Conens Rekord im allerersten WM-Spiel

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

Spiel Nummer 1: WM 1934

27. Mai in Florenz - Achtelfinale: Deutschland - Belgien 5:2

Vor dem Spiel

Ein 9:1 in der Qualifikation gegen Luxemburg genügte der DFB-Auswahl, um nach Italien zu fahren. Die Mannschaft des deutschen Trainers Otto Nerz hatte mit einer Serie von sieben Spielen ohne Niederlage Erwartungen geweckt. Im Oktober 1933 hatte man auch die Belgier in Duisburg geschlagen – mit 8:1.

In der Vorbereitung ließ Nerz ein neues System einüben (3-2-2-3), wozu er auch neue, lernbereite junge Leute brauchte. So fuhr Deutschland mit seinem bis heute jüngsten Kader bei einem Turnier nach Italien (Durchschnittsalter: 24,07 Jahre). Nerz nahm nur 18 Spieler mit, vier blieben auf Abruf zuhause. Zur Premiere standen mit Schwartz und Zielinski gleich zwei Länderspieldebütanten auf dem Platz. Die Fachpresse hatte nur Zielinski auf der Rechnung, wenn ihn die Fußball Woche auch mit C schrieb. Der Hamborner, der sich im Mai in einem Testspiel gegen die Nationalmannschaft überraschend für diese qualifizierte, war noch reichlich unbekannt.

Das Spiel

Deutschland spielt vor der Pause gegen den Wind und die blendende Sonne. Die erste Chance der deutschen WM-Historie hat Ernst Lehner, der einen von ihm selbst herausgeholten Freistoß aufs Tor drischt, Belgiens Keeper Vandewyer pariert mit einer Faust (2.). Das spärlich erschienene Publikum feuert die Belgier an, abgesehen von einer kleinen deutschen Anhängerschaft.

Es kommt schon in den ersten zehn Minuten zu Chancen auf beiden Seiten, Paul Janes holt die erste WM-Ecke heraus. Vieles bleibt Stückwerk. Der kicker mäkelt: "In unserer Mannschaft läuft es nicht, es klappt nicht, nicht nur der Sturm, die ganze Mannschaft ist ohne Zusammenhang." In Führung geht sie dennoch. Über Lehner, Conen und Siffling kommt der Ball zu Kobierski und der Düsseldorfer schießt "kurz entschlossen aus schlechtestem Winkel am überraschten Torhüter vorbei ein: 1:0 für Deutschland". Man schreibt die 27. Minute.

Die Belgier zeigen sich ungerührt, schon gelingt Vorhoof mit deutscher Mithilfe der Ausgleich (32.), als die Abwehr den Ball nicht aus der Gefahrenzone bekommt. Sekunden vor der Pause der nächste Schock: Nach Linksflanke trifft wieder Vorhoof, nun per Kopf. In der Halbzeit bitten die Spieler Nerz, das System zu ändern. "Herr Professor, es läuft nicht. Können wir nicht auf eigene Faust spielen?", will Conen zu Nerz gesagt haben, wie er dem kicker noch 1990 erzählt. Nerz: "Mach was Du willst, aber wir müssen das Spiel gewinnen." Und das tun sie.

Schon in der 48. Minute glückt Otto Siffling der Ausgleich - nach Lehners Flanke. Die Belgier lassen nun Kräfte, wollen sich in die Verlängerung retten. Doch einer, der nun auf eigene Faust spielt, hat etwas dagegen: Edmund Conen. Der 19 Jahre alte Mittelstürmer des FV Saarbrücken schreibt gleich beim Debüt WM-Geschichte: Ihm glückt der erste Hattrick, und bis heute ist er der jüngste deutsche Spieler, dem das Kunststück bei einer WM je gelang - international nur unterboten vom 17-jährigen Brasilianer Pele bei der WM 1958.

Das 3:2 ist ein leichtes Tor, Kobierskis Schuss ist schon fast drin, der Torwart haut den Ball noch einmal aus dem Kasten, doch Conen staubt ab. Dann muss Kreß wieder retten, hechtet nach einem gefährlichen Freistoß, ehe Conen das Spiel entscheidet: wieder wird der Torwart mit einem Schuss aus unmöglichem Winkel düpiert (69.) – 4:2. In der 85. Minute lässt er per Drehschuss das 5:2 folgen, das dem kicker-Reporter eine Eloge wert ist: "Das kann kein Fußballspieler der Welt besser machen, das kann nur ein seltenes Talent wiederholen! Der belgische Torhüter und die Verteidiger wussten gar nicht, daß Conen geschossen hatte. Man sah den Ball nicht, man sah auch nicht, dass Conen geschossen hatte."

Die Heimat sah es auch nicht und auch sonst nichts vom ersten deutschen WM-Spiel. Sie erfuhr an diesem Mai-Sonntag zuerst über das Radio vom Erfolg, der Deutschlandsender berichtete gleich nach Spielschluss – von 18.20 bis 18.55 Uhr – in einer Zusammenfassung.

Aufstellung

Kreß – Haringer, Schwartz – Janes, Szepan, Zielinski – Hohmann, Siffling – Lehner, Conen, Kobierski.

Tore: 1:0 Kobierski (25.), 1:1, 1:2 Voorhoof (32., 43.), 2:2 Siffling (49.), 3:2, 4:2, 5:2 Conen (66., 70., 87.).

Zuschauer: 8000

Stimmen zum Spiel

"Im Ganzen war Deutschlands Mannschaft nicht auf der erwarteten Höhe. Es ist sicherlich nicht einfach, sofort die richtige Einstellung zu einem Spiel zu finden, das zum Weltmeisterschaftsturnier zählt." (Fußball Woche)

"Es gibt in der Geschichte der Länderspiele des Deutschen Fußball-Bundes kaum eines, das auch nur annähernd so aufregend, voller Spannung war wie dieses. Es war ein Drama von seltener und unerhörter Wucht, das alle aufrüttelte bis ins tiefste Mark und das die Herzen und Pulse immer schneller schlagen ließ." (kicker)

"Wie zu erwarten, hatten die Deutschen nicht die geringsten Schwierigkeiten – von wenigen Ausnahmen in der ersten Halbzeit abgesehen – sich in allen Punkten den 'Roten Teufeln' gegenüber durchzusetzen." (Les Sports/Brüssel)

"Unser neues System funktionierte noch nicht. Doch wir haben über den Kampf doch noch zum guten Spiel gefunden. Bei uns ging es bis zum Schluss nach dem Motto: Einer für alle, alle für einen." (Paul Janes, 1978)

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Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

Spiel Nummer 1: WM 1934

27. Mai in Florenz - Achtelfinale: Deutschland - Belgien 5:2

Vor dem Spiel

Ein 9:1 in der Qualifikation gegen Luxemburg genügte der DFB-Auswahl, um nach Italien zu fahren. Die Mannschaft des deutschen Trainers Otto Nerz hatte mit einer Serie von sieben Spielen ohne Niederlage Erwartungen geweckt. Im Oktober 1933 hatte man auch die Belgier in Duisburg geschlagen – mit 8:1.

In der Vorbereitung ließ Nerz ein neues System einüben (3-2-2-3), wozu er auch neue, lernbereite junge Leute brauchte. So fuhr Deutschland mit seinem bis heute jüngsten Kader bei einem Turnier nach Italien (Durchschnittsalter: 24,07 Jahre). Nerz nahm nur 18 Spieler mit, vier blieben auf Abruf zuhause. Zur Premiere standen mit Schwartz und Zielinski gleich zwei Länderspieldebütanten auf dem Platz. Die Fachpresse hatte nur Zielinski auf der Rechnung, wenn ihn die Fußball Woche auch mit C schrieb. Der Hamborner, der sich im Mai in einem Testspiel gegen die Nationalmannschaft überraschend für diese qualifizierte, war noch reichlich unbekannt.

Das Spiel

Deutschland spielt vor der Pause gegen den Wind und die blendende Sonne. Die erste Chance der deutschen WM-Historie hat Ernst Lehner, der einen von ihm selbst herausgeholten Freistoß aufs Tor drischt, Belgiens Keeper Vandewyer pariert mit einer Faust (2.). Das spärlich erschienene Publikum feuert die Belgier an, abgesehen von einer kleinen deutschen Anhängerschaft.

Es kommt schon in den ersten zehn Minuten zu Chancen auf beiden Seiten, Paul Janes holt die erste WM-Ecke heraus. Vieles bleibt Stückwerk. Der kicker mäkelt: "In unserer Mannschaft läuft es nicht, es klappt nicht, nicht nur der Sturm, die ganze Mannschaft ist ohne Zusammenhang." In Führung geht sie dennoch. Über Lehner, Conen und Siffling kommt der Ball zu Kobierski und der Düsseldorfer schießt "kurz entschlossen aus schlechtestem Winkel am überraschten Torhüter vorbei ein: 1:0 für Deutschland". Man schreibt die 27. Minute.

Die Belgier zeigen sich ungerührt, schon gelingt Vorhoof mit deutscher Mithilfe der Ausgleich (32.), als die Abwehr den Ball nicht aus der Gefahrenzone bekommt. Sekunden vor der Pause der nächste Schock: Nach Linksflanke trifft wieder Vorhoof, nun per Kopf. In der Halbzeit bitten die Spieler Nerz, das System zu ändern. "Herr Professor, es läuft nicht. Können wir nicht auf eigene Faust spielen?", will Conen zu Nerz gesagt haben, wie er dem kicker noch 1990 erzählt. Nerz: "Mach was Du willst, aber wir müssen das Spiel gewinnen." Und das tun sie.

Schon in der 48. Minute glückt Otto Siffling der Ausgleich - nach Lehners Flanke. Die Belgier lassen nun Kräfte, wollen sich in die Verlängerung retten. Doch einer, der nun auf eigene Faust spielt, hat etwas dagegen: Edmund Conen. Der 19 Jahre alte Mittelstürmer des FV Saarbrücken schreibt gleich beim Debüt WM-Geschichte: Ihm glückt der erste Hattrick, und bis heute ist er der jüngste deutsche Spieler, dem das Kunststück bei einer WM je gelang - international nur unterboten vom 17-jährigen Brasilianer Pele bei der WM 1958.

Das 3:2 ist ein leichtes Tor, Kobierskis Schuss ist schon fast drin, der Torwart haut den Ball noch einmal aus dem Kasten, doch Conen staubt ab. Dann muss Kreß wieder retten, hechtet nach einem gefährlichen Freistoß, ehe Conen das Spiel entscheidet: wieder wird der Torwart mit einem Schuss aus unmöglichem Winkel düpiert (69.) – 4:2. In der 85. Minute lässt er per Drehschuss das 5:2 folgen, das dem kicker-Reporter eine Eloge wert ist: "Das kann kein Fußballspieler der Welt besser machen, das kann nur ein seltenes Talent wiederholen! Der belgische Torhüter und die Verteidiger wussten gar nicht, daß Conen geschossen hatte. Man sah den Ball nicht, man sah auch nicht, dass Conen geschossen hatte."

Die Heimat sah es auch nicht und auch sonst nichts vom ersten deutschen WM-Spiel. Sie erfuhr an diesem Mai-Sonntag zuerst über das Radio vom Erfolg, der Deutschlandsender berichtete gleich nach Spielschluss – von 18.20 bis 18.55 Uhr – in einer Zusammenfassung.

Aufstellung

Kreß – Haringer, Schwartz – Janes, Szepan, Zielinski – Hohmann, Siffling – Lehner, Conen, Kobierski.

Tore: 1:0 Kobierski (25.), 1:1, 1:2 Voorhoof (32., 43.), 2:2 Siffling (49.), 3:2, 4:2, 5:2 Conen (66., 70., 87.).

Zuschauer: 8000

Stimmen zum Spiel

"Im Ganzen war Deutschlands Mannschaft nicht auf der erwarteten Höhe. Es ist sicherlich nicht einfach, sofort die richtige Einstellung zu einem Spiel zu finden, das zum Weltmeisterschaftsturnier zählt." (Fußball Woche)

"Es gibt in der Geschichte der Länderspiele des Deutschen Fußball-Bundes kaum eines, das auch nur annähernd so aufregend, voller Spannung war wie dieses. Es war ein Drama von seltener und unerhörter Wucht, das alle aufrüttelte bis ins tiefste Mark und das die Herzen und Pulse immer schneller schlagen ließ." (kicker)

"Wie zu erwarten, hatten die Deutschen nicht die geringsten Schwierigkeiten – von wenigen Ausnahmen in der ersten Halbzeit abgesehen – sich in allen Punkten den 'Roten Teufeln' gegenüber durchzusetzen." (Les Sports/Brüssel)

"Unser neues System funktionierte noch nicht. Doch wir haben über den Kampf doch noch zum guten Spiel gefunden. Bei uns ging es bis zum Schluss nach dem Motto: Einer für alle, alle für einen." (Paul Janes, 1978)

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