Deutsche Teams im UEFA-Cup unter sich

Im deutschen Fußball gelten die 1970er-Jahre als das goldene Jahrzehnt. Kein Wunder, nach den Erfolgen der Nationalmannschaft (Europameister 1972, Weltmeister 1974) sowie sechs Europapokalsiegen und einem Weltpokalsieg deutscher Vereinsmannschaften. Aber das, was unmittelbar danach geschah, als das Jahrzehnt gerade zu Ende gegangen war, übertraf alles. Heute vor genau 40 Jahren, am 9. April 1980, begann das Halbfinale des UEFA-Pokals (heute: Europa League) ausschließlich mit deutschen Mannschaften. Ein Rekord für die Ewigkeit, denn er kann höchstens eingestellt werden.

"Jetzt sind wir unter uns – keiner darf mehr mit uns spielen", textete die Bild nach Abschluss des Viertelfinales, das bereits ein deutsches Duell gebracht hatte: Bayern München warf den 1. FC Kaiserslautern raus (4:1 nach 0:1 im Hinspiel). Eintracht Frankfurt, Titelverteidiger Borussia Mönchengladbach und der VfB Stuttgart dagegen eliminierten ihre ausländischen Gegner samt und sonders und somit brach die Bundesliga ihren erst im Vorjahr aufgestellten Rekord selbst. 1979 standen immerhin drei Teams im Halbfinale: Borussia Mönchengladbach, der MSV Duisburg und Hertha BSC. Im Finale 1979 schlug Borussia dann Roter Stern Belgrad.

Bundesliga dominiert das internationale Geschäft

1980 stand nun aber schon vor den Halbfinals fest: der Sieger kommt aus Deutschland. Woran war die unglaubliche Bundesligadominanz festzumachen? Der kicker listete unter anderem auf: "Die unbestrittene Klasse unserer Spieler und das eher rückläufige Niveau bei der Konkurrenz", den "Fleiß unserer Trainer" und die "deutsche Fähigkeit zur Konzentration und Disziplin". Etwas "Wettkampf-Glück" wurde auch eingestanden. So fiel dem Frankfurter Bernd Hölzenbein im November in letzter Minute gegen Bukarest der Ball auf den Kopf, den der Gästekeeper hatte fallen lassen. Im Sitzen nickte "Holz" ein und rettete die Eintracht in die Verlängerung. Der VfB Stuttgart war in Turin schon fast ausgeschieden, als Hermann Ohlicher in der 120. Minute noch ein Tor schoss. Die Bayern lagen in Belgrad 0:3 hinten, da schlug der neue Stürmer Dieter Hoeneß zweimal zu und bei Inter Mailand schoss ein Mann, der sonst nie traf, das Tor seines Lebens: Mönchengladbachs Verteidiger Norbert Ringels hämmerte den Ball vor 81.000 Zuschauern in San Siro unter die Latte zum 2:2.

Der spätere Champion Eintracht Frankfurt verlor eigentlich überall, wo er hinkam – fünf Niederlagen und ein Remis betrug seine Auswärtsbilanz. Aber das Team um die alternden Weltmeister Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein machte es zuhause immer wieder wett. Dass sie letztlich den Pokal gewannen, verdankten sie zu einem großen Teil ihren Fans, die das Waldstadion schon damals in einen Hexenkessel verwandelten.

"Schädel-Harry" schockt den FC Bayern

Davon konnten im Halbfinale auch die Bayern ein Lied singen. Der Tabellenführer und kommende Meister der Bundesligasaison 1979/1980 hatte am 9. April das Hinspiel 2:0 gewonnen, aber das reichte nicht. SGE-Abwehrchef Bruno Pezzey sorgte mit einem Doppelschlag und großzügiger Hilfe von Gästekeeper Walter Junghans für die Verlängerung, in der dann ein Nobody zum Helden wurde. Harald Karger, für 25.000 DM von Burgsolms (Landesliga Hessen) an den Main gelockt, köpfte den Bayern noch zwei Tore rein und machte seinem Spitznamen "Schädel-Harry" alle Ehre. Werner Lorants Elfmeter versetzte ihnen den Garaus. Wolfgang Dremmlers Weitschusstor zum zwischenzeitlichen 1:3 war nur etwas Ergebniskosmetik.

Das 1:5 löste bei den Bayern viel Unruhe aus, Trainer Pal Csernai ging auf Junghans, der nach Sepp Maiers Autounfall in seine erste Saison als Nummer eins gegangen war, los. Der Traum vom Finale, das die Bayern rein finanziell dringend gebraucht hätten, war geplatzt. In der Woche vor dem Halbfinale war ihnen eine Steuernachzahlung aus den Jahren 1973 bis 1978 in Höhe von 2,5 Millionen DM an die Säbener Straße geflattert, schlagartig war der Klub hochverschuldet.

Das Los Eintracht Frankfurt konnte die Lücken nicht ansatzweise schließen, im Hinspiel fanden bei fast winterlicher Kälte nur 14.000 Menschen an einem Mittwochabend den Weg ins Olympiastadion. Manager Uli Hoeneß hatte sich vergeblich den VfB Stuttgart gewünscht, der mehr Fans mitgebracht hätte, wie er annahm.

"Fühlt sich einfach komisch an"

Das Fernsehen übertrug auch nicht, die Sendeanstalten würdigten den Triumph der Bundesliga kaum. Nur einzelne Dritte Programme sendeten live, aber davon hatte nur derjenige etwas, der im richtigen Bundesland wohnte. Wie die Hessen, die das Rückspiel mit dem grandiosen 5:1 ihrer Eintracht sahen. Die restlichen Fußballfans mussten auf die Zusammenfassungen warten. Die Hinspiele am 9. April kamen ab 22.40 Uhr im ZDF, die Rückspiele am 22. April erst um 23 Uhr. Live wurde nur das Landesmeisterpokal-Halbfinale des HSV am 23. April gegen Real Madrid übertragen – eine wahre TV-Sternstunde (5:1), für die die UEFA-Cup-Teams extra auf den Dienstag auswichen.

Im zweiten Halbfinale setzte sich Titelverteidiger Borussia Mönchengladbach durch. Er führte bis zur 87. Minute schon in Stuttgart, wo zwar 42.000 Zuschauer kamen, verlor aber noch mit 1:2. Im Rückspiel machte Borussia das wett und gewann 2:0 durch Tore von "Jungfuchs" Lothar Matthäus (damals 19 Jahre alt) und dem überragenden Winfried Schäfer. Den Sieg erlebten 22.000 Zuschauer am Bökelberg - ein Bundesligaspiel besuchten in der Saison 1979/80 durchschnittlich 23.026 Zuschauer. Das rein deutsche Halbfinale, für Bild "der Bundesligacup", war kein Kassenschlager und recht gewöhnungsbedürftig. Karl-Heinz Förster, damals VfB Stuttgart, sagte auf DFB.de: "Es fühlte sich einfach komisch an, im internationalen Wettbewerb gegen eine deutsche Mannschaft spielen zu müssen. Da erwartet man doch einen Gegner aus England oder Italien." Immerhin beehrte Bundestrainer Jupp Derwall die Spiele, er saß in Stuttgart und zwei Wochen später in Frankfurt auf der Tribüne.

Ein komplettes deutsches Halbfinale gab es nie wieder, einzelne Bundesligaduelle schon. 1988 etwa trafen Bayer Leverkusen und Werder Bremen aufeinander und das Nordderby von 2009 zwischen dem HSV und Werder ist wegen einer Papierkugel immer noch in bester Erinnerung. Aber aus der einstigen deutschen Domäne wurde ein Sorgenfall. Den letzten UEFA-Cup-Sieg schafften Schalkes Eurofighter 1997, seit 2009 (Werder) kam kein Bundesligist mehr ins UEFA-Cup- bzw. Europa-League-Finale. Das war heute vor 40 Jahren wirklich nicht abzusehen, als die Bundesliga Europa regierte.

Erfolge übertragen sich auf die Nationalmannschaft

Übrigens: Mit dem deutschen Halbfinale wurden Maßstäbe gesetzt, die auch für die Nationalmannschaft galten. Die wurde prompt am 22. Juni 1980 in Rom Europameister, obwohl von den beteiligten Teams nur Bayerns Karl-Heinz Rummenigge und die Stuttgarter Karl-Heinz Förster und Hansi Müller auf dem Platz standen.

Die Mönchengladbacher Kalle Del’Haye und Lothar Matthäus schafften es in den Kader, ebenso wie Bayerns Torwart Walter Junghans und Stuttgarts Bernd Förster. Nur von UEFA-Cup-Sieger Eintracht Frankfurt, der Gladbach dank der Auswärtstorregel (2:3 und 1:0) schlug, war keiner dabei.

[um]

Im deutschen Fußball gelten die 1970er-Jahre als das goldene Jahrzehnt. Kein Wunder, nach den Erfolgen der Nationalmannschaft (Europameister 1972, Weltmeister 1974) sowie sechs Europapokalsiegen und einem Weltpokalsieg deutscher Vereinsmannschaften. Aber das, was unmittelbar danach geschah, als das Jahrzehnt gerade zu Ende gegangen war, übertraf alles. Heute vor genau 40 Jahren, am 9. April 1980, begann das Halbfinale des UEFA-Pokals (heute: Europa League) ausschließlich mit deutschen Mannschaften. Ein Rekord für die Ewigkeit, denn er kann höchstens eingestellt werden.

"Jetzt sind wir unter uns – keiner darf mehr mit uns spielen", textete die Bild nach Abschluss des Viertelfinales, das bereits ein deutsches Duell gebracht hatte: Bayern München warf den 1. FC Kaiserslautern raus (4:1 nach 0:1 im Hinspiel). Eintracht Frankfurt, Titelverteidiger Borussia Mönchengladbach und der VfB Stuttgart dagegen eliminierten ihre ausländischen Gegner samt und sonders und somit brach die Bundesliga ihren erst im Vorjahr aufgestellten Rekord selbst. 1979 standen immerhin drei Teams im Halbfinale: Borussia Mönchengladbach, der MSV Duisburg und Hertha BSC. Im Finale 1979 schlug Borussia dann Roter Stern Belgrad.

Bundesliga dominiert das internationale Geschäft

1980 stand nun aber schon vor den Halbfinals fest: der Sieger kommt aus Deutschland. Woran war die unglaubliche Bundesligadominanz festzumachen? Der kicker listete unter anderem auf: "Die unbestrittene Klasse unserer Spieler und das eher rückläufige Niveau bei der Konkurrenz", den "Fleiß unserer Trainer" und die "deutsche Fähigkeit zur Konzentration und Disziplin". Etwas "Wettkampf-Glück" wurde auch eingestanden. So fiel dem Frankfurter Bernd Hölzenbein im November in letzter Minute gegen Bukarest der Ball auf den Kopf, den der Gästekeeper hatte fallen lassen. Im Sitzen nickte "Holz" ein und rettete die Eintracht in die Verlängerung. Der VfB Stuttgart war in Turin schon fast ausgeschieden, als Hermann Ohlicher in der 120. Minute noch ein Tor schoss. Die Bayern lagen in Belgrad 0:3 hinten, da schlug der neue Stürmer Dieter Hoeneß zweimal zu und bei Inter Mailand schoss ein Mann, der sonst nie traf, das Tor seines Lebens: Mönchengladbachs Verteidiger Norbert Ringels hämmerte den Ball vor 81.000 Zuschauern in San Siro unter die Latte zum 2:2.

Der spätere Champion Eintracht Frankfurt verlor eigentlich überall, wo er hinkam – fünf Niederlagen und ein Remis betrug seine Auswärtsbilanz. Aber das Team um die alternden Weltmeister Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein machte es zuhause immer wieder wett. Dass sie letztlich den Pokal gewannen, verdankten sie zu einem großen Teil ihren Fans, die das Waldstadion schon damals in einen Hexenkessel verwandelten.

"Schädel-Harry" schockt den FC Bayern

Davon konnten im Halbfinale auch die Bayern ein Lied singen. Der Tabellenführer und kommende Meister der Bundesligasaison 1979/1980 hatte am 9. April das Hinspiel 2:0 gewonnen, aber das reichte nicht. SGE-Abwehrchef Bruno Pezzey sorgte mit einem Doppelschlag und großzügiger Hilfe von Gästekeeper Walter Junghans für die Verlängerung, in der dann ein Nobody zum Helden wurde. Harald Karger, für 25.000 DM von Burgsolms (Landesliga Hessen) an den Main gelockt, köpfte den Bayern noch zwei Tore rein und machte seinem Spitznamen "Schädel-Harry" alle Ehre. Werner Lorants Elfmeter versetzte ihnen den Garaus. Wolfgang Dremmlers Weitschusstor zum zwischenzeitlichen 1:3 war nur etwas Ergebniskosmetik.

Das 1:5 löste bei den Bayern viel Unruhe aus, Trainer Pal Csernai ging auf Junghans, der nach Sepp Maiers Autounfall in seine erste Saison als Nummer eins gegangen war, los. Der Traum vom Finale, das die Bayern rein finanziell dringend gebraucht hätten, war geplatzt. In der Woche vor dem Halbfinale war ihnen eine Steuernachzahlung aus den Jahren 1973 bis 1978 in Höhe von 2,5 Millionen DM an die Säbener Straße geflattert, schlagartig war der Klub hochverschuldet.

Das Los Eintracht Frankfurt konnte die Lücken nicht ansatzweise schließen, im Hinspiel fanden bei fast winterlicher Kälte nur 14.000 Menschen an einem Mittwochabend den Weg ins Olympiastadion. Manager Uli Hoeneß hatte sich vergeblich den VfB Stuttgart gewünscht, der mehr Fans mitgebracht hätte, wie er annahm.

"Fühlt sich einfach komisch an"

Das Fernsehen übertrug auch nicht, die Sendeanstalten würdigten den Triumph der Bundesliga kaum. Nur einzelne Dritte Programme sendeten live, aber davon hatte nur derjenige etwas, der im richtigen Bundesland wohnte. Wie die Hessen, die das Rückspiel mit dem grandiosen 5:1 ihrer Eintracht sahen. Die restlichen Fußballfans mussten auf die Zusammenfassungen warten. Die Hinspiele am 9. April kamen ab 22.40 Uhr im ZDF, die Rückspiele am 22. April erst um 23 Uhr. Live wurde nur das Landesmeisterpokal-Halbfinale des HSV am 23. April gegen Real Madrid übertragen – eine wahre TV-Sternstunde (5:1), für die die UEFA-Cup-Teams extra auf den Dienstag auswichen.

Im zweiten Halbfinale setzte sich Titelverteidiger Borussia Mönchengladbach durch. Er führte bis zur 87. Minute schon in Stuttgart, wo zwar 42.000 Zuschauer kamen, verlor aber noch mit 1:2. Im Rückspiel machte Borussia das wett und gewann 2:0 durch Tore von "Jungfuchs" Lothar Matthäus (damals 19 Jahre alt) und dem überragenden Winfried Schäfer. Den Sieg erlebten 22.000 Zuschauer am Bökelberg - ein Bundesligaspiel besuchten in der Saison 1979/80 durchschnittlich 23.026 Zuschauer. Das rein deutsche Halbfinale, für Bild "der Bundesligacup", war kein Kassenschlager und recht gewöhnungsbedürftig. Karl-Heinz Förster, damals VfB Stuttgart, sagte auf DFB.de: "Es fühlte sich einfach komisch an, im internationalen Wettbewerb gegen eine deutsche Mannschaft spielen zu müssen. Da erwartet man doch einen Gegner aus England oder Italien." Immerhin beehrte Bundestrainer Jupp Derwall die Spiele, er saß in Stuttgart und zwei Wochen später in Frankfurt auf der Tribüne.

Ein komplettes deutsches Halbfinale gab es nie wieder, einzelne Bundesligaduelle schon. 1988 etwa trafen Bayer Leverkusen und Werder Bremen aufeinander und das Nordderby von 2009 zwischen dem HSV und Werder ist wegen einer Papierkugel immer noch in bester Erinnerung. Aber aus der einstigen deutschen Domäne wurde ein Sorgenfall. Den letzten UEFA-Cup-Sieg schafften Schalkes Eurofighter 1997, seit 2009 (Werder) kam kein Bundesligist mehr ins UEFA-Cup- bzw. Europa-League-Finale. Das war heute vor 40 Jahren wirklich nicht abzusehen, als die Bundesliga Europa regierte.

Erfolge übertragen sich auf die Nationalmannschaft

Übrigens: Mit dem deutschen Halbfinale wurden Maßstäbe gesetzt, die auch für die Nationalmannschaft galten. Die wurde prompt am 22. Juni 1980 in Rom Europameister, obwohl von den beteiligten Teams nur Bayerns Karl-Heinz Rummenigge und die Stuttgarter Karl-Heinz Förster und Hansi Müller auf dem Platz standen.

Die Mönchengladbacher Kalle Del’Haye und Lothar Matthäus schafften es in den Kader, ebenso wie Bayerns Torwart Walter Junghans und Stuttgarts Bernd Förster. Nur von UEFA-Cup-Sieger Eintracht Frankfurt, der Gladbach dank der Auswärtstorregel (2:3 und 1:0) schlug, war keiner dabei.

###more###