Dank Auswärtstorregel: Frankfurt holt den UEFA-Pokal

Im Frühjahr 1980 kam es zu einem Novum im Europapokal, das dem deutschen Fußball Ehre einbrachte. Alle Halbfinalisten des UEFA-Pokals kamen aus der Bundesliga. Zwei von ihnen schafften es folglich ins Finale – Borussia Mönchengladbach und die Eintracht aus Frankfurt, die den Titel dank der Auswärtstorregelung heute vor 40 Jahren schließlich gewann. Das knappe Ergebnis entsprach der Ausgangslage. DFB.de blickt zurück.

Einen klaren Favoriten gab es nicht, wie die Aussage von Borussen-Trainer Jupp Heynckes verdeutlichte: "Gegen die Eintracht ist jedes Ergebnis möglich." Kollege Friedel Rausch war etwas forscher: "Ich bin Optimist, wir müssen den UEFA-Cup einfach holen. An etwas anderes will ich gar nicht denken." Die Borussia erhöhte vor dem Hinspiel am 7. Mai die Eintrittspreise deutlich und brachte sich damit um ein Stück des Heimvorteils. 15 statt neun Mark für den Steh-Platz, 60 statt 30 für den besten Tribünen-Platz – da blieb Luft auf den Rängen. Der Bökelberg war nicht ausverkauft, 25.000 kamen zu einem Finale, das keine Entscheidung bringen durfte.

Es fiel nicht einmal eine Vorentscheidung: Harald Karger und Bernd Hölzenbein hatten die Hessen zweimal in Führung gebracht, Gladbach aber gewann durch Treffer von Lothar Matthäus und Christian Kulik in der Schlussviertelstunde mit 3:2. Somit setzte sich die seltsame Eintracht-Serie fort: Sie war ohne einen Auswärtssieg ins Finale gekommen und hatte alle "Schäden" im Waldstadion repariert. Die Borussen wussten: Das 3:2 war ein gefährliches Ergebnis, wenn man noch nach Frankfurt musste. Der Eintracht reichte nach der Europacup-Arithmetik dann schon ein 1:0. Bernd Hölzenbein war siegessicher: "Wenn wir jetzt den Pott nicht holen sind wir selbst schuld." Schon am Bökelberg waren sie die bessere Mannschaft gewesen. Heynckes gestand: "Die Borussia hat wohl selten gegen eine spielerisch so starke Mannschaft gespielt." Libero Wilfried Hannes setzte noch einen drauf: "Niemand hat in dieser Saison stärker auf dem Bökelberg gespielt."

Schaubs Sternstunde im ausverkauften Wald-Stadion

Das Rückspiel am 21. Mai 1980 verdiente mehr Beachtung, nun blieb kein Platz frei – 60.000 strömten ins Waldstadion. Die dritten Programme der ARD übertrugen live, damals keine Selbstverständlichkeit. Bei der Eintracht fehlten immer noch Kapitän Jürgen Grabowski und nun auch Harald Karger. Beide hatten sich gegen die Borussia verletzt, Grabowski bereits im März in der Liga nach einem Foul von Matthäus, Karger im Hinspiel (Kreuzbandriss). Das sorgte für zusätzliche Brisanz. Die Borussia hatte alle Mann an Bord, Heynckes verzichtete allerdings freiwillig auf Kalle Del’Haye. Kurz zuvor war sein Wechsel zu den Bayern bekannt geworden und mancher sah da einen Zusammenhang.

Die Eintracht machte erwartungsgemäß Druck, ein Tor wollte aber zunächst nicht fallen. Der Südkoreaner Bum-kun Cha, vom Boulevard in Tscha Bumm umgetauft, traf das Außennetz, der kommende Bundesliga-Rekordspieler Willi Neuberger vergab freistehend und schoss über den Kasten und Bernd Nickel packte bei jeder Gelegenheit seinen linken Hammer aus. Doch das Netz hinter Gästekeeper Wolfgang Kneib wollte sich einfach nicht beulen. Auf der Gegenseite verhinderte Jürgen Pahl ein weiteres Matthäus-Tor. Die Unruhe auf den Rängen wuchs, da wechselte Rausch den 19-jährigen Fred Schaub für Norbert Nachtweih ein. Damit hielt er sein Wort ("Mit Fred habe ich etwas Besonderes vor") und Schaub verdiente sich seinen Einsatz. Er stürmte unbekümmert drauflos, trickste drei Borussen aus und vollendete nach Doppelpass mit Hölzenbein aus zehn Metern mit links zum 1:0 (81.). Gerade vier Minuten hatte der später bei einem Autounfall verstorbene Schaub da erst gespielt.

5000 Liter "Ebbelwoi" und 10.000 Brezeln

Das einzige Tor des Abends war natürlich auch das Tor seines Lebens. Es begeisterte sogar den anwesenden Bundestrainer Jupp Derwall: "Eine tolle Sache für einen Jungen wie Fred Schaub, hier die Entscheidung geschafft zu haben." Denn mehr passierte nicht und der Schlusspfiff war die pure Erlösung für die Eintracht-Anhänger, denen Trainer Friedel Rausch "ein herrliches Endspiel" versprochen hatte. Das war es bei weitem nicht, da die Borussia entgegen ihrer Vereins-DNA den Vorsprung von Beginn an über die Zeit mauern wollte. Nun rächte sich ihre Passivität und die Rheinische Post stellte fest: "Borussias Angriff ohne Wirkung". Lothar Matthäus gab zu: "Der Sieg der Eintracht war verdient."

Die Freude der Hessen, für die es bis dato der einzige internationale Titel blieb, war dafür umso größer. Zumindest im Stadion. In Erinnerung blieb vor allem das Bild des auf den Schultern getragenen Jürgen Grabowski, der seine Karriere nun beenden musste. Er tat dies, wenn auch in Zivil, als UEFA-Cup-Sieger. Die interne Siegesfeier im Queens-Hotel verlief indes seltsam verhalten, auch weil es zwischen Rausch und dem Team schon länger nicht mehr stimmte, Rauschs Abgang war bereits beschlossen. Hölzenbein war zudem sauer auf ihn, weil er erfuhr, Rausch habe ihn eigentlich auswechseln wollen. "Da habe ich ihn angepöbelt", gab der Weltmeister Jahre später zu und Rausch verließ das Bankett. "Holz" nahm sogar in der Nacht den unbeachtet herumstehenden Pokal mit nach Hause und "in mein Bett", was keiner bemerkte und am nächsten Morgen eine größere Suchaktion auslöste. Schöner verliefen die Festivitäten danach. Mit 18.000 Fans feierten die Frankfurter zwei Tage später noch auf dem Römer, bei 5000 Litern "Ebbelwoi" und 10.000 Brezeln, gespendet vom damaligen Oberbürgermeister Walter Wallmann.

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Im Frühjahr 1980 kam es zu einem Novum im Europapokal, das dem deutschen Fußball Ehre einbrachte. Alle Halbfinalisten des UEFA-Pokals kamen aus der Bundesliga. Zwei von ihnen schafften es folglich ins Finale – Borussia Mönchengladbach und die Eintracht aus Frankfurt, die den Titel dank der Auswärtstorregelung heute vor 40 Jahren schließlich gewann. Das knappe Ergebnis entsprach der Ausgangslage. DFB.de blickt zurück.

Einen klaren Favoriten gab es nicht, wie die Aussage von Borussen-Trainer Jupp Heynckes verdeutlichte: "Gegen die Eintracht ist jedes Ergebnis möglich." Kollege Friedel Rausch war etwas forscher: "Ich bin Optimist, wir müssen den UEFA-Cup einfach holen. An etwas anderes will ich gar nicht denken." Die Borussia erhöhte vor dem Hinspiel am 7. Mai die Eintrittspreise deutlich und brachte sich damit um ein Stück des Heimvorteils. 15 statt neun Mark für den Steh-Platz, 60 statt 30 für den besten Tribünen-Platz – da blieb Luft auf den Rängen. Der Bökelberg war nicht ausverkauft, 25.000 kamen zu einem Finale, das keine Entscheidung bringen durfte.

Es fiel nicht einmal eine Vorentscheidung: Harald Karger und Bernd Hölzenbein hatten die Hessen zweimal in Führung gebracht, Gladbach aber gewann durch Treffer von Lothar Matthäus und Christian Kulik in der Schlussviertelstunde mit 3:2. Somit setzte sich die seltsame Eintracht-Serie fort: Sie war ohne einen Auswärtssieg ins Finale gekommen und hatte alle "Schäden" im Waldstadion repariert. Die Borussen wussten: Das 3:2 war ein gefährliches Ergebnis, wenn man noch nach Frankfurt musste. Der Eintracht reichte nach der Europacup-Arithmetik dann schon ein 1:0. Bernd Hölzenbein war siegessicher: "Wenn wir jetzt den Pott nicht holen sind wir selbst schuld." Schon am Bökelberg waren sie die bessere Mannschaft gewesen. Heynckes gestand: "Die Borussia hat wohl selten gegen eine spielerisch so starke Mannschaft gespielt." Libero Wilfried Hannes setzte noch einen drauf: "Niemand hat in dieser Saison stärker auf dem Bökelberg gespielt."

Schaubs Sternstunde im ausverkauften Wald-Stadion

Das Rückspiel am 21. Mai 1980 verdiente mehr Beachtung, nun blieb kein Platz frei – 60.000 strömten ins Waldstadion. Die dritten Programme der ARD übertrugen live, damals keine Selbstverständlichkeit. Bei der Eintracht fehlten immer noch Kapitän Jürgen Grabowski und nun auch Harald Karger. Beide hatten sich gegen die Borussia verletzt, Grabowski bereits im März in der Liga nach einem Foul von Matthäus, Karger im Hinspiel (Kreuzbandriss). Das sorgte für zusätzliche Brisanz. Die Borussia hatte alle Mann an Bord, Heynckes verzichtete allerdings freiwillig auf Kalle Del’Haye. Kurz zuvor war sein Wechsel zu den Bayern bekannt geworden und mancher sah da einen Zusammenhang.

Die Eintracht machte erwartungsgemäß Druck, ein Tor wollte aber zunächst nicht fallen. Der Südkoreaner Bum-kun Cha, vom Boulevard in Tscha Bumm umgetauft, traf das Außennetz, der kommende Bundesliga-Rekordspieler Willi Neuberger vergab freistehend und schoss über den Kasten und Bernd Nickel packte bei jeder Gelegenheit seinen linken Hammer aus. Doch das Netz hinter Gästekeeper Wolfgang Kneib wollte sich einfach nicht beulen. Auf der Gegenseite verhinderte Jürgen Pahl ein weiteres Matthäus-Tor. Die Unruhe auf den Rängen wuchs, da wechselte Rausch den 19-jährigen Fred Schaub für Norbert Nachtweih ein. Damit hielt er sein Wort ("Mit Fred habe ich etwas Besonderes vor") und Schaub verdiente sich seinen Einsatz. Er stürmte unbekümmert drauflos, trickste drei Borussen aus und vollendete nach Doppelpass mit Hölzenbein aus zehn Metern mit links zum 1:0 (81.). Gerade vier Minuten hatte der später bei einem Autounfall verstorbene Schaub da erst gespielt.

5000 Liter "Ebbelwoi" und 10.000 Brezeln

Das einzige Tor des Abends war natürlich auch das Tor seines Lebens. Es begeisterte sogar den anwesenden Bundestrainer Jupp Derwall: "Eine tolle Sache für einen Jungen wie Fred Schaub, hier die Entscheidung geschafft zu haben." Denn mehr passierte nicht und der Schlusspfiff war die pure Erlösung für die Eintracht-Anhänger, denen Trainer Friedel Rausch "ein herrliches Endspiel" versprochen hatte. Das war es bei weitem nicht, da die Borussia entgegen ihrer Vereins-DNA den Vorsprung von Beginn an über die Zeit mauern wollte. Nun rächte sich ihre Passivität und die Rheinische Post stellte fest: "Borussias Angriff ohne Wirkung". Lothar Matthäus gab zu: "Der Sieg der Eintracht war verdient."

Die Freude der Hessen, für die es bis dato der einzige internationale Titel blieb, war dafür umso größer. Zumindest im Stadion. In Erinnerung blieb vor allem das Bild des auf den Schultern getragenen Jürgen Grabowski, der seine Karriere nun beenden musste. Er tat dies, wenn auch in Zivil, als UEFA-Cup-Sieger. Die interne Siegesfeier im Queens-Hotel verlief indes seltsam verhalten, auch weil es zwischen Rausch und dem Team schon länger nicht mehr stimmte, Rauschs Abgang war bereits beschlossen. Hölzenbein war zudem sauer auf ihn, weil er erfuhr, Rausch habe ihn eigentlich auswechseln wollen. "Da habe ich ihn angepöbelt", gab der Weltmeister Jahre später zu und Rausch verließ das Bankett. "Holz" nahm sogar in der Nacht den unbeachtet herumstehenden Pokal mit nach Hause und "in mein Bett", was keiner bemerkte und am nächsten Morgen eine größere Suchaktion auslöste. Schöner verliefen die Festivitäten danach. Mit 18.000 Fans feierten die Frankfurter zwei Tage später noch auf dem Römer, bei 5000 Litern "Ebbelwoi" und 10.000 Brezeln, gespendet vom damaligen Oberbürgermeister Walter Wallmann.

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