Das Herz eines Fußballers

Die Zukunft lag vor ihm. Scheinbar endlos, strahlend, ein stetiger Aufstieg. Patrick Wirth wollte keinen Fehler machen, nicht rauchen, nicht trinken, immer hart trainieren. Er war talentiert und diszipliniert. 1,83 Meter groß, robust, dabei technisch ohne erkennbares Defizit: Patrick Wirth stand am Anfang einer großen Karriere. Nur ein paar Jahre ist das her.

Zu Beginn der nuller Jahre hatte er sich einen Stammplatz im Nachwuchsteam des 1. FC Kaiserslautern erkämpft. Er gewann den DFB-Pokal der A-Junioren. Das gerahmte Bild von der Pokalübergabe durch Gerhard Mayer-Vorfelder hängt heute noch neben dem Krankenbett. Patrick, ganz der Fußballer, in der Hocke, einen Arm im Jubel erhoben.

Ein „Roter Teufel“, das wollte er werden, schon als D-Jugendlicher des FSV Oggersheim. „Der Ball war noch nicht an seinem Fuß, da wusste er schon, wohin er passen muss“, sagt Klaus-Dieter Wirth, sein Vater, der ihn damals in der D-Jugend trainiert hatte. Kreisauswahl, Südwestauswahl, irgendwann kam der Wechsel zum 1. FC Kaiserslautern. Seit drei Jahren ist alles anders.

Pokalsieger mit den B-Junioren des 1. FC Kaiserslautern

Heute liegt Patrick Wirth dort in der Vier-Zimmer-Wohnung seiner Eltern, mitten im vorderpfälzischen Frankenthal, in einem Spezialbett, das ihn in zwanzig verschiedenen Einstellstufen heben und senken, aber nicht heilen kann. Ohne künstliche Beatmung und Ernährung würde er sterben. Ein wirklich großer LCD-Fernseher füllt den Raum. Monitore türmen sich neben dem Bett. Die lange Stange mit dem Infusionsbeutel bewacht sein Krankenlager. In drei Schichten, also rund um die Uhr, muss er betreut werden, von 17 bis 22 Uhr pflegen ihn täglich seine Eltern. Sein Vater Klaus-Dieter sieht müde und ausgezehrt aus, vor ein paar Wochen erlitt er einen Hörsturz. Trotz der aufreibenden Pflege hat er seine Stelle als Lagerist nicht gekündigt, weil es „meine Chance ist, mal für einen Moment an etwas anderes zu denken“.

Klaus-Dieter Wirth erinnert sich an den Tag, an dem sich die Welt seiner Familie auf einen Schlag veränderte. Verdunkelte. Damals arbeitete Patrick für die Pfaffwerke. Sein Vater holte ihn viermal die Woche ab, brachte ihn zum Training des 1. FC Kaiserslautern. „Es war ein Freitagmorgen, und ich ging in Patricks Zimmer, um ihn zu wecken. Er musste ja früh raus, damit er früher zum Training gehen konnte. Patrick versuchte aufzustehen, aber irgendwie konnte er den Kopf nicht mehr heben. Wir fuhren ihn sofort ins Krankenhaus.“ Drei Monate später wog Patrick Wirth nur noch 51 Kilogramm. Der vor Kraft strotzende Athlet war verschwunden, bis auf die Knochen abgemagert dämmerte er dort zwischen den Laken. Die Ärzte fürchteten um sein Leben. Fast zwei Jahrzehnte lang hatte sich bei den Wirths alles um den Fußball gedreht. Jetzt drehte sich jede Minute um eine unheimliche, vermeintlich tödliche Krankheit.

ALS lautete die erste Diagnose. Der Physiker Stephen Hawking kämpft gegen diese degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems, in deren Verlauf es zu einer fortschreitenden und irreversiblen Schädigung der Nervenzellen kommt. Die Amytrophe Lateralsklerose ist nicht heilbar. Das mittlere Erkrankungsalter für ALS liegt zwischen 56 und 58 Jahren. An dem Morgen, als Patrick den Kopf nicht mehr heben konnte, war er 22 Jahre.

Die Disziplin des Fußballers hilft ihm weiter



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Die Zukunft lag vor ihm. Scheinbar endlos, strahlend, ein stetiger Aufstieg. Patrick Wirth wollte keinen Fehler machen, nicht rauchen, nicht trinken, immer hart trainieren. Er war talentiert und diszipliniert. 1,83 Meter groß, robust, dabei technisch ohne erkennbares Defizit: Patrick Wirth stand am Anfang einer großen Karriere. Nur ein paar Jahre ist das her.

Zu Beginn der nuller Jahre hatte er sich einen Stammplatz im Nachwuchsteam des 1. FC Kaiserslautern erkämpft. Er gewann den DFB-Pokal der A-Junioren. Das gerahmte Bild von der Pokalübergabe durch Gerhard Mayer-Vorfelder hängt heute noch neben dem Krankenbett. Patrick, ganz der Fußballer, in der Hocke, einen Arm im Jubel erhoben.

Ein „Roter Teufel“, das wollte er werden, schon als D-Jugendlicher des FSV Oggersheim. „Der Ball war noch nicht an seinem Fuß, da wusste er schon, wohin er passen muss“, sagt Klaus-Dieter Wirth, sein Vater, der ihn damals in der D-Jugend trainiert hatte. Kreisauswahl, Südwestauswahl, irgendwann kam der Wechsel zum 1. FC Kaiserslautern. Seit drei Jahren ist alles anders.

Pokalsieger mit den B-Junioren des 1. FC Kaiserslautern

Heute liegt Patrick Wirth dort in der Vier-Zimmer-Wohnung seiner Eltern, mitten im vorderpfälzischen Frankenthal, in einem Spezialbett, das ihn in zwanzig verschiedenen Einstellstufen heben und senken, aber nicht heilen kann. Ohne künstliche Beatmung und Ernährung würde er sterben. Ein wirklich großer LCD-Fernseher füllt den Raum. Monitore türmen sich neben dem Bett. Die lange Stange mit dem Infusionsbeutel bewacht sein Krankenlager. In drei Schichten, also rund um die Uhr, muss er betreut werden, von 17 bis 22 Uhr pflegen ihn täglich seine Eltern. Sein Vater Klaus-Dieter sieht müde und ausgezehrt aus, vor ein paar Wochen erlitt er einen Hörsturz. Trotz der aufreibenden Pflege hat er seine Stelle als Lagerist nicht gekündigt, weil es „meine Chance ist, mal für einen Moment an etwas anderes zu denken“.

Klaus-Dieter Wirth erinnert sich an den Tag, an dem sich die Welt seiner Familie auf einen Schlag veränderte. Verdunkelte. Damals arbeitete Patrick für die Pfaffwerke. Sein Vater holte ihn viermal die Woche ab, brachte ihn zum Training des 1. FC Kaiserslautern. „Es war ein Freitagmorgen, und ich ging in Patricks Zimmer, um ihn zu wecken. Er musste ja früh raus, damit er früher zum Training gehen konnte. Patrick versuchte aufzustehen, aber irgendwie konnte er den Kopf nicht mehr heben. Wir fuhren ihn sofort ins Krankenhaus.“ Drei Monate später wog Patrick Wirth nur noch 51 Kilogramm. Der vor Kraft strotzende Athlet war verschwunden, bis auf die Knochen abgemagert dämmerte er dort zwischen den Laken. Die Ärzte fürchteten um sein Leben. Fast zwei Jahrzehnte lang hatte sich bei den Wirths alles um den Fußball gedreht. Jetzt drehte sich jede Minute um eine unheimliche, vermeintlich tödliche Krankheit.

ALS lautete die erste Diagnose. Der Physiker Stephen Hawking kämpft gegen diese degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems, in deren Verlauf es zu einer fortschreitenden und irreversiblen Schädigung der Nervenzellen kommt. Die Amytrophe Lateralsklerose ist nicht heilbar. Das mittlere Erkrankungsalter für ALS liegt zwischen 56 und 58 Jahren. An dem Morgen, als Patrick den Kopf nicht mehr heben konnte, war er 22 Jahre.

Die Disziplin des Fußballers hilft ihm weiter

Schlimme Symptome begleiteten den rapiden Gewichtsverlust. Tag für Tag verlor der Modellathlet seinen Körper. Bald konnte er seine Arme nicht mehr heben, dann setzte eine Dysphagie ein. Durch die geschwächte Schlundmuskulatur kam es zu extremen Schluckstörungen. Patrick Wirth musste sich die Nahrung praktisch per Hand die Kehle runterdrücken. Sein Gesicht bleibt versteinert, wenn er einen anschaut, die Krankheit hat ihn auch seiner Mimik beraubt.

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Nur seine Beine bleiben ihm. Spindeldürr wie er ist, an Kabeln und Schläuchen hängend, klettert der Fußballer jeden Tag aus seinem Spezialbett. Geht ein paar Schritte, zum Wohnzimmer und wieder zurück. Patrick Wirth kämpft. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, in denen die Monitore an seinem Bett piepsend das Logbuch seiner Krankheit notieren, wehrt er sich aus schwindenden Leibeskräften. Die Disziplin, die er durch den Fußball erlernt hat, hilft ihm, auch in den dunkelsten Stunden seiner Krankheit. Er begegnet ihr mit dem Herz eines Fußballers.

Ein großer Laptop liegt am Fußende seines Bettes, er tippt darauf mit den Zehen. Dass es ihm gut gehe, schreibt er, dass er Fan des 1. FC Kaiserslautern sei („Immer schon gewesen“) und sich gestern Abend das Länderspiel gegen Schweden angeschaut habe. Und dann tippt er, langsam aber ohne abzubrechen: „Ich habe mir das Schreiben mit dem Fuß beigebracht, weil ich den Kontakt brauche.“ Die Kontrolle über seinen Körper hat er verloren, das mentale Rüstzeug des Sportlers aber nie. Patrick denkt positiv, er geht neue Aufgaben mit Optimismus an.

Vor ein paar Tagen schrieb er seinen Eltern, dass er nach seiner Gesundung für eine Stiftung arbeiten möchte. „Ich möchte später anderen Menschen helfen.“

Als ihm der erste Arzt mitteilte, dass er an seiner Krankheit sterben werde, antwortete Patrick: „Wir müssen alle sterben, auch ich irgendwann. Aber vorher werde ich wieder gesund. Meine Zeit zum Sterben ist noch nicht gekommen.“ Und das wiederholt er immer wieder: „Ich werde wieder gesund, da können die Ärzte sagen, was sie wollen.“

Einladung zum Kasachstan-Länderspiel

Der Fußball hilft Patrick Wirth. Die Sepp-Herberger-Stiftung stellte aus Mitteln des DFB-Sozialwerks eine Geldspende zur Verfügung. „Es war der ausdrückliche Wunsch Sepp Herbergers, dass sein Privatvermögen in Not geratenen Fußballern zu Gute kommt. Mit dem DFB-Sozialwerk helfen wir heute finanziell nach Unfällen oder anderen schweren Schicksalsschlägen, meist auf Hinweise der DFB-Landesverbände oder von Fußballvereinen“, informiert Tobias Wrzesinski, stellvertretender Geschäftsführer der ältesten deutschen Fußballstiftung. Außerdem beteiligte sich die Stiftung an einem Benefizturnier, das in Kaiserslautern unter anderem von den ehemaligen FCK-Spielern Axel Roos und Patrick Wittich organisiert wurde. Für das Turnier fehlte ein Krankenwagen, der Patrick in die Halle bringt - „sein“ Benefizturnier wollte er schließlich nicht verpassen. DRK-Präsident Dr. Rudolf Seiters, der sich seit langen Jahren als Kurator in der Sepp-Herberger-Stiftung engagiert, half bei der Organisation des Krankentransports.

25.000 Euro kamen bei dem Hallenkick zusammen, davon konnte erstmal der Laptop gekauft werden, nun planen die Wirths das Badezimmer zu vergrößern, um Patrick wieder ein Stück mehr eigenverantwortliches Leben zu ermöglichen.

DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger hat den schwer erkrankten Fußballer und seine Eltern zum Länderspiel gegen Kasachstan im nächsten Frühjahr eingeladen. Am 26. März trifft Deutschland in Kaiserslautern auf den Gruppengegner, es ist das einzige Qualifikationsspiel in der ersten Jahreshälfte. Patrick wird dabei sein. In der größten Not denkt die Fußballfamilie an ihn.

Das größte Geschenk aber machte ihm Professor Dr. Tim Meyer, der Mannschaftsarzt der deutschen Nationalmannschaft. Ein von ihm und seinem Kollegen Professor Dr. Ulrich Dillmann zusammengestelltes Diagnoseteam der Universität des Saarlandes untersuchte Patrick Wirth Anfang Dezember in Homburg. Schon zuvor waren Zweifel an der ALS-Diagnose aufgekommen. „Er kann seine Mundwinkel wieder leicht bewegen. Und der Geschmacksnerv reagiert. Patrick kann wieder Zitronen schmecken“, sagt seine Mutter, die ein Stehaufmännchen ist, und doch mit den Tränen kämpft. Die Untersuchung in Homburg brachte die Wende. Die Fachleute diagnostizierten MMN, also multifokale motorische Neuropathie. Auch MMN ist eine schwere Erkrankung des Nervensystems. Aber sie ist therapierbar. Im Januar starten die Ärzte eine Behandlung mit Immunglobulinen.

Der erste Schritt auf dem Weg zurück in eine Zukunft? Patrick Wirths Eltern und die Fußballfamilie in der Pfalz hoffen darauf.

Spendenkonto:
Sepp-Herberger-Stiftung
Überweisungszweck: Patrick Wirth
Kontonummer 966 666 00
Commerzbank AG Frankfurt/M.
Bankleitzahl 500 800 00