DDR-Spiel abgehakt: Mit Sieg gegen Jugoslawien in die Finalrunde

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

26. Juni in Düsseldorf - erstes Finalrundenspiel: Deutschland - Jugoslawien 2:0

Vor dem Spiel:

Nach dem DDR-Spiel hatte es im deutschen Lager ein reinigendes Gewitter gegeben. In der "langen Nacht von Malente" sprachen sich die Spieler vor der Abreise nach Kaiserau untereinander aus, ohne Trainer und mit allerlei hochprozentigen Getränken. Auf Anraten seiner Führungsspieler, Kapitän Franz Beckenbauer und Gerd Müller, nahm Bundestrainer Helmut Schön gleich vier Änderungen vor, nur die Abwehrreihe blieb verschont. Während die Presse das alles schon seit Tagen gewusst haben wollte, gab Schön intern die Aufstellung erst am Vorabend und offiziell gar erst eine Stunde vor dem Spiel bekannt.

Laut Paul Breitner hatte Schön folgende Erkenntnis gewonnen: "Mit einem bedingungslosen Offensivspiel kann man bei einer Weltmeisterschaft, in der es nicht mehr nach K.o.-System geht, sondern nach Punkten, keinen Blumentopf mehr gewinnen. Also trimmte uns Schön für das nächste Spiel gegen Jugoslawien in Düsseldorf auf eine 'dosierte Angriffslust'. Wir sollten nicht mauern, aber zumindest im Mittelfeld mehr Wert auf die Deckung legen."

Für Bernd Cullmann, Uli Hoeneß, Jürgen Grabowski und Heinz Flohe kamen Rainer Bonhof, Herbert Wimmer, Lokalmatador Dieter Herzog und Bernd Hölzenbein in die Startelf. Ein neues Mittelfeld also, in dem nur Regisseur Wolfgang Overath "überlebt" hatte, und ein neues Flügelgespann. Buch-Autor Breitner schrieb: "Nicht wenige von uns fragten sich, ob das nicht doch ein bißchen riskant sei. Läuft ein Motor besser, wenn man sehr viele Ersatzteile einbaut? Und das in so einem wichtigen Spiel bei einem starken Gegner. Der Mut unseres Bundestrainers (...) war bewundernswert."

In der erstmals bei einer WM ausgetragenen Zwischenrunde - in zwei Vierergruppen - zählte nur der Gruppensieg, um das Finale zu erreichen. Gerd Müller hatte das verinnerlicht: "In Düsseldorf darf nicht verloren werden, sonst ist es aus. Wir müssen um Alles oder Nichts spielen. Die Jugoslawen sind ein äußerst starker Gegner, das wissen wir nicht nur aus dem Fernsehen."

Beim 9:0 gegen Zaire hatte das Team für das Rekordergebnis der WM gesorgt, Weltmeister Brasilien und den Schotten wurde jeweils ein Remis abgetrotzt - und die Gruppe gewonnen. Für einen Sieg gegen Deutschland wurden jedem Spieler umgerechnet 12.000 Mark versprochen. Zwei Tage vor dem Spiel gab Präsident Tito, gerade auf Staatsbesuch in Deutschland, der Mannschaft in Bonn noch eine Audienz in der Staatskanzlei. Zu Bundeskanzler Helmut Schmidt sagte Tito: "Wenn die Deutschen uns besiegen, ist das ein unfreundlicher Akt. Wir sind doch ihre Gäste." Auf Deutschland trafen sie schon zum vierten Mal bei einer WM, wie immer war es das erste Spiel nach der Vorrunde. Nach Siegen stand es 2:1 für Deutschland.



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

26. Juni in Düsseldorf - erstes Finalrundenspiel: Deutschland - Jugoslawien 2:0

Vor dem Spiel:

Nach dem DDR-Spiel hatte es im deutschen Lager ein reinigendes Gewitter gegeben. In der "langen Nacht von Malente" sprachen sich die Spieler vor der Abreise nach Kaiserau untereinander aus, ohne Trainer und mit allerlei hochprozentigen Getränken. Auf Anraten seiner Führungsspieler, Kapitän Franz Beckenbauer und Gerd Müller, nahm Bundestrainer Helmut Schön gleich vier Änderungen vor, nur die Abwehrreihe blieb verschont. Während die Presse das alles schon seit Tagen gewusst haben wollte, gab Schön intern die Aufstellung erst am Vorabend und offiziell gar erst eine Stunde vor dem Spiel bekannt.

Laut Paul Breitner hatte Schön folgende Erkenntnis gewonnen: "Mit einem bedingungslosen Offensivspiel kann man bei einer Weltmeisterschaft, in der es nicht mehr nach K.o.-System geht, sondern nach Punkten, keinen Blumentopf mehr gewinnen. Also trimmte uns Schön für das nächste Spiel gegen Jugoslawien in Düsseldorf auf eine 'dosierte Angriffslust'. Wir sollten nicht mauern, aber zumindest im Mittelfeld mehr Wert auf die Deckung legen."

Für Bernd Cullmann, Uli Hoeneß, Jürgen Grabowski und Heinz Flohe kamen Rainer Bonhof, Herbert Wimmer, Lokalmatador Dieter Herzog und Bernd Hölzenbein in die Startelf. Ein neues Mittelfeld also, in dem nur Regisseur Wolfgang Overath "überlebt" hatte, und ein neues Flügelgespann. Buch-Autor Breitner schrieb: "Nicht wenige von uns fragten sich, ob das nicht doch ein bißchen riskant sei. Läuft ein Motor besser, wenn man sehr viele Ersatzteile einbaut? Und das in so einem wichtigen Spiel bei einem starken Gegner. Der Mut unseres Bundestrainers (...) war bewundernswert."

In der erstmals bei einer WM ausgetragenen Zwischenrunde - in zwei Vierergruppen - zählte nur der Gruppensieg, um das Finale zu erreichen. Gerd Müller hatte das verinnerlicht: "In Düsseldorf darf nicht verloren werden, sonst ist es aus. Wir müssen um Alles oder Nichts spielen. Die Jugoslawen sind ein äußerst starker Gegner, das wissen wir nicht nur aus dem Fernsehen."

Beim 9:0 gegen Zaire hatte das Team für das Rekordergebnis der WM gesorgt, Weltmeister Brasilien und den Schotten wurde jeweils ein Remis abgetrotzt - und die Gruppe gewonnen. Für einen Sieg gegen Deutschland wurden jedem Spieler umgerechnet 12.000 Mark versprochen. Zwei Tage vor dem Spiel gab Präsident Tito, gerade auf Staatsbesuch in Deutschland, der Mannschaft in Bonn noch eine Audienz in der Staatskanzlei. Zu Bundeskanzler Helmut Schmidt sagte Tito: "Wenn die Deutschen uns besiegen, ist das ein unfreundlicher Akt. Wir sind doch ihre Gäste." Auf Deutschland trafen sie schon zum vierten Mal bei einer WM, wie immer war es das erste Spiel nach der Vorrunde. Nach Siegen stand es 2:1 für Deutschland.

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Neustart gelingt: "Wir waren wie stimuliert"

Spielbericht:

Die Sonne lacht über Düsseldorf an diesem Mittwoch, als wolle sie der WM und ihrem Gastgeber eine neue Chance geben. Bisher sind es eher Wasserspiele gewesen, und nur wenige haben gefallen können. Mit der Zwischenrunde geht alles wieder bei Null los. Der Anpfiff erfolgt um 16 Uhr, die ARD überträgt. Es kommentiert Altmeister Rudi Michel vom SWR.

Die ersten Szenen gehören den Neuen. Bonhof hat in der ersten halben Stunde gleich drei Chancen, köpft einmal an den Außenpfosten. Dabei soll der mit 22 Jahren jüngste Spieler im Kader doch eigentlich vor allem Spielmacher Branko Oblak beschatten. Auch Wimmer hat das 1:0 auf dem Fuß, doch der Mittelfeldrenner vergibt unkonzentriert (28.). Overath legt sich mit dem Schiedsrichter an und wird früh verwarnt.

Das Publikum im Rheinstadion spürt: Die Mannschaft will es heute wissen. Bei Beckenbauer, dem schon im DDR-Spiel eine Weltklasseleistung bescheinigt worden ist, bestehen da ohnehin wenig Zweifel. Der Libero zwingt Torwart Enver Maric zu einer Glanzparade. Auf das erste Tor aber müssen die Zuschauer warten, seit Müllers Treffer gegen Australien sind schon drei Stunden Spielzeit vergangen. Und dann, als das Publikum doch wieder zu Murren beginnt und der Faden zu reißen droht, wiederholt sich ein Vorgang aus dem Auftaktspiel. Paul Breitner bricht mit einen satten Distanzschuss aus 25 Metern den Bann (39.), nur spricht diesmal niemand von einem haltbaren Ball.

Zur Pause führen sie mit 1:0, und das verdient. Nur der Start in die zweite Hälfte missfällt Schön, da "haben wir zehn schwächere Minuten gehabt". Sie bleiben ohne Folgen. Der Schlüssel zum Erfolg sind - eine alte Fußballerweisheit - die Zweikämpfe. Wer die meisten gewinnt, gewinnt auch meist das Spiel. Und fast jeder Deutsche besteht gegen seinen Widersacher in der Mehrzahl der Duelle. Ob Vogts gegen Wunderstürmer Dragan Dzajic, Hans-Georg Schwarzenbeck gegen Ivo Surjak, Paul Breitner gegen Danilo Popivoda, Wolfgang Overath gegen Jovan Acimovic, "Greenhorn" Rainer Bonhof gegen Spielmacher Branko Oblak, Herbert Wimmer gegen Stanislav Karasi. Und die Flügelstürmer Dieter Herzog, der im "eigenen Stadion" ohne Anpassungsprobleme gegen den späteren HSV-Verteidiger Ivan Buljan auftrumpft, sowie Bernd Hölzenbein geben gute Bewerbungen ab für den weiteren Turnierverlauf.

Sepp Maier fängt alles, was aus der zweiten Reihe auf sein Tor kommt, in seinen Strafraum verirrt sich kein Jugoslawe an diesem Tag - jedenfalls nicht mit Ball. Beckenbauer organisiert die Abwehr glänzend, Schwarzenbeck findet sogar Zeit für einen Vorstoß in den gegnerischen Strafraum, wird aber nicht mit einem Elfmeter belohnt (66.). Zu Unrecht natürlich - finden die Deutschen. Und Gerd Müller? Macht wieder sein Tor. Ein echtes Müller-Tor! Im Stile eines Bodenturners verwertet er ein Zuspiel des nach 69 Minuten in Gnaden wieder aufgenommenen Uli Hoeneß zum 2:0. Im Liegen ist Müller nach einer Karambolage mit Josip Katalinski gewohnt reaktionsschnell und drückt den Ball über die Linie (82.). Weil er in jeder Situation weiß, wo das Tor steht. "Ein Tor, wie es nur Müller macht", titelt der Kicker.

Es entscheidet ein Spiel, das nicht allzu viele Höhepunkte hat und spielerisch nur bedingt genügt, aber von einem weit freundlicheren Publikum mitgetragen wird. Breitner: "Im Rheinstadion wurden wir indes angenehm überrascht. Fehlpässe wurden nicht sofort mit einem Pfeifkonzert geahndet, bei jedem Angriff von uns kam das rhythmische 'Deutschland, Deutschland' von den Rängen. Orkanartig. Ein völlig neues Zuschauergefühl! Wir waren wie stimuliert." Im vierten Spiel hat der Gastgeber endlich einen Heimvorteil. Auch das vertreibt die grundsätzlichen Zweifel an den Titelchancen des Europameisters.

Udo Lattek schreibt an diesem Abend seine Kolumne für das WM-Buch, das er mit Breitner und Hoeneß herausbringen wird: "Alle sind zu einer Mannschaft zusammengewachsen. Der große Punkt auf dem i, das Spielerische, stand allerdings noch etwas im Hintergrund. Aber die Grundvoraussetzungen für eine weitere Leistungssteigerung, die bisher von Spiel zu Spiel ersichtlich war, konnte eindeutig erkannt werden."

Aufstellung: Maier - Vogts, Beckenbauer, Schwarzenbeck, Breitner - Wimmer (70. Hoeneß), Overath, Bonhof - Herzog, Müller, Hölzenbein (74. Flohe).

Tore: 1:0 Breitner (39.), 2:0 Müller (82.).

Zuschauer: 66.085 in Düsseldorf.

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"Das Tor von Breitner war sagenhaft"

Stimmen zum Spiel:

Helmut Schön: "Alle Spieler haben die Kritik aus der letzten Begegnung beherzigt und so ein großes Spiel auf der Basis kämpferischen Einsatzes gezeigt. Hervorheben muss ich Beckenbauer und Vogts. Ich hoffe, die Mannschaft kann diese Form halten. Es ist ein ungemein wertvoller Sieg, für den ich mich bei allen Spielern bedanken möchte. Doch noch haben wir unser Ziel nicht erreicht."

Franz Beckenbauer: "Der Einbau von Hölzenbein und Herzog in die Mannschaft hat sich vorteilhaft ausgewirkt. Wir hatten auf den Flügeln viel Raum. Düsseldorf hat das beste Publikum in ganz Deutschland. Mit dieser Unterstützung können wir Weltmeister werden."

Berti Vogts: "Wir haben gezeigt, dass wir keine Profis sind, sondern 22 Kerle."

Günter Netzer: "Beeindruckt war ich von der starken Leistung Bonhofs, den ich noch nie so habe spielen sehen. Imponierend auch Beckenbauer und Vogts. Unsere Mannschaft hat sich erheblich gesteigert."

Sepp Herberger: "Wenn wir so konsequent in der Deckung stehen wie heute und blitzschnell auf Angriff umschalten, dann schlägt uns keiner auf der Welt."

Milan Miljanic (Jugoslawiens Trainer): "Wenn die deutsche Elf dieses Tempo und diese Spielweise beibehält, und ich zweifle nicht daran, dann kommt sie mit Sicherheit ins Endspiel. Nichts hat uns in diesem Spiel überrascht. Weder die starke Leistung der Deutschen noch unsere Sturmschwäche. Nur das Tor von Breitner, es war sagenhaft."

Dragan Dzajic (Jugoslawien): "Nach dem 0:1 hatten wir einfach nicht mehr die Kraft, dem Spiel noch eine Wende zu geben. Die deutsche Mannschaft hat sich gegenüber dem, was ich bisher von ihr gesehen habe, um zwei Klassen gesteigert."

"Der Sieg über Jugoslawiens Team wurde aus der Abwehr heraus errungen. Paul Breitners Führungstor, eine Kopie seines Siegtreffers gegen Chile, verleitete noch nicht zum Sturmlauf. Erst als Gerd Müller gleichfalls sein zweites Tor in diesem Turnier gelungen war (...) streifte die deutsche Mannschaft die Phase der Hektik ab (...) Die Entdeckung des Spiels aber war Rainer Bonhof (...) Die Jugoslawen wurden niedergekämpft. Das hatten Helmut Schöns Mannen zwar versprochen, aber keiner hatte zu hoffen gewagt, daß es ihnen gelingen würde." (Süddeutsche Zeitung)

"Eine alte Fußballerfahrung bewahrheitete sich wieder einmal: Erst einen Gegner, den man niedergekämpft hat, kann man dann auch ausspielen. Die Jugoslawen bekamen dies 90 Minuten lang zu spüren. Zum Glück dominierte unsere Elf auch spielerisch. Da wurden Ball und Gegner so zum Laufen gebracht, daß die Zuschauer begeistert mitgingen (...) Der Einbau frischer 'hungriger' Spieler war entgegen manchen Befürchtungen doch ein Erfolg. Es war ein Sieg, der Freude machte." (Kicker)

"Es hätte noch schlimmer ausgehen können. Die Jugoslawen sind im Rheinstadion von einem besseren Gegner bezwungen worden, in einem Spiel, in dem sie keine einzige Torchance hatten (...) Die Fußballer in den blauen Trikots wirkten wie angeschlagene Boxer, die das Ende eines ruhmlosen Kampfes herbeisehnten. (Sport/Belgrad)

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