Clemens Fritz: "Wir müssen alles reinhauen und mutig agieren"

Clemens Fritz gewann mit Werder Bremen im Jahre 2009 den DFB-Pokal. Nun ist der 40-Jährige als Leiter Profifußball und Scouting tätig. Der 22-malige deutsche Nationalspieler spricht im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Oliver Jensen über das DFB-Pokalhalbfinale heute (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) zwischen dem SV Werder und RB Leipzig und den Abstiegskampf.

DFB.de: Herr Fritz, Bremen steckt in der Bundesliga mitten im dramatischen Abstiegskampf. Ist das Pokalhalbfinale eine willkommene Abwechslung zum Existenzkampf im Ligabetrieb?

Clemens Fritz: Das Wichtige ist, dass wir versuchen, uns in dem Pokalspiel Selbstvertrauen zu holen. Wir wissen, dass wir gegen eine sehr gute Mannschaft spielen. RB Leipzig hat eine große Intensität und Dynamik, eine sehr gute Ballsicherheit und ein sehr gutes Umschaltspiel. Das ist eine Top-Mannschaft in Deutschland und Europa. Aber es ist eben auch ein Spiel, in dem niemand viel von uns erwartet. Wir müssen alles reinhauen und mutig agieren.

DFB.de: Der SV Werder Bremen traf erst am 10. April auf RB Leipzig und verlor mit 1:4. Welche Erinnerungen haben Sie an das Spiel?

Fritz: Keine guten Erinnerungen. Gerade die erste Halbzeit war zum Vergessen. Wir wollten nach Ballgewinnen durch ein schnelles Umschaltspiel in die Tiefe kommen. Das hat leider nicht geklappt. Wir haben die Ordnung verloren. Man hat gesehen, dass Leipzig selbst auf engem Raum eine große Qualität hat. Wichtig ist, dass man dann aggressiv und mit einer gesunden Zweikampfintensität agiert. Ich denke aber, dass man ein Liga- und ein Pokalspiel nicht vergleichen kann.

DFB.de: Inwiefern?

Fritz: Leipzig will unbedingt in das Finale. Der Druck ist also auch für sie größer als in der Bundesliga, wo sie ein gutes Polster auf die Nicht-Champions-League-Plätze haben. Ich erwarte auf jeden Fall ein spannendes Spiel.

DFB.de: Der SV Werder Bremen hat in der Liga die letzten sieben Spiele verloren und damit einen negativen Vereinsrekord aufgestellt. Wie erklären Sie sich diesen unerwarteten Absturz?

Fritz: Uns war immer klar, dass wir den Klassenerhalt noch nicht sicher haben. Wir hatten zuletzt einen sehr schwierigen Spielplan mit den Partien gegen Bayern, Dortmund, Wolfsburg und Leipzig. Nach fünf Niederlagen in Folge war der Druck gegen Mainz und Union Berlin groß. Leider haben wir es am vergangenen Wochenende nicht geschafft, in Berlin die nötige Intensität auf den Platz zu bringen. Das war sehr enttäuschend.

DFB.de: Mit den Partien gegen Bayer Leverkusen, den FC Augsburg und Borussia Mönchengladbach wird der Spielplan nicht einfacher…

Fritz: Das ist ein sehr herausforderndes Programm. Aber der Vorteil gegenüber der vergangenen Saison liegt darin, dass wir alles in der eigenen Hand haben. Aber wir müssen auch unsere Leistung bringen und dürfen uns auf niemanden sonst verlassen.

DFB.de: Wie nehmen Sie momentan die Stimmung innerhalb des Vereins und in der Stadt wahr?

Fritz: Innerhalb des Vereins wird sehr konzentriert und fokussiert gearbeitet. Natürlich gibt es von außen Einflüsse. Aber davon lassen wir uns nicht beeinflussen. Wir müssen uns auf unsere tägliche Arbeit und die nächsten Spiele konzentrieren - zunächst auf das Spiel gegen Leipzig.

DFB.de: Und wie erleben Sie Trainer Florian Kohfeldt?

Fritz: Wir haben in den letzten Tagen viel gesprochen. Ich erlebe ihn als sehr fokussiert und konzentriert. Er ist ein Trainer, der sehr akribisch arbeitet. Er ist offen für Diskussionen und Anregungen. Aber er hat auch einen klaren Plan im Kopf, den er verfolgt. Wichtig ist, dass wir alle - damit meine ich auch den kompletten Staff rund um das Team - den Fokus hundertprozentig auf die nächsten Aufgaben legen.

DFB.de: Welche Folgen hätte ein Abstieg in die 2. Bundesliga für Werder Bremen?

Fritz: Ein Abstieg hätte große wirtschaftliche Folgen. Wir müssten Einsparungen im Kader vornehmen. Wir sind aufgrund der Pandemie ohnehin schon zu Einschnitten gezwungen. Würden wir absteigen, gäbe es auch noch weniger TV- und Sponsorengelder.

DFB.de: Werder Bremen ist nicht der einzige Traditionsverein, der in Schwierigkeiten steckt. Der FC Schalke 04 spielt nächste Saison in der 2. Bundesliga. Der Hamburger SV absolviert bereits die dritte Saison in der 2. Bundesliga. Der 1. FC Köln und Hertha BSC stecken im Abstiegskampf. Auch der VfB Stuttgart war vergangene Saison zweitklassig. Warum tun sich Traditionsvereine in der Bundesliga so schwer?

Fritz: Das ist schwierig zu beantworten. Aber man sieht natürlich am Beispiel HSV, wie schwer es ist, wieder in die Bundesliga aufzusteigen. In den Jahren zuvor sind größere Traditionsvereine nach einem Abstieg meist sofort wieder aufgestiegen. Aber die 2. Bundesliga ist immer stärker geworden. Der Wiederaufstieg ist schon längst kein Selbstläufer mehr. Deshalb müssen wir alles reinhauen, um den Abstiegskampf erfolgreich zu meistern.

DFB.de: Sie leiten heute die Scouting-Abteilung des Vereins. Früher war Werder Bremen bekannt dafür, herausragende Spieler wie zum Beispiel Johan Micoud, Mesut Özil oder Diego zu entdecken und zu fördern. Ist das heute schwieriger als früher?

Fritz: Ich kann das schwer vergleichen, weil ich damals noch nicht im Scouting tätig war. Gegenüber früher haben sich natürlich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert. Die Ablösesummen und die Gehälter sind gestiegen. Nun kam auch noch die Pandemie hinzu. Keiner unserer Scouts konnte sich Spiele vor Ort anschauen. Es ist eine riesige Herausforderung, anhand von Video- und Datenscouting die richtigen Entscheidungen zu treffen.

DFB.de: Unterscheiden Sie bei der Sichtung von potenziellen Neuverpflichtungen bereits, welche Spieler Ihnen in der Bundesliga und in der 2. Bundesliga helfen würden?

Fritz: Es wäre fahrlässig, wenn wir nicht auf alles vorbereitet wären.

DFB.de: Werder Bremen hat offen kommuniziert, dass die Corona-Krise und die ausbleibenden Zuschauereinnahmen zu einem finanziellen Engpass geführt haben. Sollte der Verein in das DFB-Pokalfinale einziehen, gäbe es zusätzliche Gelder. Würde das dabei helfen, vielleicht den einen oder anderen Spieler zu verpflichten, den Sie mit Ihrem Scouting-Team entdeckt haben?

Fritz: Natürlich würde uns das wirtschaftlich enorm helfen. Es ist kein Geheimnis, dass wir Kredite aufnehmen mussten, die wieder zurückzuzahlen sind. Sicherlich würden die Einnahmen auch dafür verwendet werden. Schlussendlich müssen wir unser Budget im Auge behalten.

[oj]

Clemens Fritz gewann mit Werder Bremen im Jahre 2009 den DFB-Pokal. Nun ist der 40-Jährige als Leiter Profifußball und Scouting tätig. Der 22-malige deutsche Nationalspieler spricht im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Oliver Jensen über das DFB-Pokalhalbfinale heute (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) zwischen dem SV Werder und RB Leipzig und den Abstiegskampf.

DFB.de: Herr Fritz, Bremen steckt in der Bundesliga mitten im dramatischen Abstiegskampf. Ist das Pokalhalbfinale eine willkommene Abwechslung zum Existenzkampf im Ligabetrieb?

Clemens Fritz: Das Wichtige ist, dass wir versuchen, uns in dem Pokalspiel Selbstvertrauen zu holen. Wir wissen, dass wir gegen eine sehr gute Mannschaft spielen. RB Leipzig hat eine große Intensität und Dynamik, eine sehr gute Ballsicherheit und ein sehr gutes Umschaltspiel. Das ist eine Top-Mannschaft in Deutschland und Europa. Aber es ist eben auch ein Spiel, in dem niemand viel von uns erwartet. Wir müssen alles reinhauen und mutig agieren.

DFB.de: Der SV Werder Bremen traf erst am 10. April auf RB Leipzig und verlor mit 1:4. Welche Erinnerungen haben Sie an das Spiel?

Fritz: Keine guten Erinnerungen. Gerade die erste Halbzeit war zum Vergessen. Wir wollten nach Ballgewinnen durch ein schnelles Umschaltspiel in die Tiefe kommen. Das hat leider nicht geklappt. Wir haben die Ordnung verloren. Man hat gesehen, dass Leipzig selbst auf engem Raum eine große Qualität hat. Wichtig ist, dass man dann aggressiv und mit einer gesunden Zweikampfintensität agiert. Ich denke aber, dass man ein Liga- und ein Pokalspiel nicht vergleichen kann.

DFB.de: Inwiefern?

Fritz: Leipzig will unbedingt in das Finale. Der Druck ist also auch für sie größer als in der Bundesliga, wo sie ein gutes Polster auf die Nicht-Champions-League-Plätze haben. Ich erwarte auf jeden Fall ein spannendes Spiel.

DFB.de: Der SV Werder Bremen hat in der Liga die letzten sieben Spiele verloren und damit einen negativen Vereinsrekord aufgestellt. Wie erklären Sie sich diesen unerwarteten Absturz?

Fritz: Uns war immer klar, dass wir den Klassenerhalt noch nicht sicher haben. Wir hatten zuletzt einen sehr schwierigen Spielplan mit den Partien gegen Bayern, Dortmund, Wolfsburg und Leipzig. Nach fünf Niederlagen in Folge war der Druck gegen Mainz und Union Berlin groß. Leider haben wir es am vergangenen Wochenende nicht geschafft, in Berlin die nötige Intensität auf den Platz zu bringen. Das war sehr enttäuschend.

DFB.de: Mit den Partien gegen Bayer Leverkusen, den FC Augsburg und Borussia Mönchengladbach wird der Spielplan nicht einfacher…

Fritz: Das ist ein sehr herausforderndes Programm. Aber der Vorteil gegenüber der vergangenen Saison liegt darin, dass wir alles in der eigenen Hand haben. Aber wir müssen auch unsere Leistung bringen und dürfen uns auf niemanden sonst verlassen.

DFB.de: Wie nehmen Sie momentan die Stimmung innerhalb des Vereins und in der Stadt wahr?

Fritz: Innerhalb des Vereins wird sehr konzentriert und fokussiert gearbeitet. Natürlich gibt es von außen Einflüsse. Aber davon lassen wir uns nicht beeinflussen. Wir müssen uns auf unsere tägliche Arbeit und die nächsten Spiele konzentrieren - zunächst auf das Spiel gegen Leipzig.

DFB.de: Und wie erleben Sie Trainer Florian Kohfeldt?

Fritz: Wir haben in den letzten Tagen viel gesprochen. Ich erlebe ihn als sehr fokussiert und konzentriert. Er ist ein Trainer, der sehr akribisch arbeitet. Er ist offen für Diskussionen und Anregungen. Aber er hat auch einen klaren Plan im Kopf, den er verfolgt. Wichtig ist, dass wir alle - damit meine ich auch den kompletten Staff rund um das Team - den Fokus hundertprozentig auf die nächsten Aufgaben legen.

DFB.de: Welche Folgen hätte ein Abstieg in die 2. Bundesliga für Werder Bremen?

Fritz: Ein Abstieg hätte große wirtschaftliche Folgen. Wir müssten Einsparungen im Kader vornehmen. Wir sind aufgrund der Pandemie ohnehin schon zu Einschnitten gezwungen. Würden wir absteigen, gäbe es auch noch weniger TV- und Sponsorengelder.

DFB.de: Werder Bremen ist nicht der einzige Traditionsverein, der in Schwierigkeiten steckt. Der FC Schalke 04 spielt nächste Saison in der 2. Bundesliga. Der Hamburger SV absolviert bereits die dritte Saison in der 2. Bundesliga. Der 1. FC Köln und Hertha BSC stecken im Abstiegskampf. Auch der VfB Stuttgart war vergangene Saison zweitklassig. Warum tun sich Traditionsvereine in der Bundesliga so schwer?

Fritz: Das ist schwierig zu beantworten. Aber man sieht natürlich am Beispiel HSV, wie schwer es ist, wieder in die Bundesliga aufzusteigen. In den Jahren zuvor sind größere Traditionsvereine nach einem Abstieg meist sofort wieder aufgestiegen. Aber die 2. Bundesliga ist immer stärker geworden. Der Wiederaufstieg ist schon längst kein Selbstläufer mehr. Deshalb müssen wir alles reinhauen, um den Abstiegskampf erfolgreich zu meistern.

DFB.de: Sie leiten heute die Scouting-Abteilung des Vereins. Früher war Werder Bremen bekannt dafür, herausragende Spieler wie zum Beispiel Johan Micoud, Mesut Özil oder Diego zu entdecken und zu fördern. Ist das heute schwieriger als früher?

Fritz: Ich kann das schwer vergleichen, weil ich damals noch nicht im Scouting tätig war. Gegenüber früher haben sich natürlich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert. Die Ablösesummen und die Gehälter sind gestiegen. Nun kam auch noch die Pandemie hinzu. Keiner unserer Scouts konnte sich Spiele vor Ort anschauen. Es ist eine riesige Herausforderung, anhand von Video- und Datenscouting die richtigen Entscheidungen zu treffen.

DFB.de: Unterscheiden Sie bei der Sichtung von potenziellen Neuverpflichtungen bereits, welche Spieler Ihnen in der Bundesliga und in der 2. Bundesliga helfen würden?

Fritz: Es wäre fahrlässig, wenn wir nicht auf alles vorbereitet wären.

DFB.de: Werder Bremen hat offen kommuniziert, dass die Corona-Krise und die ausbleibenden Zuschauereinnahmen zu einem finanziellen Engpass geführt haben. Sollte der Verein in das DFB-Pokalfinale einziehen, gäbe es zusätzliche Gelder. Würde das dabei helfen, vielleicht den einen oder anderen Spieler zu verpflichten, den Sie mit Ihrem Scouting-Team entdeckt haben?

Fritz: Natürlich würde uns das wirtschaftlich enorm helfen. Es ist kein Geheimnis, dass wir Kredite aufnehmen mussten, die wieder zurückzuzahlen sind. Sicherlich würden die Einnahmen auch dafür verwendet werden. Schlussendlich müssen wir unser Budget im Auge behalten.

###more###