Deutschland im WM-Achtelfinale: Neun Duelle und acht Siege

Zum zehnten Mal bestreitet Deutschland am heutigen Montag (ab 22 Uhr MESZ, live im ZDF) ein WM-Achtelfinale. Die Bilanz ist ermutigend, nur einmal war es die Endstation. Zuletzt klappte es bei der WM 2010 gegen England - Thomas Müller schoss damals zwei Tore für die DFB-Auswahl. DFB.de schaut zurück auf die bisherigen Achtelfinalspiele.

27. Mai 1934 in Florenz

Deutschland - Belgien 5:2

Ausgangslage: Das Turnier begann mit dem Achtelfinale, für die DFB-Auswahl war es das erste WM-Spiel überhaupt. Nach einem 8:1 im Oktober 1933 war sie gegen Belgien klarer Favorit.

Spielverlauf: Nach schneller Führung durch Stanislaus Kobierski drehten die Belgier das Blatt und führten zur Pause 2:1. Otto Siffling glich aus, dann glückte dem 19jährigen Saarbrücker Edmund Conen binnen 21 Minuten ein klassischer Hattrick zum 5:2-Endstand.

Besonderes: Conen ist nach Pelé der jüngste Hattrick-Schütze bei einer WM.

Pressestimmen: "Schwacher Start – aber Hoffnung! Es war ein sehr schwer erkämpfter Sieg." Fußball
"Wie zu erwarten, hatten die Deutschen nicht die geringsten Schwierigkeiten – von wenigen Ausnahmen in der ersten Halbzeit abgesehen – sich in allen Punkten den 'Roten Teufeln' gegenüber durchzusetzen." Les Sports (Brüssel)

4. Juni 1938 in Paris

Deutschland - Schweiz 1:1 n. V.

Ausgangslage: Nach dem "Anschluss" Österreichs im März 1938 wurde Reichstrainer Sepp Herberger gezwungen, mindestens fünf Österreicher aufzustellen. Die erfolgreiche Breslau-Elf wurde gesprengt. Die Vorbereitungszeit war zu kurz, um beide Fraktionen und Systeme zu vereinen. Trotzdem erwartete die Heimat, das Ergebnis von 1934 (3. Platz) zu übertreffen. Aus Kostengründen reiste der DFB-Tross nur mit 15 Spielern an, der Rest blieb im Quartier in Duisburg. Das Publikum in Paris trat den Vertretern Nazi-Deutschlands feindselig gegenüber, beim Einlaufen flogen Eier und Tomaten.

Spielverlauf: Nach 29 Minuten erzielte der Koblenzer Josef Gauchel die Führung, die Abegglen noch vor der Pause ausglich. Dabei blieb es, auch in der ersten WM-Verlängerung mit deutscher Beteiligung fielen keine Tore mehr. Folge: ein Wiederholungsspiel.

Besonderes: In der 114. Minute gab es den ersten Platzverweis der DFB-Historie gegen den Wiener Johann Pesser. Fachamtsleiter Felix Linnemann schloss ihn zur Strafe vom Turnier aus.

Pressestimmen: "Es war ein Schlachten, kein ritterlicher Sport-Kampf mehr. Es ist nicht zweifelhaft, dass die Schweizer diesen Ton in das Spiel hineintrugen." Hamburger Anzeiger

9. Juni 1938 in Paris

Deutschland - Schweiz 2:4

Ausgangslage: Fünf Tage später war der deutsche Kader nun vollzählig erschienen, außer Pesser und dem angeschlagenen Kitzinger durften alle spielen. Herberger änderte die Elf gleich auf sechs Positionen, nun durfte auch sein Kapitän Fritz Szepan ran. Die Schweiz hingegen lief mit der identischen Formation auf.

Spielverlauf: Die Deutschen starteten furios und führten nach 20 Minuten bereits 2:0, Willi Hahnemann (8.) und ein Eigentor von Lörtscher ließen die Anhänger jubeln. Der Anschlusstreffer Wallatscheks (41.) noch vor der Pause ermutigte die Schweizer, Treffer von Bickel (66.) und Abegglen (75.,78.) brachten die Wende.

Besonderes: Erstmals schied Deutschland im Achtelfinale aus. Es geschah seitdem nie wieder.

Pressestimmen: "Die deutsche Elf hatte einen tadellosen Beginn; als aber die Schweizer den Ausgleich erzielen konnten, fiel unsere Mannschaft auseinander, vergaß alle ihre Taktik und – das war wohl die Hauptursache an dieser Niederlage – stand das Tempo nicht durch." Völkischer Beobachter.
"Der Umstand, dass ein kleines Land, das für die Selektion seiner sportlichen Vertreter kaum über vier Millionen Einwohner verfügt, einer erleseneren Mannschaft aus Deutschland und Österreich die Stirn zu bieten vermochte, trug der schweizerischen Tüchtigkeit Ehre ein." Neue Zürcher Zeitung

Bis 1986 gab es keine Achtelfinals, da nach der Vorrunde nur noch acht Mannschaften im Turnier waren und 1982 eine Zwischenrunde ausgetragen wurde. Seit Mexiko 1986 (24 Teilnehmer) stand die DFB-Auswahl dann regelmäßig in Achtelfinalspielen.

17. Juni 1986 in Monterey

Deutschland - Marokko 1:0

Ausgangslage: Deutschland hatte sein letztes Gruppenspiel gegen die Dänen verloren und kam nur als Zweiter weiter. Was den Vorteil hatte, dass es auf die Marokkaner traf, die überraschend ihre Gruppe gewonnen hatten, statt auf die Spanier. Der Nachteil war der Spielort: "Zur Strafe in die Hölle", titelte Bild. Denn Monterey war der heißeste Spielort der WM. Bei Anpfiff waren es 35 Grad, seit drei Monaten hatte es nicht geregnet. Aufregung noch kurz vor dem Spiel: Der DFB suspendiert Ersatztorwart Uli Stein, der das Spiel im Freizeitlook verfolgte und anschließend nach hause flog.

Spielverlauf: Die Zuschauer sahen eine zähe Partie ohne Höhepunkte. Marokko wollte nur in die Verlängerung und überließ den Deutschen die Initiative. Karl-Heinz Rummenigge vergab Sekunden vor der Pause aus vier Metern eine Riesenchance, Torwart Badou "zeigte die beste Parade bei dieser WM", fand jedenfalls Teamchef Franz Beckenbauer. In der 88. Minute erhielt die DFB-Auswahl einen Freistoß, und Lothar Matthäus schoss aus 30 Metern direkt drauf. Flach an der dilettantisch formierten Drei-Mann-Mauer vorbei landete der Schuss nicht ganz unhaltbar im Tor – es war der Sieg.

Besonderes: Es war das erste WM-Tor von Matthäus im sechsten Einsatz. Kapitän Rummenigge stand nach Verletzung erstmals in der Startelf. Marokko war als erste afrikanische Elf über die Vorrunde hinausgekommen.

Pressestimmen: "Selten wohl ist ein Tor so als Erlösung empfunden worden wie das von Lothar Matthäus in der 88. Minute. Es ersparte allen – Spielern wie Zuschauern – eine Verlängerung und womöglich auch noch ein Elfmeterschießen." Kicker

24. Juni 1990 in Mailand

Deutschland - Niederlande 2:1

Ausgangslage: Die Deutschen hatten ihre Gruppe gewonnen, die Niederländer waren gleichauf mit Irland auf Platz zwei gelandet. Das Los machte sie zum Gruppendritten – und somit zum Gegner des Erzrivalen und Nachbarn. Zwei Jahre zuvor hatten sie die Deutschen bei der EM in Hamburg im Halbfinale geschlagen. Zusätzliche Brisanz ergab die Konstellation, dass auf beiden Seiten drei "Mailänder" standen. Hier Matthäus, Brehme und Klinsmann (Inter), dort Rijkaard, Gullit und van Basten (AC).

Spielverlauf: Das hochklassige Spiel wurde früh von einem Skandal überschattet: dem doppelten Platzverweis gegen Rudi Völler und seinen Provokateur Frank Rijkaard nach 22 Minuten. Völler freilich hatte nichts gemacht, auf dem Gang in die Kabine spuckte ihm Rijkaard ein zweites Mal in den Nacken. Doch die Kollegen rächten ihn: "Siegen für Rudi", lautete das deutsche Motto. Der überragende Jürgen Klinsmann (51.) und Andreas Brehme (85.) schossen die Tore fürs Weiterkommen, ein Elfmeter von Ronald Koeman (89.) konnte das nicht verhindern.

Besonderes: Vorstopper Jürgen Kohler, in der Vorrunde noch Reservist, gab sein WM-Debüt. Völler wurde für ein Spiel gesperrt. Guido Buchwald heißt seit seinem Übersteiger vor der Flanke zum 1:0 "Diego" – nach Maradona.

Pressestimmen: "Das Beckenbauer-Team hat das Zeug zum Weltmeister" Daily Mail
"Gullit und van Basten waren die Gespenster von San Siro Il Matino
"Der Weg nach Rom ist frei" dpa

2. Juli 1994 in Chicago

Deutschland - Belgien 3:2

Ausgangslage: Die DFB-Auswahl hatte die Gruppe gewonnen, aber noch kein gutes Spiel gezeigt. Stefan Effenberg war nach dem letzten Vorrundenspiel suspendiert worden und schon abgereist. Schon deshalb baute Bundestrainer Berti Vogts das Team um, mit Martin Wagner, Thomas Helmer in der Defensive und Routinier Rudi Völler im Sturm gab es drei Neue. Die Belgier hatten sich trotz zweier Siege nur als einer der vier besten Gruppendritten qualifiziert. Ihr heutiger Trainer Marc Wilmots hatte sich gegen Saudi-Arabien (0:1) verletzt und fiel aus.

Spielverlauf: Es begann furios, schon nach elf Minuten waren drei Tore durch Rudi Völler, Georges Grun und Jürgen Klinsmann gefallen. Völler krönte sein Comeback in der 39. Minute mit dem 3:1. In der Pause wurde der angeschlagene Libero Lothar Matthäus gegen Andreas Brehme ausgewechselt, der Sieg schien sicher. Ein ausbleibender Elfmeterpfiff nach einem Rempler Thomas Helmers gegen Weber erzürnte die Belgier. Trainer van Himst: "Ich würde den Schiri sofort nach Hause schicken." Am verdienten deutschen Sieg änderte auch Alberts Anschlusstor mit Schlusspfiff nichts.

Besonderes: Rudi Völler avancierte mit 34 Jahren und elf Wochen zum ältesten deutschen WM-Torschützen. Erst kürzlich bei der WM 2014 in Brasilien hat ihn Miroslav Klose, beim 2:2 gegen Ghana bereits 36, abgelöst.

Pressestimmen: "3:2! Im Regen blühte unsere Elf endlich auf." Bild am Sonntag
"Die Roten Teufel haben gekämpft wie die Löwen und das große Deutschland einen Moment zum Zittern gebracht." La Libre Belgique
"Achtung, die deutschen Panzer sind wieder da Tuttosport

29. Juni 1998 in Montpellier

Deutschland - Mexiko 2:1

Ausgangslage: In Montpellier hatte die DFB-Auswahl bereits den Gruppensieg (2:0 vs. Iran) eingefahren. Trotzdem reiste sie zurück ins Quartier nach Nizza, um zwei Tage später wieder in Montpellier zu landen. Im Gepäck auch allerlei Sorgen, der amtierende Europameister hatte die Heimat nicht zufrieden gestellt. "Gruppensieger – aber warum kommt keine Freude auf?" fragte Bild. Tempofußball bot die mit dem Durchschnittsalter von 31,5 älteste deutsche WM-Mannschaft kaum noch. Gegen Mexiko änderte Vogts die Elf auf zwei Positionen: Lothar Matthäus rückte vom Mittelfeld auf den Liberoposten, Olaf Thon musste weichen. Im Mittelfeld kam Dietmar Hamann zum Zuge. Für den verletzten Jürgen Kohler erhielt Bayerns Markus Babbel eine Chance. Die Mexikaner waren noch ungeschlagen, nur die Tordifferenz verdarb ihnen den Gruppensieg. Trainer Manuel Lapuente tönte: "Nur der Himmel ist unsere Grenze."

Spielverlauf: Bei Anpfiff wurden an diesem Montagnachmittag 33 Grad gemessen. Vor der Pause fielen keine Tore, Oliver Bierhoff traf die Latte. Thomas Helmer schied verletzt aus, Christian Ziege ersetzte ihn. Nach 49 Minuten glückte Mexikos Superstar Hernandez sein viertes WM-Tor. Kurz darauf wäre Lothar Matthäus fast ein Eigentor unterlaufern, Torwart Andreas Köpke lenkte den Ball an den Pfosten. Vogts wechselte mit Andreas Möller und Ulf Kirsten zwei Offensivkräfte ein und wurde in der letzten Viertelstunde mit Toren belohnt. Klinsmann (76.) glich aus, dann war "Goldköpfchen" Oliver Bierhoff nach Kirstens Flanke zur Stelle (87.).

Besonderes: Erstmals überhaupt geriet die deutsche Elf in einem Achtelfinale mit 0:1 in Rückstand. Lothar Matthäus avancierte auch nach Minuten (1958) zum WM-Rekordspieler, mit seinem 24. Einsatz überholte er den bis dahin führenden Uwe Seeler (1950).

Pressestimmen: "Heißer Kampf – und kühl bis ans Herz. Kann man tiefer in den Abgrund blicken? Kann eine Fußball-Mannschaft näher an einer Niederlage sein und diese Angst vor dem Aus und dem Versagen eindrucksvoller abschütteln? Diese deutsche Mannschaft scheint das zu können." Hannoversche Allgemeine Zeitung
"Wie andere vor ihnen musste Mexiko herausfinden, dass es fatal ist, wenn man Deutschland nicht begräbt." The Independent
"Deutschland hat sieben Leben" AS

15. Juni 2002 in Seogwipo

Deutschland - Paraguay 1:0

Ausgangslage: Als Gruppensieger hatte sich die Mannschaft von Teamchef Rudi Völler in Japan fürs Achtelfinale qualifiziert. Nun reiste der Tross ins Co-Gastgeberland Südkorea. Völler baute sein Team auf vier Positionen um. Für Rot-Sünder Carsten Ramelow gab der Berliner Marko Rehmer sein WM-Debüt. Auch Jens Jeremies, Marco Bode und Oliver Neuville kamen in die Startelf, aus der Christian Ziege, Dietmar Hamann (beide gesperrt) und Carsten Jancker verschwanden. Paraguay überstand erstmals überhaupt eine Vorrunde, und das denkbar glücklich. 6:6 Tore zählten mehr als die 5:5 gegen die punktgleichen Südafrikaner. Alle Augen richteten sich auf Torwart Luis Chilavert, der auch bei dieser WM seine Spezialität präsentierte: Er schoss die Freistöße!

Spielverlauf: Die vielen Umstellungen und die triste Atmosphäre, das Stadion wurde mit Schulklassen noch halbwegs aufgefüllt (Kulisse: 25.176), ließen kein gutes Spiel zu. Pech für die Paraguayer: Bayern-Stürmer Roque Santa Cruz musste nach 30 Minuten verletzt ausscheiden. Völler erinnerte in der Pause daran, dass es kein Freundschaftsspiel sei und wechselte Sebastian Kehl für Rehmer ein. Als Paraguays Kräfte schwanden, drängte das Nationalteam auf die Entscheidung. Klar besser in der Zweikampfbilanz (56 zu 44 Prozent) und nach Torschüssen (21:10) wollten sie nun auch nach Toren führen. Nach 88 Minuten segelte eine Flanke von Bernd Schneider in den Strafraum, und Oliver Neuville drosch den Ball ins Tor. 1:0, Sieg, Viertelfinale.

Besonderes: In Deutschland wurde das Spiel mit dem Frühstück serviert. Anpfiff 8.30 Uhr MEZ.

Pressestimmen: "Jetzt ist für uns alles möglich" Bild am Sonntag
"Deutschland, du Langweiler. Aber so sind sie nun einmal. Die deutschen Panzer kamen diesmal kaum am paraguayischen Bus vorbei." AS
"Hartnäckigkeit und Charakter machen die Völler-Elf zum Titelfavoriten." Gazetta dello Sport

24. Juni 2006 in München

Deutschland - Schweden 2:0

Ausgangslage: Erst zum zweiten Mal gewann Deutschland alle seine Vorrundenspiele. Entsprechend euphorisch ging das Klinsmann-Team ins Spiel mit den Schweden, die hinter England Zweiter geworden und noch ungeschlagen waren. Auf Anordnung des Bundestrainers kreiste die Chartermaschine, die die Mannschaft von Berlin nach München brachte, noch mal über dem Olympiastadion, wo das Finale stattfand. Klinsmann: "Wir sind dreimal Weltmeister geworden und spielen jetzt eine WM im eigenen Land. Da können wir ein Aus im Achtel- oder Viertelfinale nicht akzeptieren."

Spielverlauf: Selten startete eine deutsche Nationalmannschaft furioser. Schon nach zwölf Minuten hatte Lukas Podolski zwei Tore erzielt, jeweils auf Vorarbeit von Miroslav Klose. Das Publikum raste, und der Schriftsteller Günter Grass notierte: "Die ersten 25 Minuten sind unvergesslich, ich finde Klinsmanns Fußball wunderbar." Dass das nicht für die kompletten 90 Minuten galt, störte letztlich niemanden. Zwei Pfostenschüsse von Michael Ballack und Bernd Schneider kamen noch hinzu – und eine Prise Glück, als Henrik Larsson einen Elfmeter übers deutsche Tor setzte (53.). Schweden war ab der 35. Minute dezimiert, als Lucic vom Platz flog. Joachim Löw, der Co-Trainer, sagte: "Man muss sich schon weit zurückerinnern, dass eine deutsche Mannschaft so flüssig und schnell kombiniert hat."

Besonderes: Zwei Tore nach 12 Minuten – damit schnürte Podolski den drittschnellsten Doppelpack der WM-Historie.

Pressestimmen: "Deutschland macht wieder Angst. Es ist, als hätten die Deutschen zu sich selbst zurück gefunden." Le Journal du Dimanche
"Der Platzverweis von Lucic änderte nichts am Spielverlauf. Es sah schon vorher so aus, als hätten die Deutschen einen Mann mehr auf dem Feld." Svenska Dagbladet
"Hier ist ein neues Deutschland: Vibrierend, jung, anarchisch, brillant." The Sunday Times

27. Juni 2010 in Bloemfontein

Deutschland - England 4:1

Ausgangslage: Durch ein wackliges 1:0 über Ghana kam die jüngste deutsche WM-Mannschaft seit 1934 ins Achtelfinale. Dort durfte der zuvor gesperrte Miroslav Klose wieder auflaufen, Vertreter Cacau musste zurück auf die Bank. Die Engländer hatten nur ihr drittes Spiel in Südafrika gewonnen – das 1:0 gegen Slowenien reichte für Platz zwei. Trainer Fabio Capello änderte erstmals in seiner Amtszeit, die im Dezember 2007 begonnen hatte, die Aufstellung nicht.

Spielverlauf: Rückkehrer Klose rechtfertigte das Vertrauen, als er nach 20 Minuten einen langen Abschlag von Manuel Neuer aufnahm und mit langem Bein ins Tor spitzelte. Lukas Podolski erhöhte aus spitzem Winkel auf 2:0 (32.), dann kamen die Engländer. Upson verkürzte per Kopf (37.) und auch der nächste Ball landete im deutschen Tor. Allein, es zählte nicht. Es war die Szene der WM: Frank Lampards Schuss aus 18 Metern prallte von der Lattenunterkante 40 Zentimeter hinter die Linie. Ein klares Tor, das der Uruguayer Jorge Larriando jedoch nicht gab – weil er es nicht sah. Neuer warf den Ball schnell nach vorne, "damit die Schiedsrichter gar nicht erst daran denken, dass der Ball drin war." Erinnerungen an Wembley 1966 drängten sich förmlich auf, und viele Deutsche verspürten Genugtuung für diese ausgleichende Ungerechtigkeit. Die Bild-Zeitung brachte es auf den Punkt: "Thank you, Fußball-Gott!" Aufgrund der Leistung der Deutschen, die sich nach der Pause in einen Rausch steigerten und in Doppeltorschütze Thomas Müller (67., 70.) einen neuen WM-Helden hatten, war das Nicht-Tor nur ein Nebenthema.

Besonderes: FIFA-Präsident Sepp Blatter entschuldigte sich offiziell bei den Engländern für das übersehene Tor. Die Szene war ausschlaggebend für die Einführung der Torlinien-Technologie bei der laufenden WM in Brasilien.

Pressestimmen: "Das bislang beste Spiel dieser WM. Mit vielen Toren und einer Polemik." O Globo
"Deutschland hatte die Hilfe des Schiedsrichters nicht nötig." Le Parisien
"Liebe Engländer, jetzt wisst ihr, wie wir uns 44 Jahre gefühlt haben. Wütend über so viel Ungerechtigkeit, bestohlen um den Titel." Bild
"In diesem Jahrhundert hat es noch kein besseres und dramatischeres Spiel einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft zu besichtigen gegeben." Frankfurter Rundschau

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Zum zehnten Mal bestreitet Deutschland am heutigen Montag (ab 22 Uhr MESZ, live im ZDF) ein WM-Achtelfinale. Die Bilanz ist ermutigend, nur einmal war es die Endstation. Zuletzt klappte es bei der WM 2010 gegen England - Thomas Müller schoss damals zwei Tore für die DFB-Auswahl. DFB.de schaut zurück auf die bisherigen Achtelfinalspiele.

27. Mai 1934 in Florenz

Deutschland - Belgien 5:2

Ausgangslage: Das Turnier begann mit dem Achtelfinale, für die DFB-Auswahl war es das erste WM-Spiel überhaupt. Nach einem 8:1 im Oktober 1933 war sie gegen Belgien klarer Favorit.

Spielverlauf: Nach schneller Führung durch Stanislaus Kobierski drehten die Belgier das Blatt und führten zur Pause 2:1. Otto Siffling glich aus, dann glückte dem 19jährigen Saarbrücker Edmund Conen binnen 21 Minuten ein klassischer Hattrick zum 5:2-Endstand.

Besonderes: Conen ist nach Pelé der jüngste Hattrick-Schütze bei einer WM.

Pressestimmen: "Schwacher Start – aber Hoffnung! Es war ein sehr schwer erkämpfter Sieg." Fußball
"Wie zu erwarten, hatten die Deutschen nicht die geringsten Schwierigkeiten – von wenigen Ausnahmen in der ersten Halbzeit abgesehen – sich in allen Punkten den 'Roten Teufeln' gegenüber durchzusetzen." Les Sports (Brüssel)

4. Juni 1938 in Paris

Deutschland - Schweiz 1:1 n. V.

Ausgangslage: Nach dem "Anschluss" Österreichs im März 1938 wurde Reichstrainer Sepp Herberger gezwungen, mindestens fünf Österreicher aufzustellen. Die erfolgreiche Breslau-Elf wurde gesprengt. Die Vorbereitungszeit war zu kurz, um beide Fraktionen und Systeme zu vereinen. Trotzdem erwartete die Heimat, das Ergebnis von 1934 (3. Platz) zu übertreffen. Aus Kostengründen reiste der DFB-Tross nur mit 15 Spielern an, der Rest blieb im Quartier in Duisburg. Das Publikum in Paris trat den Vertretern Nazi-Deutschlands feindselig gegenüber, beim Einlaufen flogen Eier und Tomaten.

Spielverlauf: Nach 29 Minuten erzielte der Koblenzer Josef Gauchel die Führung, die Abegglen noch vor der Pause ausglich. Dabei blieb es, auch in der ersten WM-Verlängerung mit deutscher Beteiligung fielen keine Tore mehr. Folge: ein Wiederholungsspiel.

Besonderes: In der 114. Minute gab es den ersten Platzverweis der DFB-Historie gegen den Wiener Johann Pesser. Fachamtsleiter Felix Linnemann schloss ihn zur Strafe vom Turnier aus.

Pressestimmen: "Es war ein Schlachten, kein ritterlicher Sport-Kampf mehr. Es ist nicht zweifelhaft, dass die Schweizer diesen Ton in das Spiel hineintrugen." Hamburger Anzeiger

9. Juni 1938 in Paris

Deutschland - Schweiz 2:4

Ausgangslage: Fünf Tage später war der deutsche Kader nun vollzählig erschienen, außer Pesser und dem angeschlagenen Kitzinger durften alle spielen. Herberger änderte die Elf gleich auf sechs Positionen, nun durfte auch sein Kapitän Fritz Szepan ran. Die Schweiz hingegen lief mit der identischen Formation auf.

Spielverlauf: Die Deutschen starteten furios und führten nach 20 Minuten bereits 2:0, Willi Hahnemann (8.) und ein Eigentor von Lörtscher ließen die Anhänger jubeln. Der Anschlusstreffer Wallatscheks (41.) noch vor der Pause ermutigte die Schweizer, Treffer von Bickel (66.) und Abegglen (75.,78.) brachten die Wende.

Besonderes: Erstmals schied Deutschland im Achtelfinale aus. Es geschah seitdem nie wieder.

Pressestimmen: "Die deutsche Elf hatte einen tadellosen Beginn; als aber die Schweizer den Ausgleich erzielen konnten, fiel unsere Mannschaft auseinander, vergaß alle ihre Taktik und – das war wohl die Hauptursache an dieser Niederlage – stand das Tempo nicht durch." Völkischer Beobachter.
"Der Umstand, dass ein kleines Land, das für die Selektion seiner sportlichen Vertreter kaum über vier Millionen Einwohner verfügt, einer erleseneren Mannschaft aus Deutschland und Österreich die Stirn zu bieten vermochte, trug der schweizerischen Tüchtigkeit Ehre ein." Neue Zürcher Zeitung

Bis 1986 gab es keine Achtelfinals, da nach der Vorrunde nur noch acht Mannschaften im Turnier waren und 1982 eine Zwischenrunde ausgetragen wurde. Seit Mexiko 1986 (24 Teilnehmer) stand die DFB-Auswahl dann regelmäßig in Achtelfinalspielen.

17. Juni 1986 in Monterey

Deutschland - Marokko 1:0

Ausgangslage: Deutschland hatte sein letztes Gruppenspiel gegen die Dänen verloren und kam nur als Zweiter weiter. Was den Vorteil hatte, dass es auf die Marokkaner traf, die überraschend ihre Gruppe gewonnen hatten, statt auf die Spanier. Der Nachteil war der Spielort: "Zur Strafe in die Hölle", titelte Bild. Denn Monterey war der heißeste Spielort der WM. Bei Anpfiff waren es 35 Grad, seit drei Monaten hatte es nicht geregnet. Aufregung noch kurz vor dem Spiel: Der DFB suspendiert Ersatztorwart Uli Stein, der das Spiel im Freizeitlook verfolgte und anschließend nach hause flog.

Spielverlauf: Die Zuschauer sahen eine zähe Partie ohne Höhepunkte. Marokko wollte nur in die Verlängerung und überließ den Deutschen die Initiative. Karl-Heinz Rummenigge vergab Sekunden vor der Pause aus vier Metern eine Riesenchance, Torwart Badou "zeigte die beste Parade bei dieser WM", fand jedenfalls Teamchef Franz Beckenbauer. In der 88. Minute erhielt die DFB-Auswahl einen Freistoß, und Lothar Matthäus schoss aus 30 Metern direkt drauf. Flach an der dilettantisch formierten Drei-Mann-Mauer vorbei landete der Schuss nicht ganz unhaltbar im Tor – es war der Sieg.

Besonderes: Es war das erste WM-Tor von Matthäus im sechsten Einsatz. Kapitän Rummenigge stand nach Verletzung erstmals in der Startelf. Marokko war als erste afrikanische Elf über die Vorrunde hinausgekommen.

Pressestimmen: "Selten wohl ist ein Tor so als Erlösung empfunden worden wie das von Lothar Matthäus in der 88. Minute. Es ersparte allen – Spielern wie Zuschauern – eine Verlängerung und womöglich auch noch ein Elfmeterschießen." Kicker

24. Juni 1990 in Mailand

Deutschland - Niederlande 2:1

Ausgangslage: Die Deutschen hatten ihre Gruppe gewonnen, die Niederländer waren gleichauf mit Irland auf Platz zwei gelandet. Das Los machte sie zum Gruppendritten – und somit zum Gegner des Erzrivalen und Nachbarn. Zwei Jahre zuvor hatten sie die Deutschen bei der EM in Hamburg im Halbfinale geschlagen. Zusätzliche Brisanz ergab die Konstellation, dass auf beiden Seiten drei "Mailänder" standen. Hier Matthäus, Brehme und Klinsmann (Inter), dort Rijkaard, Gullit und van Basten (AC).

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Spielverlauf: Das hochklassige Spiel wurde früh von einem Skandal überschattet: dem doppelten Platzverweis gegen Rudi Völler und seinen Provokateur Frank Rijkaard nach 22 Minuten. Völler freilich hatte nichts gemacht, auf dem Gang in die Kabine spuckte ihm Rijkaard ein zweites Mal in den Nacken. Doch die Kollegen rächten ihn: "Siegen für Rudi", lautete das deutsche Motto. Der überragende Jürgen Klinsmann (51.) und Andreas Brehme (85.) schossen die Tore fürs Weiterkommen, ein Elfmeter von Ronald Koeman (89.) konnte das nicht verhindern.

Besonderes: Vorstopper Jürgen Kohler, in der Vorrunde noch Reservist, gab sein WM-Debüt. Völler wurde für ein Spiel gesperrt. Guido Buchwald heißt seit seinem Übersteiger vor der Flanke zum 1:0 "Diego" – nach Maradona.

Pressestimmen: "Das Beckenbauer-Team hat das Zeug zum Weltmeister" Daily Mail
"Gullit und van Basten waren die Gespenster von San Siro Il Matino
"Der Weg nach Rom ist frei" dpa

2. Juli 1994 in Chicago

Deutschland - Belgien 3:2

Ausgangslage: Die DFB-Auswahl hatte die Gruppe gewonnen, aber noch kein gutes Spiel gezeigt. Stefan Effenberg war nach dem letzten Vorrundenspiel suspendiert worden und schon abgereist. Schon deshalb baute Bundestrainer Berti Vogts das Team um, mit Martin Wagner, Thomas Helmer in der Defensive und Routinier Rudi Völler im Sturm gab es drei Neue. Die Belgier hatten sich trotz zweier Siege nur als einer der vier besten Gruppendritten qualifiziert. Ihr heutiger Trainer Marc Wilmots hatte sich gegen Saudi-Arabien (0:1) verletzt und fiel aus.

Spielverlauf: Es begann furios, schon nach elf Minuten waren drei Tore durch Rudi Völler, Georges Grun und Jürgen Klinsmann gefallen. Völler krönte sein Comeback in der 39. Minute mit dem 3:1. In der Pause wurde der angeschlagene Libero Lothar Matthäus gegen Andreas Brehme ausgewechselt, der Sieg schien sicher. Ein ausbleibender Elfmeterpfiff nach einem Rempler Thomas Helmers gegen Weber erzürnte die Belgier. Trainer van Himst: "Ich würde den Schiri sofort nach Hause schicken." Am verdienten deutschen Sieg änderte auch Alberts Anschlusstor mit Schlusspfiff nichts.

Besonderes: Rudi Völler avancierte mit 34 Jahren und elf Wochen zum ältesten deutschen WM-Torschützen. Erst kürzlich bei der WM 2014 in Brasilien hat ihn Miroslav Klose, beim 2:2 gegen Ghana bereits 36, abgelöst.

Pressestimmen: "3:2! Im Regen blühte unsere Elf endlich auf." Bild am Sonntag
"Die Roten Teufel haben gekämpft wie die Löwen und das große Deutschland einen Moment zum Zittern gebracht." La Libre Belgique
"Achtung, die deutschen Panzer sind wieder da Tuttosport

29. Juni 1998 in Montpellier

Deutschland - Mexiko 2:1

Ausgangslage: In Montpellier hatte die DFB-Auswahl bereits den Gruppensieg (2:0 vs. Iran) eingefahren. Trotzdem reiste sie zurück ins Quartier nach Nizza, um zwei Tage später wieder in Montpellier zu landen. Im Gepäck auch allerlei Sorgen, der amtierende Europameister hatte die Heimat nicht zufrieden gestellt. "Gruppensieger – aber warum kommt keine Freude auf?" fragte Bild. Tempofußball bot die mit dem Durchschnittsalter von 31,5 älteste deutsche WM-Mannschaft kaum noch. Gegen Mexiko änderte Vogts die Elf auf zwei Positionen: Lothar Matthäus rückte vom Mittelfeld auf den Liberoposten, Olaf Thon musste weichen. Im Mittelfeld kam Dietmar Hamann zum Zuge. Für den verletzten Jürgen Kohler erhielt Bayerns Markus Babbel eine Chance. Die Mexikaner waren noch ungeschlagen, nur die Tordifferenz verdarb ihnen den Gruppensieg. Trainer Manuel Lapuente tönte: "Nur der Himmel ist unsere Grenze."

Spielverlauf: Bei Anpfiff wurden an diesem Montagnachmittag 33 Grad gemessen. Vor der Pause fielen keine Tore, Oliver Bierhoff traf die Latte. Thomas Helmer schied verletzt aus, Christian Ziege ersetzte ihn. Nach 49 Minuten glückte Mexikos Superstar Hernandez sein viertes WM-Tor. Kurz darauf wäre Lothar Matthäus fast ein Eigentor unterlaufern, Torwart Andreas Köpke lenkte den Ball an den Pfosten. Vogts wechselte mit Andreas Möller und Ulf Kirsten zwei Offensivkräfte ein und wurde in der letzten Viertelstunde mit Toren belohnt. Klinsmann (76.) glich aus, dann war "Goldköpfchen" Oliver Bierhoff nach Kirstens Flanke zur Stelle (87.).

Besonderes: Erstmals überhaupt geriet die deutsche Elf in einem Achtelfinale mit 0:1 in Rückstand. Lothar Matthäus avancierte auch nach Minuten (1958) zum WM-Rekordspieler, mit seinem 24. Einsatz überholte er den bis dahin führenden Uwe Seeler (1950).

Pressestimmen: "Heißer Kampf – und kühl bis ans Herz. Kann man tiefer in den Abgrund blicken? Kann eine Fußball-Mannschaft näher an einer Niederlage sein und diese Angst vor dem Aus und dem Versagen eindrucksvoller abschütteln? Diese deutsche Mannschaft scheint das zu können." Hannoversche Allgemeine Zeitung
"Wie andere vor ihnen musste Mexiko herausfinden, dass es fatal ist, wenn man Deutschland nicht begräbt." The Independent
"Deutschland hat sieben Leben" AS

15. Juni 2002 in Seogwipo

Deutschland - Paraguay 1:0

Ausgangslage: Als Gruppensieger hatte sich die Mannschaft von Teamchef Rudi Völler in Japan fürs Achtelfinale qualifiziert. Nun reiste der Tross ins Co-Gastgeberland Südkorea. Völler baute sein Team auf vier Positionen um. Für Rot-Sünder Carsten Ramelow gab der Berliner Marko Rehmer sein WM-Debüt. Auch Jens Jeremies, Marco Bode und Oliver Neuville kamen in die Startelf, aus der Christian Ziege, Dietmar Hamann (beide gesperrt) und Carsten Jancker verschwanden. Paraguay überstand erstmals überhaupt eine Vorrunde, und das denkbar glücklich. 6:6 Tore zählten mehr als die 5:5 gegen die punktgleichen Südafrikaner. Alle Augen richteten sich auf Torwart Luis Chilavert, der auch bei dieser WM seine Spezialität präsentierte: Er schoss die Freistöße!

Spielverlauf: Die vielen Umstellungen und die triste Atmosphäre, das Stadion wurde mit Schulklassen noch halbwegs aufgefüllt (Kulisse: 25.176), ließen kein gutes Spiel zu. Pech für die Paraguayer: Bayern-Stürmer Roque Santa Cruz musste nach 30 Minuten verletzt ausscheiden. Völler erinnerte in der Pause daran, dass es kein Freundschaftsspiel sei und wechselte Sebastian Kehl für Rehmer ein. Als Paraguays Kräfte schwanden, drängte das Nationalteam auf die Entscheidung. Klar besser in der Zweikampfbilanz (56 zu 44 Prozent) und nach Torschüssen (21:10) wollten sie nun auch nach Toren führen. Nach 88 Minuten segelte eine Flanke von Bernd Schneider in den Strafraum, und Oliver Neuville drosch den Ball ins Tor. 1:0, Sieg, Viertelfinale.

Besonderes: In Deutschland wurde das Spiel mit dem Frühstück serviert. Anpfiff 8.30 Uhr MEZ.

Pressestimmen: "Jetzt ist für uns alles möglich" Bild am Sonntag
"Deutschland, du Langweiler. Aber so sind sie nun einmal. Die deutschen Panzer kamen diesmal kaum am paraguayischen Bus vorbei." AS
"Hartnäckigkeit und Charakter machen die Völler-Elf zum Titelfavoriten." Gazetta dello Sport

24. Juni 2006 in München

Deutschland - Schweden 2:0

Ausgangslage: Erst zum zweiten Mal gewann Deutschland alle seine Vorrundenspiele. Entsprechend euphorisch ging das Klinsmann-Team ins Spiel mit den Schweden, die hinter England Zweiter geworden und noch ungeschlagen waren. Auf Anordnung des Bundestrainers kreiste die Chartermaschine, die die Mannschaft von Berlin nach München brachte, noch mal über dem Olympiastadion, wo das Finale stattfand. Klinsmann: "Wir sind dreimal Weltmeister geworden und spielen jetzt eine WM im eigenen Land. Da können wir ein Aus im Achtel- oder Viertelfinale nicht akzeptieren."

Spielverlauf: Selten startete eine deutsche Nationalmannschaft furioser. Schon nach zwölf Minuten hatte Lukas Podolski zwei Tore erzielt, jeweils auf Vorarbeit von Miroslav Klose. Das Publikum raste, und der Schriftsteller Günter Grass notierte: "Die ersten 25 Minuten sind unvergesslich, ich finde Klinsmanns Fußball wunderbar." Dass das nicht für die kompletten 90 Minuten galt, störte letztlich niemanden. Zwei Pfostenschüsse von Michael Ballack und Bernd Schneider kamen noch hinzu – und eine Prise Glück, als Henrik Larsson einen Elfmeter übers deutsche Tor setzte (53.). Schweden war ab der 35. Minute dezimiert, als Lucic vom Platz flog. Joachim Löw, der Co-Trainer, sagte: "Man muss sich schon weit zurückerinnern, dass eine deutsche Mannschaft so flüssig und schnell kombiniert hat."

Besonderes: Zwei Tore nach 12 Minuten – damit schnürte Podolski den drittschnellsten Doppelpack der WM-Historie.

Pressestimmen: "Deutschland macht wieder Angst. Es ist, als hätten die Deutschen zu sich selbst zurück gefunden." Le Journal du Dimanche
"Der Platzverweis von Lucic änderte nichts am Spielverlauf. Es sah schon vorher so aus, als hätten die Deutschen einen Mann mehr auf dem Feld." Svenska Dagbladet
"Hier ist ein neues Deutschland: Vibrierend, jung, anarchisch, brillant." The Sunday Times

27. Juni 2010 in Bloemfontein

Deutschland - England 4:1

Ausgangslage: Durch ein wackliges 1:0 über Ghana kam die jüngste deutsche WM-Mannschaft seit 1934 ins Achtelfinale. Dort durfte der zuvor gesperrte Miroslav Klose wieder auflaufen, Vertreter Cacau musste zurück auf die Bank. Die Engländer hatten nur ihr drittes Spiel in Südafrika gewonnen – das 1:0 gegen Slowenien reichte für Platz zwei. Trainer Fabio Capello änderte erstmals in seiner Amtszeit, die im Dezember 2007 begonnen hatte, die Aufstellung nicht.

Spielverlauf: Rückkehrer Klose rechtfertigte das Vertrauen, als er nach 20 Minuten einen langen Abschlag von Manuel Neuer aufnahm und mit langem Bein ins Tor spitzelte. Lukas Podolski erhöhte aus spitzem Winkel auf 2:0 (32.), dann kamen die Engländer. Upson verkürzte per Kopf (37.) und auch der nächste Ball landete im deutschen Tor. Allein, es zählte nicht. Es war die Szene der WM: Frank Lampards Schuss aus 18 Metern prallte von der Lattenunterkante 40 Zentimeter hinter die Linie. Ein klares Tor, das der Uruguayer Jorge Larriando jedoch nicht gab – weil er es nicht sah. Neuer warf den Ball schnell nach vorne, "damit die Schiedsrichter gar nicht erst daran denken, dass der Ball drin war." Erinnerungen an Wembley 1966 drängten sich förmlich auf, und viele Deutsche verspürten Genugtuung für diese ausgleichende Ungerechtigkeit. Die Bild-Zeitung brachte es auf den Punkt: "Thank you, Fußball-Gott!" Aufgrund der Leistung der Deutschen, die sich nach der Pause in einen Rausch steigerten und in Doppeltorschütze Thomas Müller (67., 70.) einen neuen WM-Helden hatten, war das Nicht-Tor nur ein Nebenthema.

Besonderes: FIFA-Präsident Sepp Blatter entschuldigte sich offiziell bei den Engländern für das übersehene Tor. Die Szene war ausschlaggebend für die Einführung der Torlinien-Technologie bei der laufenden WM in Brasilien.

Pressestimmen: "Das bislang beste Spiel dieser WM. Mit vielen Toren und einer Polemik." O Globo
"Deutschland hatte die Hilfe des Schiedsrichters nicht nötig." Le Parisien
"Liebe Engländer, jetzt wisst ihr, wie wir uns 44 Jahre gefühlt haben. Wütend über so viel Ungerechtigkeit, bestohlen um den Titel." Bild
"In diesem Jahrhundert hat es noch kein besseres und dramatischeres Spiel einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft zu besichtigen gegeben." Frankfurter Rundschau