Den Dialog fördern und der Geschichte begegnen: Fan-Treffen in Belarus

Im Rahmen des EM-Qualifikationsspiels in Belarus kamen mit Unterstützung der DFB-Kulturstiftung Fans-, Vereins- und Verbandsvertreter aus Belarus, Russland, der Ukraine und Deutschland zu einer intensiven und eindrücklichen Arbeitsbegegnung in der Hauptstadt Minsk zusammen. Eine bislang einmalige Begegnung an einem Ort, der die vier Länder auch durch seine Geschichte miteinander verbindet.

Wer in den vergangenen Tagen mit dem Auto oder Bus auf einer der großen Magistralen in die belarussische Hauptstadt hineinfuhr, der wurde mit der Parole "Minsk – Stadt, wunderbarer Siege" gegrüßt. Ein gut platzierter Hinweis auf die Rolle der "Heldenstadt" im Zweiten Weltkrieg, aber vor allem Werbung für die Ende Juni hier stattfindenden Europaspiele, die vom Westen weitgehend ignoriert hier eine große Sache sind. Plakate, die das Fußball-EM-Qualifikationsspiel zwischen Belarus und Deutschland angekündigt hätten, suchte man an den breiten Prospekten hingegen vergeblich. Dabei war es tatsächlich das erste Spiel einer deutschen Nationalmannschaft auf dem Boden des 1991 entstandenen Staates, der zwar europäisch ist, aber vielen in Europa als mysteriös, wenn nicht gar fremd erscheint.

Eine leidvolle historische Verbindung durch den zweiten Weltkrieg, ein erstes Fußball-Länderspiel und der Fakt, dass Belarus am Rande des Kontinents in den gesellschaftspolitischen Diskussionen über Europa oftmals gar nicht registriert wird, haben in den vergangenen Tagen zwei Institutionen zusammengebracht, deren Ziel es ist, Fußball vor allem auch als kulturpolitisches Ereignis wahrzunehmen. Was in erster Linie bedeutet, jene Fans zu unterstützen, die den Fußball nicht nur passiv betrachten, sondern ihn von der Basis aus selber mitgestalten. Das Arbeitstreffen der DFB-Kulturstiftung und der Fankurve Ost (einem Projekt des Deutsch-Russischen Austausch, DRA) hatte dafür 25 aktive Fußball-Fans, Journalisten, Mitarbeiter von Fan-Initiativen und sozialpädagogischen Fan-Projekten aus Belarus, Deutschland, Russland und der Ukraine zusammengebracht, um Kontakte zu knüpfen, gemeinsame Interessen abzugleichen und zu zeigen, wie Fan-Kultur in einer demokratischen Zivilgesellschaft funktionieren kann.

Tietz: "Viele gemeinsame Ziele"

"Wir kannten die Initiatoren der Fankurve Ost bereits durch eine Kooperation während der Fußball-WM in Russland und haben damals schnell festgestellt, dass uns viele gemeinsame Ziele verbinden", erklärte der ebenfalls mit nach Minsk gereiste Geschäftsführer der DFB-Kulturstiftung Olliver Tietz den Ursprung des ungewöhnlichen Arbeitstreffens. "Und diese zwei intensiven Tage haben mich darin bestätigt, dass der Austausch mit Fangruppen aus den osteuropäischen Ländern, speziell dem ex-sowjetischen Raum, ein sehr interessantes und wirkungsreiches Arbeitsfeld sein kann."

Auch für Hauptorganisator Ingo Petz war Belarus genau der richtige Ort für dieses erstmalige gemeinsame Arbeitstreffen: "Wir verstehen Fußball-Fans als zivilgesellschaftliche Akteure, die im Dialog mit Verbänden, staatlichen Institutionen und Sicherheitsbehörden immer wieder ihre Interessen aushandeln müssen. Diese Fan-Arbeit geht in Ländern wie Russland, der Ukraine und Belarus gerade erst los, auch aufgrund der herrschenden politischen Strukturen. Wir wollen den Fans zeigen, wie die konkreten Möglichkeiten aussehen, sich sozial zu engagieren. In unseren Seminaren seit 2014 haben wir über 250 Teilnehmer aus Russland, der Ukraine, Deutschland und aus Belarus eingeladen und diese bisher vor allem in Deutschland und der Ukraine stattfinden lassen. In Russland und in Belarus ist deren Organisation aufgrund der politischen Situation bisher allerdings sehr schwierig gewesen. Auch deshalb hatte dieses Arbeitstreffen hier in Minsk und Borissow für uns alle eine besondere Bedeutung."

Unter den gegeben Vorzeichen zeigte sich auch der Belarussische Fußballverband (ABFF) gastfreundlich und unterstützend. Dem Arbeitstreffen wurde gleich am ersten Tag die Räumlichkeiten im "Haus des Fußballs" zur Verfügung gestellt, wo die Seminarteilnehmer vom Vizepräsidenten Mikhail Botnikov empfangen und begrüßt wurden.

Kontakt zwischen Fans und Vereinen nicht unbelastet

Gleichwohl konnten sich die Teilnehmer auch ein Bild davon machen, wie kompliziert das Verhältnis zwischen Fußball-Fangruppen und den staatlichen Institutionen auch hier manchmal ist. So war das Spiel gegen Deutschland nicht ausverkauft, obwohl nur 13.000 Zuschauer in die moderne Arena passen. In den Konferenzräumen des belarussischen Fußballverbandes erklärte Igor Belkovitch, zuständig für Fan-Belange, den Arbeitsgruppen-Teilnehmern, dass der Kontakt zwischen den Fußballfans und den Vereinen nicht unbelastet ist: "Eigentlich gibt es insgesamt wenig Vertrauen in irgendwelche Institutionen und das macht auch unsere Arbeit schwierig.“ Für Seminarteilnehmer Yahor Khavanski eine ungewöhnlich offene und ehrliche Bestandsaufnahme. Der 25-Jährige ist Redakteur der Webseite von „Nascha Niwa“, der ältesten Zeitung in belarussischer Sprache und selber Fußballfan und sieht die Verbindung zwischen dem belarussischen Fußballverband und den Fans kritisch. "Fans wurden in den vergangenen Jahren viele Freiheiten genommen." Dazu kämen, so Yahor Khavanski, teure Eintrittspreise und die schlechten Auftritte der Auswahl.

Dass das Interesse an Fußball in Belarus trotzdem lebendig ist, bewies den Teilnehmern des Arbeitstreffens ein Besuch des Vereins FC NFK Minsk Krumkachy. Die "Raben", wie sie sich auch nennen, sind einer von drei Klubs im belarussischen Fußball, die durch Fans gegründet wurden und bis heute stark von diesen Strukturen geprägt werden. Der Verein hat es erst vor kurzem mit einem minimalen Budget geschafft, in die zweite Liga aufzusteigen und damit bewiesen, dass es auch Fußballvereinen in Belarus möglich ist, komplett ohne die Unterstützung von staatlichen Institutionen oder Betrieben erfolgreich zu sein. Alex Vazhnik, so etwas wie der Marketing-Chef des Vereins und selber mehrfacher Teilnehmer der Seminare von Fankurve Ost, erklärte seinen internationalen Gästen dann auch den außergewöhnlichen Ansatz von Krumkachy: "Wir sagen eigentlich immer, dass wir nicht für Minsk sondern für das Internet spielen. Gerade durch die Möglichkeiten der Social Media-Kanäle sind wir in einen besonderen Dialog mit unseren Fans getreten und haben so die Möglichkeit, den speziellen Charakter unseres Vereins aufrecht zu erhalten und gerade für die junge Generation in der Hauptstadt besonders attraktiv zu sein." Die "Raben" werden sogar auswärts von zum Teil einhundert Fans begleitet, was selbst den großen Vereinen der höchsten belarussischen Spielklasse wie Dinamo Minsk nicht gelingt.

Besuch der Gedenkstätte Maly Trostenez

Doch Fußball ist eben nicht nur ein Spiel, sondern gewinnt in Verbindung mit seinen Fans auch eine gesamtgesellschaftliche Wirkung. Und gerade darauf sollte ein Schwerpunkt des ersten Arbeitstreffens in Belarus liegen. Ein besonderer Punkt war deshalb der Besuch der Gedenkstätte Maly Trostenez etwa zwölf Kilometer südöstlich von Minsk. Hier wurden zwischen 1942 und 1944 von deutschen Nationalsozialisten bis zu 60.000 Menschen ermordet. Aufgrund einer früheren Nutzung des sowjetischen NKWD war die Stätte nach Ende des Zweiten Weltkrieges komplett vernichtet und erst auf Nachforschungen des deutschen Schriftstellers Paul Kohl Ende der 1980er Jahre wiederentdeckt worden. Mittlerweile erinnern im Wald von Blagowschtschina und Schaschkowka Gedenksteine und ein Denkmal an die dortigen Erschießungen und den Standort des provisorischen Krematoriums. Allerdings ist dieser immer noch im Aufbau befindliche Mahnort kaum im Bewusstsein der belarussischen Bevölkerung angekommen.

Auch deswegen war der Besuch dieses größten Vernichtungslagers auf dem Boden der ehemaligen Sowjetunion ein besonderes Anliegen des Arbeitsseminars von Fankurve Ost und der DFB-Kulturstiftung, an dem auch mehrere Mitglieder des Fan Club Nationalmannschaft teilnahmen. Olliver Tietz, der gemeinsam mit Ingo Petz in Erinnerung an die ermordeten Menschen stellvertretend für alle Seminarteilnehmer einen Kranz mit der Aufschrift "Nie wieder!" niederlegte, erklärte dann auch sichtlich bewegt: "Wir sind hier die erste Gruppe aus Fußball-Fans aus vier durch die Geschichte des Holocausts verbundenen Ländern, die diesen Ort besuchen. Wir werden auch künftig Menschen, die den Fußball lieben, bei der Pflege einer Erinnerungskultur unterstützen, national und international." 

Die Gefühle der Teilnehmer drückte nach dem Besuch stellvertretend Elena Erkina aus Sankt Petersburg aus. Die 35-Jährige ist für die russische Fan-Botschaft tätig. 2017 hatte sie erstmals an einem Seminar von Fankurve Ost in Berlin teilgenommen und nach eigener Aussage vor allem den offenen und kritischen Austausch schätzen gelernt. "Wir Seminarteilnehmer haben viel darüber erfahren, wie wir als Fans unser Leben mit dem Fußball selber in die Hand nehmen und eine Stimme formulieren. Wir haben historisch alle einen ähnlichen biografischen Hintergrund und sehen durch solche Kontakte, dass wir nicht nur verantwortlich für die Stimmung im Stadion, sondern auch für die Atmosphäre außerhalb der Spiele sind. Die demokratische Zusammenarbeit in den Fan-Initiativen gibt uns die Möglichkeit, über den Fußball auch die Zivilgesellschaft zu verändern. Und dazu gehört auch zu vermitteln, dass Fußball das Gegenteil von Krieg ist."

[dfb]

Im Rahmen des EM-Qualifikationsspiels in Belarus kamen mit Unterstützung der DFB-Kulturstiftung Fans-, Vereins- und Verbandsvertreter aus Belarus, Russland, der Ukraine und Deutschland zu einer intensiven und eindrücklichen Arbeitsbegegnung in der Hauptstadt Minsk zusammen. Eine bislang einmalige Begegnung an einem Ort, der die vier Länder auch durch seine Geschichte miteinander verbindet.

Wer in den vergangenen Tagen mit dem Auto oder Bus auf einer der großen Magistralen in die belarussische Hauptstadt hineinfuhr, der wurde mit der Parole "Minsk – Stadt, wunderbarer Siege" gegrüßt. Ein gut platzierter Hinweis auf die Rolle der "Heldenstadt" im Zweiten Weltkrieg, aber vor allem Werbung für die Ende Juni hier stattfindenden Europaspiele, die vom Westen weitgehend ignoriert hier eine große Sache sind. Plakate, die das Fußball-EM-Qualifikationsspiel zwischen Belarus und Deutschland angekündigt hätten, suchte man an den breiten Prospekten hingegen vergeblich. Dabei war es tatsächlich das erste Spiel einer deutschen Nationalmannschaft auf dem Boden des 1991 entstandenen Staates, der zwar europäisch ist, aber vielen in Europa als mysteriös, wenn nicht gar fremd erscheint.

Eine leidvolle historische Verbindung durch den zweiten Weltkrieg, ein erstes Fußball-Länderspiel und der Fakt, dass Belarus am Rande des Kontinents in den gesellschaftspolitischen Diskussionen über Europa oftmals gar nicht registriert wird, haben in den vergangenen Tagen zwei Institutionen zusammengebracht, deren Ziel es ist, Fußball vor allem auch als kulturpolitisches Ereignis wahrzunehmen. Was in erster Linie bedeutet, jene Fans zu unterstützen, die den Fußball nicht nur passiv betrachten, sondern ihn von der Basis aus selber mitgestalten. Das Arbeitstreffen der DFB-Kulturstiftung und der Fankurve Ost (einem Projekt des Deutsch-Russischen Austausch, DRA) hatte dafür 25 aktive Fußball-Fans, Journalisten, Mitarbeiter von Fan-Initiativen und sozialpädagogischen Fan-Projekten aus Belarus, Deutschland, Russland und der Ukraine zusammengebracht, um Kontakte zu knüpfen, gemeinsame Interessen abzugleichen und zu zeigen, wie Fan-Kultur in einer demokratischen Zivilgesellschaft funktionieren kann.

Tietz: "Viele gemeinsame Ziele"

"Wir kannten die Initiatoren der Fankurve Ost bereits durch eine Kooperation während der Fußball-WM in Russland und haben damals schnell festgestellt, dass uns viele gemeinsame Ziele verbinden", erklärte der ebenfalls mit nach Minsk gereiste Geschäftsführer der DFB-Kulturstiftung Olliver Tietz den Ursprung des ungewöhnlichen Arbeitstreffens. "Und diese zwei intensiven Tage haben mich darin bestätigt, dass der Austausch mit Fangruppen aus den osteuropäischen Ländern, speziell dem ex-sowjetischen Raum, ein sehr interessantes und wirkungsreiches Arbeitsfeld sein kann."

Auch für Hauptorganisator Ingo Petz war Belarus genau der richtige Ort für dieses erstmalige gemeinsame Arbeitstreffen: "Wir verstehen Fußball-Fans als zivilgesellschaftliche Akteure, die im Dialog mit Verbänden, staatlichen Institutionen und Sicherheitsbehörden immer wieder ihre Interessen aushandeln müssen. Diese Fan-Arbeit geht in Ländern wie Russland, der Ukraine und Belarus gerade erst los, auch aufgrund der herrschenden politischen Strukturen. Wir wollen den Fans zeigen, wie die konkreten Möglichkeiten aussehen, sich sozial zu engagieren. In unseren Seminaren seit 2014 haben wir über 250 Teilnehmer aus Russland, der Ukraine, Deutschland und aus Belarus eingeladen und diese bisher vor allem in Deutschland und der Ukraine stattfinden lassen. In Russland und in Belarus ist deren Organisation aufgrund der politischen Situation bisher allerdings sehr schwierig gewesen. Auch deshalb hatte dieses Arbeitstreffen hier in Minsk und Borissow für uns alle eine besondere Bedeutung."

Unter den gegeben Vorzeichen zeigte sich auch der Belarussische Fußballverband (ABFF) gastfreundlich und unterstützend. Dem Arbeitstreffen wurde gleich am ersten Tag die Räumlichkeiten im "Haus des Fußballs" zur Verfügung gestellt, wo die Seminarteilnehmer vom Vizepräsidenten Mikhail Botnikov empfangen und begrüßt wurden.

Kontakt zwischen Fans und Vereinen nicht unbelastet

Gleichwohl konnten sich die Teilnehmer auch ein Bild davon machen, wie kompliziert das Verhältnis zwischen Fußball-Fangruppen und den staatlichen Institutionen auch hier manchmal ist. So war das Spiel gegen Deutschland nicht ausverkauft, obwohl nur 13.000 Zuschauer in die moderne Arena passen. In den Konferenzräumen des belarussischen Fußballverbandes erklärte Igor Belkovitch, zuständig für Fan-Belange, den Arbeitsgruppen-Teilnehmern, dass der Kontakt zwischen den Fußballfans und den Vereinen nicht unbelastet ist: "Eigentlich gibt es insgesamt wenig Vertrauen in irgendwelche Institutionen und das macht auch unsere Arbeit schwierig.“ Für Seminarteilnehmer Yahor Khavanski eine ungewöhnlich offene und ehrliche Bestandsaufnahme. Der 25-Jährige ist Redakteur der Webseite von „Nascha Niwa“, der ältesten Zeitung in belarussischer Sprache und selber Fußballfan und sieht die Verbindung zwischen dem belarussischen Fußballverband und den Fans kritisch. "Fans wurden in den vergangenen Jahren viele Freiheiten genommen." Dazu kämen, so Yahor Khavanski, teure Eintrittspreise und die schlechten Auftritte der Auswahl.

Dass das Interesse an Fußball in Belarus trotzdem lebendig ist, bewies den Teilnehmern des Arbeitstreffens ein Besuch des Vereins FC NFK Minsk Krumkachy. Die "Raben", wie sie sich auch nennen, sind einer von drei Klubs im belarussischen Fußball, die durch Fans gegründet wurden und bis heute stark von diesen Strukturen geprägt werden. Der Verein hat es erst vor kurzem mit einem minimalen Budget geschafft, in die zweite Liga aufzusteigen und damit bewiesen, dass es auch Fußballvereinen in Belarus möglich ist, komplett ohne die Unterstützung von staatlichen Institutionen oder Betrieben erfolgreich zu sein. Alex Vazhnik, so etwas wie der Marketing-Chef des Vereins und selber mehrfacher Teilnehmer der Seminare von Fankurve Ost, erklärte seinen internationalen Gästen dann auch den außergewöhnlichen Ansatz von Krumkachy: "Wir sagen eigentlich immer, dass wir nicht für Minsk sondern für das Internet spielen. Gerade durch die Möglichkeiten der Social Media-Kanäle sind wir in einen besonderen Dialog mit unseren Fans getreten und haben so die Möglichkeit, den speziellen Charakter unseres Vereins aufrecht zu erhalten und gerade für die junge Generation in der Hauptstadt besonders attraktiv zu sein." Die "Raben" werden sogar auswärts von zum Teil einhundert Fans begleitet, was selbst den großen Vereinen der höchsten belarussischen Spielklasse wie Dinamo Minsk nicht gelingt.

Besuch der Gedenkstätte Maly Trostenez

Doch Fußball ist eben nicht nur ein Spiel, sondern gewinnt in Verbindung mit seinen Fans auch eine gesamtgesellschaftliche Wirkung. Und gerade darauf sollte ein Schwerpunkt des ersten Arbeitstreffens in Belarus liegen. Ein besonderer Punkt war deshalb der Besuch der Gedenkstätte Maly Trostenez etwa zwölf Kilometer südöstlich von Minsk. Hier wurden zwischen 1942 und 1944 von deutschen Nationalsozialisten bis zu 60.000 Menschen ermordet. Aufgrund einer früheren Nutzung des sowjetischen NKWD war die Stätte nach Ende des Zweiten Weltkrieges komplett vernichtet und erst auf Nachforschungen des deutschen Schriftstellers Paul Kohl Ende der 1980er Jahre wiederentdeckt worden. Mittlerweile erinnern im Wald von Blagowschtschina und Schaschkowka Gedenksteine und ein Denkmal an die dortigen Erschießungen und den Standort des provisorischen Krematoriums. Allerdings ist dieser immer noch im Aufbau befindliche Mahnort kaum im Bewusstsein der belarussischen Bevölkerung angekommen.

Auch deswegen war der Besuch dieses größten Vernichtungslagers auf dem Boden der ehemaligen Sowjetunion ein besonderes Anliegen des Arbeitsseminars von Fankurve Ost und der DFB-Kulturstiftung, an dem auch mehrere Mitglieder des Fan Club Nationalmannschaft teilnahmen. Olliver Tietz, der gemeinsam mit Ingo Petz in Erinnerung an die ermordeten Menschen stellvertretend für alle Seminarteilnehmer einen Kranz mit der Aufschrift "Nie wieder!" niederlegte, erklärte dann auch sichtlich bewegt: "Wir sind hier die erste Gruppe aus Fußball-Fans aus vier durch die Geschichte des Holocausts verbundenen Ländern, die diesen Ort besuchen. Wir werden auch künftig Menschen, die den Fußball lieben, bei der Pflege einer Erinnerungskultur unterstützen, national und international." 

Die Gefühle der Teilnehmer drückte nach dem Besuch stellvertretend Elena Erkina aus Sankt Petersburg aus. Die 35-Jährige ist für die russische Fan-Botschaft tätig. 2017 hatte sie erstmals an einem Seminar von Fankurve Ost in Berlin teilgenommen und nach eigener Aussage vor allem den offenen und kritischen Austausch schätzen gelernt. "Wir Seminarteilnehmer haben viel darüber erfahren, wie wir als Fans unser Leben mit dem Fußball selber in die Hand nehmen und eine Stimme formulieren. Wir haben historisch alle einen ähnlichen biografischen Hintergrund und sehen durch solche Kontakte, dass wir nicht nur verantwortlich für die Stimmung im Stadion, sondern auch für die Atmosphäre außerhalb der Spiele sind. Die demokratische Zusammenarbeit in den Fan-Initiativen gibt uns die Möglichkeit, über den Fußball auch die Zivilgesellschaft zu verändern. Und dazu gehört auch zu vermitteln, dass Fußball das Gegenteil von Krieg ist."