Der stille Titelsammler: "Katsche" Schwarzenbeck wird 75

Er war Weltmeister, Europameister, viermaliger Europapokalsieger, fünfmal Deutscher Meister, dreimal DFB-Pokalsieger und beim ersten Weltpokalsieg einer deutschen Klubmannschaft auch dabei. Die Rede ist von Hans-Georg Schwarzenbeck, der heute 75 wird und an jeder Party, die die deutsche Nationalmannschaft und sein FC Bayern München in den Siebzigern feierten, teilnehmen durfte.

Dabei ist ihm ein großes Kunststück gelungen - so sehr seine Mannschaften im Rampenlicht standen, so sehr blieb er im Schatten. Und das mit vollster Absicht. Weit nach seiner Karriere hat er einmal gesagt: "Meinen Traum, den ich als Kind hatte, habe ich leibhaftig gelebt und erfolgreich gelebt. Auch weil ich so viel von der Welt gesehen habe." Ein glückliches Schattengewächs, wenn man so will, das man leicht übersah wie einige andere der großen Bayern-Ära: ein Zobel, Dürnberger, Horsmann - immer dabei, nie mittendrin.

"Ein Rätsel, das ich bis heute nicht gelöst habe"

Das größte Rätsel, das sich um Hans-Georg Schwarzenbeck rankt, wird wohl nie geklärt werden. Warum ihn eigentlich alle "Katsche" nennen. Er weiß es selbst nicht, nur dass man ihm "schon beim Wald- und Wiesenfußball im Perlacher Forst so gerufen hat. Das hatte keinen Bezug zu irgendwas. Ein Rätsel, das ich bis heute nicht gelöst habe", sagte er vor fünf Jahren der tz München.

Bei den Bayern stellte er sich 1966 dann brav als Hans vor, aber Sepp Maier intervenierte: "Schmarrn, wir ham scho zwoa Hans. Du bist ned der Hans, Du bist der Katsche." Kein Ehrenname wie Bomber oder Kaiser, aber wenigstens eine Marke. "Es gibt Schlimmeres", sagte Schwarzenbeck 2018, der selbst auf dem Zenit seiner Karriere stets zum Fußvolk gehörte. Trotz der Ehrfurcht einflößenden Titelsammlung, der Bilanz eines Weltklassespielers. Doch dafür hat sich der robuste Innenverteidiger, zu seiner Zeit Vorstopper genannt, nie gehalten, für einen Star schon gar nicht. "Ich wusste immer, wo ich in dieser Mannschaft stehe."

"Ich will am liebsten mei Ruah"

"Katsche" Schwarzenbeck war ein Kontrapunkt in einer erwachenden Glamourwelt. Für ihn hätte alles so bleiben können wie es war, als er das Kicken bei den Sportfreunden München anfing. Untauglich für alle Boulevardformate in einer Zeit, als Fußballer allmählich auch Popstars sein mussten - oder durften. Werbespots, Plattenaufnahmen, TV-Auftritte - all das überließ er liebend gern Franz Beckenbauer, Sepp Maier, Gerd Müller oder den jungen Himmelsstürmern Paul Breitner und Uli Hoeneß. Die Ausnahme bildete ein Auftritt als radelnder Postbote in der Komödie "Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt". Das war es aber auch an Extravaganzen, die Rolle als WM-Botschafter Münchens 2006 fiel ihm weit nach der Karriere zu und erforderte ja keinen Entertainer. Er meisterte sie mit dem ihm eigenen Charme. Immer herzlich und zuvorkommend.

Es heißt, als junger Kerl habe er sich wegen seiner markanten Nase geniert, ins Rampenlicht zu drängen. Vor allem aber war er einfach nicht der Typ dafür, "ich will am liebsten mei Ruah". Um sein Spiel machte auch niemand viel Aufsehen, er war schlicht "der Putzer des Kaisers" und sicherte zuverlässig dessen Offensivausflüge ab - wie am 29. April 1972 beim ersten deutschen Sieg in Wembley (3:1).

"Ich hab' mich nie geschont"

Sein Gegenspieler wollte man nicht sein, Katsche war eine richtige Kante. Das häufigste Attribut nach "ungelenk", das man über ihn lesen durfte, war "eckig". O-Ton Schwarzenbeck: "Ich hab' mich nie geschont." Die Gegner auch nicht. Dennoch schalt ihn niemand unfair, in 416 Bundesligaspielen (von 1966 bis 1979) für seine Bayern ist er nie vom Platz geflogen, ebenso wenig in der Nationalmannschaft. Im Sog der Stars der ersten großen Bayern-Ära schwamm auch er mit auf der Erfolgswelle des deutschen Fußballs in den Siebzigern. Mancher Kritiker mäkelt, ohne die Bayern-Lobby um Sepp Maier und Beckenbauer hätte er nicht halb so viele Länderspiele, wie sie nun in den Chroniken stehen - 44. Dabei erlebte er nur fünf Niederlagen. Die bitterste: das EM-Finale 1976 von Belgrad im Elfmeterschießen.

Der gelernte Buchdrucker war sicher kein Jahrhunderttalent, erst mit zwölf kam er zum Fußball bei den Sportfreunden München. Mit 18 ging er zu den Bayern und dort blieb er. Quasi ein Leben lang, trotz eines allzu spontanen Angebots eines seinetwegen ausgewechselten Schotten, der ihn 1973 nach einem Länderspiel noch im Kabinengang zu Manchester United lotsen wollte. "Aber ich wollte ja nie weg aus München." Auch nicht, als sein Mentor gen Amerika abwanderte. Franz Beckenbauers Abgang 1977 führte sogar zu einer Aufwertung seines treuen Vasallen.

Im Februar 1978 wurde Schwarzenbeck von Bundestrainer Helmut Schön nach fast zwei Jahren Pause reaktiviert. Er gab ihm gegen England die Liberorolle, für die nach des Kaisers Ausscheiden ein Nachfolger gesucht wurde. Es blieb eine Episode und er bei seiner zweiten WM, 1978, Dauerreservist.

Schreibwaren-Lieferant des FC Bayern

Aber noch im Jahr darauf seufzte sein Vereinstrainer Pal Csernai: "Alle dürfen ausfallen, nur der Katsche nicht!" Es blieb ein frommer Wunsch. Denn ganz zum Ende seiner Karriere erwischte es ihn doch noch schwerer, ein Achillessehnenriss beendete sie 1979. Das Band zu seinem Klub riss nicht, die Bayern-Familie zeigte Herz. Katsche arbeitete allerdings nie als Trainer, Manager oder wenigstens als Scout - nein, er lieferte Zeitungen, Stifte und Notizblöcke oder was das Büro Hoeneß sonst noch so brauchte. Denn "der stille Held", wie ihn einst das DFB-Journal nannte, übernahm - wie schon 1978 (!) angekündigt - in der Münchner Au den Schreibwarenladen seiner Tanten. Den gibt es seit 2008 nicht mehr, und seit kurzem beliefert er seine Bayern auch nicht mehr - aber die Tochter arbeitet in der Rechtsabteilung.

Im schmucken Heim im Perlacher Forst, das auf einem seit Generationen der Familie gehörenden Grundstück steht, ist es ruhiger geworden, seit Katsche seine Hannelore (Heirat 1971) verlor und Witwer geworden ist. Aber er bleibt Teil der Bayern-Familie, wie man bei den alljährlichen Meisterehrungen sehen kann, wenn die Ehemaligen für die Stars von heute Spalier stehen. Warum auch nicht?

Beim FC Bayern ist der allzeit Bescheidene immer ein gern gesehener Gast. Dass dort noch kein Denkmal steht, ist eigentlich verwunderlich. Nicht weniger als das forderten freudetrunkene Fans nach dem größten Tag der Karriere - dem 15. Mai 1974. Da schoss Schwarzenbeck in der 120. Minute des ersten Landesmeisterfinales gegen Atletico Madrid aus fast 30 Metern den Ausgleich, in der Wiederholung gewann Bayern 4:0 - und plötzlich war er da, wo er nie sein wollte. Im Rampenlicht. "Hätt' doch bloß der Gerd  das Tor geschossen", stöhnte er im Angesicht der Mikrofone und Kameras. Dann sagte er bescheiden: "Dass ich ausgerechnet in der letzten Sekunde der Verlängerung aus gut 20 bis 30 Metern genau getroffen habe, ja das war schon Glück, weiter nichts."

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Er war Weltmeister, Europameister, viermaliger Europapokalsieger, fünfmal Deutscher Meister, dreimal DFB-Pokalsieger und beim ersten Weltpokalsieg einer deutschen Klubmannschaft auch dabei. Die Rede ist von Hans-Georg Schwarzenbeck, der heute 75 wird und an jeder Party, die die deutsche Nationalmannschaft und sein FC Bayern München in den Siebzigern feierten, teilnehmen durfte.

Dabei ist ihm ein großes Kunststück gelungen - so sehr seine Mannschaften im Rampenlicht standen, so sehr blieb er im Schatten. Und das mit vollster Absicht. Weit nach seiner Karriere hat er einmal gesagt: "Meinen Traum, den ich als Kind hatte, habe ich leibhaftig gelebt und erfolgreich gelebt. Auch weil ich so viel von der Welt gesehen habe." Ein glückliches Schattengewächs, wenn man so will, das man leicht übersah wie einige andere der großen Bayern-Ära: ein Zobel, Dürnberger, Horsmann - immer dabei, nie mittendrin.

"Ein Rätsel, das ich bis heute nicht gelöst habe"

Das größte Rätsel, das sich um Hans-Georg Schwarzenbeck rankt, wird wohl nie geklärt werden. Warum ihn eigentlich alle "Katsche" nennen. Er weiß es selbst nicht, nur dass man ihm "schon beim Wald- und Wiesenfußball im Perlacher Forst so gerufen hat. Das hatte keinen Bezug zu irgendwas. Ein Rätsel, das ich bis heute nicht gelöst habe", sagte er vor fünf Jahren der tz München.

Bei den Bayern stellte er sich 1966 dann brav als Hans vor, aber Sepp Maier intervenierte: "Schmarrn, wir ham scho zwoa Hans. Du bist ned der Hans, Du bist der Katsche." Kein Ehrenname wie Bomber oder Kaiser, aber wenigstens eine Marke. "Es gibt Schlimmeres", sagte Schwarzenbeck 2018, der selbst auf dem Zenit seiner Karriere stets zum Fußvolk gehörte. Trotz der Ehrfurcht einflößenden Titelsammlung, der Bilanz eines Weltklassespielers. Doch dafür hat sich der robuste Innenverteidiger, zu seiner Zeit Vorstopper genannt, nie gehalten, für einen Star schon gar nicht. "Ich wusste immer, wo ich in dieser Mannschaft stehe."

"Ich will am liebsten mei Ruah"

"Katsche" Schwarzenbeck war ein Kontrapunkt in einer erwachenden Glamourwelt. Für ihn hätte alles so bleiben können wie es war, als er das Kicken bei den Sportfreunden München anfing. Untauglich für alle Boulevardformate in einer Zeit, als Fußballer allmählich auch Popstars sein mussten - oder durften. Werbespots, Plattenaufnahmen, TV-Auftritte - all das überließ er liebend gern Franz Beckenbauer, Sepp Maier, Gerd Müller oder den jungen Himmelsstürmern Paul Breitner und Uli Hoeneß. Die Ausnahme bildete ein Auftritt als radelnder Postbote in der Komödie "Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt". Das war es aber auch an Extravaganzen, die Rolle als WM-Botschafter Münchens 2006 fiel ihm weit nach der Karriere zu und erforderte ja keinen Entertainer. Er meisterte sie mit dem ihm eigenen Charme. Immer herzlich und zuvorkommend.

Es heißt, als junger Kerl habe er sich wegen seiner markanten Nase geniert, ins Rampenlicht zu drängen. Vor allem aber war er einfach nicht der Typ dafür, "ich will am liebsten mei Ruah". Um sein Spiel machte auch niemand viel Aufsehen, er war schlicht "der Putzer des Kaisers" und sicherte zuverlässig dessen Offensivausflüge ab - wie am 29. April 1972 beim ersten deutschen Sieg in Wembley (3:1).

"Ich hab' mich nie geschont"

Sein Gegenspieler wollte man nicht sein, Katsche war eine richtige Kante. Das häufigste Attribut nach "ungelenk", das man über ihn lesen durfte, war "eckig". O-Ton Schwarzenbeck: "Ich hab' mich nie geschont." Die Gegner auch nicht. Dennoch schalt ihn niemand unfair, in 416 Bundesligaspielen (von 1966 bis 1979) für seine Bayern ist er nie vom Platz geflogen, ebenso wenig in der Nationalmannschaft. Im Sog der Stars der ersten großen Bayern-Ära schwamm auch er mit auf der Erfolgswelle des deutschen Fußballs in den Siebzigern. Mancher Kritiker mäkelt, ohne die Bayern-Lobby um Sepp Maier und Beckenbauer hätte er nicht halb so viele Länderspiele, wie sie nun in den Chroniken stehen - 44. Dabei erlebte er nur fünf Niederlagen. Die bitterste: das EM-Finale 1976 von Belgrad im Elfmeterschießen.

Der gelernte Buchdrucker war sicher kein Jahrhunderttalent, erst mit zwölf kam er zum Fußball bei den Sportfreunden München. Mit 18 ging er zu den Bayern und dort blieb er. Quasi ein Leben lang, trotz eines allzu spontanen Angebots eines seinetwegen ausgewechselten Schotten, der ihn 1973 nach einem Länderspiel noch im Kabinengang zu Manchester United lotsen wollte. "Aber ich wollte ja nie weg aus München." Auch nicht, als sein Mentor gen Amerika abwanderte. Franz Beckenbauers Abgang 1977 führte sogar zu einer Aufwertung seines treuen Vasallen.

Im Februar 1978 wurde Schwarzenbeck von Bundestrainer Helmut Schön nach fast zwei Jahren Pause reaktiviert. Er gab ihm gegen England die Liberorolle, für die nach des Kaisers Ausscheiden ein Nachfolger gesucht wurde. Es blieb eine Episode und er bei seiner zweiten WM, 1978, Dauerreservist.

Schreibwaren-Lieferant des FC Bayern

Aber noch im Jahr darauf seufzte sein Vereinstrainer Pal Csernai: "Alle dürfen ausfallen, nur der Katsche nicht!" Es blieb ein frommer Wunsch. Denn ganz zum Ende seiner Karriere erwischte es ihn doch noch schwerer, ein Achillessehnenriss beendete sie 1979. Das Band zu seinem Klub riss nicht, die Bayern-Familie zeigte Herz. Katsche arbeitete allerdings nie als Trainer, Manager oder wenigstens als Scout - nein, er lieferte Zeitungen, Stifte und Notizblöcke oder was das Büro Hoeneß sonst noch so brauchte. Denn "der stille Held", wie ihn einst das DFB-Journal nannte, übernahm - wie schon 1978 (!) angekündigt - in der Münchner Au den Schreibwarenladen seiner Tanten. Den gibt es seit 2008 nicht mehr, und seit kurzem beliefert er seine Bayern auch nicht mehr - aber die Tochter arbeitet in der Rechtsabteilung.

Im schmucken Heim im Perlacher Forst, das auf einem seit Generationen der Familie gehörenden Grundstück steht, ist es ruhiger geworden, seit Katsche seine Hannelore (Heirat 1971) verlor und Witwer geworden ist. Aber er bleibt Teil der Bayern-Familie, wie man bei den alljährlichen Meisterehrungen sehen kann, wenn die Ehemaligen für die Stars von heute Spalier stehen. Warum auch nicht?

Beim FC Bayern ist der allzeit Bescheidene immer ein gern gesehener Gast. Dass dort noch kein Denkmal steht, ist eigentlich verwunderlich. Nicht weniger als das forderten freudetrunkene Fans nach dem größten Tag der Karriere - dem 15. Mai 1974. Da schoss Schwarzenbeck in der 120. Minute des ersten Landesmeisterfinales gegen Atletico Madrid aus fast 30 Metern den Ausgleich, in der Wiederholung gewann Bayern 4:0 - und plötzlich war er da, wo er nie sein wollte. Im Rampenlicht. "Hätt' doch bloß der Gerd  das Tor geschossen", stöhnte er im Angesicht der Mikrofone und Kameras. Dann sagte er bescheiden: "Dass ich ausgerechnet in der letzten Sekunde der Verlängerung aus gut 20 bis 30 Metern genau getroffen habe, ja das war schon Glück, weiter nichts."

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