Dietrich: "Spiele ohne Zuschauer könnten Rettungsanker sein"

Durch die Corona-Krise erlebt auch der Frauenfußball in Deutschland eine noch nie dagewesene Ausnahmesituation. Im DFB.de-Interview spricht Siegfried "Siggi" Dietrich, der 61 Jahre alte Vorsitzende des Ausschusses Frauen-Bundesligen, mit Redakteur David Horward über den ständigen Austausch mit den Vereinen, die Aussetzung des Spielbetriebs bis zum 30. April und einen Corona-Fall bei "seinem" 1. FFC Frankfurt.

DFB.de: Herr Dietrich, aufgrund der Corona-Pandemie ruht der Spielbetrieb auch in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und der 2. Frauen-Bundesliga. Wie sieht Ihr Alltag als Vorsitzender des Ausschusses Frauen-Bundesligen und als Manager des 1. FFC Frankfurt aktuell aus?

Siegfried Dietrich: Mein Tagesablauf hat sich seit Beginn der Corona-Krise wie für viele Menschen grundlegend geändert. Bisher ging es rund um die Uhr im Büro und bei Treffen in vielen Hotspots des Fußballs hauptsächlich um unseren FFC, die Entwicklung der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und unsere spannende Hochzeit mit Eintracht Frankfurt. In diesen besonderen Wochen gilt die Fokussierung nun via Telefon- und Videokonferenzen in erster Linie der Gesundheit unserer Spielerinnen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dem Allgemeinwohl, dem Verständnis für die besondere Situation und natürlich dem Entwickeln von Szenarien, mit denen wir baldmöglichst in das Fahrwasser des Fußballalltags zurückkehren.

DFB.de: Sie stehen gerade in diesen Tagen regelmäßig mit den Vereinen der Frauen-Bundesliga und der 2. Frauen-Bundesliga im Austausch. Welche Themen werden angesprochen, welche Rückmeldungen erhalten Sie von den Vereinsvertretern?

Dietrich: Ich hatte in der vergangenen Woche mit allen Erstligisten telefonischen Kontakt, um mehr über die jeweilige aktuelle Lage vor Ort zu erfahren. Natürlich gibt es aktuell nur das Thema Coronavirus. Die dynamischen Entwicklungen der Epidemie und die Ungewissheit der Gesamtlage sind die Haupthandicaps in den Gedankengängen der Verantwortlichen. Genauso stehen aber auch bei einigen Klubs existenzielle Fragen und Probleme im Vordergrund, die, je länger die Krise anhalten würde, durchaus bedrohlich werden könnten.

DFB.de: Nun hat eine Video-Konferenz des Ausschusses Frauen-Bundesligen mit DFB-Vertreterinnen und Vertretern stattgefunden. Worauf haben Sie sich verständigt?

Dietrich: In unserem virtuellen Treffen haben wir die aktuelle Situation der FLYERALARM Frauen-Bundesliga, der 2. Frauen-Bundesliga und des DFB-Pokals der Frauen analysiert und uns zunächst im Einklang mit dem Corona-Fahrplan des deutschen Profifußballs auf das Aussetzen des Erstliga-Spielbetriebs bis zum 30. April 2020 geeinigt. Gleichzeitig wurden Szenarien beleuchtet, mit denen für den Fall der behördlichen Genehmigung der baldige Eintritt in den Trainingsbetrieb und eine Spielbetriebsaufnahme ab Mitte Mai realisiert werden kann.

DFB.de: Können, wie auch in den Bundesligen der Männer angedacht, die sogenannten Geisterspiele zur Lösung der momentanen Situation beitragen?

Dietrich: Wir müssen den Realitäten ins Auge schauen: Wenn es die Vorgaben der Behörden zulassen, könnten Spiele ohne Zuschauerinnen und Zuschauer der Rettungsanker für die aktuelle Saison und generell ein Modell für die Überbrückung von solchen Krisenzeiten im Profifußball sein. Wichtig ist, dass wir für unsere Sponsoren medial präsent sind und sportliche Entscheidungen herbeigeführt werden. Schadensbegrenzung ist das Thema, auch wenn wir natürlich nur zu gerne bald wieder unsere Fans live im Stadion begeistern wollen. Diese emotionalen Momente sind nicht zu ersetzen.

DFB.de: Welche Rolle spielen die Zuschauereinnahmen für den Frauenfußball?

Dietrich: Die Ticketeinnahmen sind wichtig, betragen aber bei den meisten Frauen-Bundesligisten aktuell weniger als fünf Prozent. Umso wichtiger sind für die Erstligisten die Einnahmen der individuellen und der vom DFB zentralvermarkteten Sponsorships.

DFB.de: Stehen kleinere, reine Frauenfußball-Vereine mehr unter Druck?

Dietrich: Natürlich ist die aktuelle Situation für traditionellen Frauenfußball-Klubs eine maximale Herausforderung, da dort - wie wir es beim 1. FFC Frankfurt ja auch kennen - jeder Euro selbst verdient werden muss und meistens nicht auf krisenfeste Rücklagen zurückgegriffen werden kann.

DFB.de: Auch Lizenzvereine fühlen sich durch die Corona-Krise bedroht. Gibt es Signale, dass die Klubs das Budget für die Frauenfußball-Abteilungen kürzen wollen?

Dietrich: Alle Bereiche werden in notwendige Vereinsmaßnahmen einbezogen, aber da der Frauenfußball bei vielen Lizenzklubs im Gesamtbudget eher eine kleinere Position einnimmt, bin ich optimistisch, dass in den Überlegungen neben dem Wachstums-Potenzial des Frauenfußballs die hohe sportpolitische und gesellschaftliche Bedeutung greift und auch gute Argumente für neue Vermarktungsmodelle und Internationalisierungsprozesse eine Rolle spielen könnten.

DFB.de: Der Spielbetrieb der Frauen-Bundesliga wird zunächst bis zum 30. April ausgesetzt. Wie läuft die Kommunikation zwischen Trainerteam und Spielerinnen in dieser spielfreien Zeit beim 1. FFC Frankfurt ab?

Dietrich: Unser Cheftrainer Niko Arnautis, der heute seinen 40. Geburtstag feiert, ist mit seinem Trainerteam mit Blick auf die Beschäftigung seiner Spielerinnen vom Homeoffice aus genauso aktiv wie auf gut gemähtem Rasen. Neben regelmäßigen Telefonaten stehen individuelle Trainingsmaßnahmen auf dem Programm, die bis zum nächsten Mannschaftstraining nicht nur die körperliche Fitness, sondern auch den Teamgeist fördern werden.

DFB.de: Vergangenen Mittwoch wurde bekannt, dass beim 1. FFC Frankfurt eine Spielerin positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Wie geht Ihr Verein mit der Situation um?

Dietrich: Die besagte Spielerin hatte sich nicht im Mannschaftsumfeld angesteckt, daher wurde unser Team nicht unter Zwangsquarantäne gestellt. Die Spielerin ist in Abstimmung mit unserer medizinischen Abteilung sehr professionell mit dieser Erfahrung umgegangen und hat gerade vermeldet, dass es ihr den Umständen entsprechend gut geht.

DFB.de: Wenn Sie jetzt in der für alle extrem belastenden Situation drei Wünsche frei hätten, wie würden diese lauten?

Dietrich: Natürlich dass wir alle gesundheitlich die Epidemie meistern, die Saison baldmöglichst zu Ende spielen können - und dass sich immer mehr Lizenzvereine mit einer wie von vielen Klubs in Deutschland und Europa bereits gelebten Haltung gegenüber dem Frauenfußball identifizieren und damit der Schulterschluss zwischen dem Männer- und Frauenfußball mit Blick auf die damit verbundenen Mehrwerte deutlich an Bedeutung gewinnt.

[dh]

Durch die Corona-Krise erlebt auch der Frauenfußball in Deutschland eine noch nie dagewesene Ausnahmesituation. Im DFB.de-Interview spricht Siegfried "Siggi" Dietrich, der 61 Jahre alte Vorsitzende des Ausschusses Frauen-Bundesligen, mit Redakteur David Horward über den ständigen Austausch mit den Vereinen, die Aussetzung des Spielbetriebs bis zum 30. April und einen Corona-Fall bei "seinem" 1. FFC Frankfurt.

DFB.de: Herr Dietrich, aufgrund der Corona-Pandemie ruht der Spielbetrieb auch in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und der 2. Frauen-Bundesliga. Wie sieht Ihr Alltag als Vorsitzender des Ausschusses Frauen-Bundesligen und als Manager des 1. FFC Frankfurt aktuell aus?

Siegfried Dietrich: Mein Tagesablauf hat sich seit Beginn der Corona-Krise wie für viele Menschen grundlegend geändert. Bisher ging es rund um die Uhr im Büro und bei Treffen in vielen Hotspots des Fußballs hauptsächlich um unseren FFC, die Entwicklung der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und unsere spannende Hochzeit mit Eintracht Frankfurt. In diesen besonderen Wochen gilt die Fokussierung nun via Telefon- und Videokonferenzen in erster Linie der Gesundheit unserer Spielerinnen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dem Allgemeinwohl, dem Verständnis für die besondere Situation und natürlich dem Entwickeln von Szenarien, mit denen wir baldmöglichst in das Fahrwasser des Fußballalltags zurückkehren.

DFB.de: Sie stehen gerade in diesen Tagen regelmäßig mit den Vereinen der Frauen-Bundesliga und der 2. Frauen-Bundesliga im Austausch. Welche Themen werden angesprochen, welche Rückmeldungen erhalten Sie von den Vereinsvertretern?

Dietrich: Ich hatte in der vergangenen Woche mit allen Erstligisten telefonischen Kontakt, um mehr über die jeweilige aktuelle Lage vor Ort zu erfahren. Natürlich gibt es aktuell nur das Thema Coronavirus. Die dynamischen Entwicklungen der Epidemie und die Ungewissheit der Gesamtlage sind die Haupthandicaps in den Gedankengängen der Verantwortlichen. Genauso stehen aber auch bei einigen Klubs existenzielle Fragen und Probleme im Vordergrund, die, je länger die Krise anhalten würde, durchaus bedrohlich werden könnten.

DFB.de: Nun hat eine Video-Konferenz des Ausschusses Frauen-Bundesligen mit DFB-Vertreterinnen und Vertretern stattgefunden. Worauf haben Sie sich verständigt?

Dietrich: In unserem virtuellen Treffen haben wir die aktuelle Situation der FLYERALARM Frauen-Bundesliga, der 2. Frauen-Bundesliga und des DFB-Pokals der Frauen analysiert und uns zunächst im Einklang mit dem Corona-Fahrplan des deutschen Profifußballs auf das Aussetzen des Erstliga-Spielbetriebs bis zum 30. April 2020 geeinigt. Gleichzeitig wurden Szenarien beleuchtet, mit denen für den Fall der behördlichen Genehmigung der baldige Eintritt in den Trainingsbetrieb und eine Spielbetriebsaufnahme ab Mitte Mai realisiert werden kann.

DFB.de: Können, wie auch in den Bundesligen der Männer angedacht, die sogenannten Geisterspiele zur Lösung der momentanen Situation beitragen?

Dietrich: Wir müssen den Realitäten ins Auge schauen: Wenn es die Vorgaben der Behörden zulassen, könnten Spiele ohne Zuschauerinnen und Zuschauer der Rettungsanker für die aktuelle Saison und generell ein Modell für die Überbrückung von solchen Krisenzeiten im Profifußball sein. Wichtig ist, dass wir für unsere Sponsoren medial präsent sind und sportliche Entscheidungen herbeigeführt werden. Schadensbegrenzung ist das Thema, auch wenn wir natürlich nur zu gerne bald wieder unsere Fans live im Stadion begeistern wollen. Diese emotionalen Momente sind nicht zu ersetzen.

DFB.de: Welche Rolle spielen die Zuschauereinnahmen für den Frauenfußball?

Dietrich: Die Ticketeinnahmen sind wichtig, betragen aber bei den meisten Frauen-Bundesligisten aktuell weniger als fünf Prozent. Umso wichtiger sind für die Erstligisten die Einnahmen der individuellen und der vom DFB zentralvermarkteten Sponsorships.

DFB.de: Stehen kleinere, reine Frauenfußball-Vereine mehr unter Druck?

Dietrich: Natürlich ist die aktuelle Situation für traditionellen Frauenfußball-Klubs eine maximale Herausforderung, da dort - wie wir es beim 1. FFC Frankfurt ja auch kennen - jeder Euro selbst verdient werden muss und meistens nicht auf krisenfeste Rücklagen zurückgegriffen werden kann.

DFB.de: Auch Lizenzvereine fühlen sich durch die Corona-Krise bedroht. Gibt es Signale, dass die Klubs das Budget für die Frauenfußball-Abteilungen kürzen wollen?

Dietrich: Alle Bereiche werden in notwendige Vereinsmaßnahmen einbezogen, aber da der Frauenfußball bei vielen Lizenzklubs im Gesamtbudget eher eine kleinere Position einnimmt, bin ich optimistisch, dass in den Überlegungen neben dem Wachstums-Potenzial des Frauenfußballs die hohe sportpolitische und gesellschaftliche Bedeutung greift und auch gute Argumente für neue Vermarktungsmodelle und Internationalisierungsprozesse eine Rolle spielen könnten.

DFB.de: Der Spielbetrieb der Frauen-Bundesliga wird zunächst bis zum 30. April ausgesetzt. Wie läuft die Kommunikation zwischen Trainerteam und Spielerinnen in dieser spielfreien Zeit beim 1. FFC Frankfurt ab?

Dietrich: Unser Cheftrainer Niko Arnautis, der heute seinen 40. Geburtstag feiert, ist mit seinem Trainerteam mit Blick auf die Beschäftigung seiner Spielerinnen vom Homeoffice aus genauso aktiv wie auf gut gemähtem Rasen. Neben regelmäßigen Telefonaten stehen individuelle Trainingsmaßnahmen auf dem Programm, die bis zum nächsten Mannschaftstraining nicht nur die körperliche Fitness, sondern auch den Teamgeist fördern werden.

DFB.de: Vergangenen Mittwoch wurde bekannt, dass beim 1. FFC Frankfurt eine Spielerin positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Wie geht Ihr Verein mit der Situation um?

Dietrich: Die besagte Spielerin hatte sich nicht im Mannschaftsumfeld angesteckt, daher wurde unser Team nicht unter Zwangsquarantäne gestellt. Die Spielerin ist in Abstimmung mit unserer medizinischen Abteilung sehr professionell mit dieser Erfahrung umgegangen und hat gerade vermeldet, dass es ihr den Umständen entsprechend gut geht.

DFB.de: Wenn Sie jetzt in der für alle extrem belastenden Situation drei Wünsche frei hätten, wie würden diese lauten?

Dietrich: Natürlich dass wir alle gesundheitlich die Epidemie meistern, die Saison baldmöglichst zu Ende spielen können - und dass sich immer mehr Lizenzvereine mit einer wie von vielen Klubs in Deutschland und Europa bereits gelebten Haltung gegenüber dem Frauenfußball identifizieren und damit der Schulterschluss zwischen dem Männer- und Frauenfußball mit Blick auf die damit verbundenen Mehrwerte deutlich an Bedeutung gewinnt.

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