"Coaching U" mit Schönweitz: "Perspektivwechsel ermöglichen"

Sieben männliche deutsche U-Nationalmannschaften sind für den Deutscher Fußball-Bund (DFB) am Start, von der U 15 bis zur U 21. Sobald sie an einer WM oder EM teilnehmen, rücken sie in den Fokus. Aber was passiert in der Zwischenzeit? Welche Aufgaben übernehmen die U-Trainer neben den Lehrgängen mit den Mannschaften? Und wie entwickeln sie den deutschen Nachwuchsfußball dabei weiter? Die Antwort gibt "Coaching U" - ein monatlicher Blog, von Trainern für Fans. Heute mit Meikel Schönweitz, Cheftrainer U-Nationalmannschaften.

Fußball bewegt und berührt die Menschen in Deutschland. Und wenn es mal ein strittiges Thema gibt, auch im Nachwuchsbereich, zum Beispiel zu wenig Einsatzzeiten deutscher Talente in der Bundesliga oder aktuell die geringe Anzahl an Spielen in den Junioren-Bundesligen, dann heißt es oft recht pauschal: "Das muss doch der DFB regeln." Oder: "Wieso greift der DFB da nicht ein?" Was dabei gerne vergessen wird, ist die Frage: "Wer ist eigentlich der DFB?"

Entscheidungswege im deutschen Nachwuchsfußball

Der DFB ist ein Zusammenschluss aus fünf Regionalverbänden, die wiederum regionale Zusammenschlüsse der 21 Landesverbände sind. Diese vertreten die rund 25.000 Amateurvereine in Deutschland. Gewählte Vertreter*innen dieser Verbände bilden das Präsidium und den Vorstand des DFB, also die höchsten Entscheidungsgremien. Ebenfalls Mitglied in diesen beiden Gremien sind die gewählten Vertreter der DFL (Deutsche Fußball Liga), die wiederum die 36 Profiklubs der beiden höchsten Ligen in Deutschland repräsentiert. "Der DFB" ist also keine eigenständige Institution, sondern ein Zusammenschluss aus vielen Verbänden, inklusive der hauptamtlichen Mitarbeiter*innen - letztlich sind wir also alle der DFB.

Ähnlich ist es auch in der Jugend. Hier ist der DFB-Jugendausschuss das höchste Gremium, das über alle Belange entscheidet, von den Wettbewerben bis hin zum Regelwerk im Jugendbereich. Der Jugendausschuss setzt sich ebenfalls zusammen aus Vertretern der Regional- und Landesverbände, sowie zwei Vertretern der DFL. Mit Markus Dormann und Markus Hirte gibt es lediglich zwei hauptamtliche DFB-Mitarbeiter in diesem 13-köpfigen Gremium.

Entscheidungen trifft also nicht "der DFB" sondern immer ein Zusammenschluss von Vertreter*innen vieler verschiedener Verbände und Vereine.

Was ist das Beste für die Entwicklung des Spielers?

In der Talentförderung sind die Strukturen vergleichbar. In der Theorie ist dieses System mit all seinen verschiedenen Förderstrukturen nah an der Perfektion: Es gibt Nationalmannschaften, in denen die besten Spieler des Landes gefördert werden. Es gibt 21 Landesauswahlen, in denen die besten Spieler der einzelnen Fußball-Verbände gefördert werden. Es gibt flächendeckend mehr als 300 Stützpunkte, in denen regionale Talente auf Kreis- und Bezirksebene wöchentlich gefördert werden. Dazu gibt es knapp 60 professionelle Leistungszentren und 38 Eliteschulen des Fußballs. Unsere 25.000 Amateurvereine, die vom Breiten- bis zum Spitzensport alles abdecken, sind die Basis, auf der dieses perfekte System steht. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass dieses System aufgrund seiner Komplexität auch Schwächen hat. 

Nehmen wir ein konkretes Beispiel. Wenn es um Entscheidungen in der Talentförderung geht, müsste die Kernfrage immer lauten: Was ist das Beste für die Entwicklung des Spielers? Je nach Institution fällt die Antwort derzeit aber sehr unterschiedlich aus, da die Perspektive aus Sicht des Vereins, des Landesverbandes, des Nationalverbandes, der Eltern, des Beraters oder der Schule stark voneinander abweichen. Auch innerhalb dieser Institutionen kann es zu Unterschieden kommen, je nachdem ob im Verein der Trainer oder der Manager gefragt wird, die Profis oder die Jugendabteilung angesprochen werden oder ob im Verband die Eliteförderung oder die Interessen der Amateurvereine im Mittelpunkt stehen.

Talentpool in Deutschland nicht maximal ausgeschöpft

Ich kann das nachvollziehen. Jeder im System hat seine eigenen Interessen, Ziele, Ansprüche und arbeitet unter verschiedenen Bedingungen. Äußere Einflüsse, unterschiedliche regionale, finanzielle, aber auch ideelle Interessen und Voraussetzungen erschweren einen gemeinsamen Weg sowie eine vorurteilsfreie Zusammenarbeit. Dadurch entstehen viele Missverständnisse, Informationen werden zurückgehalten und kommen nicht dort an, wo sie hingehören. Bei Entscheidungen fällt es schwer, einen Perspektivwechsel einzunehmen. Konkurrenzdenken entsteht auf Ebenen, die eigentlich miteinander arbeiten sollten.

Diese unterschiedlichen Einflüsse führen zwangsweise dazu, dass der Talentpool in Deutschland nicht optimal ausgeschöpft wird. Für mich ist klar: Würde Deutschland sein Potenzial ausreizen, könnte sich unser Land auf Jahre hinweg in der Weltspitze festsetzen. Deshalb müssen wir es hinbekommen, dass alle Beteiligten enger zusammenarbeiten und gemeinsame Ziele formulieren, denn alle Förderstrukturen sind wichtig, und alle haben eine entscheidende Rolle in der Talentförderung.

Mit guten Konzepten und guten Inhalten vorangehen

Die U-Nationalmannschaften sind ein Teil des DFB, sie sind die Repräsentanten aller Förderstrukturen. Ihre Leistungen spiegeln den aktuellen Stand der deutschen Talentförderung und damit auch die Effizienz aller Förderstrukturen wider. Die U-Nationaltrainer haben zwei Kernaufgaben. Einerseits, die besten deutschen Spieler zu finden, zu fördern und eine Mannschaft zusammenzustellen, die Deutschland bestmöglich bei internationalen Wettkämpfen vertritt. Andererseits das System und die Förderstrukturen weiterzuentwickeln, so dass die Spieler noch besser ausgebildet in den Nationalmannschaften ankommen. Wir können das System nicht alleine ändern. Wir wissen auch nicht alles besser. Aber wir können das Wissen, dass wir über internationale Vergleiche, über einen guten Einblick in alle Förderstrukturen, über viele Hospitationen und Weiterbildungen angeeignet haben, gepaart mit der Erfahrung, die im Trainerteam vorhanden ist, weitergeben.

Wir können mit guten Konzepten und guten Inhalten vorangehen und diese in allen Förderstrukturen verbreiten, so dass viel Wissen geteilt wird, Perspektivwechsel ermöglicht werden, Missverständnisse ausgeräumt werden und Informationen besser durch alle Strukturen gelangen. Vielleicht entsteht dadurch kein perfektes System, aber wir versuchen unser Möglichstes, dass die einzelnen Räder wieder besser ineinandergreifen.

Eines dieser Konzepte, die DNA der U-Nationalmannschaften, stellen wir im nächsten Teil unseres Blogs "Coaching U" vor. Die jeweiligen Inhalte der DNA präsentieren dann die einzelnen Cheftrainer der sieben U-Nationalmannschaften in den kommenden Blogs.

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Sieben männliche deutsche U-Nationalmannschaften sind für den Deutscher Fußball-Bund (DFB) am Start, von der U 15 bis zur U 21. Sobald sie an einer WM oder EM teilnehmen, rücken sie in den Fokus. Aber was passiert in der Zwischenzeit? Welche Aufgaben übernehmen die U-Trainer neben den Lehrgängen mit den Mannschaften? Und wie entwickeln sie den deutschen Nachwuchsfußball dabei weiter? Die Antwort gibt "Coaching U" - ein monatlicher Blog, von Trainern für Fans. Heute mit Meikel Schönweitz, Cheftrainer U-Nationalmannschaften.

Fußball bewegt und berührt die Menschen in Deutschland. Und wenn es mal ein strittiges Thema gibt, auch im Nachwuchsbereich, zum Beispiel zu wenig Einsatzzeiten deutscher Talente in der Bundesliga oder aktuell die geringe Anzahl an Spielen in den Junioren-Bundesligen, dann heißt es oft recht pauschal: "Das muss doch der DFB regeln." Oder: "Wieso greift der DFB da nicht ein?" Was dabei gerne vergessen wird, ist die Frage: "Wer ist eigentlich der DFB?"

Entscheidungswege im deutschen Nachwuchsfußball

Der DFB ist ein Zusammenschluss aus fünf Regionalverbänden, die wiederum regionale Zusammenschlüsse der 21 Landesverbände sind. Diese vertreten die rund 25.000 Amateurvereine in Deutschland. Gewählte Vertreter*innen dieser Verbände bilden das Präsidium und den Vorstand des DFB, also die höchsten Entscheidungsgremien. Ebenfalls Mitglied in diesen beiden Gremien sind die gewählten Vertreter der DFL (Deutsche Fußball Liga), die wiederum die 36 Profiklubs der beiden höchsten Ligen in Deutschland repräsentiert. "Der DFB" ist also keine eigenständige Institution, sondern ein Zusammenschluss aus vielen Verbänden, inklusive der hauptamtlichen Mitarbeiter*innen - letztlich sind wir also alle der DFB.

Ähnlich ist es auch in der Jugend. Hier ist der DFB-Jugendausschuss das höchste Gremium, das über alle Belange entscheidet, von den Wettbewerben bis hin zum Regelwerk im Jugendbereich. Der Jugendausschuss setzt sich ebenfalls zusammen aus Vertretern der Regional- und Landesverbände, sowie zwei Vertretern der DFL. Mit Markus Dormann und Markus Hirte gibt es lediglich zwei hauptamtliche DFB-Mitarbeiter in diesem 13-köpfigen Gremium.

Entscheidungen trifft also nicht "der DFB" sondern immer ein Zusammenschluss von Vertreter*innen vieler verschiedener Verbände und Vereine.

Was ist das Beste für die Entwicklung des Spielers?

In der Talentförderung sind die Strukturen vergleichbar. In der Theorie ist dieses System mit all seinen verschiedenen Förderstrukturen nah an der Perfektion: Es gibt Nationalmannschaften, in denen die besten Spieler des Landes gefördert werden. Es gibt 21 Landesauswahlen, in denen die besten Spieler der einzelnen Fußball-Verbände gefördert werden. Es gibt flächendeckend mehr als 300 Stützpunkte, in denen regionale Talente auf Kreis- und Bezirksebene wöchentlich gefördert werden. Dazu gibt es knapp 60 professionelle Leistungszentren und 38 Eliteschulen des Fußballs. Unsere 25.000 Amateurvereine, die vom Breiten- bis zum Spitzensport alles abdecken, sind die Basis, auf der dieses perfekte System steht. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass dieses System aufgrund seiner Komplexität auch Schwächen hat. 

Nehmen wir ein konkretes Beispiel. Wenn es um Entscheidungen in der Talentförderung geht, müsste die Kernfrage immer lauten: Was ist das Beste für die Entwicklung des Spielers? Je nach Institution fällt die Antwort derzeit aber sehr unterschiedlich aus, da die Perspektive aus Sicht des Vereins, des Landesverbandes, des Nationalverbandes, der Eltern, des Beraters oder der Schule stark voneinander abweichen. Auch innerhalb dieser Institutionen kann es zu Unterschieden kommen, je nachdem ob im Verein der Trainer oder der Manager gefragt wird, die Profis oder die Jugendabteilung angesprochen werden oder ob im Verband die Eliteförderung oder die Interessen der Amateurvereine im Mittelpunkt stehen.

Talentpool in Deutschland nicht maximal ausgeschöpft

Ich kann das nachvollziehen. Jeder im System hat seine eigenen Interessen, Ziele, Ansprüche und arbeitet unter verschiedenen Bedingungen. Äußere Einflüsse, unterschiedliche regionale, finanzielle, aber auch ideelle Interessen und Voraussetzungen erschweren einen gemeinsamen Weg sowie eine vorurteilsfreie Zusammenarbeit. Dadurch entstehen viele Missverständnisse, Informationen werden zurückgehalten und kommen nicht dort an, wo sie hingehören. Bei Entscheidungen fällt es schwer, einen Perspektivwechsel einzunehmen. Konkurrenzdenken entsteht auf Ebenen, die eigentlich miteinander arbeiten sollten.

Diese unterschiedlichen Einflüsse führen zwangsweise dazu, dass der Talentpool in Deutschland nicht optimal ausgeschöpft wird. Für mich ist klar: Würde Deutschland sein Potenzial ausreizen, könnte sich unser Land auf Jahre hinweg in der Weltspitze festsetzen. Deshalb müssen wir es hinbekommen, dass alle Beteiligten enger zusammenarbeiten und gemeinsame Ziele formulieren, denn alle Förderstrukturen sind wichtig, und alle haben eine entscheidende Rolle in der Talentförderung.

Mit guten Konzepten und guten Inhalten vorangehen

Die U-Nationalmannschaften sind ein Teil des DFB, sie sind die Repräsentanten aller Förderstrukturen. Ihre Leistungen spiegeln den aktuellen Stand der deutschen Talentförderung und damit auch die Effizienz aller Förderstrukturen wider. Die U-Nationaltrainer haben zwei Kernaufgaben. Einerseits, die besten deutschen Spieler zu finden, zu fördern und eine Mannschaft zusammenzustellen, die Deutschland bestmöglich bei internationalen Wettkämpfen vertritt. Andererseits das System und die Förderstrukturen weiterzuentwickeln, so dass die Spieler noch besser ausgebildet in den Nationalmannschaften ankommen. Wir können das System nicht alleine ändern. Wir wissen auch nicht alles besser. Aber wir können das Wissen, dass wir über internationale Vergleiche, über einen guten Einblick in alle Förderstrukturen, über viele Hospitationen und Weiterbildungen angeeignet haben, gepaart mit der Erfahrung, die im Trainerteam vorhanden ist, weitergeben.

Wir können mit guten Konzepten und guten Inhalten vorangehen und diese in allen Förderstrukturen verbreiten, so dass viel Wissen geteilt wird, Perspektivwechsel ermöglicht werden, Missverständnisse ausgeräumt werden und Informationen besser durch alle Strukturen gelangen. Vielleicht entsteht dadurch kein perfektes System, aber wir versuchen unser Möglichstes, dass die einzelnen Räder wieder besser ineinandergreifen.

Eines dieser Konzepte, die DNA der U-Nationalmannschaften, stellen wir im nächsten Teil unseres Blogs "Coaching U" vor. Die jeweiligen Inhalte der DNA präsentieren dann die einzelnen Cheftrainer der sieben U-Nationalmannschaften in den kommenden Blogs.

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