Daniel Ischdonat: "Jeder Ballgewinn wurde gefeiert"

Die Geschichte vom Pokal und den eigenen Gesetzen, die dieser habe, ist schon so oft erzählt worden, dass man sie bald nicht mehr hören mag. Und doch stimmt sie. Dazu muss man nur Torwart Daniel Ischdonat fragen. Er war 21, als er mit Eintracht Trier, damals Regional-, also Drittligist, in der Saison 1997/1998 den DFB-Pokal aufmischte.

Der UEFA-Pokal-Sieger Schalke kam nach Trier und holte sich ein 0:1 ab. Im Achtelfinale reiste Borussia Dortmund, damals Champions-League-Sieger, an und mit einem 1:2 wieder ab. Erst im Halbfinale endete der Siegeszug. In Duisburg. Im Elfmeterschießen. Beide Keeper hatten je einen Elfer pariert, alle hatten schon geschossen, 21 Schützen. Nur Ischdonat fehlte noch. Und der verschoss.

Mehr als 13 Jahre ist das her. Aus dem Youngster von einst ist ein gestandener Profitorwart geworden. Mit 35 Jahren ist er im Herbst seiner Karriere, und inzwischen spielt Ischdonat, der in der Jugend von Bayer Leverkusen ausgebildet worden war, beim SV Sandhausen, 3. Liga. Am Samstag (19.30 Uhr, live bei Sky) kommt Borussia Dortmund, der Deutsche Meister. Ischdonat kennt das Gefühl, einen Großen zu schlagen, aber er weiß auch: "Wenn alles normal läuft, gewinnt der BVB." DFB.de-Redakteur Gereon Tönnihsen hat sich mit dem SVS-Keeper unterhalten.

DFB.de: Herr Ischdonat, Sie sind doch ein Experte: Wie kann ein kleiner Verein einen großen im Pokal schlagen?

Daniel Ischdonat: Alles muss passen. Sonst hat man keine Chance. Die Chance ist ja ohnehin schon relativ gering. Dass es möglich ist, haben wir damals in Trier erlebt. Da hat einfach alles gepasst.

DFB.de: Heißt „passen“ auch, dass der kleinere Vereine vom größeren unterschätzt wird?

Ischdonat: Ja, das kann schon sein. Die kleine Mannschaft muss einfach einen perfekten Tag haben. Alles muss stimmen. Ich glaube aber nicht, dass Borussia Dortmund das Spiel gegen uns auf die leichte Schulter nehmen wird. Der BVB ist völlig verdient Deutscher Meister geworden, und Sandhausen ist in der vergangenen Saison fast aus der 3. Liga abgestiegen. Deshalb sollten wir die Kirche im Dorf lassen und uns einfach auf das Spiel freuen.

DFB.de: Wie haben Sie die Auslosung der ersten Pokalrunde verfolgt?



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Die Geschichte vom Pokal und den eigenen Gesetzen, die dieser habe, ist schon so oft erzählt worden, dass man sie bald nicht mehr hören mag. Und doch stimmt sie. Dazu muss man nur Torwart Daniel Ischdonat fragen. Er war 21, als er mit Eintracht Trier, damals Regional-, also Drittligist, in der Saison 1997/1998 den DFB-Pokal aufmischte.

Der UEFA-Pokal-Sieger Schalke kam nach Trier und holte sich ein 0:1 ab. Im Achtelfinale reiste Borussia Dortmund, damals Champions-League-Sieger, an und mit einem 1:2 wieder ab. Erst im Halbfinale endete der Siegeszug. In Duisburg. Im Elfmeterschießen. Beide Keeper hatten je einen Elfer pariert, alle hatten schon geschossen, 21 Schützen. Nur Ischdonat fehlte noch. Und der verschoss.

Mehr als 13 Jahre ist das her. Aus dem Youngster von einst ist ein gestandener Profitorwart geworden. Mit 35 Jahren ist er im Herbst seiner Karriere, und inzwischen spielt Ischdonat, der in der Jugend von Bayer Leverkusen ausgebildet worden war, beim SV Sandhausen, 3. Liga. Am Samstag (19.30 Uhr, live bei Sky) kommt Borussia Dortmund, der Deutsche Meister. Ischdonat kennt das Gefühl, einen Großen zu schlagen, aber er weiß auch: "Wenn alles normal läuft, gewinnt der BVB." DFB.de-Redakteur Gereon Tönnihsen hat sich mit dem SVS-Keeper unterhalten.

DFB.de: Herr Ischdonat, Sie sind doch ein Experte: Wie kann ein kleiner Verein einen großen im Pokal schlagen?

Daniel Ischdonat: Alles muss passen. Sonst hat man keine Chance. Die Chance ist ja ohnehin schon relativ gering. Dass es möglich ist, haben wir damals in Trier erlebt. Da hat einfach alles gepasst.

DFB.de: Heißt „passen“ auch, dass der kleinere Vereine vom größeren unterschätzt wird?

Ischdonat: Ja, das kann schon sein. Die kleine Mannschaft muss einfach einen perfekten Tag haben. Alles muss stimmen. Ich glaube aber nicht, dass Borussia Dortmund das Spiel gegen uns auf die leichte Schulter nehmen wird. Der BVB ist völlig verdient Deutscher Meister geworden, und Sandhausen ist in der vergangenen Saison fast aus der 3. Liga abgestiegen. Deshalb sollten wir die Kirche im Dorf lassen und uns einfach auf das Spiel freuen.

DFB.de: Wie haben Sie die Auslosung der ersten Pokalrunde verfolgt?

Ischdonat: Leider gar nicht. Ich war unterwegs und konnte die Auslosung nicht mitverfolgen, habe aber eine SMS von einem Bekannten bekommen, in der stand: „Super Los, BVB.“

DFB.de: Was ging Ihnen in diesem Moment durch den Kopf?

Ischdonat: Zuerst habe ich gedacht: Super Sache, aber schade, dass mein Freund Markus Feulner nicht mehr in Dortmund spielt. Aber natürlich ist das auch ein gutes Los für die Zuschauer, uns Spieler und den ganzen Verein. Wann spielt man schon als Drittligist gegen den Deutschen Meister?

DFB.de: Sind bei Ihnen dann auch die Erinnerungen an das Spiel hochgekommen, als Sie mit Trier 1997 den amtierenden Champions-League-Sieger Borussia Dortmund im DFB-Pokalachtelfinale geschlagen hatten?

Ischdonat: Ja, ich habe mir gedacht, dass sich doch manches wiederholt im Leben. Aber in Euphorie ausgebrochen bin ich deswegen nicht.

DFB.de: In der Runde zuvor hatten Sie bereits mit Schalke den UEFA-Cup-Sieger aus dem Pokal geworfen. Haben Sie damals an einen Sieg überhaupt geglaubt?

Ischdonat: Wir hatten in der ersten Runde den Zweitligisten Unterhaching geschlagen, der zu dieser Zeit um den Aufstieg mitspielte. Das war auch schon eine Überraschung. Dann kam in der zweiten Runde Schalke, und die Euphorie war riesig. Wir hatten eine Mannschaft mit großem Kampfgeist, und irgendwie haben wir das Spiel dann mit 1:0 über die Bühne gebracht.

DFB.de: Und das nicht einmal unverdient.

Ischdonat: Nein, weil an diesem Tag einfach alles gestimmt hat. Das hat schon damit angefangen, dass die Gästekabine in keinem besonders guten Zustand war. Dann hat uns Schalke vielleicht etwas unterschätzt, und jeder von uns war gut drauf. Nur so haben wir es geschafft.

DFB.de: Was haben denn die äußeren Umstände wie der Zustand der Kabine damit zu tun?

Ischdonat: Es ist auf jeden Fall etwas anderes, die großen Vereine sind einfach höhere Standards gewöhnt, mit einem guten Umfeld und großen Stadien. Da kann so etwas auch schon eine Rolle spielen. Vielleicht denkt man dann als großer Verein eher: Diese Amateure hauen wir weg.

DFB.de: Wie war das denn 1997, als Schalke kam. Haben Sie intern überhaupt von einem Sieg gesprochen?

Ischdonat: Zumindest haben wir eine Siegprämie ausgehandelt. Wie viel das war, weiß ich aber nicht mehr. Soweit ich mich noch erinnern kann, hat unser Trainer Karl-Heinz Emig uns für das Spiel viel Glück gewünscht und gesagt, dass wir solch ein Spiel genießen sollen. Er selbst hatte ja auch schon einmal im DFB-Pokalfinale gestanden und so die richtigen Worte gefunden.

DFB.de: Wie war die Stimmung nach dem Sieg?

Ischdonat: Danach war „Feuer frei“. Keiner hatte mit einem Sieg gerechnet, von daher war die Euphorie richtig groß.

DFB.de: Und Trier hatte seinen eigenen Pokalhelden.

Ischdonat: Ja, Rudi Thömmes, der das entscheidende Tor geschossen hat. So wurden damals Helden geboren.

DFB.de: Dann kam Dortmund, der Champions-League-Sieger. Wie war die Stimmung: optimistisch oder sogar euphorisch?

Ischdonat: Wir haben uns einfach wieder gefreut, noch einmal ein so großes Los gezogen zu haben, weil wir auch wussten, dass das Stadion wieder voll sein würde. Jeder rechnet mit einem klaren Sieg der höherklassigen Mannschaft. Von daher hat man nicht so einen Druck wie in der Liga. Das kann es leichter machen.

DFB.de: War der Sieg gegen Dortmund auch verdient?

Ischdonat: Wir haben das gemacht, was wir konnten. Nicht mehr und nicht weniger. Wir haben gekämpft, sind gerannt. Alle wussten ja, dass wir spielerisch nicht würden mithalten können. Und am Ende stand es 2:1 für uns. Das war schon grandios.

DFB.de: Noch grandioser war eigentlich das Halbfinale gegen Duisburg, als Trier mit 10:11 im Elfmeterschießen ausgeschieden ist. War der Druck dann noch einmal größer, so kurz vor dem Finale?

Ischdonat: Es ist auf jeden Fall so, dass wir als einziger verbliebener Regionalligist im Halbfinale standen, und vorher Schalke und Dortmund geschlagen hatten. Natürlich war das eine besondere Situation und ein besonderes Spiel. Auf einmal hatten auch wir etwas zu verlieren.

DFB.de: Waren Sie damals nervös?

Ischdonat: Klar, ich war 21 Jahre alt. Das war schon etwas Besonderes, gar keine Frage.

DFB.de: Dann waren Sie sogar noch der letzte Elfmeterschütze und haben beim Stand von 10:11 für Duisburg nicht getroffen. Wie sah es danach in Ihnen aus?

Ischdonat: Das war schon bitter. Vor allem, weil ich am vorletzten Schuss von Thomas Gill (Duisburgs Torwart, d. Red.) auch noch dran war, der Ball aber an den Innenpfosten und dann ins Tor ging. Und danach musste ich direkt schießen, das war schon eine Extremsituation.

DFB.de: Denkt man in solchen Momenten nach?

Ischdonat: Ich habe es leider gemacht, ja. (lacht) Eigentlich hatte ich mich schon auf den Schuss konzentriert, dann aber zwei Gedanken gleichzeitig bekommen und mich kurzfristig anders entschieden, in die andere Ecke geschossen. Dann kam eben so ein Ding dabei raus. Der Ball ging am Tor vorbei. Wir waren raus.

DFB.de: Haben Sie trotz der Niederlage realisiert, was Sie Außergewöhnliches geleistet haben?

Ischdonat: Ja, das hat uns auch das ganze Umfeld zu verstehen gegeben. Das war die beste Öffentlichkeitsarbeit für die Stadt, einfach unbezahlbar, auch für den Fußball in Trier. Da war keiner böse auf den anderen.

DFB.de: Zwei Jahre später haben Sie, wieder im Pokal, gegen den Karlsruher FC vier Elfmeter gehalten. War das Ihr größtes Spiel?

Ischdonat: Das wäre übertrieben, aber es war schon außergewöhnlich und für mich auch eine Genugtuung. Und auch wieder eine Geschichte, die ich mit Trier geschrieben habe. Die Zeit dort war schon sehr intensiv.

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DFB.de: Was hat Trier damals zu einer so starken Pokalmannschaft gemacht?

Ischdonat: Wir hatten einfach eine gute Mannschaft, die Charaktere stimmten und wir haben gekämpft. Das war das einzige, was wir tun konnten gegen solch übermächtige Gegner. Jeden Ball, den wir ins Aus geschossen haben, wurde von uns und den Zuschauern gefeiert wie ein kleiner Erfolg. Jeder Ball, den wir gewonnen haben, war ein Punktgewinn. So haben wir uns gegenseitig heiß gemacht, und irgendwann ist dann das Tor für uns gefallen. So war es gegen Schalke und auch gegen Dortmund.

DFB.de: Welche Rolle spielen bei so einem Duell die Zuschauer?

Ischdonat: Eine große. Damals wurden extra zwei große Zusatztribünen aufgebaut, auf die 4000 Zuschauer zusätzlich passten, insgesamt waren es dann 18.000 Zuschauer. Und in den letzten Reihen haben die Fans zu dritt oder viert hintereinander gestanden, weil keine Plätze mehr frei waren. Natürlich haben sie uns alle gepusht und uns bei jedem Einwurf gefeiert. Und wenn die Beine schwer werden und jeder an seine Grenzen geht, kann das Publikum schon helfen, den einen oder anderen Zweikampf zu gewinnen.

DFB.de: Wie groß sind denn die Erwartungen in Sandhausen vor dem Spiel gegen Dortmund?

Ischdonat: Wir wissen, wer da auf uns wartet. Und dass, wenn alles normal läuft, Dortmund gewinnen wird. Das ist Fakt. Wir wollen uns so gut wie möglich verkaufen, alles geben. Dann schauen wir mal, was am Ende dabei herauskommt.

DFB.de: War es für die Vorbereitung besser, dass vor dem Pokal ein Ligaspiel anstand, damit sich nicht alles nur auf diese Begegnung fokussiert?

Ischdonat: Für uns ist die Liga viel wichtiger als alles andere, auch wenn der Pokal und dieses Spiel ein schöner Nebeneffekt für uns sind. Aber man kann einfach nicht davon ausgehen, dass wir eine Runde weiterkommen, das darf man auch nicht. Was nicht heißt, dass wir uns kampflos geschlagen geben werden, das sicher nicht.

DFB.de: Auch wenn es keiner ausspricht: Hat man trotzdem immer im Hinterkopf, dass der Mannschaft eine Überraschung gelingen könnte?

Ischdonat: Ich denke, dass es für jeden Spieler und gerade auch für die jüngeren etwas ganz Besonderes ist, gegen Dortmund, den aktuellen Meister, zu spielen. Sie haben eine sehr gute Mannschaft, das ist auch für uns sehr motivierend. Aber klar hat man solche Gedanken im Hinterkopf, doch wie gesagt: Es muss an diesem Tag einfach alles passen. Ich weiß, dass es geht, aber ich weiß auch, dass Dortmund uns das Leben sehr schwer machen wird.

DFB.de: Dortmund ist in der Vorsaison gegen Kickers Offenbach, einen Drittligisten, ausgeschieden.

Ischdonat: Das stimmt. Aber das heißt ja nicht wirklich viel, außerdem ist die Mannschaft jetzt ja auch schon wieder ein Jahr weiter. Und ich weiß, wie heiß der Jürgen Klopp ist. Ich hatte ihn als Trainer in Mainz. Im Sommer habe ich ihn kurz gesprochen und zu ihm gesagt, dass Sandhausen gegen seine Truppe nichts zu verlieren hat. Da hat er nur geantwortet: „Ach, Daniel, hör' auf, geht das jetzt schon los.“ Er war also noch ganz entspannt. Das ist er am Spieltag eher nicht.

DFB.de: Wenn Sie die damalige Trierer Mannschaft mit der jetzigen aus Sandhausen vergleichen, gibt es da irgendwelche Parallelen?

Ischdonat: Der Torwart ist derselbe, nur 14 Jahre älter. (lacht) Aber im Ernst: Solche Vergleiche sind schwierig. Damals hatten wir viele Spieler, die über den Kampf gekommen sind, heute haben wir viele richtig gute, spielstarke Fußballer. Der Sport hat sich verändert, es kommt viel mehr auf Technik und Taktik an, was man gut am Spiel der Dortmunder oder Mainzer Spiel erkennen kann. Denen zuzuschauen, macht richtig Spaß.

DFB.de: Wer könnte denn bei Sandhausen der Rudi Thömmes werden?

Ischdonat: Da kommen einige bei uns in Frage, aber genau sagen kann ich das nicht. Vielleicht wird das Spiel auch durch einen Standard oder eine tolle Einzelaktion entschieden. Dann kann wieder einer zum Helden werden.

DFB.de: Würden Sie im Falle des Falles wieder einen Elfmeter schießen?

Ischdonat: Ja, schon. Manchmal muss man das, und dieses Mal habe ich einen Plan, den ich aber nicht verraten werde. Ich werde mich auch ganz sicher nicht noch mal umentscheiden. Das wird dann so gemacht und gut.