Vorreiter Siggi Dietrich: "Ich habe an die Entwicklung geglaubt"

Nach knapp 30 Jahren, dem Gewinn von 20 Titeln und der Fusion mit Eintracht Frankfurt, zieht sich Siggi Dietrich, einer der Pioniere und der erfolgreichsten Manager des Frauenfußballs, aus gesundheitlichen Gründen zum Ende des Jahres von allen Ämtern zurück. Zuletzt fungierte er als Generalbevollmächtigter und Sportdirektor Frauen der Eintracht Frankfurt Fußball AG und war Vorsitzender des DFB-Ausschusses Frauen-Bundesligen. Im großen DFB.de-Interview spricht Siggi Dietrich zum Ende seiner aktiven Zeit über seine Anfänge, seine Motivation in drei Jahrzehnten, die Entwicklung und Chancen des Profi-Frauenfußballs in Deutschland, Visionen, Meilensteine und seine Zukunft.

DFB.de: Erlauben Sie zunächst eine persönliche Frage: Wie geht es Ihnen?

Siggi Dietrich: Da ich mit den Erfahrungen aus meiner viermonatigen gesundheitsbedingten Auszeit im Frühjahr 2021 diesmal frühzeitig die Reißleine ziehen konnte und seit meinem Rückzug im Oktober vor allem die Gesundheit in den Vordergrund gestellt habe, geht es mir aktuell ohne den Druck des Tagesgeschäfts step by step immer besser. Ein schönes Gefühl, auf das es sich in den nächsten Monaten mit Urlauben und vielen Freiräumen in der Tagesgestaltung bestimmt gut aufbauen lässt.

DFB.de: Auch wenn Ihr Rückzug nicht unbedingt exakt so geplant war: Sagen Sie sich manchmal, das Feld ist bestellt, ich kann mich ruhigen Gewissens aus meinen Ämtern zurückziehen?

Dietrich: Ihre Frage könnte ich natürlich auch schon so als kurze Antwort stehen lassen. Aber so einfach ist das nicht, gerade wenn man so lange an der Entwicklung des Profi-Frauenfußballs auf Vereins- und DFB-Ebene beteiligt und in jedem Jahr 365 Tage 24/7 eingebunden war. Bei einem so abrupten Rückzug, der einem natürlich gerade in der Zeit des Aufbruchs in neue Dimensionen sehr schwerfällt, gehen einem eher die Gedanken durch den Kopf, ob man wirklich alles realisieren konnte, was man sich vorgenommen hatte, wie es jetzt für die Projekte und einen selbst wirklich weitergeht und ob man das gewohnte aktive Handeln auch wirklich zeitnah ausblenden kann. Keine Gedanken muss ich mir über die Fortführung der Projekte und Bereiche machen. Ein jeweils herausragendes Team hat hier sehr schnell und mit großem Engagement die auch bisher mitgetragene Verantwortung komplett übernommen.

DFB.de: Wie nehmen Sie aktuell die Entwicklung – vor allem in der Liga – wahr?

Dietrich: Es ist einfach großartig, wie unsere Frauen-Bundesliga nach den herausragenden Leistungen bei der EM in England durch eine viel breitere Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Das neue Zuschauerinteresse mit den Rekorden – wie etwa bei unserem Saisoneröffnungsspiel mit 23.200 Fans - in den großen Stadien und die Liveübertragung aller Spiele, sind die lange erhoffte Reaktion auf die neue Qualität und Popularität des Fußballs der Frauen. Ganz entscheidend ist natürlich auch das Auftreten der Spielerinnen mit dem gewachsenen Bekanntheitsgrad neben dem Platz. Die offene und nahbare Art, die Ehrlichkeit und die ergiebige Themenvielfalt in der Kommunikation sind wertschaffende Merkmale für hohe Sympathiewerte, mit der die Bundesliga wie die Nationalmannschaft mit wachsendem Wettbewerb in ein neues Zeitalter gestartet ist.

DFB.de: Was bedeutet das sportlich?

Dietrich: Der Status Quo in Sachen sportlicher Liga-Wettbewerb hat nach oben noch reichlich Luft. Wolfsburg hat durch herausragende Arbeit, das personelle Konzept und hochprofessionelle Möglichkeiten weiterhin einen Vorsprung von zwei bis drei Jahren und zählt als aktueller Liga-Primus zu Recht zur europäischen Spitze. Ich bin aber hoffnungsfroh, dass da die nachfolgenden Vereine in den kommenden Spielzeiten aufschließen. Dass ich da auch an eine erfolgreiche Zukunft von Eintracht Frankfurt denke, liegt in der Natur der Sache.

DFB.de: Sie galten immer als Visionär, als Macher, der sich von seiner Mission nie abbringen ließ – oftmals gegen viele Widerstände. Angesichts der aktuellen positiven Entwicklungen: Fühlen Sie sich bestätigt, nie locker gelassen und mit Ihrer Vorgehensweise auch viel erreicht zu haben?

Dietrich: Das kann man, wenn man aktuell einen Strich ziehen würde, durchaus als Bestätigung sehen. Der Weg bis zur heutigen Popularität des Frauenfußballs war ein wahrlich sehr langer und steiniger und hat ja schon weit vor meinem Engagement mit vielen Pionierinnen und Pionieren begonnen. Für mich war es immer wichtig, mit klaren Zielen, dem Blick auf das große Ganze, deutlichen Ansagen, Überzeugung, und einer nachhaltigen Geschäftsphilosophie zu agieren. Kurz gesagt: Ich war immer gierig mit großer Beharrlichkeit den nächsten Schritt zu gehen! Entscheidend war, dass wir als FFC-Verantwortliche sehr oft im engen Zusammenspiel mit unseren Wegbegleitern, Sponsoren und Förderern aus Politik und Wirtschaft genau zum richtigen Zeitpunkt das Richtige gemacht haben.

DFB.de: Was meinen Sie damit?

Dietrich: Da könnte man, wenn man den Film der letzten 30 Jahre ablaufen lässt, sicherlich einiges aufzählen. Letztlich waren viele Aktivitäten ergebnisorientiert angelegt. Mit dem Motto bei allen Kooperationen und Partnerschaften immer etwas mehr zu geben als zu nehmen, bin ich sehr gut gefahren. So haben wir in der gesamten Zeit als FFC in jeder Saison schwarze Zahlen geschrieben und hatten zumindest in den Erfolgsjahren wie 2008 und 2015 durchaus schon Erlösergebnisse, mit denen man auch heute noch im oberen Drittel der Bundesliga mitspielen könnte. Ein Ergebnis professioneller Vermarktung und gezielter Medienarbeit. Nicht zuletzt war das Netzwerk und die Pflege der Kontakte auch im sportlichen Bereich sehr oft der Schlüssel zum Erfolg. Und dabei zählen Nachhaltigkeit, Verlässlichkeit und Respekt bei Geschäftsbeziehungen genauso wie bei Partnerschaften im Sport zu meinen wichtigsten Erfolgsgeheimnissen - und das mit positiven Wirkungen auch weit über das Gültigkeitsdatum von Verträgen und Vereinbarungen hinaus, da man sich rund um Erfolge und Niederlagen bekanntlich immer mehrfach im Leben sieht.

DFB.de: Was hat Sie all die Jahre motiviert und angetrieben?

Dietrich: Die Grundlage für meine Motivation war neben dem ganz persönlichen Ehrgeiz der Glaube an "unseren" Sport und an die Spielerinnen, die ihn in unserer Mannschaft und in der Nationalmannschaft verkörpert haben. Der Glanz in den Augen aller Beteiligten nach dem Gewinn der nationalen und internationalen Titel wirkt bei mir noch heute nach und zählt für mich zu den treibenden Faktoren. Vor allem war für mich Frauenfußball trotz der sehr lange weitverbreiteten fehlenden Akzeptanz auch schon in seinen Anfängen "Fußball"! Nicht zuletzt spricht man ja heute nach der tollen Entwicklung fast schon selbstverständlich sehr oft von dem einen Fußball, der unter dem Dach der Vereine und Verbände vor allem auch aus weiblicher Sicht eine große Zukunft hat. Und damals wie heute gilt für mich: Der Frauen- und Mädchenfußball ist der Fußball mit den größten Zuwachsraten und herausragenden Aussichten für die Zukunft. Die aktuellen Erfolge und Entwicklungen beweisen es. Und für die, die es nochmal hören wollen: Nachhaltiges Investment in den Frauenfußball ist nach meinen Erfahrungen ein lohnendes Geschäft mit großer Perspektive. Auch ich habe damit schon in den FFC-Anfängen Geld verdient und dieses in die Weiterentwicklung investiert.

DFB.de: Lassen Sie uns zurückschauen und einige Meilensteine in ihrer Laufbahn betrachten. Fangen wir ganz vorne an. Können Sie sich noch an den Moment erinnern, als Sie mit dem Virus Frauenfußball infiziert wurden?

Dietrich: Das war und ist bis heute ein Virus, gegen den es für mich keinen Impfstoff gab und gibt. Und der erste Moment war ein Tennismatch mit Monika Staab, die mich danach mit einem ersten Besuch bei einem Bundesligaspiel der SG Praunheim gegen den FC Bayern München infizierte. Ich war von dem Spiel begeistert und fand es beeindruckend, wie sich die damalige Abteilungsleiterin mit einem großen ehrenamtlichen Mitarbeiterstab um das Bundesligateam aber auch um die anderen Frauen- und Mädchenteams kümmerte. Sehr schnell konnte ich meinen ersten Sponsor für die damals schon aufstrebende Bundesligamannschaft gewinnen und war dann quasi für ein weiteres Miteinander "verhaftet".

DFB.de: War Ihnen sofort klar, welches Potenzial darin steckt?

Dietrich: Ich war absolut davon überzeugt, dass die SG Praunheim mit ihrem Engagement im Frauenfußball ein zukunftsträchtiges Projekt verfolgt, und wir schon sehr bald mit unserem sportlichen Konzept und meinen Vorstellungen für schnell wachsende wirtschaftliche Möglichkeiten die nächsten Schritte einer erfolgreichen Entwicklung gehen können. Für mich war schon damals der Frauenfußball mit mehr Chancen ausgestattet als es die allgemeine Akzeptanz vermuten ließ.

DFB.de: Welche Vorbehalte sind Ihnen damals begegnet? Was hat sich über die Jahre verändert?

Dietrich: Ganz ehrlich gesagt, habe ich mich mit den ganzen Vorbehalten zur damaligen Spiel-Qualität und gesellschaftlicher Akzeptanz bis hin zu ausfälligen Bemerkungen kaum beschäftigt. Ich habe an die Entwicklung geglaubt, viele dumme Sprüche und oft auch ein Belächeln meines Engagements an mir vorbeiziehen lassen und einfach unbeirrt weitergemacht. Die schulterklopfenden "Gönner und Freunde", die vorher noch weggeschaut hatten, kamen später mit den ersten größeren Erfolgen als Pokalsieger, Deutscher Meister und Champions League-Sieger von selbst. Großen Respekt hatte ich immer vor den Mädchen und Frauen, die mit der ständigen männervergleichenden und abwertenden Kritik umgehen mussten, sich aber oft dann erst recht mit immer besseren Leistungen präsentierten. Auch das hat mich außerordentlich motiviert, unsere damaligen Vorbilder wie Birgit Prinz, Steffi Jones und Nia Künzer in der Medienlandschaft und auch über werbliche Maßnahmen zu positionieren und so mit herausragenden Beispielen für unseren Sport zu werben. Heute würde man sagen: Mit einem ganzheitlichen Konzept zum Erfolg und das ab 2003 und 2007 dann auch mit Weltmeisterinnen.

DFB.de: 1998 die Gründung des 1. FFC Frankfurt: Wie ordnen Sie diesen Schritt ein?

Dietrich: Die Gründung des 1. FFC Frankfurt und der Umzug ins Stadion am Brentanobad waren damals genau zum richtigen Zeitpunkt die entscheidenden Schritte in die Selbstständigkeit als reiner Frauenfußballverein. Das Konzept, das dahinterstand, war bahnbrechend: Mit Topspielerinnen, einem vermarktbaren Namen und einer angemessenen Spielstätte unter eigener Regie in die Zukunft zu gehen. Ich übernahm als Manager zusammen mit dem Vorstand wesentliche Teile der Verantwortung und als Investor sowie als Vermarktungs- und Organisationspartner das wirtschaftliche Gesamtrisiko. So konnte ich ohne interne Widerstände große Ziele vorgeben. Das Entscheidende war, dass wir alle an einem Strang gezogen haben und die gleichen Ziele hatten. Das Ergebnis ist bekannt: 20 nationale und internationale Titel in 22 Jahren Vereinsgeschichte. Besondere Garanten für diesen in Deutschland einmaligen Erfolgsweg waren neben den hochmotivierten Verantwortlichen und den Spielerinnen auf dem Rasen über 50 Sponsoren, mit Lotto Hessen und der Commerzbank als jeweils jahrelange Trikot- und Hauptsponsoren an der Spitze. Genauso hat sich aber auch die Stadt Frankfurt am Main immer sehr hilfreich engagiert.

DFB.de: Welcher Erfolg war bei den zahlreichen Titeln der schönste?

Dietrich: Klar, dass jeweils die ersten Titel als Deutscher Meister, DFB-Pokalsieger und UEFA-Cup-Gewinner besonders in Erinnerung bleiben. Für mich waren aber die beiden Triple-Jahre 2002 und 2008 und der Champions-League-Sieg 2015 besondere Meilensteine in meiner Zeit als Manager.

DFB.de: Einer der wichtigsten Meilensteine Ihre Laufbahn war ohne Zweifel auch die Fusion mit der Eintracht 2020. Warum war dieser Schritt notwendig?

Dietrich: Was kann dem Fußball in der Sportstadt Frankfurt am Main Besseres passieren, als die Entscheidung für ein Konzept, in dem erfolgreicher Männer- und Frauenfußball gemeinsame Wege gehen. Somit ist für mich die Fusion mit der Adler-Familie vielleicht sogar der wichtigste Titel in meiner aktiven Laufbahn und das neue und noch viel größere Teamplay hat mir schon nach kurzer Eingewöhnung und Orientierung außerordentlich viel Spaß gemacht. Die Eintracht zählt mit ihrer modernen und diversen Ausrichtung zu den genialsten Vereinen in Deutschland und Europa, in der der Frauenfußball einen sehr hohen Stellenwert bekommen hat. Der Vorstand und alle Bereiche stehen hinter einer Entwicklung, die in der Zusammenschmelzung der Erfahrungen aus dem Männer- und Frauenbereich zu einer ganzheitlichen Fußballwelt mit großer Strahlkraft geworden ist. Ein Development, das in seiner Gesamtheit einmal mehr Vorbild für unseren Sport, aber auch für die Gesellschaft ist und beste Grundlagen für zukünftige Erfolge bietet.

DFB.de: Sie haben immer gesagt, die reinen Frauenvereine werden es schwer haben – fühlen Sie sich heute bestätigt?

Dietrich: Ich denke die aktuelle Entwicklung spiegelt das wider, was ich vor über zehn Jahren vorausgesagt habe. Auch wenn wir selbst, mit der Motivation, die ich immer wieder in Richtung der Lizenzvereine gepredigt habe, in unseren letzten FFC-Jahren durch ein sportliches Tal mussten: Es war und ist bei allem Respekt vor den reinen Frauenfußballvereinen der einzig richtige und logische Weg die Zukunft mit oder in einem Lizenzverein zu suchen. Nur mit einer Professionalisierung und Attraktivierung der Liga können unsere Klubs und die Liga selbst im stark wachsenden Wettbewerb in Europa erfolgsorientiert bestehen.

DFB.de: Sie haben sich zudem fast drei Jahrzehnte in DFB-Gremien und Ausschüssen engagiert – wie bewerten Sie diese Arbeit?

Dietrich: Das Entscheidende ist, dass die Verantwortlichen der Vereine und des DFB regelmäßig die Köpfe zusammenstecken und die Richtung mit wertschaffenden Leitplanken für die Liga-Zukunft entwickeln, vorgeben und sich klare Ziele setzen. Der DFB-Ausschuss Frauen-Bundesligen ist hierfür ein wichtiges Instrument.

DFB.de: Was wünschen Sie sich für die zukünftige Zusammenarbeit von Vereinen, DFB und DFL?

Dietrich: Ich erwarte, dass die Verantwortlichen der Vereine und des DFB in der Zukunft noch mehr im Einklang mit der DFL zusammenarbeiten. Ein Bündeln der Kräfte, der Ideen für sportliche, mediale und wirtschaftliche Faktoren kann den Profifußball der Frauen auf eine noch größere Ebene heben. Es muss noch intensiver alles getan werden, um weitere Grundlagen für das Profitum der Fußballerinnen zu legen.

DFB.de: Wo sehen Sie noch Potenziale der Liga, die man ausschöpfen sollte, welche Visionen haben Sie diesbezüglich noch?

Dietrich: Reden wir bisher sehr oft als erstes über die Verbesserung der Strukturen, sehe ich in der Zukunft mit einem Selbstverständnis für beste Bedingungen spätestens nach der übernächsten TV-Vertragsperiode 2027 vor allem eine schrittweise Vergrößerung der Liga zunächst auf 14 und später auf 16 oder sogar 18 Vereine. Nur dann, wenn wir wie bei den Männern eine echte Dauerpräsenz - und das über Deutschland noch besser verteilt - aufweisen können, sind wir ständig im Fokus der Wahrnehmung, sind attraktiv für wirklich große Sponsoren und Partner und können damit die Grundlage für höhere Budgets legen. Damit wachsen die Chancen, zu den höheren Einnahmen aus den TV-Verträgen auch durch die verbesserten Medienwerte, die Erlöse aus der eigenen Klubvermarktung und der Zentralvermarktung des DFB deutlich steigern zu können. Ziel müssen bei allen Vereinen Budgetgrößen sein, die ein Voll-Profitum für alle Bundesligaspielerinnen und Mitarbeiter ermöglichen. Dann wird die Qualität und der Wettbewerb auf dem Rasen noch weiter steigen und man könnte mit einer höheren finanziellen Ausstattung auch endlich der nervigen Diskussion, um die jetzt noch vergleichsweise niedrigen Gehälter der Frauen im wahrsten Sinne des Wortes "Herr" werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass da in der Zukunft viel geht, wir erst am Anfang der Entwicklung unserer Liga als Profi-Spielklasse sind und in spätestens fünf Jahren auch die ersten Vereine mit ihren Frauen-Profibereichen schwarze Zahlen schreiben.

DFB.de: Gerade haben der DFB und die DFL eine Studie zur wirtschaftlichen Zukunft des Frauenfußballs herausgegeben, die sehr positive Zahlen nennt. Welche Bedeutung hat das, wie bewerten Sie die Aussichten?

Dietrich: Die Studie belegt eindrucksvoll auch meine Einschätzung zur wirtschaftlichen Zukunft der Frauen-Bundesliga. Je besser die Konzepte für das Zukunftsszenario Frauen-Bundesliga in den Lizenzvereinen sind und umso nachhaltiger diese umgesetzt werden, sind die Prognosen der Studie für einen ausgesprochen starken Wachstumsprozess in den kommenden fünf bis zehn Jahren für mich absolut realistisch.

DFB.de: Wie ordnen Sie die Entwicklung für die heutigen Erfolge des Profi-Frauenfußballs ein und was bleibt am Ende dieses langen Weges?

Dietrich: Ich denke, dass wir als großes Team mit dem gelebten Weg des 1. FFC Frankfurt, vielen damit verbundenen Entwicklungsprozessen und nicht zuletzt mit der signalsetzenden Fusion mit Eintracht Frankfurt an vielen Meilensteinen der Entwicklung des Profi-Frauenfußballs durchaus auch richtungsweisend beteiligt waren. Welchen Anteil dabei mein langjähriges Engagement mit eingebracht hat, mögen bitte andere beurteilen. Am Ende dieses langen Weges möchte ich vor allem all denjenigen danken, die mich inhaltlich, strategisch, wirtschaftlich aber auch ganz persönlich unterstützt haben. Dazu zählen auch die vielen Fans, ohne die wir nie das erreicht hätten, was wir heute sind. Und auch hier wird mein Motto "Gemeinsam sind wir stark" ein wichtiges Signal für die Zukunft bleiben.

Zum Abschluss des Interviews möchte ich gerne noch ein paar persönliche Worte adressieren: Ich wünsche unserer Frauen-Bundesliga, allen Spielerinnen der Klubs, sowie den Verantwortlichen der Vereine und des DFB, im Wettbewerb auf dem Rasen, aber auch im Zusammenspiel über den eigenen Tellerrand hinaus eine erfolgreiche Zukunft. Möge es auch zusammen mit den Medien und den Sponsoren gelingen, weiterhin zu den stärksten Ligen in Europa zu zählen und als Bundesliga ein wesentlicher Antreiber im Wachstumsmarkt des europäischen Profi-Frauenfußballs zu sein.

DFB.de: Aber auch wir haben noch eine Frage: Ist eine Rückkehr ausgeschlossen? Können Sie sich nach ihrer Genesungszeit und einer ausgiebigen Erholung zumindest eine beratende Tätigkeit im Profi-Frauenfußball vorstellen?

Dietrich: Eine Rückkehr mit den vielen Aufgaben im Tagesgeschäft in den bisherigen Dimensionen ist für mich ausgeschlossen. Würde es meine gesundheitliche Lage in absehbarer zulassen, würde ich natürlich darüber nachdenken, wie ich mich mit meinen Erfahrungen rund um meine bisherigen Tätigkeitsfelder beratend einbringen könnte. Ein besonderes Anliegen wäre mir dabei, möglichst viele Frauen und Männer zu begeistern und zu überzeugen, sich im Profi-Frauenfußball auf allen Ebenen der Vereine und Verbände beruflich zu engagieren. Genauso könnte ich mir vorstellen, in gewissen Zeitfenstern meine Expertise in Sachen Liga- und Spielerinnen-Vermarktung sowie meine Ideen zur generellen Liga-Entwicklung weiter mit einzubringen.

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Nach knapp 30 Jahren, dem Gewinn von 20 Titeln und der Fusion mit Eintracht Frankfurt, zieht sich Siggi Dietrich, einer der Pioniere und der erfolgreichsten Manager des Frauenfußballs, aus gesundheitlichen Gründen zum Ende des Jahres von allen Ämtern zurück. Zuletzt fungierte er als Generalbevollmächtigter und Sportdirektor Frauen der Eintracht Frankfurt Fußball AG und war Vorsitzender des DFB-Ausschusses Frauen-Bundesligen. Im großen DFB.de-Interview spricht Siggi Dietrich zum Ende seiner aktiven Zeit über seine Anfänge, seine Motivation in drei Jahrzehnten, die Entwicklung und Chancen des Profi-Frauenfußballs in Deutschland, Visionen, Meilensteine und seine Zukunft.

DFB.de: Erlauben Sie zunächst eine persönliche Frage: Wie geht es Ihnen?

Siggi Dietrich: Da ich mit den Erfahrungen aus meiner viermonatigen gesundheitsbedingten Auszeit im Frühjahr 2021 diesmal frühzeitig die Reißleine ziehen konnte und seit meinem Rückzug im Oktober vor allem die Gesundheit in den Vordergrund gestellt habe, geht es mir aktuell ohne den Druck des Tagesgeschäfts step by step immer besser. Ein schönes Gefühl, auf das es sich in den nächsten Monaten mit Urlauben und vielen Freiräumen in der Tagesgestaltung bestimmt gut aufbauen lässt.

DFB.de: Auch wenn Ihr Rückzug nicht unbedingt exakt so geplant war: Sagen Sie sich manchmal, das Feld ist bestellt, ich kann mich ruhigen Gewissens aus meinen Ämtern zurückziehen?

Dietrich: Ihre Frage könnte ich natürlich auch schon so als kurze Antwort stehen lassen. Aber so einfach ist das nicht, gerade wenn man so lange an der Entwicklung des Profi-Frauenfußballs auf Vereins- und DFB-Ebene beteiligt und in jedem Jahr 365 Tage 24/7 eingebunden war. Bei einem so abrupten Rückzug, der einem natürlich gerade in der Zeit des Aufbruchs in neue Dimensionen sehr schwerfällt, gehen einem eher die Gedanken durch den Kopf, ob man wirklich alles realisieren konnte, was man sich vorgenommen hatte, wie es jetzt für die Projekte und einen selbst wirklich weitergeht und ob man das gewohnte aktive Handeln auch wirklich zeitnah ausblenden kann. Keine Gedanken muss ich mir über die Fortführung der Projekte und Bereiche machen. Ein jeweils herausragendes Team hat hier sehr schnell und mit großem Engagement die auch bisher mitgetragene Verantwortung komplett übernommen.

DFB.de: Wie nehmen Sie aktuell die Entwicklung – vor allem in der Liga – wahr?

Dietrich: Es ist einfach großartig, wie unsere Frauen-Bundesliga nach den herausragenden Leistungen bei der EM in England durch eine viel breitere Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Das neue Zuschauerinteresse mit den Rekorden – wie etwa bei unserem Saisoneröffnungsspiel mit 23.200 Fans - in den großen Stadien und die Liveübertragung aller Spiele, sind die lange erhoffte Reaktion auf die neue Qualität und Popularität des Fußballs der Frauen. Ganz entscheidend ist natürlich auch das Auftreten der Spielerinnen mit dem gewachsenen Bekanntheitsgrad neben dem Platz. Die offene und nahbare Art, die Ehrlichkeit und die ergiebige Themenvielfalt in der Kommunikation sind wertschaffende Merkmale für hohe Sympathiewerte, mit der die Bundesliga wie die Nationalmannschaft mit wachsendem Wettbewerb in ein neues Zeitalter gestartet ist.

DFB.de: Was bedeutet das sportlich?

Dietrich: Der Status Quo in Sachen sportlicher Liga-Wettbewerb hat nach oben noch reichlich Luft. Wolfsburg hat durch herausragende Arbeit, das personelle Konzept und hochprofessionelle Möglichkeiten weiterhin einen Vorsprung von zwei bis drei Jahren und zählt als aktueller Liga-Primus zu Recht zur europäischen Spitze. Ich bin aber hoffnungsfroh, dass da die nachfolgenden Vereine in den kommenden Spielzeiten aufschließen. Dass ich da auch an eine erfolgreiche Zukunft von Eintracht Frankfurt denke, liegt in der Natur der Sache.

DFB.de: Sie galten immer als Visionär, als Macher, der sich von seiner Mission nie abbringen ließ – oftmals gegen viele Widerstände. Angesichts der aktuellen positiven Entwicklungen: Fühlen Sie sich bestätigt, nie locker gelassen und mit Ihrer Vorgehensweise auch viel erreicht zu haben?

Dietrich: Das kann man, wenn man aktuell einen Strich ziehen würde, durchaus als Bestätigung sehen. Der Weg bis zur heutigen Popularität des Frauenfußballs war ein wahrlich sehr langer und steiniger und hat ja schon weit vor meinem Engagement mit vielen Pionierinnen und Pionieren begonnen. Für mich war es immer wichtig, mit klaren Zielen, dem Blick auf das große Ganze, deutlichen Ansagen, Überzeugung, und einer nachhaltigen Geschäftsphilosophie zu agieren. Kurz gesagt: Ich war immer gierig mit großer Beharrlichkeit den nächsten Schritt zu gehen! Entscheidend war, dass wir als FFC-Verantwortliche sehr oft im engen Zusammenspiel mit unseren Wegbegleitern, Sponsoren und Förderern aus Politik und Wirtschaft genau zum richtigen Zeitpunkt das Richtige gemacht haben.

DFB.de: Was meinen Sie damit?

Dietrich: Da könnte man, wenn man den Film der letzten 30 Jahre ablaufen lässt, sicherlich einiges aufzählen. Letztlich waren viele Aktivitäten ergebnisorientiert angelegt. Mit dem Motto bei allen Kooperationen und Partnerschaften immer etwas mehr zu geben als zu nehmen, bin ich sehr gut gefahren. So haben wir in der gesamten Zeit als FFC in jeder Saison schwarze Zahlen geschrieben und hatten zumindest in den Erfolgsjahren wie 2008 und 2015 durchaus schon Erlösergebnisse, mit denen man auch heute noch im oberen Drittel der Bundesliga mitspielen könnte. Ein Ergebnis professioneller Vermarktung und gezielter Medienarbeit. Nicht zuletzt war das Netzwerk und die Pflege der Kontakte auch im sportlichen Bereich sehr oft der Schlüssel zum Erfolg. Und dabei zählen Nachhaltigkeit, Verlässlichkeit und Respekt bei Geschäftsbeziehungen genauso wie bei Partnerschaften im Sport zu meinen wichtigsten Erfolgsgeheimnissen - und das mit positiven Wirkungen auch weit über das Gültigkeitsdatum von Verträgen und Vereinbarungen hinaus, da man sich rund um Erfolge und Niederlagen bekanntlich immer mehrfach im Leben sieht.

DFB.de: Was hat Sie all die Jahre motiviert und angetrieben?

Dietrich: Die Grundlage für meine Motivation war neben dem ganz persönlichen Ehrgeiz der Glaube an "unseren" Sport und an die Spielerinnen, die ihn in unserer Mannschaft und in der Nationalmannschaft verkörpert haben. Der Glanz in den Augen aller Beteiligten nach dem Gewinn der nationalen und internationalen Titel wirkt bei mir noch heute nach und zählt für mich zu den treibenden Faktoren. Vor allem war für mich Frauenfußball trotz der sehr lange weitverbreiteten fehlenden Akzeptanz auch schon in seinen Anfängen "Fußball"! Nicht zuletzt spricht man ja heute nach der tollen Entwicklung fast schon selbstverständlich sehr oft von dem einen Fußball, der unter dem Dach der Vereine und Verbände vor allem auch aus weiblicher Sicht eine große Zukunft hat. Und damals wie heute gilt für mich: Der Frauen- und Mädchenfußball ist der Fußball mit den größten Zuwachsraten und herausragenden Aussichten für die Zukunft. Die aktuellen Erfolge und Entwicklungen beweisen es. Und für die, die es nochmal hören wollen: Nachhaltiges Investment in den Frauenfußball ist nach meinen Erfahrungen ein lohnendes Geschäft mit großer Perspektive. Auch ich habe damit schon in den FFC-Anfängen Geld verdient und dieses in die Weiterentwicklung investiert.

DFB.de: Lassen Sie uns zurückschauen und einige Meilensteine in ihrer Laufbahn betrachten. Fangen wir ganz vorne an. Können Sie sich noch an den Moment erinnern, als Sie mit dem Virus Frauenfußball infiziert wurden?

Dietrich: Das war und ist bis heute ein Virus, gegen den es für mich keinen Impfstoff gab und gibt. Und der erste Moment war ein Tennismatch mit Monika Staab, die mich danach mit einem ersten Besuch bei einem Bundesligaspiel der SG Praunheim gegen den FC Bayern München infizierte. Ich war von dem Spiel begeistert und fand es beeindruckend, wie sich die damalige Abteilungsleiterin mit einem großen ehrenamtlichen Mitarbeiterstab um das Bundesligateam aber auch um die anderen Frauen- und Mädchenteams kümmerte. Sehr schnell konnte ich meinen ersten Sponsor für die damals schon aufstrebende Bundesligamannschaft gewinnen und war dann quasi für ein weiteres Miteinander "verhaftet".

DFB.de: War Ihnen sofort klar, welches Potenzial darin steckt?

Dietrich: Ich war absolut davon überzeugt, dass die SG Praunheim mit ihrem Engagement im Frauenfußball ein zukunftsträchtiges Projekt verfolgt, und wir schon sehr bald mit unserem sportlichen Konzept und meinen Vorstellungen für schnell wachsende wirtschaftliche Möglichkeiten die nächsten Schritte einer erfolgreichen Entwicklung gehen können. Für mich war schon damals der Frauenfußball mit mehr Chancen ausgestattet als es die allgemeine Akzeptanz vermuten ließ.

DFB.de: Welche Vorbehalte sind Ihnen damals begegnet? Was hat sich über die Jahre verändert?

Dietrich: Ganz ehrlich gesagt, habe ich mich mit den ganzen Vorbehalten zur damaligen Spiel-Qualität und gesellschaftlicher Akzeptanz bis hin zu ausfälligen Bemerkungen kaum beschäftigt. Ich habe an die Entwicklung geglaubt, viele dumme Sprüche und oft auch ein Belächeln meines Engagements an mir vorbeiziehen lassen und einfach unbeirrt weitergemacht. Die schulterklopfenden "Gönner und Freunde", die vorher noch weggeschaut hatten, kamen später mit den ersten größeren Erfolgen als Pokalsieger, Deutscher Meister und Champions League-Sieger von selbst. Großen Respekt hatte ich immer vor den Mädchen und Frauen, die mit der ständigen männervergleichenden und abwertenden Kritik umgehen mussten, sich aber oft dann erst recht mit immer besseren Leistungen präsentierten. Auch das hat mich außerordentlich motiviert, unsere damaligen Vorbilder wie Birgit Prinz, Steffi Jones und Nia Künzer in der Medienlandschaft und auch über werbliche Maßnahmen zu positionieren und so mit herausragenden Beispielen für unseren Sport zu werben. Heute würde man sagen: Mit einem ganzheitlichen Konzept zum Erfolg und das ab 2003 und 2007 dann auch mit Weltmeisterinnen.

DFB.de: 1998 die Gründung des 1. FFC Frankfurt: Wie ordnen Sie diesen Schritt ein?

Dietrich: Die Gründung des 1. FFC Frankfurt und der Umzug ins Stadion am Brentanobad waren damals genau zum richtigen Zeitpunkt die entscheidenden Schritte in die Selbstständigkeit als reiner Frauenfußballverein. Das Konzept, das dahinterstand, war bahnbrechend: Mit Topspielerinnen, einem vermarktbaren Namen und einer angemessenen Spielstätte unter eigener Regie in die Zukunft zu gehen. Ich übernahm als Manager zusammen mit dem Vorstand wesentliche Teile der Verantwortung und als Investor sowie als Vermarktungs- und Organisationspartner das wirtschaftliche Gesamtrisiko. So konnte ich ohne interne Widerstände große Ziele vorgeben. Das Entscheidende war, dass wir alle an einem Strang gezogen haben und die gleichen Ziele hatten. Das Ergebnis ist bekannt: 20 nationale und internationale Titel in 22 Jahren Vereinsgeschichte. Besondere Garanten für diesen in Deutschland einmaligen Erfolgsweg waren neben den hochmotivierten Verantwortlichen und den Spielerinnen auf dem Rasen über 50 Sponsoren, mit Lotto Hessen und der Commerzbank als jeweils jahrelange Trikot- und Hauptsponsoren an der Spitze. Genauso hat sich aber auch die Stadt Frankfurt am Main immer sehr hilfreich engagiert.

DFB.de: Welcher Erfolg war bei den zahlreichen Titeln der schönste?

Dietrich: Klar, dass jeweils die ersten Titel als Deutscher Meister, DFB-Pokalsieger und UEFA-Cup-Gewinner besonders in Erinnerung bleiben. Für mich waren aber die beiden Triple-Jahre 2002 und 2008 und der Champions-League-Sieg 2015 besondere Meilensteine in meiner Zeit als Manager.

DFB.de: Einer der wichtigsten Meilensteine Ihre Laufbahn war ohne Zweifel auch die Fusion mit der Eintracht 2020. Warum war dieser Schritt notwendig?

Dietrich: Was kann dem Fußball in der Sportstadt Frankfurt am Main Besseres passieren, als die Entscheidung für ein Konzept, in dem erfolgreicher Männer- und Frauenfußball gemeinsame Wege gehen. Somit ist für mich die Fusion mit der Adler-Familie vielleicht sogar der wichtigste Titel in meiner aktiven Laufbahn und das neue und noch viel größere Teamplay hat mir schon nach kurzer Eingewöhnung und Orientierung außerordentlich viel Spaß gemacht. Die Eintracht zählt mit ihrer modernen und diversen Ausrichtung zu den genialsten Vereinen in Deutschland und Europa, in der der Frauenfußball einen sehr hohen Stellenwert bekommen hat. Der Vorstand und alle Bereiche stehen hinter einer Entwicklung, die in der Zusammenschmelzung der Erfahrungen aus dem Männer- und Frauenbereich zu einer ganzheitlichen Fußballwelt mit großer Strahlkraft geworden ist. Ein Development, das in seiner Gesamtheit einmal mehr Vorbild für unseren Sport, aber auch für die Gesellschaft ist und beste Grundlagen für zukünftige Erfolge bietet.

DFB.de: Sie haben immer gesagt, die reinen Frauenvereine werden es schwer haben – fühlen Sie sich heute bestätigt?

Dietrich: Ich denke die aktuelle Entwicklung spiegelt das wider, was ich vor über zehn Jahren vorausgesagt habe. Auch wenn wir selbst, mit der Motivation, die ich immer wieder in Richtung der Lizenzvereine gepredigt habe, in unseren letzten FFC-Jahren durch ein sportliches Tal mussten: Es war und ist bei allem Respekt vor den reinen Frauenfußballvereinen der einzig richtige und logische Weg die Zukunft mit oder in einem Lizenzverein zu suchen. Nur mit einer Professionalisierung und Attraktivierung der Liga können unsere Klubs und die Liga selbst im stark wachsenden Wettbewerb in Europa erfolgsorientiert bestehen.

DFB.de: Sie haben sich zudem fast drei Jahrzehnte in DFB-Gremien und Ausschüssen engagiert – wie bewerten Sie diese Arbeit?

Dietrich: Das Entscheidende ist, dass die Verantwortlichen der Vereine und des DFB regelmäßig die Köpfe zusammenstecken und die Richtung mit wertschaffenden Leitplanken für die Liga-Zukunft entwickeln, vorgeben und sich klare Ziele setzen. Der DFB-Ausschuss Frauen-Bundesligen ist hierfür ein wichtiges Instrument.

DFB.de: Was wünschen Sie sich für die zukünftige Zusammenarbeit von Vereinen, DFB und DFL?

Dietrich: Ich erwarte, dass die Verantwortlichen der Vereine und des DFB in der Zukunft noch mehr im Einklang mit der DFL zusammenarbeiten. Ein Bündeln der Kräfte, der Ideen für sportliche, mediale und wirtschaftliche Faktoren kann den Profifußball der Frauen auf eine noch größere Ebene heben. Es muss noch intensiver alles getan werden, um weitere Grundlagen für das Profitum der Fußballerinnen zu legen.

DFB.de: Wo sehen Sie noch Potenziale der Liga, die man ausschöpfen sollte, welche Visionen haben Sie diesbezüglich noch?

Dietrich: Reden wir bisher sehr oft als erstes über die Verbesserung der Strukturen, sehe ich in der Zukunft mit einem Selbstverständnis für beste Bedingungen spätestens nach der übernächsten TV-Vertragsperiode 2027 vor allem eine schrittweise Vergrößerung der Liga zunächst auf 14 und später auf 16 oder sogar 18 Vereine. Nur dann, wenn wir wie bei den Männern eine echte Dauerpräsenz - und das über Deutschland noch besser verteilt - aufweisen können, sind wir ständig im Fokus der Wahrnehmung, sind attraktiv für wirklich große Sponsoren und Partner und können damit die Grundlage für höhere Budgets legen. Damit wachsen die Chancen, zu den höheren Einnahmen aus den TV-Verträgen auch durch die verbesserten Medienwerte, die Erlöse aus der eigenen Klubvermarktung und der Zentralvermarktung des DFB deutlich steigern zu können. Ziel müssen bei allen Vereinen Budgetgrößen sein, die ein Voll-Profitum für alle Bundesligaspielerinnen und Mitarbeiter ermöglichen. Dann wird die Qualität und der Wettbewerb auf dem Rasen noch weiter steigen und man könnte mit einer höheren finanziellen Ausstattung auch endlich der nervigen Diskussion, um die jetzt noch vergleichsweise niedrigen Gehälter der Frauen im wahrsten Sinne des Wortes "Herr" werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass da in der Zukunft viel geht, wir erst am Anfang der Entwicklung unserer Liga als Profi-Spielklasse sind und in spätestens fünf Jahren auch die ersten Vereine mit ihren Frauen-Profibereichen schwarze Zahlen schreiben.

DFB.de: Gerade haben der DFB und die DFL eine Studie zur wirtschaftlichen Zukunft des Frauenfußballs herausgegeben, die sehr positive Zahlen nennt. Welche Bedeutung hat das, wie bewerten Sie die Aussichten?

Dietrich: Die Studie belegt eindrucksvoll auch meine Einschätzung zur wirtschaftlichen Zukunft der Frauen-Bundesliga. Je besser die Konzepte für das Zukunftsszenario Frauen-Bundesliga in den Lizenzvereinen sind und umso nachhaltiger diese umgesetzt werden, sind die Prognosen der Studie für einen ausgesprochen starken Wachstumsprozess in den kommenden fünf bis zehn Jahren für mich absolut realistisch.

DFB.de: Wie ordnen Sie die Entwicklung für die heutigen Erfolge des Profi-Frauenfußballs ein und was bleibt am Ende dieses langen Weges?

Dietrich: Ich denke, dass wir als großes Team mit dem gelebten Weg des 1. FFC Frankfurt, vielen damit verbundenen Entwicklungsprozessen und nicht zuletzt mit der signalsetzenden Fusion mit Eintracht Frankfurt an vielen Meilensteinen der Entwicklung des Profi-Frauenfußballs durchaus auch richtungsweisend beteiligt waren. Welchen Anteil dabei mein langjähriges Engagement mit eingebracht hat, mögen bitte andere beurteilen. Am Ende dieses langen Weges möchte ich vor allem all denjenigen danken, die mich inhaltlich, strategisch, wirtschaftlich aber auch ganz persönlich unterstützt haben. Dazu zählen auch die vielen Fans, ohne die wir nie das erreicht hätten, was wir heute sind. Und auch hier wird mein Motto "Gemeinsam sind wir stark" ein wichtiges Signal für die Zukunft bleiben.

Zum Abschluss des Interviews möchte ich gerne noch ein paar persönliche Worte adressieren: Ich wünsche unserer Frauen-Bundesliga, allen Spielerinnen der Klubs, sowie den Verantwortlichen der Vereine und des DFB, im Wettbewerb auf dem Rasen, aber auch im Zusammenspiel über den eigenen Tellerrand hinaus eine erfolgreiche Zukunft. Möge es auch zusammen mit den Medien und den Sponsoren gelingen, weiterhin zu den stärksten Ligen in Europa zu zählen und als Bundesliga ein wesentlicher Antreiber im Wachstumsmarkt des europäischen Profi-Frauenfußballs zu sein.

DFB.de: Aber auch wir haben noch eine Frage: Ist eine Rückkehr ausgeschlossen? Können Sie sich nach ihrer Genesungszeit und einer ausgiebigen Erholung zumindest eine beratende Tätigkeit im Profi-Frauenfußball vorstellen?

Dietrich: Eine Rückkehr mit den vielen Aufgaben im Tagesgeschäft in den bisherigen Dimensionen ist für mich ausgeschlossen. Würde es meine gesundheitliche Lage in absehbarer zulassen, würde ich natürlich darüber nachdenken, wie ich mich mit meinen Erfahrungen rund um meine bisherigen Tätigkeitsfelder beratend einbringen könnte. Ein besonderes Anliegen wäre mir dabei, möglichst viele Frauen und Männer zu begeistern und zu überzeugen, sich im Profi-Frauenfußball auf allen Ebenen der Vereine und Verbände beruflich zu engagieren. Genauso könnte ich mir vorstellen, in gewissen Zeitfenstern meine Expertise in Sachen Liga- und Spielerinnen-Vermarktung sowie meine Ideen zur generellen Liga-Entwicklung weiter mit einzubringen.

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