschen: "Heute gehen die Türen auf"

Seit 1. April 2022 fungiert Doris Fitschen (54) als Gesamtkoordinatorin Frauen im Fußball und ist verantwortlich für die Strategie Frauen im Fußball FF27. Im DFB.de-Interview spricht die ehemalige Nationalspielerin und frühere Managerin der Nationalmannschaft über ihre neuen Aufgaben, den Wandel in der Gesellschaft und den Wandel im DFB.

DFB.de: Geben Sie mal einen Einblick in Ihre Arbeitswelt, Frau Fitschen. Wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag aus? Was sind Ihre ersten Amtshandlungen?

Doris Fitschen: Für mich ist es nicht anders als für die meisten DFB-Mitarbeiter*innen. Zunächst gilt es, sich einen Schreibtisch zu erobern. Wir haben keine festen Arbeitsplätze mehr, insofern muss man jeden Tag um seinen "Lieblingsplatz" kämpfen. Wenn das geschafft ist, sind die nächsten Schritte ritualisiert, ich gehe zu meinem Spint, hole die Tastatur, nehme meinen Kaffee mit. Und dann geht’s los. In aller Regel damit, dass ich meine e-Mails checke und mich mit meiner Praktikantin Sophie über das austausche, was aktuell ansteht. Wenn wir über einen gewöhnlichen Arbeitstag reden, gehören dazu auch viele Gespräche. Meist dauert es nicht lange, bis ich zum Telefonhörer greife.

DFB.de: Wessen Nummer wählen Sie am häufigsten?

Fitschen: Die von Annette Seitz. In ihrer strategischen Rolle als Referentin "Kommunikation Frauenfußball" ist sie mein Pendant und eine wichtige Ansprechpartnerin. Die Konstellation ist ein Glücksfall, finde ich. Wir kennen uns sehr lange, haben ein tolles Verhältnis. Ihre Erfahrung ist sehr wertvoll, ihr Wissen, ihr Gespür. Annette ist dazu ein großartiger Mensch, mit dem man viel Spaß haben kann.

DFB.de: Gibt es bei Ihnen typische Arbeitswochen?

Fitschen: Eigentlich nicht, nein. Gut finde ich den Mix, den das mobile Arbeiten ermöglicht. Von der Möglichkeit des Homeoffice mache ich Gebrauch, meistens, wenn ich mir in Ruhe Gedanken um etwas machen will, wenn es mehr in Richtung strategischer Überlegungen geht. Meine Arbeit ist zu großen Teilen bezogen auf die Projekte, die die Kolleg*innen und ich initiieren und umsetzen. Ein Beispiel dafür ist die "week of womens football", die wir im Sommer rund um das DFB-Pokalfinale durchführen werden. Bei solchen Projekten gibt das Projekt die Arbeit und auch die Arbeitsweise vor, mit einem Dienstplan kommt man da nicht weit.

DFB.de: Seit 1. April 2022 tragen Sie den etwas sperrigen Titel "Gesamtkoordinatorin und Leiterin des Projekts Frauen im Fußball FF27". Was genau sind Ihre Aufgaben in dieser Rolle?

Fitschen: Dafür muss man ein wenig in die Vergangenheit gucken. Bis 2018 waren wir im DFB so organisiert, dass es eine Direktion Frauenfußball gab, in der neuen Struktur haben wir die Geschlechtertrennung aufgehoben und differenzieren nach Fachbereichen. In diesen Fachbereichen sind die Themen Frauen und Mädchen jeweils bereichsbezogen verankert. Meine Aufgabe ist es nun, die vielen Initiativen und Projekte, die aus diesen Bereichen mit Bezug zu den Themenfeldern "Frauen- und Mädchenfußball" und "Frauen im Fußball" zu koordinieren und Synergien herzustellen. Übergeordnet ist dabei meine Aufgabe, sicherzustellen, dass alle Maßnahmen auf die vier in der Strategie FF27 entwickelten Ziele einzahlen.

DFB.de: Die vier Ziele sind: "Unsere Nationalmannschaften und Vereine haben internationale Titel gewonnen", "die Anzahl von aktiven Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterinnen hat sich um 25 Prozent erhöht", "die mediale Reichweite hat sich verdoppelt" und "der Frauenanteil in Gremien und hauptamtlichen Führungsebenen des DFB beträgt mindestens 30 Prozent".

Fitschen: Genau, hier gilt es, immer wieder zu überprüfen, ob eine Maßnahme tatsächlich bei der Erreichung eines der Ziele hilft. Und genauso, wie der Status quo ist, also welchen Stand wir bei welchem Ziel erreicht haben. Daraus können sich dann Konsequenzen ergeben, etwa eine veränderte Priorisierung oder neue Maßnahmen, die ergriffen werden.

DFB.de: Zu Beginn Ihrer Tätigkeit haben Sie gesagt: "Viele Maßnahmen sind schon auf den Weg gebracht und laufen." Können Sie beispielhaft nennen, welche Maßnahmen dies sind?

Fitschen: Ein Beispiel ist die Vermarktung. Hier haben wir erfolgreich darauf hingewirkt, dass alle Spiele der FLYERALARM FrauenBundesliga produziert und im Fernsehen gezeigt werden. In den Landesverbänden haben wir Tage des Mädchenfußballs durchgeführt, wir haben das Konzept DFB-Assist initiiert, das sich auf spezifische Anforderungen und Unterstützung für Frauen und Mädchen konzentriert, wir hatten die Doku "Born for this – mehr als Fußball", die uns beim Thema Sichtbarkeit erheblich geholfen hat. Projekte und Initiativen wie diese werden im Zuge der Strategie FF27 ausgeweitet, wir fangen nicht bei null an.

DFB.de: Welche neuen Maßnahmen gibt es?

Fitschen: Etliche, vor allem solche, die fachbereichsübergreifend sind. So wie das Forum FF27, bei dem die Entscheider aus unterschiedlichsten Bereichen des Frauenfußballs zusammengekommen sind. Die "week of womens football" habe ich schon genannt, ein anderes Beispiels ist das Highlightspielkonzept. Das Konzept gilt ganzheitlich, also nicht nur für die Nationalmannschaft, sondern auch für die FLYERALARM Frauen-Bundesliga und den DFB-Pokal. Das ist ein schönes Beispiel für den Mehrwert der neuen Konstellation. Jetzt geht es Hand in Hand, es ist doch klar, dass sich daraus eine andere Schlagkraft ergibt.

DFB.de: Wie ist der Status quo mit Blick auf die Ziele – bei welchen Zielen ist die Erreichung nah, wo ist noch ein Stück zu gehen?

Fitschen: Durch den Schwung der Europameisterschaft im vergangenen Jahr haben wir in verschiedenen Bereichen große Schritte Richtung Zielerreichung gesetzt. Bei den aktiven Spielerinnen haben wir den gewünschten Zuwachs schon erreicht, auch bei der Sichtbarkeit sind wir fast schon bei den angestrebten Werten. Noch zu wenig hat sich getan, was den Bereich "Frauen im Fußball" betrifft.

DFB.de: Wie soll sich das ändern?

Fitschen: Wir unterscheiden die Bereiche: Frauen im "Berufsfeld Fußball" – hier gibt es eine Initiative der DFL – und "Frauen in Gremien". Hier gibt es den Beschluss des DFB-Bundestags, das kooptiert werden kann, wenn in einem Gremium die Quote von 30 Prozent nicht erreicht ist. Wenn wir uns hier die Ausschüsse des DFB nüchtern angucken, stellen wir fest, dass davon bislang nur vom Ausschuss 3. Liga Gebrauch gemacht wurde.

DFB.de: Welche Gründe sehen Sie dafür?

Fitschen: Ich bin der festen Überzeugung, dass es viele Frauen gibt, die das Knowhow haben, sich gewinnbringend in den Gremien des Fußballs zu engagieren. Ich denke hier auch an viele ehemalige Nationalspielerinnen und habe etliche Namen im Kopf, bei denen ich weiß, wie wertvoll es wäre, ihre Erfahrung für den DFB zu nutzen. Die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist aber auch im Ehrenamt ein großes Thema, hier müssen wir Hürden abbauen. Mitunter geht es auch um die Frage, dass die Frauen sich eine solche Arbeit nicht zutrauen. Wie wollen wir das ändern? Mit den Leadership-Programmen haben wir gemeinsamen mit den Landesverbänden die Initiative für eine gezielte und verbesserte Förderung von Frauen ergriffen. Ich bin zuversichtlich, dass sich dies mittelfristig bemerkbar macht und dann über die Erfahrungen in den Gremien der Landesverbände auch der Anteil von Frauen in den DFB-Gremien höher wird.

DFB.de: Auch der Anteil an Trainerinnen soll erhört werden, um 25 Prozent. Zucken Sie, wenn Sie hören, dass im aktuellen Fußball-Lehrer-Lehrgang keine Frau dabei ist?

Fitschen: Das ist sehr bedauerlich. Es ist ja nicht so, dass Frauen der Zugang hier verweigert würde. Die Ambition, mehr Trainerinnen zu bekommen, zielt zwar zunächst an die Basis, aber die Situation an der Spitze ist eine Folge daraus. Ich bin zum Beispiel auch nicht glücklich damit, dass wir in der Frauen-Bundesliga nur zwei Trainerinnen haben, das ist zu wenig.

DFB.de: Bei den Zuschauerzahlen in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und bei Länderspielen purzeln die Rekorde.

Fitschen: Ja, das ist einfach toll. Was die Fans betrifft, haben wir tatsächlich riesige Sprünge gemacht.

DFB.de: Inwieweit besteht hier eine Gefahr, dass der Boom der EURO das wahre Bild überdeckt und auf den Boom Ernüchterung folgt?

Fitschen: Der Boom ist so ausgeprägt, weil die Mannschaft erstens super gespielt und sie sich zweitens auch abseits des Platzes großartig präsentiert hat. Es ist aber verkürzt, hier nur die EURO zu sehen. Im Vorfeld wurden viele Dinge geleistet, die dieses positive Bild ermöglicht haben. Dazu gehört auch die personelle Aufstellung rund um die Mannschaft. Im Kommunikations-Bereich waren wir stärker, es konnte daher viel mehr content produziert werden. Wenn wir in die Vergangenheit schauen, dann kennen wir diesen Dreiklang: Erfolg-Boom-Ernüchterung. Jetzt können wir davon sprechen, dass der Boom nachhaltig ist. Das zeigt sich eindrucksvoll an den Zuschauerzahlen, auch an den Reichweiten insgesamt. Ich glaube, dass dies damit zusammenhängt, dass die Spielerinnen so nahbar sind und sie so gut dargestellt wurden. Es sind Persönlichkeiten, mit denen sich die Fans identifizieren. Und ganz grundsätzlich gilt, dass wir ein Umdenken erleben, in unserer Gesellschaft verändert sich etwas. Die Akzeptanz von Frauen und für die Anliegen der Frauen ist in verschiedenen Bereichen so hoch wie nie. Und das wirkt sich auch auf den Frauenfußball aus.

DFB.de: Sehen Sie hier eine Gefahr dergestalt, dass die Spielerinnen einen Grad an Popularität erreichen, der dazu führt, dass diese Nähe nicht mehr möglich ist?

Fitschen: Für mich ist es alternativlos, dass wir die Stärken, die der Frauenfußball hat, beibehalten und betonen. Und ja, dazu gehört sehr zentral auch die Nahbarkeit. Die Spielerinnen haben dieses Bewusstsein und verstanden, dass das zu unserer DNA zählt. Wir müssen weiter unseren Weg gehen und das heißt auch, dass wir offen, zugänglich und nahbar bleiben müssen.

DFB.de: Im DFB-Präsidium sitzen mittlerweile vier Frauen, an der Spitze des DFB-Hauptamtes steht mit Generalsekretärin Heike Ullrich eine Frau. Wie wirkt sich dies auf Ihre Arbeit aus und wie erleben Sie die Zusammenarbeit grundsätzlich?

Fitschen: Unabhängig von der Anzahl der Frauen im Präsidium erlebe ich große Unterstützung. Es ist zu spüren, dass das gesamte Präsidium den Frauenfußball fördern und voranbringen will. Präsident Bernd Neuendorf betont immer wieder die Wichtigkeit, er steht mit großen Überzeugung dahinter. Das tut gut, das erleichtert vieles. Und Heike Ullrich hat das Thema Frauenfußball 25 Jahre lang federführend vorangetrieben, sie nun an der Spitze der Organisation zu wissen, ist ein Segen. Wenn ich eben den gesellschaftlichen Wandel genannt habe, dann lässt sich dies auch auf den DFB beziehen. Nicht nur an der Spitze, auch bei den Mitarbeiter*innen hat ein Wandel eingesetzt.

DFB.de: Inwiefern?

Fitschen: Mir ist bewusst, dass ich mit dem Thema Frauenfußball früher genervt habe. Aus Genervtheit ist Wohlwollen geworden. Früher gingen die Türen zu, jetzt gehen sie auf. Ich erlebe es immer wieder, wie die Mitarbeiter*innen jetzt Lust haben, an dem Thema beteiligt zu sein und die Dinge weiterzuentwickeln. Das ist cool.

DFB.de: Sie sind seit Jahrzehnten im Frauenfußball engagiert, wie gut tut es, nun diesen Wandel zu erleben?

Fitschen: Schon sehr. Momentan macht es sehr viel Spaß, in diesem Umfeld und in dieser Konstellation zu arbeiten. Es ist eine Freude zu sehen, wie viele engagierte und großartige Kolleg*innen mit Begeisterung an diesem Thema mitarbeiten. Ich bin sehr dankbar, dass ich Teil davon bin.

DFB.de: Ihre Vita zeigt, dass Sie Erfahrungen in verschiedenen Bereichen haben. Profitiert die Gesamtkoordinatorin Doris Fitschen mehr von den Erfahrungen der Spielerin, der Managerin, der Fußball-Lehrerin, der Betriebswirtin oder der Journalistin Doris Fitschen?

Fitschen: Ich glaube es ist alles, der Mix an Erfahrungen. Vor allem sind es die vielen Kontakte, die ich in den verschiedenen Bereichen habe. Die Wege sind kurz, es herrscht eine Vertrautheit, ich weiß auch immer, an wen ich mich wenden muss. Die Konstellation ist einfach gut. Die ganzen Vorerfahrungen führen dazu, dass ich mich in der Rolle als Gesamtkoordinatorin sehr wohl und angekommen fühle.

DFB.de: Für Sie ein Traumjob?

Fitschen: Ja, das unterschreibe ich. Man kann ja auch mehrere Träume haben. Die Zeit als Spielerin war ein Traum, auch als Managerin der Nationalmannschaft hätte ich mich nicht gegen die Bezeichnung gewehrt. Aber alles zu seiner Zeit. Im Hier und Jetzt kann ich mir in meinem Berufsleben nichts Schöneres und Erfüllenderes vorstellen.

DFB.de: Ihre Rolle erfüllt Sie, Sie haben Spaß bei der Arbeit. Sie betreiben aber auch einen immensen Aufwand – und das schon sehr lange. Seit über 20 Jahren sind Sie im DFB für den Frauenfußball im Einsatz. Können Sie beschreiben, was Sie antreibt?

Fitschen: Die Freude an diesem Spiel, der Spaß am Fußball. Mich fasziniert dieser Sport in allen seinen Facetten und es reizt mich, daran mitzuarbeiten, die Voraussetzungen für Frauen im Fußball auf den verschiedenen Ebenen zu verbessern. Die Möglichkeit, etwas zu verändern, begeistert mich und ich begreife es als große Chance, dabei meine Erfahrungen einzubringen.

DFB.de: Sie haben beschrieben, wie positiv die Entwicklung ist, wie sich die Akzeptanz gesteigert hat. Was fehlt noch? Wenn Sie mit Blick auf Ihr Berufsleben einen Wunsch frei hätten, welcher Wunsch wäre das?

Fitschen: Tatsächlich fällt mir dazu spontan nichts eins. Und das ist ja eigentlich ein ganz schön gutes Zeichen.

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Seit 1. April 2022 fungiert Doris Fitschen (54) als Gesamtkoordinatorin Frauen im Fußball und ist verantwortlich für die Strategie Frauen im Fußball FF27. Im DFB.de-Interview spricht die ehemalige Nationalspielerin und frühere Managerin der Nationalmannschaft über ihre neuen Aufgaben, den Wandel in der Gesellschaft und den Wandel im DFB.

DFB.de: Geben Sie mal einen Einblick in Ihre Arbeitswelt, Frau Fitschen. Wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag aus? Was sind Ihre ersten Amtshandlungen?

Doris Fitschen: Für mich ist es nicht anders als für die meisten DFB-Mitarbeiter*innen. Zunächst gilt es, sich einen Schreibtisch zu erobern. Wir haben keine festen Arbeitsplätze mehr, insofern muss man jeden Tag um seinen "Lieblingsplatz" kämpfen. Wenn das geschafft ist, sind die nächsten Schritte ritualisiert, ich gehe zu meinem Spint, hole die Tastatur, nehme meinen Kaffee mit. Und dann geht’s los. In aller Regel damit, dass ich meine e-Mails checke und mich mit meiner Praktikantin Sophie über das austausche, was aktuell ansteht. Wenn wir über einen gewöhnlichen Arbeitstag reden, gehören dazu auch viele Gespräche. Meist dauert es nicht lange, bis ich zum Telefonhörer greife.

DFB.de: Wessen Nummer wählen Sie am häufigsten?

Fitschen: Die von Annette Seitz. In ihrer strategischen Rolle als Referentin "Kommunikation Frauenfußball" ist sie mein Pendant und eine wichtige Ansprechpartnerin. Die Konstellation ist ein Glücksfall, finde ich. Wir kennen uns sehr lange, haben ein tolles Verhältnis. Ihre Erfahrung ist sehr wertvoll, ihr Wissen, ihr Gespür. Annette ist dazu ein großartiger Mensch, mit dem man viel Spaß haben kann.

DFB.de: Gibt es bei Ihnen typische Arbeitswochen?

Fitschen: Eigentlich nicht, nein. Gut finde ich den Mix, den das mobile Arbeiten ermöglicht. Von der Möglichkeit des Homeoffice mache ich Gebrauch, meistens, wenn ich mir in Ruhe Gedanken um etwas machen will, wenn es mehr in Richtung strategischer Überlegungen geht. Meine Arbeit ist zu großen Teilen bezogen auf die Projekte, die die Kolleg*innen und ich initiieren und umsetzen. Ein Beispiel dafür ist die "week of womens football", die wir im Sommer rund um das DFB-Pokalfinale durchführen werden. Bei solchen Projekten gibt das Projekt die Arbeit und auch die Arbeitsweise vor, mit einem Dienstplan kommt man da nicht weit.

DFB.de: Seit 1. April 2022 tragen Sie den etwas sperrigen Titel "Gesamtkoordinatorin und Leiterin des Projekts Frauen im Fußball FF27". Was genau sind Ihre Aufgaben in dieser Rolle?

Fitschen: Dafür muss man ein wenig in die Vergangenheit gucken. Bis 2018 waren wir im DFB so organisiert, dass es eine Direktion Frauenfußball gab, in der neuen Struktur haben wir die Geschlechtertrennung aufgehoben und differenzieren nach Fachbereichen. In diesen Fachbereichen sind die Themen Frauen und Mädchen jeweils bereichsbezogen verankert. Meine Aufgabe ist es nun, die vielen Initiativen und Projekte, die aus diesen Bereichen mit Bezug zu den Themenfeldern "Frauen- und Mädchenfußball" und "Frauen im Fußball" zu koordinieren und Synergien herzustellen. Übergeordnet ist dabei meine Aufgabe, sicherzustellen, dass alle Maßnahmen auf die vier in der Strategie FF27 entwickelten Ziele einzahlen.

DFB.de: Die vier Ziele sind: "Unsere Nationalmannschaften und Vereine haben internationale Titel gewonnen", "die Anzahl von aktiven Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterinnen hat sich um 25 Prozent erhöht", "die mediale Reichweite hat sich verdoppelt" und "der Frauenanteil in Gremien und hauptamtlichen Führungsebenen des DFB beträgt mindestens 30 Prozent".

Fitschen: Genau, hier gilt es, immer wieder zu überprüfen, ob eine Maßnahme tatsächlich bei der Erreichung eines der Ziele hilft. Und genauso, wie der Status quo ist, also welchen Stand wir bei welchem Ziel erreicht haben. Daraus können sich dann Konsequenzen ergeben, etwa eine veränderte Priorisierung oder neue Maßnahmen, die ergriffen werden.

DFB.de: Zu Beginn Ihrer Tätigkeit haben Sie gesagt: "Viele Maßnahmen sind schon auf den Weg gebracht und laufen." Können Sie beispielhaft nennen, welche Maßnahmen dies sind?

Fitschen: Ein Beispiel ist die Vermarktung. Hier haben wir erfolgreich darauf hingewirkt, dass alle Spiele der FLYERALARM FrauenBundesliga produziert und im Fernsehen gezeigt werden. In den Landesverbänden haben wir Tage des Mädchenfußballs durchgeführt, wir haben das Konzept DFB-Assist initiiert, das sich auf spezifische Anforderungen und Unterstützung für Frauen und Mädchen konzentriert, wir hatten die Doku "Born for this – mehr als Fußball", die uns beim Thema Sichtbarkeit erheblich geholfen hat. Projekte und Initiativen wie diese werden im Zuge der Strategie FF27 ausgeweitet, wir fangen nicht bei null an.

DFB.de: Welche neuen Maßnahmen gibt es?

Fitschen: Etliche, vor allem solche, die fachbereichsübergreifend sind. So wie das Forum FF27, bei dem die Entscheider aus unterschiedlichsten Bereichen des Frauenfußballs zusammengekommen sind. Die "week of womens football" habe ich schon genannt, ein anderes Beispiels ist das Highlightspielkonzept. Das Konzept gilt ganzheitlich, also nicht nur für die Nationalmannschaft, sondern auch für die FLYERALARM Frauen-Bundesliga und den DFB-Pokal. Das ist ein schönes Beispiel für den Mehrwert der neuen Konstellation. Jetzt geht es Hand in Hand, es ist doch klar, dass sich daraus eine andere Schlagkraft ergibt.

DFB.de: Wie ist der Status quo mit Blick auf die Ziele – bei welchen Zielen ist die Erreichung nah, wo ist noch ein Stück zu gehen?

Fitschen: Durch den Schwung der Europameisterschaft im vergangenen Jahr haben wir in verschiedenen Bereichen große Schritte Richtung Zielerreichung gesetzt. Bei den aktiven Spielerinnen haben wir den gewünschten Zuwachs schon erreicht, auch bei der Sichtbarkeit sind wir fast schon bei den angestrebten Werten. Noch zu wenig hat sich getan, was den Bereich "Frauen im Fußball" betrifft.

DFB.de: Wie soll sich das ändern?

Fitschen: Wir unterscheiden die Bereiche: Frauen im "Berufsfeld Fußball" – hier gibt es eine Initiative der DFL – und "Frauen in Gremien". Hier gibt es den Beschluss des DFB-Bundestags, das kooptiert werden kann, wenn in einem Gremium die Quote von 30 Prozent nicht erreicht ist. Wenn wir uns hier die Ausschüsse des DFB nüchtern angucken, stellen wir fest, dass davon bislang nur vom Ausschuss 3. Liga Gebrauch gemacht wurde.

DFB.de: Welche Gründe sehen Sie dafür?

Fitschen: Ich bin der festen Überzeugung, dass es viele Frauen gibt, die das Knowhow haben, sich gewinnbringend in den Gremien des Fußballs zu engagieren. Ich denke hier auch an viele ehemalige Nationalspielerinnen und habe etliche Namen im Kopf, bei denen ich weiß, wie wertvoll es wäre, ihre Erfahrung für den DFB zu nutzen. Die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist aber auch im Ehrenamt ein großes Thema, hier müssen wir Hürden abbauen. Mitunter geht es auch um die Frage, dass die Frauen sich eine solche Arbeit nicht zutrauen. Wie wollen wir das ändern? Mit den Leadership-Programmen haben wir gemeinsamen mit den Landesverbänden die Initiative für eine gezielte und verbesserte Förderung von Frauen ergriffen. Ich bin zuversichtlich, dass sich dies mittelfristig bemerkbar macht und dann über die Erfahrungen in den Gremien der Landesverbände auch der Anteil von Frauen in den DFB-Gremien höher wird.

DFB.de: Auch der Anteil an Trainerinnen soll erhört werden, um 25 Prozent. Zucken Sie, wenn Sie hören, dass im aktuellen Fußball-Lehrer-Lehrgang keine Frau dabei ist?

Fitschen: Das ist sehr bedauerlich. Es ist ja nicht so, dass Frauen der Zugang hier verweigert würde. Die Ambition, mehr Trainerinnen zu bekommen, zielt zwar zunächst an die Basis, aber die Situation an der Spitze ist eine Folge daraus. Ich bin zum Beispiel auch nicht glücklich damit, dass wir in der Frauen-Bundesliga nur zwei Trainerinnen haben, das ist zu wenig.

DFB.de: Bei den Zuschauerzahlen in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und bei Länderspielen purzeln die Rekorde.

Fitschen: Ja, das ist einfach toll. Was die Fans betrifft, haben wir tatsächlich riesige Sprünge gemacht.

DFB.de: Inwieweit besteht hier eine Gefahr, dass der Boom der EURO das wahre Bild überdeckt und auf den Boom Ernüchterung folgt?

Fitschen: Der Boom ist so ausgeprägt, weil die Mannschaft erstens super gespielt und sie sich zweitens auch abseits des Platzes großartig präsentiert hat. Es ist aber verkürzt, hier nur die EURO zu sehen. Im Vorfeld wurden viele Dinge geleistet, die dieses positive Bild ermöglicht haben. Dazu gehört auch die personelle Aufstellung rund um die Mannschaft. Im Kommunikations-Bereich waren wir stärker, es konnte daher viel mehr content produziert werden. Wenn wir in die Vergangenheit schauen, dann kennen wir diesen Dreiklang: Erfolg-Boom-Ernüchterung. Jetzt können wir davon sprechen, dass der Boom nachhaltig ist. Das zeigt sich eindrucksvoll an den Zuschauerzahlen, auch an den Reichweiten insgesamt. Ich glaube, dass dies damit zusammenhängt, dass die Spielerinnen so nahbar sind und sie so gut dargestellt wurden. Es sind Persönlichkeiten, mit denen sich die Fans identifizieren. Und ganz grundsätzlich gilt, dass wir ein Umdenken erleben, in unserer Gesellschaft verändert sich etwas. Die Akzeptanz von Frauen und für die Anliegen der Frauen ist in verschiedenen Bereichen so hoch wie nie. Und das wirkt sich auch auf den Frauenfußball aus.

DFB.de: Sehen Sie hier eine Gefahr dergestalt, dass die Spielerinnen einen Grad an Popularität erreichen, der dazu führt, dass diese Nähe nicht mehr möglich ist?

Fitschen: Für mich ist es alternativlos, dass wir die Stärken, die der Frauenfußball hat, beibehalten und betonen. Und ja, dazu gehört sehr zentral auch die Nahbarkeit. Die Spielerinnen haben dieses Bewusstsein und verstanden, dass das zu unserer DNA zählt. Wir müssen weiter unseren Weg gehen und das heißt auch, dass wir offen, zugänglich und nahbar bleiben müssen.

DFB.de: Im DFB-Präsidium sitzen mittlerweile vier Frauen, an der Spitze des DFB-Hauptamtes steht mit Generalsekretärin Heike Ullrich eine Frau. Wie wirkt sich dies auf Ihre Arbeit aus und wie erleben Sie die Zusammenarbeit grundsätzlich?

Fitschen: Unabhängig von der Anzahl der Frauen im Präsidium erlebe ich große Unterstützung. Es ist zu spüren, dass das gesamte Präsidium den Frauenfußball fördern und voranbringen will. Präsident Bernd Neuendorf betont immer wieder die Wichtigkeit, er steht mit großen Überzeugung dahinter. Das tut gut, das erleichtert vieles. Und Heike Ullrich hat das Thema Frauenfußball 25 Jahre lang federführend vorangetrieben, sie nun an der Spitze der Organisation zu wissen, ist ein Segen. Wenn ich eben den gesellschaftlichen Wandel genannt habe, dann lässt sich dies auch auf den DFB beziehen. Nicht nur an der Spitze, auch bei den Mitarbeiter*innen hat ein Wandel eingesetzt.

DFB.de: Inwiefern?

Fitschen: Mir ist bewusst, dass ich mit dem Thema Frauenfußball früher genervt habe. Aus Genervtheit ist Wohlwollen geworden. Früher gingen die Türen zu, jetzt gehen sie auf. Ich erlebe es immer wieder, wie die Mitarbeiter*innen jetzt Lust haben, an dem Thema beteiligt zu sein und die Dinge weiterzuentwickeln. Das ist cool.

DFB.de: Sie sind seit Jahrzehnten im Frauenfußball engagiert, wie gut tut es, nun diesen Wandel zu erleben?

Fitschen: Schon sehr. Momentan macht es sehr viel Spaß, in diesem Umfeld und in dieser Konstellation zu arbeiten. Es ist eine Freude zu sehen, wie viele engagierte und großartige Kolleg*innen mit Begeisterung an diesem Thema mitarbeiten. Ich bin sehr dankbar, dass ich Teil davon bin.

DFB.de: Ihre Vita zeigt, dass Sie Erfahrungen in verschiedenen Bereichen haben. Profitiert die Gesamtkoordinatorin Doris Fitschen mehr von den Erfahrungen der Spielerin, der Managerin, der Fußball-Lehrerin, der Betriebswirtin oder der Journalistin Doris Fitschen?

Fitschen: Ich glaube es ist alles, der Mix an Erfahrungen. Vor allem sind es die vielen Kontakte, die ich in den verschiedenen Bereichen habe. Die Wege sind kurz, es herrscht eine Vertrautheit, ich weiß auch immer, an wen ich mich wenden muss. Die Konstellation ist einfach gut. Die ganzen Vorerfahrungen führen dazu, dass ich mich in der Rolle als Gesamtkoordinatorin sehr wohl und angekommen fühle.

DFB.de: Für Sie ein Traumjob?

Fitschen: Ja, das unterschreibe ich. Man kann ja auch mehrere Träume haben. Die Zeit als Spielerin war ein Traum, auch als Managerin der Nationalmannschaft hätte ich mich nicht gegen die Bezeichnung gewehrt. Aber alles zu seiner Zeit. Im Hier und Jetzt kann ich mir in meinem Berufsleben nichts Schöneres und Erfüllenderes vorstellen.

DFB.de: Ihre Rolle erfüllt Sie, Sie haben Spaß bei der Arbeit. Sie betreiben aber auch einen immensen Aufwand – und das schon sehr lange. Seit über 20 Jahren sind Sie im DFB für den Frauenfußball im Einsatz. Können Sie beschreiben, was Sie antreibt?

Fitschen: Die Freude an diesem Spiel, der Spaß am Fußball. Mich fasziniert dieser Sport in allen seinen Facetten und es reizt mich, daran mitzuarbeiten, die Voraussetzungen für Frauen im Fußball auf den verschiedenen Ebenen zu verbessern. Die Möglichkeit, etwas zu verändern, begeistert mich und ich begreife es als große Chance, dabei meine Erfahrungen einzubringen.

DFB.de: Sie haben beschrieben, wie positiv die Entwicklung ist, wie sich die Akzeptanz gesteigert hat. Was fehlt noch? Wenn Sie mit Blick auf Ihr Berufsleben einen Wunsch frei hätten, welcher Wunsch wäre das?

Fitschen: Tatsächlich fällt mir dazu spontan nichts eins. Und das ist ja eigentlich ein ganz schön gutes Zeichen.

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