Dietrich: "Wir haben die Chance genutzt, das Ligaprofil zu schärfen"

Auch der Frauenfußball in Deutschland erlebt durch die Covid-19-Pandemie eine noch nie dagewesene Ausnahmesituation. Siegfried "Siggi" Dietrich, Vorsitzender des Ausschusses Frauen-Bundesligen, spricht im DFB.de-Interview über die Fortsetzung des Spielbetriebs, Frauenfußball als Investment, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Klubs aus der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und den Saisonreport 2019/2020.

DFB.de: Herr Dietrich, Ende September 2019 wurde auf dem 97. DFB-Bundestag die Gründung des Ausschusses Frauen-Bundesligen verabschiedet, dessen Vorsitzender Sie sind. Wie wichtig war die Neugründung, und was konnte aus Ihrer Sicht in den bisherigen anderthalb Jahren realisiert beziehungsweise angeschoben werden?

Siegfried Dietrich: Das Premierenjahr unseres neuen Ausschusses ist in eine wahrlich nicht einfache Zeit gefallen. Umso wichtiger war es, dass sich durch dieses neue Gremium noch mehr Vereinsverantwortliche in die Entwicklungsgestaltung unserer Bundesligen einbringen und auch dafür notwendige Impulse liefern. Wir haben eine große Themenvielfalt, aus der natürlich Themen rund um die öffentliche Sichtbarkeit und Wahrnehmung unserer Liga wie auch wichtige Punkte der wirtschaftlichen Stabilität mit Blick auf die Zentralvermarktung herausstechen. Genauso geht es aber um das Dauerthema Professionalisierung aller Bereiche im Zuge der Zulassungskriterien. Natürlich stellt sich immer wieder die Frage, wie wir unsere Liga als nationale Marke mit internationaler Konkurrenzfähigkeit in eine erfolgreiche Zukunft weiterentwickeln. Alles unter Berücksichtigung der Situation, dass wir als Liga mit unseren mittlerweile acht Lizenzvereinen und den reinen Frauenfußballklubs sehr heterogen aufgestellt sind.

DFB.de: Die Saison 2019/2020 war aus vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Wie lautet ihr persönliches Fazit?

Dietrich: Ganz persönlich für mich war die Saison 2019/2020 mit dem historischen FFC-"Finale" und der Fusion mit Eintracht Frankfurt sehr intensiv und ausgesprochen emotional. Letztlich auch ein Signal, dass Fußball als Ganzes unter dem Dach von Lizenzvereinen die Zukunft ist. Spätestens mit der Rückrunde 2019/2020 sind wir dann alle mit außergewöhnlichen Herausforderungen konfrontiert worden, bei denen der Sport und so manche Zielsetzung in den Hintergrund getreten sind. Corona beherrscht seitdem die Welt, viele Leidenswege stehen im Fokus der Gesellschaft, aber das Leben rund um den Profifußball geht durch ein professionelles Hygienekonzept und das verständnisvolle Miteinander aller Bereiche bestmöglich weiter.

DFB.de: Die FLYERALARM Frauen-Bundesliga hat den Spielbetrieb als erste europäische Profiliga im Frauenfußball nach der Corona-bedingten Pause im Mai wieder aufgenommen. Wie bewerten Sie das Zusammenspiel zwischen den Klubs, DFB und DFL?

Dietrich: Das sehr gute Zusammenspiel zwischen unseren Vereinen und dem DFB war von Anbeginn der Corona-Krise der Schlüssel zum Weiterspielen. Unser Profistatus war die Eintrittskarte zurück in den Spielbetrieb, und der ausgesprochen wertvolle Schulterschluss der vier Champions-League Vereine Bayern München, Borussia Dortmund, RB Leipzig und Bayer Leverkusen mit der FLYERALARM Frauen-Bundesliga war der Garant für die reinen Frauenfußballvereine unserer Liga, die hohen Mehrkosten unbeschadet bewältigen zu können. Herauszustellen gilt es aber auch, wie die Vereine in dieser wichtigen Phase eine Sprache gesprochen haben und mit welcher Disziplin und Professionalität sie bis zum heutigen Tage die wahrlich herausfordernden Hygienekonzepte umsetzen. Es war ein Privileg, auf die Erfahrungen der DFL zurückgreifen zu dürfen. Und der gemeinsam in Abstimmung mit der Politik ermöglichte Restart war für die Wahrnehmung der Liga, aber vor allem für die Existenz vieler Vereine der rettende Anker, der bis heute noch Wirkung zeigt. Wir haben die Chance genutzt, unser Ligaprofil zu schärfen.

DFB.de: Während der vergangenen Saison standen Sie in regelmäßigem Kontakt mit den Vertretern der Klubs aus der FLYERALARM Frauen-Bundesliga. Auch als Manager des 1. FFC Frankfurt haben Sie regelmäßig mit Ihren Spielerinnen gesprochen. Wie waren die Rückmeldungen zum Restart?

Dietrich: Die meisten Verantwortlichen, aber auch die Spielerinnen haben tief durchgeatmet, als das Signal zum Weiterspielen kam. Natürlich galt es, auch Ängste und Zweifel zu nehmen und alle vertrauensbildenden Argumente zum Durchführungs- und Hygienekonzept zu vermitteln.

DFB.de: Im Juni 2020 fusionierte der 1. FFC Frankfurt mit Eintracht Frankfurt. Wie haben Sie als Manager des 1. FFC Frankfurt das letzte Heimspiel in der Saison 2019/2020 gegen den SC Freiburg wahrgenommen?

Dietrich: Wehmut und Vorfreude sowie wahnsinnig viele Erinnerungen waren an diesem Tag ein besonderer Mix für Gemüt und Körper! Ein historischer Moment, an den ich sehr gerne zurückdenke, da uns mit der Neuorientierung zum richtigen Zeitpunkt in jederlei Hinsicht nichts Besseres hätte passieren können! Nur sehr schade, dass wir uns nicht vor unseren tollen Fans verabschieden durften.

DFB.de: Zeigt die Fusion zwischen dem 1. FFC Frankfurt und Eintracht Frankfurt, dass immer mehr Lizenzvereine den Frauenfußball als Investment sehen?

Dietrich: Unabhängig davon, dass die Fusion mit der Eintracht ein Glücksfall für den 1. FFC Frankfurt war, sehe ich unser Ergebnis als ein Erfolgsbeispiel für die Entwicklung in Deutschland und Europa. Klar ist, dass so ein Schritt für die Lizenzvereine zunächst mit größeren Investitionen in Verbindung steht. Eindrucksvoll dokumentiert wird dies auch im Jahresergebnis des wirtschaftlichen Saisonreports der FLYERALARM Frauen-Bundesliga. Dass die Lizenzvereine den Frauenfußball als Investment sehen, hat aber nicht nur gesellschaftliche Gründe, sondern zeigt auch die Überzeugung für das Produkt, das im Einklang mit der Gesamtphilosophie des Vereins und einem langfristigen konsequent gelebten Businessplan erhebliche Mehrwerte generieren kann. Frauen-Profifußball wird in der Zukunft die größten Zuwachsraten im Fußball haben. Wir haben noch viel Luft nach oben, damit auch alle unsere Profi-Spielerinnen vollumfänglich von ihrem Beruf leben können und unsere Bundesliga ein attraktives Produkt der Sportwelt wird.

DFB.de: In der Saison 2019/2020 wurde der VfL Wolfsburg ungeschlagen Deutscher Meister. Werden solche Spielzeiten in Zukunft noch möglich sein?

Dietrich: Seit Wolfsburg und München die beiden FFC-Teams aus Potsdam und Frankfurt an der nationalen Spitze abgelöst haben, haben vor allem die Wölfinnen mit überragenden Spielzeiten die Bundesliga dominiert. In der Hinrunde der Saison 2020/2021 sieht man aber sehr deutlich, dass Bayern konsequent aufgeholt hat und sich auch andere Vereine mittelfristig dem Wettbewerb um die Champions-League-Plätze stellen werden. Die sogenannten Spitzenspiele werden mehr und mehr auf Augenhöhe ausgetragen, Liga-Alleingänge eines Vereins sehe ich eher als Ausnahme. Eine solche Entwicklung verspricht natürlich mehr Spannung und Attraktivität für Zuschauer*innen und Sponsoren.

DFB.de: Die Personalaufwandskosten für den Spielbetrieb der Klubs der FLYERALARM Frauen-Bundesliga steigen seit Jahren kontinuierlich. Wie wichtig ist dieses Wachstum, um mit den internationalen Ligen in Spanien, Frankreich und England mitzuhalten?

Dietrich: Um im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu sein, bedarf es nicht nur der monetären Aspekte, die eine konkurrenzfähige Profimannschaft ausmachen. Wir reden gerne von der Entwicklung der Professionalität, die beim Personal im gesamten Frauenbereich anfängt. Genauso wichtig sind aber auch die zu etablierenden Strukturen, als Plattform für die Umsetzung eines hohen Qualitätsstandards. Dass dann auch die Gehälter für den Wertschätzungs- und Wohlfühlfaktor bedeutend sind, ist klar. Aber nicht selten spielt bei den Spielerinnen neben dem Wirtschaftlichen auch das Gesamtpaket eine Rolle und da gehören die Chemie im Innenverhältnis, die Lebensqualität im Umfeld und bei den jüngeren Top-Talenten auch die Chancen für eine duale Karriere eine Rolle. Ich finde es jedenfalls immer wieder spannend zu beobachten, wie hoch oft noch das Gehaltsgefälle bei Spielerinnen gleicher Qualität ist. Insgesamt glaube ich aber, dass immer mehr Bundesliga-Vereine internationale Standards erfüllen und sowohl für deutsche Spitzenspielerinnen mit einer Nähe zur Frauen-Nationalmannschaft als auch für internationale Top-Stars interessant sind.

DFB.de: Auch die finanziellen Aufwendungen der Klubs für die 2. Mannschaft und Mädchenmannschaften werden immer größer. Rückt das Thema "Nachwuchsförderung" bei den Vereinen mehr in den Fokus?

Dietrich: Die Stärke des DFB mit dem Gesamtkonzept im Frauen- und Mädchenfußball ist auch dem gut strukturierten Unterbau unter der höchsten deutschen Spielklasse zu verdanken. Wie man sieht, sind viele zweite Mannschaften der Erstligisten in der 2. Frauen-Bundesliga vertreten. Auf dieser Plattform kann die Professionalisierung der Nachwuchsförderung nachhaltig gestaltet werden. Das Ziel vieler Klubs ist es, junge Spielerinnen zu entwickeln und auch über die "Talenteliga", die durch Auf- und Abstieg eine große Nähe zur FFBL hat, an die erste Liga heranzuführen.

DFB.de: Im Vergleich dazu stagnieren die Personalaufwandskosten für Handel und Verwaltung. Sind seitens der Klubs für die kommenden beiden Spielzeiten weitere Investments in dem Bereich geplant, um die Professionalisierung der FLYERALARM Frauen-Bundesliga weiter voranzutreiben?

Dietrich: In der Zukunft wird es sehr wichtig sein, dass sich die Bundesligavereine auch in ihrer Personalausrichtung und Dimensionierung im administrativen Bereich weiterentwickeln. Dieser Prozess wird durch die Heterogenität der Liga sicherlich zunächst noch unterschiedlich verlaufen, da einige Klubs auch mit dem langjährigen Know-How und Engagement auf ehrenamtlicher Basis sehr erfolgreich sind. Anders gestaltet sich die Personalsituation bei den Klubs, die Bestandteil einer Männer-Lizenzmannschaft sind. Hier sind Aktivitäten vor allem im Sponsoring, der Medienarbeit und der Spieltagsorganisation in die jeweiligen Bereiche integriert, die mit vielen Mitarbeiter*innen für den Gesamtverein zuständig sind. Damit ist auch sichergestellt, dass sich ein übergreifendes Verständnis und Verantwortung in allen Bereichen auch für den Frauenfußball als Teil des Gesamtkonstrukts entwickelt. Diese Personalkosten finden sich jedoch nicht immer vollständig in den Finanzzahlen der Frauenabteilung wieder. Die tatsächlichen durchschnittlichen Aufwendungen liegen somit höher. Um Professionalisierung nicht nur im sportlichen Bereich, sondern auch auf Management-Ebene voranzutreiben, gilt es, nach und nach verschiedene Stellenprofile verpflichtend in die Zulassungsbestimmungen aufzunehmen.

DFB.de: Die Werbeerträge in der Saison 2019/2020 waren so hoch wie noch nie. Wird die FLYERALARM Frauen-Bundesliga interessanter für neue Sponsoren?

Dietrich: Der Frauenfußball und die Frauen-Bundesliga waren schon immer ein interessanter und spannender Markt für Sponsoren und Partner. Letztlich wird es aber wichtig sein, wie es uns gemeinsam mit unseren Fernsehpartnern Telekom, ARD, ZDF und Eurosport gelingt, die Wahrnehmung und Sichtbarkeit unserer Liga und damit für unsere Vereine und Spielerinnen, deutlich zu erhöhen. Gerade in der coronabeeinflussten Rückrunde 2019/2020 wurde das schon gelebt, was in der Zukunft zur Regelmäßigkeit werden muss: Ziel sollte sein, alle Spiele zu produzieren und den gesamten Spieltag auf möglichst frei empfangbaren Plattformen zu präsentieren. Zudem muss für Sportinteressierte ersichtlich sein, wann und wo Bundesligaspiele der Frauen stattfinden und auf welchen TV-Kanälen und Online-Plattformen sie übertragen werden. Die Präsenz im Umfeld des Frauenfußballs bietet Sponsoren die Möglichkeit, junge und selbstbewusste Profisportlerinnen als Werbegesichter in ihre Kommunikationsstrategien einzubinden. Zudem bietet der Frauenfußball eine nahbare und familiäre Atmosphäre. Auch für die Internationalisierungsambitionen verschiedener Lizenzvereine kann der erfolgreiche Profifrauenfußball eine wichtige Wertschöpfung sein und das gesellschaftliche Gesamtbild des Klubs nachhaltig profilieren.

DFB.de: Im Vergleich dazu waren die Spielerträge nur 2018/2019 mit 52.000 Euro pro Klub und 2012/2013 mit 65.000 Euro pro Verein geringer als in der Saison 2019/2020. Welche Maßnahmen sind aktuell geplant, um die Spielerträge in den kommenden Spielzeiten wieder zu erhöhen?

Dietrich: Die geringen Spielerträge resultieren aus leicht rückläufigen Zuschauerzahlen in den Stadien und wurden durch den Zuschauerausschluss durch die Corona-Pandemie noch einmal stark beeinflusst. Das Thema Zuschauergewinnung ist eines der zentralen Handlungsfelder unserer Entwicklungsmaßnahmen und sicherlich auch ein wichtiger Indikator für die Attraktivität der Liga. Um das zu analysieren, werden uns Marktforschungen helfen, die Bedürfnisse des frauenfußballinteressierten Publikums besser kennenzulernen und in internen Workshops daraus Maßnahmen abzuleiten. Auch eine hoffentlich bald deutlich höhere TV-Präsenz könnte mehr Neugierde wecken, den Frauenfußball live im Stadion erleben zu wollen. Eine Steigerung der Spielerträge könnte in Zukunft auch mit sogenannten "Highlight-Spielen" generiert werden, die besonders beworben und in den großen Arenen der Männer ausgetragen werden könnten. Beispiele aus dem europäischen Ausland (England, Spanien, Italien, Frankreich) mit beeindruckenden Zuschauerrekorden haben für eine signifikant höhere Aufmerksamkeit ihrer Frauen-Liga gesorgt.

DFB.de: Wie bewerten Sie die im Ergebnisbericht der "Task Force Zukunft Profifußball" aufgeführten Aussagen zur Förderung von Frauenfußball?

Dietrich: Die Aussagen im Ergebnisbericht der Task Force Profifußball sind ein starkes Bekenntnis zum Frauenfußball und die Absicht und Empfehlung, auch die Entwicklungen der Frauen-Bundesligen nachhaltig zu fördern. Ich halte es für sehr wichtig, dass der DFB und die DFL gemeinsam mit den Vereinen zeitnah Ideen und Modelle erarbeiten, wie sich die Frauen-Bundesligen für die Zukunft aufstellen und sich mit größerer Wahrnehmung und wachsender Attraktivität als werthaltige Marken in der Fußball-Welt etablieren können. Nicht zuletzt steht die FLYERALARM Frauen-Bundesliga schon länger im wachsenden Wettbewerb mit den anderen europäischen Ligen, wenn es um professionelle Strukturen, Champions-League-Erfolge und vor allem Spielerinnen geht.

[dfb]

Auch der Frauenfußball in Deutschland erlebt durch die Covid-19-Pandemie eine noch nie dagewesene Ausnahmesituation. Siegfried "Siggi" Dietrich, Vorsitzender des Ausschusses Frauen-Bundesligen, spricht im DFB.de-Interview über die Fortsetzung des Spielbetriebs, Frauenfußball als Investment, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Klubs aus der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und den Saisonreport 2019/2020.

DFB.de: Herr Dietrich, Ende September 2019 wurde auf dem 97. DFB-Bundestag die Gründung des Ausschusses Frauen-Bundesligen verabschiedet, dessen Vorsitzender Sie sind. Wie wichtig war die Neugründung, und was konnte aus Ihrer Sicht in den bisherigen anderthalb Jahren realisiert beziehungsweise angeschoben werden?

Siegfried Dietrich: Das Premierenjahr unseres neuen Ausschusses ist in eine wahrlich nicht einfache Zeit gefallen. Umso wichtiger war es, dass sich durch dieses neue Gremium noch mehr Vereinsverantwortliche in die Entwicklungsgestaltung unserer Bundesligen einbringen und auch dafür notwendige Impulse liefern. Wir haben eine große Themenvielfalt, aus der natürlich Themen rund um die öffentliche Sichtbarkeit und Wahrnehmung unserer Liga wie auch wichtige Punkte der wirtschaftlichen Stabilität mit Blick auf die Zentralvermarktung herausstechen. Genauso geht es aber um das Dauerthema Professionalisierung aller Bereiche im Zuge der Zulassungskriterien. Natürlich stellt sich immer wieder die Frage, wie wir unsere Liga als nationale Marke mit internationaler Konkurrenzfähigkeit in eine erfolgreiche Zukunft weiterentwickeln. Alles unter Berücksichtigung der Situation, dass wir als Liga mit unseren mittlerweile acht Lizenzvereinen und den reinen Frauenfußballklubs sehr heterogen aufgestellt sind.

DFB.de: Die Saison 2019/2020 war aus vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Wie lautet ihr persönliches Fazit?

Dietrich: Ganz persönlich für mich war die Saison 2019/2020 mit dem historischen FFC-"Finale" und der Fusion mit Eintracht Frankfurt sehr intensiv und ausgesprochen emotional. Letztlich auch ein Signal, dass Fußball als Ganzes unter dem Dach von Lizenzvereinen die Zukunft ist. Spätestens mit der Rückrunde 2019/2020 sind wir dann alle mit außergewöhnlichen Herausforderungen konfrontiert worden, bei denen der Sport und so manche Zielsetzung in den Hintergrund getreten sind. Corona beherrscht seitdem die Welt, viele Leidenswege stehen im Fokus der Gesellschaft, aber das Leben rund um den Profifußball geht durch ein professionelles Hygienekonzept und das verständnisvolle Miteinander aller Bereiche bestmöglich weiter.

DFB.de: Die FLYERALARM Frauen-Bundesliga hat den Spielbetrieb als erste europäische Profiliga im Frauenfußball nach der Corona-bedingten Pause im Mai wieder aufgenommen. Wie bewerten Sie das Zusammenspiel zwischen den Klubs, DFB und DFL?

Dietrich: Das sehr gute Zusammenspiel zwischen unseren Vereinen und dem DFB war von Anbeginn der Corona-Krise der Schlüssel zum Weiterspielen. Unser Profistatus war die Eintrittskarte zurück in den Spielbetrieb, und der ausgesprochen wertvolle Schulterschluss der vier Champions-League Vereine Bayern München, Borussia Dortmund, RB Leipzig und Bayer Leverkusen mit der FLYERALARM Frauen-Bundesliga war der Garant für die reinen Frauenfußballvereine unserer Liga, die hohen Mehrkosten unbeschadet bewältigen zu können. Herauszustellen gilt es aber auch, wie die Vereine in dieser wichtigen Phase eine Sprache gesprochen haben und mit welcher Disziplin und Professionalität sie bis zum heutigen Tage die wahrlich herausfordernden Hygienekonzepte umsetzen. Es war ein Privileg, auf die Erfahrungen der DFL zurückgreifen zu dürfen. Und der gemeinsam in Abstimmung mit der Politik ermöglichte Restart war für die Wahrnehmung der Liga, aber vor allem für die Existenz vieler Vereine der rettende Anker, der bis heute noch Wirkung zeigt. Wir haben die Chance genutzt, unser Ligaprofil zu schärfen.

DFB.de: Während der vergangenen Saison standen Sie in regelmäßigem Kontakt mit den Vertretern der Klubs aus der FLYERALARM Frauen-Bundesliga. Auch als Manager des 1. FFC Frankfurt haben Sie regelmäßig mit Ihren Spielerinnen gesprochen. Wie waren die Rückmeldungen zum Restart?

Dietrich: Die meisten Verantwortlichen, aber auch die Spielerinnen haben tief durchgeatmet, als das Signal zum Weiterspielen kam. Natürlich galt es, auch Ängste und Zweifel zu nehmen und alle vertrauensbildenden Argumente zum Durchführungs- und Hygienekonzept zu vermitteln.

DFB.de: Im Juni 2020 fusionierte der 1. FFC Frankfurt mit Eintracht Frankfurt. Wie haben Sie als Manager des 1. FFC Frankfurt das letzte Heimspiel in der Saison 2019/2020 gegen den SC Freiburg wahrgenommen?

Dietrich: Wehmut und Vorfreude sowie wahnsinnig viele Erinnerungen waren an diesem Tag ein besonderer Mix für Gemüt und Körper! Ein historischer Moment, an den ich sehr gerne zurückdenke, da uns mit der Neuorientierung zum richtigen Zeitpunkt in jederlei Hinsicht nichts Besseres hätte passieren können! Nur sehr schade, dass wir uns nicht vor unseren tollen Fans verabschieden durften.

DFB.de: Zeigt die Fusion zwischen dem 1. FFC Frankfurt und Eintracht Frankfurt, dass immer mehr Lizenzvereine den Frauenfußball als Investment sehen?

Dietrich: Unabhängig davon, dass die Fusion mit der Eintracht ein Glücksfall für den 1. FFC Frankfurt war, sehe ich unser Ergebnis als ein Erfolgsbeispiel für die Entwicklung in Deutschland und Europa. Klar ist, dass so ein Schritt für die Lizenzvereine zunächst mit größeren Investitionen in Verbindung steht. Eindrucksvoll dokumentiert wird dies auch im Jahresergebnis des wirtschaftlichen Saisonreports der FLYERALARM Frauen-Bundesliga. Dass die Lizenzvereine den Frauenfußball als Investment sehen, hat aber nicht nur gesellschaftliche Gründe, sondern zeigt auch die Überzeugung für das Produkt, das im Einklang mit der Gesamtphilosophie des Vereins und einem langfristigen konsequent gelebten Businessplan erhebliche Mehrwerte generieren kann. Frauen-Profifußball wird in der Zukunft die größten Zuwachsraten im Fußball haben. Wir haben noch viel Luft nach oben, damit auch alle unsere Profi-Spielerinnen vollumfänglich von ihrem Beruf leben können und unsere Bundesliga ein attraktives Produkt der Sportwelt wird.

DFB.de: In der Saison 2019/2020 wurde der VfL Wolfsburg ungeschlagen Deutscher Meister. Werden solche Spielzeiten in Zukunft noch möglich sein?

Dietrich: Seit Wolfsburg und München die beiden FFC-Teams aus Potsdam und Frankfurt an der nationalen Spitze abgelöst haben, haben vor allem die Wölfinnen mit überragenden Spielzeiten die Bundesliga dominiert. In der Hinrunde der Saison 2020/2021 sieht man aber sehr deutlich, dass Bayern konsequent aufgeholt hat und sich auch andere Vereine mittelfristig dem Wettbewerb um die Champions-League-Plätze stellen werden. Die sogenannten Spitzenspiele werden mehr und mehr auf Augenhöhe ausgetragen, Liga-Alleingänge eines Vereins sehe ich eher als Ausnahme. Eine solche Entwicklung verspricht natürlich mehr Spannung und Attraktivität für Zuschauer*innen und Sponsoren.

DFB.de: Die Personalaufwandskosten für den Spielbetrieb der Klubs der FLYERALARM Frauen-Bundesliga steigen seit Jahren kontinuierlich. Wie wichtig ist dieses Wachstum, um mit den internationalen Ligen in Spanien, Frankreich und England mitzuhalten?

Dietrich: Um im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu sein, bedarf es nicht nur der monetären Aspekte, die eine konkurrenzfähige Profimannschaft ausmachen. Wir reden gerne von der Entwicklung der Professionalität, die beim Personal im gesamten Frauenbereich anfängt. Genauso wichtig sind aber auch die zu etablierenden Strukturen, als Plattform für die Umsetzung eines hohen Qualitätsstandards. Dass dann auch die Gehälter für den Wertschätzungs- und Wohlfühlfaktor bedeutend sind, ist klar. Aber nicht selten spielt bei den Spielerinnen neben dem Wirtschaftlichen auch das Gesamtpaket eine Rolle und da gehören die Chemie im Innenverhältnis, die Lebensqualität im Umfeld und bei den jüngeren Top-Talenten auch die Chancen für eine duale Karriere eine Rolle. Ich finde es jedenfalls immer wieder spannend zu beobachten, wie hoch oft noch das Gehaltsgefälle bei Spielerinnen gleicher Qualität ist. Insgesamt glaube ich aber, dass immer mehr Bundesliga-Vereine internationale Standards erfüllen und sowohl für deutsche Spitzenspielerinnen mit einer Nähe zur Frauen-Nationalmannschaft als auch für internationale Top-Stars interessant sind.

DFB.de: Auch die finanziellen Aufwendungen der Klubs für die 2. Mannschaft und Mädchenmannschaften werden immer größer. Rückt das Thema "Nachwuchsförderung" bei den Vereinen mehr in den Fokus?

Dietrich: Die Stärke des DFB mit dem Gesamtkonzept im Frauen- und Mädchenfußball ist auch dem gut strukturierten Unterbau unter der höchsten deutschen Spielklasse zu verdanken. Wie man sieht, sind viele zweite Mannschaften der Erstligisten in der 2. Frauen-Bundesliga vertreten. Auf dieser Plattform kann die Professionalisierung der Nachwuchsförderung nachhaltig gestaltet werden. Das Ziel vieler Klubs ist es, junge Spielerinnen zu entwickeln und auch über die "Talenteliga", die durch Auf- und Abstieg eine große Nähe zur FFBL hat, an die erste Liga heranzuführen.

DFB.de: Im Vergleich dazu stagnieren die Personalaufwandskosten für Handel und Verwaltung. Sind seitens der Klubs für die kommenden beiden Spielzeiten weitere Investments in dem Bereich geplant, um die Professionalisierung der FLYERALARM Frauen-Bundesliga weiter voranzutreiben?

Dietrich: In der Zukunft wird es sehr wichtig sein, dass sich die Bundesligavereine auch in ihrer Personalausrichtung und Dimensionierung im administrativen Bereich weiterentwickeln. Dieser Prozess wird durch die Heterogenität der Liga sicherlich zunächst noch unterschiedlich verlaufen, da einige Klubs auch mit dem langjährigen Know-How und Engagement auf ehrenamtlicher Basis sehr erfolgreich sind. Anders gestaltet sich die Personalsituation bei den Klubs, die Bestandteil einer Männer-Lizenzmannschaft sind. Hier sind Aktivitäten vor allem im Sponsoring, der Medienarbeit und der Spieltagsorganisation in die jeweiligen Bereiche integriert, die mit vielen Mitarbeiter*innen für den Gesamtverein zuständig sind. Damit ist auch sichergestellt, dass sich ein übergreifendes Verständnis und Verantwortung in allen Bereichen auch für den Frauenfußball als Teil des Gesamtkonstrukts entwickelt. Diese Personalkosten finden sich jedoch nicht immer vollständig in den Finanzzahlen der Frauenabteilung wieder. Die tatsächlichen durchschnittlichen Aufwendungen liegen somit höher. Um Professionalisierung nicht nur im sportlichen Bereich, sondern auch auf Management-Ebene voranzutreiben, gilt es, nach und nach verschiedene Stellenprofile verpflichtend in die Zulassungsbestimmungen aufzunehmen.

DFB.de: Die Werbeerträge in der Saison 2019/2020 waren so hoch wie noch nie. Wird die FLYERALARM Frauen-Bundesliga interessanter für neue Sponsoren?

Dietrich: Der Frauenfußball und die Frauen-Bundesliga waren schon immer ein interessanter und spannender Markt für Sponsoren und Partner. Letztlich wird es aber wichtig sein, wie es uns gemeinsam mit unseren Fernsehpartnern Telekom, ARD, ZDF und Eurosport gelingt, die Wahrnehmung und Sichtbarkeit unserer Liga und damit für unsere Vereine und Spielerinnen, deutlich zu erhöhen. Gerade in der coronabeeinflussten Rückrunde 2019/2020 wurde das schon gelebt, was in der Zukunft zur Regelmäßigkeit werden muss: Ziel sollte sein, alle Spiele zu produzieren und den gesamten Spieltag auf möglichst frei empfangbaren Plattformen zu präsentieren. Zudem muss für Sportinteressierte ersichtlich sein, wann und wo Bundesligaspiele der Frauen stattfinden und auf welchen TV-Kanälen und Online-Plattformen sie übertragen werden. Die Präsenz im Umfeld des Frauenfußballs bietet Sponsoren die Möglichkeit, junge und selbstbewusste Profisportlerinnen als Werbegesichter in ihre Kommunikationsstrategien einzubinden. Zudem bietet der Frauenfußball eine nahbare und familiäre Atmosphäre. Auch für die Internationalisierungsambitionen verschiedener Lizenzvereine kann der erfolgreiche Profifrauenfußball eine wichtige Wertschöpfung sein und das gesellschaftliche Gesamtbild des Klubs nachhaltig profilieren.

DFB.de: Im Vergleich dazu waren die Spielerträge nur 2018/2019 mit 52.000 Euro pro Klub und 2012/2013 mit 65.000 Euro pro Verein geringer als in der Saison 2019/2020. Welche Maßnahmen sind aktuell geplant, um die Spielerträge in den kommenden Spielzeiten wieder zu erhöhen?

Dietrich: Die geringen Spielerträge resultieren aus leicht rückläufigen Zuschauerzahlen in den Stadien und wurden durch den Zuschauerausschluss durch die Corona-Pandemie noch einmal stark beeinflusst. Das Thema Zuschauergewinnung ist eines der zentralen Handlungsfelder unserer Entwicklungsmaßnahmen und sicherlich auch ein wichtiger Indikator für die Attraktivität der Liga. Um das zu analysieren, werden uns Marktforschungen helfen, die Bedürfnisse des frauenfußballinteressierten Publikums besser kennenzulernen und in internen Workshops daraus Maßnahmen abzuleiten. Auch eine hoffentlich bald deutlich höhere TV-Präsenz könnte mehr Neugierde wecken, den Frauenfußball live im Stadion erleben zu wollen. Eine Steigerung der Spielerträge könnte in Zukunft auch mit sogenannten "Highlight-Spielen" generiert werden, die besonders beworben und in den großen Arenen der Männer ausgetragen werden könnten. Beispiele aus dem europäischen Ausland (England, Spanien, Italien, Frankreich) mit beeindruckenden Zuschauerrekorden haben für eine signifikant höhere Aufmerksamkeit ihrer Frauen-Liga gesorgt.

DFB.de: Wie bewerten Sie die im Ergebnisbericht der "Task Force Zukunft Profifußball" aufgeführten Aussagen zur Förderung von Frauenfußball?

Dietrich: Die Aussagen im Ergebnisbericht der Task Force Profifußball sind ein starkes Bekenntnis zum Frauenfußball und die Absicht und Empfehlung, auch die Entwicklungen der Frauen-Bundesligen nachhaltig zu fördern. Ich halte es für sehr wichtig, dass der DFB und die DFL gemeinsam mit den Vereinen zeitnah Ideen und Modelle erarbeiten, wie sich die Frauen-Bundesligen für die Zukunft aufstellen und sich mit größerer Wahrnehmung und wachsender Attraktivität als werthaltige Marken in der Fußball-Welt etablieren können. Nicht zuletzt steht die FLYERALARM Frauen-Bundesliga schon länger im wachsenden Wettbewerb mit den anderen europäischen Ligen, wenn es um professionelle Strukturen, Champions-League-Erfolge und vor allem Spielerinnen geht.

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