DFB trauert um Weltmeister Grabowski

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) trauert um Jürgen Grabowski. Der Weltmeister von 1974 ist am Donnerstagabend im Alter von 77 Jahren verstorben. DFB.de würdigt die Frankfurter Fußballlegende.

Es ging ihm schon länger nicht mehr gut. Öffentliche Auftritte, die ohnehin nie sein Ding waren, wurden in den letzten Jahren immer seltener, und das lag nicht nur an Corona. Anlässlich der Beerdigung von Bernd Nickel, seines Mitspielers bei Eintracht Frankfurt, sah man Jürgen Grabowski im Oktober 2021 schon am Stock gehen. Nun ist er als zweiter Spieler aus der Weltmeisterelf von München nach Gerd Müller verstorben.

"Dass Jürgen Grabowski verstorben ist, ist für uns alle unbegreiflich", sagt Peter Fischer, Präsident von Grabowskis Stammverein Eintracht Frankfurt. Vorstandssprecher Axel Hellmann sagt: "In seiner aktiven Zeit war Jürgen Grabowski vielleicht der vollkommenste Spieler, der für die Eintracht gespielt hat. Seine Aura wirkt bis in die Gegenwart. Grabi, der so gerne bei den Spielen unserer Eintracht dabei war, war generationsübergreifend identitätsstiftend für den Verein."

Kultfigur bei Eintracht Frankfurt

Bei Eintracht Frankfurt ist Grabowski bis heute Kult, verewigt in einem Vereinslied, das sie vor jedem Heimspiel aufs Band legen. "Wir haben die Eintracht im Endspiel gesehen, mit dem Jürgen, mit dem Jürgen, sie spielte so gut und sie spielte so schön - mit dem Jürgen Grabowski", heißt es im Fan-Song "Schwarz und weiß wie Schnee". Dabei haben die meisten, die heute in die Stadien gehen, ihren "Grabi" schon gar nicht mehr spielen sehen. Seine Weltkarriere endete 1980 nach einem Mittelfußbruch. Grund genug für DFB.de, sein Fußballerleben noch einmal Revue passieren zu lassen.

Grabowski gehörte noch zur Spezies der Spieler, die ihren ersten Profiverein nie verließen. 1965 kam er im Alter von 19 Jahren vom FV Biebrich zur Eintracht, und der blieb er treu, was einen Teil seiner Popularität ausmachte. Anlässlich seines 75. Geburtstages sagte er DFB.de: "Ich bin 1965 von Biebrich zur SGE gewechselt, immer dort geblieben - und das war schon richtig so. 1968 warben bekanntlich die Bayern um mich, Manager Robert Schwan saß in meinem Beisein mit unserem Präsidenten Robert Gramlich zusammen. Ich war regelrecht erleichtert, dass der Gramlich damals nicht gesagt hat: 'Okay, der Grabi kann gehen.' Ich habe halt doch eine gewisse Heimatverbundenheit".

Bei der WM 1966 auf der Tribüne

Sein außergewöhnliches Talent - im Offensivbereich war er ein Allrounder, der auf allen Positionen spielen konnte - führte ihn schon nach seiner ersten Bundesligasaison 1965/1966 in Helmut Schöns WM-Aufgebot für England. Dass er bei seiner ersten von drei Weltmeisterschaften nur auf der Tribüne saß, lag vor allem am letztmals geltenden Verbot von Einwechslungen. Grabowski nahm es sportlich: "Ich hockte nur auf der Tribüne, aber das war für mich damals gar nicht schlimm. Mitzufahren war schon eine Auszeichnung, und jeder Tag, jedes Training mit Leuten wie Uwe Seeler, Helmut Haller oder Franz Beckenbauer war etwas Besonderes. Und wenn Co-Trainer Dettmar Cramer zu uns gesprochen hat, stand mir jungem Kerl vor Staunen der Mund offen. Es war alles sehr lehrreich."

Vier Jahre später in Mexiko avancierte er dann zum "besten Auswechselspieler der Welt", wie die Frankfurter Abendpost/Nachtausgabe schlagzeilte. Wenn er reinkam, kam Bewegung ins deutsche Spiel, vor allem beim 3:2 im Viertelfinale gegen England, als er Gerd Müllers Siegtor vorbereitete. Dafür durfte Grabowski im Jahrhundertspiel gegen Italien (3:4 n.V.) endlich von Anfang an spielen.

Seine Erinnerungen: "Mexiko 1970 war eigentlich die schönste WM. Wir waren weit weg von zuhause und hatten trotzdem nur Heimspiele, weil die Mexikaner so deutschfreundlich waren. Ich war damals nicht gesetzt und duellierte mich mit dem Schalker Stan Libuda um den Rechtsaußenposten. Bis auf das Jahrhundertspiel gegen Italien haben wir alles gewonnen, und von dem 3:4 reden die Leute heute noch. Ich habe die Flanke auf Schnellinger gegeben, das kommt mir eigentlich etwas zu kurz in der Betrachtung, das war gar nicht so einfach mit links so dicht an der Eckfahne um den Verteidiger rum."

Weltmeister 1974: "Ich dachte, mir gehört die Welt'"

1972 gehörte der Dribbelkünstler auch zum Aufgebot bei der EM in Belgien, als der Legende nach die beste Nationalmannschaft aller Zeiten spielte. In der Qualifikation fast immer dabei, flog er im letzten Moment aus der Mannschaft. "Ich darf mich auch Europameister nennen, und mittlerweile trage ich das voller Stolz mit mir", sagte er. "Von zehn Spielen habe ich auf dem Weg zum Titel 1972 ja achteinhalb gemacht, unter anderem das legendäre 3:1 von Wembley. Dann kam das Testspiel gegen die Russen in München, und Helmut Schön ließ mich draußen mit den Worten: 'Jürgen, schon dich für die EM!' Doch Erwin Kremers spielte sich an dem Tag in die Elf, und so war ich bei der Endrunde in Belgien nur Reservist, hatte einen Jokereinsatz im Halbfinale, beim Finale sah ich zu und war schon sauer." Seine Erklärung dafür: fehlende Lobby. "Es kann eben ein Nachteil sein, wenn du einziger Vertreter deines Vereins bist und auch die örtliche Presse nicht für dich eintritt", sagte er 2020. "Aber ich will nicht nachtreten, es ist alles lange her."

Zumal er zwei Jahre später maximal entschädigt wurde. Bei der WM 1974 im eigenen Land hatte "Grabi" nach dem schwachen DDR-Spiel (0:1) seinen Platz in der Startelf auch wieder verloren, doch er erkämpfte ihn sich mit einem Jokertor gegen Schweden (4:2) zurück. "Da hat mir der liebe Gott geholfen, und ich war wieder drin in der Mannschaft, die dann in München Weltmeister wurde." So durfte er am 7. Juli 1974, seinem 30. Geburtstag, gegen die Niederlande in München von Beginn an auflaufen. Am Morgen gab es eine silberne Uhr, am Nachmittag den Goldpokal. "Das Gefühl nach dem Abpfiff war unbeschreiblich, es war die totale Begeisterung. Ich dachte: 'Mir gehört die Welt'."

Drei Tage zuvor hatte er Schön seinen Rücktritt angekündigt, nun verschaffte er sich an der Seite seines Klubkameraden Bernd Hölzenbein den perfekten Abgang. Als Weltmeister beendete er seine DFB-Karriere mit fünf Toren in 44 Länderspielen auf dem Höhepunkt. Weniger bekannt: Auch in einer Welt- und Europaauswahl kam er je einmal zum Einsatz.

Mit Frankfurt zweimal DFB-Pokalsieger und UEFA-Pokalgewinner 1980

Seiner Eintracht blieb er noch sechs Jahre treu, nun kamen auch hier die Titel: DFB-Pokalsieger 1974 (im August nach der WM) und 1975, UEFA-Pokalsieger 1980, auch wenn er im Finale fehlte wegen besagten Mittelfußbruchs. Doch nach Abpfiff trugen sie ihren Kapitän in Zivilkleidung auf Schultern, den Pokal in der Hand. Die Statistiker haben für den wohl größten Spieler des Vereins in 555 Pflichtspielen 151 Tore gezählt.

Die Eintracht würdigt ihren Ehrenspielführer, der nach der Karriere im Verwaltungsrat tätig war und so lange die Füße wollten, für die Traditionsmannschaft kickte, mit einer Gedenkminute vor dem Heimspiel am Sonntag gegen den VfL Bochum. Dann werden sie gemeinsam versuchen zu verstehen, was im ersten Moment keiner verstehen konnte.

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Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) trauert um Jürgen Grabowski. Der Weltmeister von 1974 ist am Donnerstagabend im Alter von 77 Jahren verstorben. DFB.de würdigt die Frankfurter Fußballlegende.

Es ging ihm schon länger nicht mehr gut. Öffentliche Auftritte, die ohnehin nie sein Ding waren, wurden in den letzten Jahren immer seltener, und das lag nicht nur an Corona. Anlässlich der Beerdigung von Bernd Nickel, seines Mitspielers bei Eintracht Frankfurt, sah man Jürgen Grabowski im Oktober 2021 schon am Stock gehen. Nun ist er als zweiter Spieler aus der Weltmeisterelf von München nach Gerd Müller verstorben.

"Dass Jürgen Grabowski verstorben ist, ist für uns alle unbegreiflich", sagt Peter Fischer, Präsident von Grabowskis Stammverein Eintracht Frankfurt. Vorstandssprecher Axel Hellmann sagt: "In seiner aktiven Zeit war Jürgen Grabowski vielleicht der vollkommenste Spieler, der für die Eintracht gespielt hat. Seine Aura wirkt bis in die Gegenwart. Grabi, der so gerne bei den Spielen unserer Eintracht dabei war, war generationsübergreifend identitätsstiftend für den Verein."

Kultfigur bei Eintracht Frankfurt

Bei Eintracht Frankfurt ist Grabowski bis heute Kult, verewigt in einem Vereinslied, das sie vor jedem Heimspiel aufs Band legen. "Wir haben die Eintracht im Endspiel gesehen, mit dem Jürgen, mit dem Jürgen, sie spielte so gut und sie spielte so schön - mit dem Jürgen Grabowski", heißt es im Fan-Song "Schwarz und weiß wie Schnee". Dabei haben die meisten, die heute in die Stadien gehen, ihren "Grabi" schon gar nicht mehr spielen sehen. Seine Weltkarriere endete 1980 nach einem Mittelfußbruch. Grund genug für DFB.de, sein Fußballerleben noch einmal Revue passieren zu lassen.

Grabowski gehörte noch zur Spezies der Spieler, die ihren ersten Profiverein nie verließen. 1965 kam er im Alter von 19 Jahren vom FV Biebrich zur Eintracht, und der blieb er treu, was einen Teil seiner Popularität ausmachte. Anlässlich seines 75. Geburtstages sagte er DFB.de: "Ich bin 1965 von Biebrich zur SGE gewechselt, immer dort geblieben - und das war schon richtig so. 1968 warben bekanntlich die Bayern um mich, Manager Robert Schwan saß in meinem Beisein mit unserem Präsidenten Robert Gramlich zusammen. Ich war regelrecht erleichtert, dass der Gramlich damals nicht gesagt hat: 'Okay, der Grabi kann gehen.' Ich habe halt doch eine gewisse Heimatverbundenheit".

Bei der WM 1966 auf der Tribüne

Sein außergewöhnliches Talent - im Offensivbereich war er ein Allrounder, der auf allen Positionen spielen konnte - führte ihn schon nach seiner ersten Bundesligasaison 1965/1966 in Helmut Schöns WM-Aufgebot für England. Dass er bei seiner ersten von drei Weltmeisterschaften nur auf der Tribüne saß, lag vor allem am letztmals geltenden Verbot von Einwechslungen. Grabowski nahm es sportlich: "Ich hockte nur auf der Tribüne, aber das war für mich damals gar nicht schlimm. Mitzufahren war schon eine Auszeichnung, und jeder Tag, jedes Training mit Leuten wie Uwe Seeler, Helmut Haller oder Franz Beckenbauer war etwas Besonderes. Und wenn Co-Trainer Dettmar Cramer zu uns gesprochen hat, stand mir jungem Kerl vor Staunen der Mund offen. Es war alles sehr lehrreich."

Vier Jahre später in Mexiko avancierte er dann zum "besten Auswechselspieler der Welt", wie die Frankfurter Abendpost/Nachtausgabe schlagzeilte. Wenn er reinkam, kam Bewegung ins deutsche Spiel, vor allem beim 3:2 im Viertelfinale gegen England, als er Gerd Müllers Siegtor vorbereitete. Dafür durfte Grabowski im Jahrhundertspiel gegen Italien (3:4 n.V.) endlich von Anfang an spielen.

Seine Erinnerungen: "Mexiko 1970 war eigentlich die schönste WM. Wir waren weit weg von zuhause und hatten trotzdem nur Heimspiele, weil die Mexikaner so deutschfreundlich waren. Ich war damals nicht gesetzt und duellierte mich mit dem Schalker Stan Libuda um den Rechtsaußenposten. Bis auf das Jahrhundertspiel gegen Italien haben wir alles gewonnen, und von dem 3:4 reden die Leute heute noch. Ich habe die Flanke auf Schnellinger gegeben, das kommt mir eigentlich etwas zu kurz in der Betrachtung, das war gar nicht so einfach mit links so dicht an der Eckfahne um den Verteidiger rum."

Weltmeister 1974: "Ich dachte, mir gehört die Welt'"

1972 gehörte der Dribbelkünstler auch zum Aufgebot bei der EM in Belgien, als der Legende nach die beste Nationalmannschaft aller Zeiten spielte. In der Qualifikation fast immer dabei, flog er im letzten Moment aus der Mannschaft. "Ich darf mich auch Europameister nennen, und mittlerweile trage ich das voller Stolz mit mir", sagte er. "Von zehn Spielen habe ich auf dem Weg zum Titel 1972 ja achteinhalb gemacht, unter anderem das legendäre 3:1 von Wembley. Dann kam das Testspiel gegen die Russen in München, und Helmut Schön ließ mich draußen mit den Worten: 'Jürgen, schon dich für die EM!' Doch Erwin Kremers spielte sich an dem Tag in die Elf, und so war ich bei der Endrunde in Belgien nur Reservist, hatte einen Jokereinsatz im Halbfinale, beim Finale sah ich zu und war schon sauer." Seine Erklärung dafür: fehlende Lobby. "Es kann eben ein Nachteil sein, wenn du einziger Vertreter deines Vereins bist und auch die örtliche Presse nicht für dich eintritt", sagte er 2020. "Aber ich will nicht nachtreten, es ist alles lange her."

Zumal er zwei Jahre später maximal entschädigt wurde. Bei der WM 1974 im eigenen Land hatte "Grabi" nach dem schwachen DDR-Spiel (0:1) seinen Platz in der Startelf auch wieder verloren, doch er erkämpfte ihn sich mit einem Jokertor gegen Schweden (4:2) zurück. "Da hat mir der liebe Gott geholfen, und ich war wieder drin in der Mannschaft, die dann in München Weltmeister wurde." So durfte er am 7. Juli 1974, seinem 30. Geburtstag, gegen die Niederlande in München von Beginn an auflaufen. Am Morgen gab es eine silberne Uhr, am Nachmittag den Goldpokal. "Das Gefühl nach dem Abpfiff war unbeschreiblich, es war die totale Begeisterung. Ich dachte: 'Mir gehört die Welt'."

Drei Tage zuvor hatte er Schön seinen Rücktritt angekündigt, nun verschaffte er sich an der Seite seines Klubkameraden Bernd Hölzenbein den perfekten Abgang. Als Weltmeister beendete er seine DFB-Karriere mit fünf Toren in 44 Länderspielen auf dem Höhepunkt. Weniger bekannt: Auch in einer Welt- und Europaauswahl kam er je einmal zum Einsatz.

Mit Frankfurt zweimal DFB-Pokalsieger und UEFA-Pokalgewinner 1980

Seiner Eintracht blieb er noch sechs Jahre treu, nun kamen auch hier die Titel: DFB-Pokalsieger 1974 (im August nach der WM) und 1975, UEFA-Pokalsieger 1980, auch wenn er im Finale fehlte wegen besagten Mittelfußbruchs. Doch nach Abpfiff trugen sie ihren Kapitän in Zivilkleidung auf Schultern, den Pokal in der Hand. Die Statistiker haben für den wohl größten Spieler des Vereins in 555 Pflichtspielen 151 Tore gezählt.

Die Eintracht würdigt ihren Ehrenspielführer, der nach der Karriere im Verwaltungsrat tätig war und so lange die Füße wollten, für die Traditionsmannschaft kickte, mit einer Gedenkminute vor dem Heimspiel am Sonntag gegen den VfL Bochum. Dann werden sie gemeinsam versuchen zu verstehen, was im ersten Moment keiner verstehen konnte.

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