Der König der Bananenflanke: Europameister Kaltz wird 70

Er galt und gilt als der typische Norddeutsche. Groß, ein bisschen phlegmatisch und ziemlich schweigsam. Dabei kommt Manfred Kaltz eigentlich aus der Pfalz. Reimt sich und ist wahr: Heute vor 70 Jahren kam er in Ludwigshafen zur Welt. DFB.de gratuliert.

Der gemeine Fußballfan verbindet mit Kaltz Alster und Elbe, den Michel und natürlich das Volkspark-Stadion. Hamburg ist längst seine Heimat geworden, wo seine Karriere beim HSV 1991 endete. Hier lebt er weiterhin mit seiner dritten Ehefrau Vineeta im Stadtteil Winterhude, hier wandert er mit dem Hund seine täglichen zehn Kilometer durch den Stadtpark. Zuweilen wird er noch erkannt und angesprochen. Kein Wunder: 20 Jahre spielte Manfred Kaltz für den HSV, von einem kleinen Abstecher nach Frankreich einmal abgesehen. Am Anfang, man schrieb den 20. August 1971, sogar noch mit Uwe Seeler.

Nervenstark vom Punkt

Es war eine lange Zeit, selbst für damalige Verhältnisse, als Vereinstreue in der Bundesliga noch keine Rarität war. Lange genug, um ein Idol zu werden. Kein HSVer hat mehr Titel gewonnen als "Manni" Kaltz, der bei allen drei Bundesligameisterschaften (1979, 1982, 1983) dabei war, den DFB-Pokal 1976 und 1987 gewann, den 1973 erstmals ausgespielten Ligapokal holte und in den beiden legendären Europacup-Finals 1977 und 1983 auf der rechten Seite seinen Mann stand.

581-mal spielte Manni Kaltz für den HSV in der Bundesliga, nur Frankfurts Charly Körbel (602) hat noch ein paar Einsätze mehr. Folglich ist Kaltz damit Hamburgs Bundesligarekordspieler. Noch ein Rekord dürfte lange halten: 53 Elfmeter hat er verwandelt, weil er auch in dieser Hinsicht dem Klischee des kühlen Norddeutschen entsprach. Kaltz zeigte keine Nerven am Kreidepunkt, nur sieben von 60 hat er verschossen. Das Geheimnis? "Da gibt es keins. Du brauchst halt Selbstvertrauen und gute Nerven", sagt er gegenüber DFB.de. Seine Trefferquote von 88,3 Prozent liegt weit über dem Durchschnitt, seit 1963 wurden in der Bundesliga rund 75 Prozent aller Elfmeter verwandelt.

Bananenflanke Kaltz, Kopfballtor Hrubesch

Noch eine Spezialität ließ die Torhüter aller Länder zittern. In dem Wikipedia-Artikel über Kaltz steht es gleich zu Anfang: "Bekannt war er auch für seine sogenannten Bananenflanken." Der kicker nahm dazu anlässlich seinen Geburtstags sogar auf der Titelseite Bezug: "Der Mann mit den Bananen wird 70." Tatsächlich waren seine aus vollem Lauf gezogenen Rechtsflanken mit der Innenseite, deren Flugbahn die Krümmung einer Banane nachzeichnete, sein Markenzeichen. Die Bälle, die sich im Fünfmeterraum plötzlich wieder vom Torwart wegdrehten, waren ein gefundenes Fressen für jeden kopfballstarken Mittelstürmer.

Mit Horst Hrubesch hatte Manfred Kaltz ab 1978 den idealen Abnehmer für seine Flanken. Hrubesch pflegte die Erfolgsmasche so zu schildern: "Manni Banane, ich Kopf - Tor." So einfach war das damals, auch in der Nationalmannschaft, in der sie von 1980 bis 1982 zusammenspielten. Das Bananen-Geheimnis? "Das habe ich nie verraten, und so wird es bleiben", kokettiert Kaltz etwas, um dann zu ergänzen: "Das Wichtigste ist natürlich, dass die Flanke auch ankommt." Seine kam an, hundertfach. Ob Kaltz die Banane nun erfunden hat oder nicht, sei einmal dahingestellt. Charly Dörfel, selbst ein HSV-Idol, das schon in den ersten Bundesligajahren kickte, reklamiert das Patent gerne für sich. Aber wer will das seriös ermitteln?

Kaltz jedenfalls hat sie in Serie und auf höchstem Niveau produziert und damit viele Nacheiferer gefunden. Ihm öffnete die Bananenflanke die Tür zu einer Weltkarriere: Er wurde zum Prototypen des modernen Verteidigers, ab 1975 auch in der Nationalmannschaft, für die er 69-mal bis 1983 spielte. Der Start war holprig, eine Verletzung warf ihn nach seinem Debüt in Wien ein halbes Jahr zurück, und bei der EM 1976 saß er nur auf der Bank. Dann trat Franz Beckenbauer ab, und Manfred Kaltz war im April 1977 der erste in einer langen Reihe, der sich als sein Nachfolger auf dem Liberoposten versuchen durfte. Er machte es nicht einmal schlecht, aber seine Paraderolle war es nicht. Im Zuge des Neuaufbaus nach der WM 1978 erhielt er von Bundestrainer Jupp Derwall seinen Stammplatz auf rechts zurück. Eine weise, weil erfolgsträchtige Entscheidung.

Keegan: "Einen besseren Verteidiger hat die Welt nie gesehen"

Im Herbst 1979 widmete der kicker Kaltz eine Titelstory mit der Überschrift: "Der König auf der rechten Seite." Innerhalb weniger Monate sei Kaltz zu "absoluter Weltklasse" aufgestiegen, was seine Berufung in die Weltauswahl im selben Jahr bestätigte. Das Fachblatt schrieb: "Dies alles ist der Manfred Kaltz von heute: der Verteidiger, der erst Außenstürmer ausschaltet, um dann selber zum Außenstürmer zu werden, zu einem Flügelflitzer wie es in Deutschland keinen besseren gibt."

Kaltz, der früh entdeckt wurde und zunächst als Kicker des Dorfklubs TuS Altrip und ab 1970 dann beim HSV alle Jugendnationalmannschaften durchlief, schuf einen neuen Typus des Außenverteidigers. Waren Spieler wie Horst-Dieter Höttges oder Berti Vogts im DFB-Dress quasi nie über die Mittellinie gegangen, geschweige denn als Torschützen auffällig geworden, war Kaltz eine Multifunktionswaffe. Was heute selbstverständlich ist, war damals eine Attraktion. Acht Tore stehen für Deutschland zu Buche, 1980 in Sofia (3:1) gar zwei auf einen Streich. Vorbereitet hat er ein Vielfaches davon an Toren, nur hat in seiner Zeit noch keiner Scorerpunkte gezählt. Kevin Keegan, sein Mitspieler beim HSV, sagte 1979: "Einen besseren Verteidiger hat die Welt nie gesehen. Und dabei sage ich ihm immer: 'Manni, du bist der beste Rechtsaußen!'"

In Rom wurde Kaltz im Juni 1980 zum Europameister gekrönt, mit seinen 27 Jahren war er einer der Ältesten in jener Elf der jugendlichen Himmelsstürmer um Bernd Schuster und Hansi Müller. Der Rechtsverteidiger musste nie um seinen Platz fürchten, zwischen 1978 und 1982 spielte er 47-mal in Serie, ehe Derwall ihn im letzten Test vor der WM in Spanien einmal draußen ließ, um zu experimentieren. Spanien wurde sein letztes Turnier, seit dem 11. Juli 1982 darf Kaltz sich Vizeweltmeister nennen. "Dieses Finale würde ich gerne noch mal spielen, mit einer anderen Aufstellung und Taktik", gesteht er im Gespräch mit DFB.de, nachdem er seinen Supermarkteinkauf beendet hat. Nicht für die Feier, die findet ja beim Italiener statt.

Vom HSV nach Frankreich und zurück

Kurz nach seinem 30. Geburtstag endete die DFB-Karriere mit einem Missklang. Beim 0:1 gegen Portugal in Lissabon spielten alle schlecht, Kaltz ganz besonders, laut kicker "stolperte er herum, als wäre es ein Aufwärmtraining". Nach einem Krach mit Derwall trat Kaltz zurück. Das war im Februar 1983. Kaltz sagt heute noch: "Mit Derwall und seiner Taktik - das ging halt einfach nicht mehr. Aber insgesamt bin ich mit meiner Karriere in der Nationalmannschaft zufrieden - alles gut." Entschädigt wurde er in jener Saison mit dem Landesmeisterpokal und der Deutschen Meisterschaft. Es war der Höhepunkt der Ära Ernst Happel beim HSV und der ganzen Vereinsgeschichte. Kaltz sagte schon vor Jahren: "Mit diesem Team konnte man nur gewinnen, und Ernst Happel hat das sehr gut im Griff gehabt."

Dass es vom Gipfel nur bergab gehen kann, ist eine Binsenweisheit, der sich auch der HSV stellen musste. Als Happel 1987 mit dem DFB-Pokal ging, den Kaltz mit einem dreisten Freistoßtor beim 3:1 im Finale gegen die Stuttgarter Kickers ermöglicht hatte, ging auch der Erfolg. Kaltz mag das gespürt haben, vielleicht wollte er auch noch mal etwas anderes sehen. So wechselte er 1989 nach Frankreich. In Bordeaux kam er nicht zurecht und wurde schon nach drei Monaten und sechs Einsätzen an den FC Mulhouse ausgeliehen. Im September 1990 war das Abenteuer beendet, danach gab Kaltz sein Comeback im HSV-Trikot. Doch da er nicht mehr über eine Reservistenrolle hinaus kam, wurde der Vertrag im Frühling 1991 vorzeitig aufgelöst.

Auch dieser Abschied hätte etwas schöner sein können, gerne hätte Kaltz sich ein Abschiedsspiel gewünscht. Die Tatsache, dass ihn sein HSV weder zum 50. noch zum 60. geehrt hat, nahm er mit Humor. "Vielleicht bekomme ich ja zum 75. Geburtstag ein Abschiedsspiel geschenkt, das wünsche ich mir", hat er mal dem Hamburger Abendblatt gesagt.

"Bei sechs, sieben Heimspielen pro Saison bin ich da"

Witzig sein konnte er, der Pfälzer von der Elbe. Auch das Image vom Schweiger aus dem Norden haftet etwas zu Unrecht an ihm. Rudi Kargus, Torwart der Meisterelf von 1979, hat das schon damals beteuert: "Er ist nicht weniger ruhig und nicht mehr lustig als jeder andere. Er kann sogar richtig ausgelassen sein." Vielleicht auch deshalb kommt Kargus gern zur Geburtstagsfeier im kleinen Kreis, es werde ein "Pfälzer Abend beim Italiener in Hamburg", witzelt Kaltz. Kargus ist gebürtiger Wormser und der beste Freund aus der Profizeit.

Nicht allzu lustig dürfte es werden, wenn die Sprache auf den aktuellen Zustand des HSV kommt. Kaltz, der in den Sommermonaten weiterhin seine eigene Fußballschule betreibt, sagte noch zu Bundesligazeiten seines Ex-Klubs: "Wenn ich den HSV emotional begleiten würde, hätte ich Magengeschwüre." Heute, da der einstige Dino des Oberhauses seine fünfte Zweitligasaison in Folge verbringt, ist der emotionale Abstand gewachsen. Kaltz spielt lieber Golf, als samstags um 13 Uhr 2. Bundesliga zu gucken, "aber bei sechs, sieben Heimspielen pro Saison bin ich da."

Mancher, der ihn dann auf der Tribüne erkennt, wird sehnsüchtig zurückdenken an die goldene Zeit, die nun bald vier Dekaden zurückliegt. Denn mit Manni Kaltz ging auch der Erfolg. Den letzten Titel gewann der große HSV vor mehr als 35 Jahren - dank des besagten bananenkrummen Freistoßes im Pokalfinale 1987.

Fit auch mit 70: "Beide Menisken sind noch drin"

Nach dem Abschied 1991 gab es kein Comeback mehr, in welcher Rolle auch immer. "Es hat sich nie ergeben, ich war in der freien Wirtschaft und immer wieder gab es im Verein Leute mit vielen Ideen und Plänen", sagte Kaltz einst dem NDR. Auf die Idee, seinen Rat einzuholen, kam im Volkspark keiner. Im Gegensatz zu Eintracht Frankfurt oder dem VfL Bochum, deren Trainerstäben er angehörte. Danach war Kaltz unter anderem Immobilienmakler und Vermögensberater und erhielt sich seinen Spaß am Spiel mit der Arbeit in seiner Fußballschule.

Auch mit 70, denn er ist gesund geblieben, darüber freut er sich fast diebisch. Kein Verschleiß, der eine OP erfordert hätte, "beide Menisken sind noch drin". Selbst das Virus, das die Welt plagt, konnte ihm wenig anhaben: "Die ganze Familie hatte Corona, aber ich habe kaum was gemerkt." Täglich geht er eine Stunde raus mit dem Hund. Der mag zwar keine Bananen, aber er stellt auch keine Fragen nach dem Geheimnis der Flanke. Zum 75. fragen wir wieder nach…

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Er galt und gilt als der typische Norddeutsche. Groß, ein bisschen phlegmatisch und ziemlich schweigsam. Dabei kommt Manfred Kaltz eigentlich aus der Pfalz. Reimt sich und ist wahr: Heute vor 70 Jahren kam er in Ludwigshafen zur Welt. DFB.de gratuliert.

Der gemeine Fußballfan verbindet mit Kaltz Alster und Elbe, den Michel und natürlich das Volkspark-Stadion. Hamburg ist längst seine Heimat geworden, wo seine Karriere beim HSV 1991 endete. Hier lebt er weiterhin mit seiner dritten Ehefrau Vineeta im Stadtteil Winterhude, hier wandert er mit dem Hund seine täglichen zehn Kilometer durch den Stadtpark. Zuweilen wird er noch erkannt und angesprochen. Kein Wunder: 20 Jahre spielte Manfred Kaltz für den HSV, von einem kleinen Abstecher nach Frankreich einmal abgesehen. Am Anfang, man schrieb den 20. August 1971, sogar noch mit Uwe Seeler.

Nervenstark vom Punkt

Es war eine lange Zeit, selbst für damalige Verhältnisse, als Vereinstreue in der Bundesliga noch keine Rarität war. Lange genug, um ein Idol zu werden. Kein HSVer hat mehr Titel gewonnen als "Manni" Kaltz, der bei allen drei Bundesligameisterschaften (1979, 1982, 1983) dabei war, den DFB-Pokal 1976 und 1987 gewann, den 1973 erstmals ausgespielten Ligapokal holte und in den beiden legendären Europacup-Finals 1977 und 1983 auf der rechten Seite seinen Mann stand.

581-mal spielte Manni Kaltz für den HSV in der Bundesliga, nur Frankfurts Charly Körbel (602) hat noch ein paar Einsätze mehr. Folglich ist Kaltz damit Hamburgs Bundesligarekordspieler. Noch ein Rekord dürfte lange halten: 53 Elfmeter hat er verwandelt, weil er auch in dieser Hinsicht dem Klischee des kühlen Norddeutschen entsprach. Kaltz zeigte keine Nerven am Kreidepunkt, nur sieben von 60 hat er verschossen. Das Geheimnis? "Da gibt es keins. Du brauchst halt Selbstvertrauen und gute Nerven", sagt er gegenüber DFB.de. Seine Trefferquote von 88,3 Prozent liegt weit über dem Durchschnitt, seit 1963 wurden in der Bundesliga rund 75 Prozent aller Elfmeter verwandelt.

Bananenflanke Kaltz, Kopfballtor Hrubesch

Noch eine Spezialität ließ die Torhüter aller Länder zittern. In dem Wikipedia-Artikel über Kaltz steht es gleich zu Anfang: "Bekannt war er auch für seine sogenannten Bananenflanken." Der kicker nahm dazu anlässlich seinen Geburtstags sogar auf der Titelseite Bezug: "Der Mann mit den Bananen wird 70." Tatsächlich waren seine aus vollem Lauf gezogenen Rechtsflanken mit der Innenseite, deren Flugbahn die Krümmung einer Banane nachzeichnete, sein Markenzeichen. Die Bälle, die sich im Fünfmeterraum plötzlich wieder vom Torwart wegdrehten, waren ein gefundenes Fressen für jeden kopfballstarken Mittelstürmer.

Mit Horst Hrubesch hatte Manfred Kaltz ab 1978 den idealen Abnehmer für seine Flanken. Hrubesch pflegte die Erfolgsmasche so zu schildern: "Manni Banane, ich Kopf - Tor." So einfach war das damals, auch in der Nationalmannschaft, in der sie von 1980 bis 1982 zusammenspielten. Das Bananen-Geheimnis? "Das habe ich nie verraten, und so wird es bleiben", kokettiert Kaltz etwas, um dann zu ergänzen: "Das Wichtigste ist natürlich, dass die Flanke auch ankommt." Seine kam an, hundertfach. Ob Kaltz die Banane nun erfunden hat oder nicht, sei einmal dahingestellt. Charly Dörfel, selbst ein HSV-Idol, das schon in den ersten Bundesligajahren kickte, reklamiert das Patent gerne für sich. Aber wer will das seriös ermitteln?

Kaltz jedenfalls hat sie in Serie und auf höchstem Niveau produziert und damit viele Nacheiferer gefunden. Ihm öffnete die Bananenflanke die Tür zu einer Weltkarriere: Er wurde zum Prototypen des modernen Verteidigers, ab 1975 auch in der Nationalmannschaft, für die er 69-mal bis 1983 spielte. Der Start war holprig, eine Verletzung warf ihn nach seinem Debüt in Wien ein halbes Jahr zurück, und bei der EM 1976 saß er nur auf der Bank. Dann trat Franz Beckenbauer ab, und Manfred Kaltz war im April 1977 der erste in einer langen Reihe, der sich als sein Nachfolger auf dem Liberoposten versuchen durfte. Er machte es nicht einmal schlecht, aber seine Paraderolle war es nicht. Im Zuge des Neuaufbaus nach der WM 1978 erhielt er von Bundestrainer Jupp Derwall seinen Stammplatz auf rechts zurück. Eine weise, weil erfolgsträchtige Entscheidung.

Keegan: "Einen besseren Verteidiger hat die Welt nie gesehen"

Im Herbst 1979 widmete der kicker Kaltz eine Titelstory mit der Überschrift: "Der König auf der rechten Seite." Innerhalb weniger Monate sei Kaltz zu "absoluter Weltklasse" aufgestiegen, was seine Berufung in die Weltauswahl im selben Jahr bestätigte. Das Fachblatt schrieb: "Dies alles ist der Manfred Kaltz von heute: der Verteidiger, der erst Außenstürmer ausschaltet, um dann selber zum Außenstürmer zu werden, zu einem Flügelflitzer wie es in Deutschland keinen besseren gibt."

Kaltz, der früh entdeckt wurde und zunächst als Kicker des Dorfklubs TuS Altrip und ab 1970 dann beim HSV alle Jugendnationalmannschaften durchlief, schuf einen neuen Typus des Außenverteidigers. Waren Spieler wie Horst-Dieter Höttges oder Berti Vogts im DFB-Dress quasi nie über die Mittellinie gegangen, geschweige denn als Torschützen auffällig geworden, war Kaltz eine Multifunktionswaffe. Was heute selbstverständlich ist, war damals eine Attraktion. Acht Tore stehen für Deutschland zu Buche, 1980 in Sofia (3:1) gar zwei auf einen Streich. Vorbereitet hat er ein Vielfaches davon an Toren, nur hat in seiner Zeit noch keiner Scorerpunkte gezählt. Kevin Keegan, sein Mitspieler beim HSV, sagte 1979: "Einen besseren Verteidiger hat die Welt nie gesehen. Und dabei sage ich ihm immer: 'Manni, du bist der beste Rechtsaußen!'"

In Rom wurde Kaltz im Juni 1980 zum Europameister gekrönt, mit seinen 27 Jahren war er einer der Ältesten in jener Elf der jugendlichen Himmelsstürmer um Bernd Schuster und Hansi Müller. Der Rechtsverteidiger musste nie um seinen Platz fürchten, zwischen 1978 und 1982 spielte er 47-mal in Serie, ehe Derwall ihn im letzten Test vor der WM in Spanien einmal draußen ließ, um zu experimentieren. Spanien wurde sein letztes Turnier, seit dem 11. Juli 1982 darf Kaltz sich Vizeweltmeister nennen. "Dieses Finale würde ich gerne noch mal spielen, mit einer anderen Aufstellung und Taktik", gesteht er im Gespräch mit DFB.de, nachdem er seinen Supermarkteinkauf beendet hat. Nicht für die Feier, die findet ja beim Italiener statt.

Vom HSV nach Frankreich und zurück

Kurz nach seinem 30. Geburtstag endete die DFB-Karriere mit einem Missklang. Beim 0:1 gegen Portugal in Lissabon spielten alle schlecht, Kaltz ganz besonders, laut kicker "stolperte er herum, als wäre es ein Aufwärmtraining". Nach einem Krach mit Derwall trat Kaltz zurück. Das war im Februar 1983. Kaltz sagt heute noch: "Mit Derwall und seiner Taktik - das ging halt einfach nicht mehr. Aber insgesamt bin ich mit meiner Karriere in der Nationalmannschaft zufrieden - alles gut." Entschädigt wurde er in jener Saison mit dem Landesmeisterpokal und der Deutschen Meisterschaft. Es war der Höhepunkt der Ära Ernst Happel beim HSV und der ganzen Vereinsgeschichte. Kaltz sagte schon vor Jahren: "Mit diesem Team konnte man nur gewinnen, und Ernst Happel hat das sehr gut im Griff gehabt."

Dass es vom Gipfel nur bergab gehen kann, ist eine Binsenweisheit, der sich auch der HSV stellen musste. Als Happel 1987 mit dem DFB-Pokal ging, den Kaltz mit einem dreisten Freistoßtor beim 3:1 im Finale gegen die Stuttgarter Kickers ermöglicht hatte, ging auch der Erfolg. Kaltz mag das gespürt haben, vielleicht wollte er auch noch mal etwas anderes sehen. So wechselte er 1989 nach Frankreich. In Bordeaux kam er nicht zurecht und wurde schon nach drei Monaten und sechs Einsätzen an den FC Mulhouse ausgeliehen. Im September 1990 war das Abenteuer beendet, danach gab Kaltz sein Comeback im HSV-Trikot. Doch da er nicht mehr über eine Reservistenrolle hinaus kam, wurde der Vertrag im Frühling 1991 vorzeitig aufgelöst.

Auch dieser Abschied hätte etwas schöner sein können, gerne hätte Kaltz sich ein Abschiedsspiel gewünscht. Die Tatsache, dass ihn sein HSV weder zum 50. noch zum 60. geehrt hat, nahm er mit Humor. "Vielleicht bekomme ich ja zum 75. Geburtstag ein Abschiedsspiel geschenkt, das wünsche ich mir", hat er mal dem Hamburger Abendblatt gesagt.

"Bei sechs, sieben Heimspielen pro Saison bin ich da"

Witzig sein konnte er, der Pfälzer von der Elbe. Auch das Image vom Schweiger aus dem Norden haftet etwas zu Unrecht an ihm. Rudi Kargus, Torwart der Meisterelf von 1979, hat das schon damals beteuert: "Er ist nicht weniger ruhig und nicht mehr lustig als jeder andere. Er kann sogar richtig ausgelassen sein." Vielleicht auch deshalb kommt Kargus gern zur Geburtstagsfeier im kleinen Kreis, es werde ein "Pfälzer Abend beim Italiener in Hamburg", witzelt Kaltz. Kargus ist gebürtiger Wormser und der beste Freund aus der Profizeit.

Nicht allzu lustig dürfte es werden, wenn die Sprache auf den aktuellen Zustand des HSV kommt. Kaltz, der in den Sommermonaten weiterhin seine eigene Fußballschule betreibt, sagte noch zu Bundesligazeiten seines Ex-Klubs: "Wenn ich den HSV emotional begleiten würde, hätte ich Magengeschwüre." Heute, da der einstige Dino des Oberhauses seine fünfte Zweitligasaison in Folge verbringt, ist der emotionale Abstand gewachsen. Kaltz spielt lieber Golf, als samstags um 13 Uhr 2. Bundesliga zu gucken, "aber bei sechs, sieben Heimspielen pro Saison bin ich da."

Mancher, der ihn dann auf der Tribüne erkennt, wird sehnsüchtig zurückdenken an die goldene Zeit, die nun bald vier Dekaden zurückliegt. Denn mit Manni Kaltz ging auch der Erfolg. Den letzten Titel gewann der große HSV vor mehr als 35 Jahren - dank des besagten bananenkrummen Freistoßes im Pokalfinale 1987.

Fit auch mit 70: "Beide Menisken sind noch drin"

Nach dem Abschied 1991 gab es kein Comeback mehr, in welcher Rolle auch immer. "Es hat sich nie ergeben, ich war in der freien Wirtschaft und immer wieder gab es im Verein Leute mit vielen Ideen und Plänen", sagte Kaltz einst dem NDR. Auf die Idee, seinen Rat einzuholen, kam im Volkspark keiner. Im Gegensatz zu Eintracht Frankfurt oder dem VfL Bochum, deren Trainerstäben er angehörte. Danach war Kaltz unter anderem Immobilienmakler und Vermögensberater und erhielt sich seinen Spaß am Spiel mit der Arbeit in seiner Fußballschule.

Auch mit 70, denn er ist gesund geblieben, darüber freut er sich fast diebisch. Kein Verschleiß, der eine OP erfordert hätte, "beide Menisken sind noch drin". Selbst das Virus, das die Welt plagt, konnte ihm wenig anhaben: "Die ganze Familie hatte Corona, aber ich habe kaum was gemerkt." Täglich geht er eine Stunde raus mit dem Hund. Der mag zwar keine Bananen, aber er stellt auch keine Fragen nach dem Geheimnis der Flanke. Zum 75. fragen wir wieder nach…

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