Cacau zu Rassismus: "Ich bin da fassungslos"

Einen Tag nach dem Urteil des DFB-Sportgerichts zu Fanentgleisungen in Hannover spricht der 23-malige deutsche Nationalspieler Cacau, der seit 2016 Integrationsbeauftragter des DFB ist, über Rassismus auf Pullovern und im Stadion.

DFB.de: Cacau, wir müssen über ein Thema reden, das Kevin-Prince Boateng einmal mit "Malaria" verglichen hat: Rassismus. Wie rassistisch geht es in Ihrer alten Heimat Brasilien heute noch zu?

Cacau: Rassismus ist in Brasilien bis heute präsent, wenn auch nicht offensichtlich. Schwarz und arm – das ist bis heute ein Auslöser für Anfeindungen. Mir fällt es schwer, diesen Rassismus in Brasilien zu beschreiben, aber bis heute existiert er. Diese Vorurteile haben sich dermaßen eingeprägt, dass viele es gar nicht merken. Mir wurde das bei einem unserer letzten Urlaube in Basilien deutlich, als wir zum Geburtstag meiner Tochter Lidia mit meiner Cousine in eine wirklich sehr luxuriöse Shopping Mall gingen. Anfangs war mir überhaupt nicht bewusst, dass wir die einzigen schwarzen Kunden waren, aber irgendwann beschlich mich das Gefühl, als ob ich etwas Falsches tragen oder schlecht riechen würde. Jeder schaute mich komisch an. Wir als Dunkelhäutige gehörten hier nicht hin, so ein Signal war das.

DFB.de: Am Donnerstag verkündete das DFB-Sportgericht das Urteil wegen der rassistischen Pöbeleien gegen Anthony Ujah und Leon Balogun. Im Einzelrichterverfahren nach Anklageerhebung durch den DFB-Kontrollausschuss wurde Hannover 96 wegen des unsportlichen Verhaltens seiner Anhänger mit einer Geldstrafe in Höhe von 20.000 Euro belegt. Eine Gruppe von sieben bis zwölf Personen hatte die zwei Spieler des FSV Mainz, die sich hinter der Torauslinie aufwärmten, über weite Strecken der zweiten Halbzeit wiederkehrend rassistisch beleidigt.

Cacau: Ich habe nicht gedacht, dass ein so öffentlicher Rassismus noch in den Stadien in Deutschland vorkommt. Ich dachte, wir wären hier einen Schritt weiter. Das darf man nicht durchgehen lassen. Dass auch ein 12-jähriger Junge dabei war, ist erschreckend. Die Erwachsenen müssten sich doch ihrer Vorbildwirkung bewusst sein. So ein Verhalten ist inakzeptabel. Für solche dummen Pöbeleien gibt es keine Entschuldigung. Gut, dass hier vom DFB-Sportgericht angemessen bestraft wurde.

DFB.de: Vor einigen Wochen hat ein Modeunternehmen mit dem Foto eines kleinen schwarzen Jungen einen Pullover beworben, auf der Front stand "Coolest Monkey in the Jungle".

Cacau: Ich habe diese Geschichte verfolgt. Eigentlich bin ich da ziemlich stark, mich greift nicht jede Kleinigkeit an, eine Gedankenlosigkeit lasse ich schon mal unkommentiert vorbeiziehen. Aber dieser Vorfall... So etwas darf einem großen Modekonzern nicht passieren. Zuerst dachte ich, das ist ein Versehen, aber anschließend habe ich andere Bilder von einem kleinen weißen Jungen gesehen und der ist dann Überlebensexperte oder sowas. So geht das nicht. Marketing-Abteilungen denken für so ein Fotoshooting über alle Kleinigkeiten nach. Wie kann es dann sein, dass so etwas passiert? Ich bin da fassungslos.

DFB.de: Kevin-Prince Boateng klingt teilweise resigniert. "Es wird immer schlimmer" und "Momentan gibt es für mich keinen Schritt nach vorne", sagte er dieser Tage. Verstehen Sie seine Enttäuschung?

Cacau: Man muss bedenken, dass Kevin solche Dinge bereits selbst erlebt hat. Bei einem Freundschaftsspiel gegen einen Viertligisten in Italien – damals spielte er noch für den AC Mailand – wurde er rassistisch beleidigt und ist ja dann auch vom Feld gegangen. Wer selbst so etwas erlebt hat, reagiert dementsprechend. Ich sehe es nicht so. Ich bin mit 17 Jahren aus Brasilien nach Deutschland gekommen, habe anfangs auch in unteren Klassen, in der Verbandsliga damals, gespielt. In kleinen Dörfern in Bayern und Franken und später auch rund um Stuttgart. Und ich habe diese Erfahrung von Rassismus nicht gemacht. Weder spüre ich heute in Deutschland einen verbreiteten Rassismus, noch eine sagen wir mal, lässige Haltung, dass man so etwas durchgehen lässt. Aber wenn jemand, egal ob ein Fan oder auch ein Verantwortlicher, sich rassistisch äußert, gehört das hart bestraft. Ich will auch nicht sagen, dass es überhaupt keine rassistischen Vorfälle im Fußball gibt. Aber ich erlebe es eben auch nicht, dass es immer schlimmer wird. Ich empfinde einen größeren Rassismus in Brasilien als in Deutschland. Meine Jahre in der Nationalmannschaft liegen jetzt schon etwas zurück. Aber auch wenn mich die Leute nicht erkennen, begegnen mir keine Vorurteile.

DFB.de: Dennoch, einen Vorfall mussten auch Sie erleben. Wo und wann war das?

Cacau: Das stimmt, das ist aber lange her und über die Details will ich heute nicht mehr sprechen. Ich wurde damals rassistisch diffamiert, das waren einige einzelne Personen, nicht das ganze Stadion. In der zweiten Halbzeit schoss ich zwei Tore und wir gewannen das Spiel. Das war meine Antwort.

Der 23-malige Nationalspieler Cacau berät den Deutschen Fußball-Bund seit November 2016 als Integrationsbeauftragter. Im Jahr 2017 repräsentierte der langjährige Stürmer des VfB Stuttgart den DFB bei 25 Terminen, seine Interviews über Fußball und Integration erreichten 22 Millionen Leser.

[th]

Einen Tag nach dem Urteil des DFB-Sportgerichts zu Fanentgleisungen in Hannover spricht der 23-malige deutsche Nationalspieler Cacau, der seit 2016 Integrationsbeauftragter des DFB ist, über Rassismus auf Pullovern und im Stadion.

DFB.de: Cacau, wir müssen über ein Thema reden, das Kevin-Prince Boateng einmal mit "Malaria" verglichen hat: Rassismus. Wie rassistisch geht es in Ihrer alten Heimat Brasilien heute noch zu?

Cacau: Rassismus ist in Brasilien bis heute präsent, wenn auch nicht offensichtlich. Schwarz und arm – das ist bis heute ein Auslöser für Anfeindungen. Mir fällt es schwer, diesen Rassismus in Brasilien zu beschreiben, aber bis heute existiert er. Diese Vorurteile haben sich dermaßen eingeprägt, dass viele es gar nicht merken. Mir wurde das bei einem unserer letzten Urlaube in Basilien deutlich, als wir zum Geburtstag meiner Tochter Lidia mit meiner Cousine in eine wirklich sehr luxuriöse Shopping Mall gingen. Anfangs war mir überhaupt nicht bewusst, dass wir die einzigen schwarzen Kunden waren, aber irgendwann beschlich mich das Gefühl, als ob ich etwas Falsches tragen oder schlecht riechen würde. Jeder schaute mich komisch an. Wir als Dunkelhäutige gehörten hier nicht hin, so ein Signal war das.

DFB.de: Am Donnerstag verkündete das DFB-Sportgericht das Urteil wegen der rassistischen Pöbeleien gegen Anthony Ujah und Leon Balogun. Im Einzelrichterverfahren nach Anklageerhebung durch den DFB-Kontrollausschuss wurde Hannover 96 wegen des unsportlichen Verhaltens seiner Anhänger mit einer Geldstrafe in Höhe von 20.000 Euro belegt. Eine Gruppe von sieben bis zwölf Personen hatte die zwei Spieler des FSV Mainz, die sich hinter der Torauslinie aufwärmten, über weite Strecken der zweiten Halbzeit wiederkehrend rassistisch beleidigt.

Cacau: Ich habe nicht gedacht, dass ein so öffentlicher Rassismus noch in den Stadien in Deutschland vorkommt. Ich dachte, wir wären hier einen Schritt weiter. Das darf man nicht durchgehen lassen. Dass auch ein 12-jähriger Junge dabei war, ist erschreckend. Die Erwachsenen müssten sich doch ihrer Vorbildwirkung bewusst sein. So ein Verhalten ist inakzeptabel. Für solche dummen Pöbeleien gibt es keine Entschuldigung. Gut, dass hier vom DFB-Sportgericht angemessen bestraft wurde.

DFB.de: Vor einigen Wochen hat ein Modeunternehmen mit dem Foto eines kleinen schwarzen Jungen einen Pullover beworben, auf der Front stand "Coolest Monkey in the Jungle".

Cacau: Ich habe diese Geschichte verfolgt. Eigentlich bin ich da ziemlich stark, mich greift nicht jede Kleinigkeit an, eine Gedankenlosigkeit lasse ich schon mal unkommentiert vorbeiziehen. Aber dieser Vorfall... So etwas darf einem großen Modekonzern nicht passieren. Zuerst dachte ich, das ist ein Versehen, aber anschließend habe ich andere Bilder von einem kleinen weißen Jungen gesehen und der ist dann Überlebensexperte oder sowas. So geht das nicht. Marketing-Abteilungen denken für so ein Fotoshooting über alle Kleinigkeiten nach. Wie kann es dann sein, dass so etwas passiert? Ich bin da fassungslos.

DFB.de: Kevin-Prince Boateng klingt teilweise resigniert. "Es wird immer schlimmer" und "Momentan gibt es für mich keinen Schritt nach vorne", sagte er dieser Tage. Verstehen Sie seine Enttäuschung?

Cacau: Man muss bedenken, dass Kevin solche Dinge bereits selbst erlebt hat. Bei einem Freundschaftsspiel gegen einen Viertligisten in Italien – damals spielte er noch für den AC Mailand – wurde er rassistisch beleidigt und ist ja dann auch vom Feld gegangen. Wer selbst so etwas erlebt hat, reagiert dementsprechend. Ich sehe es nicht so. Ich bin mit 17 Jahren aus Brasilien nach Deutschland gekommen, habe anfangs auch in unteren Klassen, in der Verbandsliga damals, gespielt. In kleinen Dörfern in Bayern und Franken und später auch rund um Stuttgart. Und ich habe diese Erfahrung von Rassismus nicht gemacht. Weder spüre ich heute in Deutschland einen verbreiteten Rassismus, noch eine sagen wir mal, lässige Haltung, dass man so etwas durchgehen lässt. Aber wenn jemand, egal ob ein Fan oder auch ein Verantwortlicher, sich rassistisch äußert, gehört das hart bestraft. Ich will auch nicht sagen, dass es überhaupt keine rassistischen Vorfälle im Fußball gibt. Aber ich erlebe es eben auch nicht, dass es immer schlimmer wird. Ich empfinde einen größeren Rassismus in Brasilien als in Deutschland. Meine Jahre in der Nationalmannschaft liegen jetzt schon etwas zurück. Aber auch wenn mich die Leute nicht erkennen, begegnen mir keine Vorurteile.

DFB.de: Dennoch, einen Vorfall mussten auch Sie erleben. Wo und wann war das?

Cacau: Das stimmt, das ist aber lange her und über die Details will ich heute nicht mehr sprechen. Ich wurde damals rassistisch diffamiert, das waren einige einzelne Personen, nicht das ganze Stadion. In der zweiten Halbzeit schoss ich zwei Tore und wir gewannen das Spiel. Das war meine Antwort.

Der 23-malige Nationalspieler Cacau berät den Deutschen Fußball-Bund seit November 2016 als Integrationsbeauftragter. Im Jahr 2017 repräsentierte der langjährige Stürmer des VfB Stuttgart den DFB bei 25 Terminen, seine Interviews über Fußball und Integration erreichten 22 Millionen Leser.

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