BVB-Rückkehrer Michael Skibbe: "Hohes Niveau noch anheben"

Fast 20 Jahre nach seinem Abschied ist Michael Skibbe zurück bei Borussia Dortmund. Der 53 Jahre alte Fußball-Lehrer, der 2002 an der Seite von Teamchef Rudi Völler mit der deutschen Nationalmannschaft Vize-Weltmeister wurde, kehrt zu seinen Wurzeln zurück und übernimmt wieder die U 19 des BVB. Im DFB.de-Interview spricht Skibbe mit Mitarbeiter Ralf Debat über seine neue, alte Aufgabe.

DFB.de: Nach mehr als 19 Jahren Abstinenz sind Sie wieder für Borussia Dortmund tätig. Hat es sich wie eine Heimkehr angefühlt, Herr Skibbe?

Michael Skibbe: Absolut, das kann ich nicht anders sagen. Genau so war es.

DFB.de: Dabei sind Sie gebürtiger Gelsenkirchener und waren auch viele Jahre für den großen BVB-Rivalen FC Schalke 04 aktiv.

Skibbe: Das habe ich auch nie verleugnet und bin meiner Heimat nach wie vor verbunden. Die elf Jahre, in denen ich für den BVB gearbeitet habe, waren jedoch mindestens genauso prägend. Hinzu kommt noch, dass ich bei Borussia auch nach fast 20 Jahren noch auf viele ehemalige Weggefährten wie Nachwuchskoordinator Lars Ricken, den Sportlichen Leiter Edwin Boekamp, Jugendleiter Wolfgang Springer und Sportdirektor Michael Zorc getroffen bin. Und das sind nur die bekanntesten Namen. Es spricht für die Kontinuität im Verein, wie viele Mitarbeiter über so viele Jahre für den BVB tätig sind. Davon bin ich sehr gerne wieder ein Teil.

DFB.de: Nach Ihrem frühzeitigen verletzungsbedingten Karriere-Ende wurden Sie bei Schalke 04 bereits mit 21 Jahren U 17-Trainer. War es für Sie nie ein Thema, eine Karriere außerhalb des Fußballs einzuschlagen?

Skibbe: Doch, schon. Ich war sogar kurz davor, in Münster ein Studium der Publizistik aufzunehmen. Schalkes Manager Rudi Assauer, der mich schon als junger Spieler immer intensiv begleitet hatte, war jedoch der Meinung, dass ich ein guter Nachwuchstrainer werden könnte, und hat mir sofort das Vertrauen geschenkt. Meines Wissens war ich damals sogar der erste Profi, der mit Unterstützung der Berufsgenossenschaft direkt zum Fußball-Lehrer umgeschult wurde. Dafür bin ich bis heute sehr dankbar. Wie sich später zum Glück herausgestellt hat, war es zumindest keine so schlechte Idee von Rudi. (lacht)

DFB.de: Bei Borussia Dortmund schafften Sie über die U 19 und die U 23 den Sprung zum Cheftrainer, haben inzwischen zahlreiche Stationen im nationalen und internationalen Profifußball hinter sich. Warum haben Sie sich jetzt für die Rückkehr in den Nachwuchsbereich entschieden?

Skibbe: Nach unserer gemeinsamen Zeit bei Borussia hatte ich noch bei verschiedenen Vereinen - unter anderem bei Galatasaray Istanbul, Eintracht Frankfurt und bei Hertha BSC - eng mit Eddie Boekamp zusammengearbeitet. Er war viele Jahre mein Co-Trainer. Schon damals hatten wir uns mal vorgenommen, eines Tages noch einmal zusammen im Jugendbereich zu arbeiten. Bei der Feier zu seinem 60. Geburtstag im Februar haben wir dann wieder von den alten Zeiten geschwärmt. Dabei kam ich auch mit Lars Ricken ins Gespräch, der als Jugendlicher und Profi mein Spieler war. Einige Wochen später rief mich Lars dann an, ob ich mir eine Rückkehr zur U 19 vorstellen könnte. Das kam für mich genau zum richtigen Zeitpunkt.

DFB.de: Was reizt Sie jetzt daran, wieder die Toptalente des BVB auf eine Profikarriere vorzubereiten?

Skibbe: Ich habe nur positive Erinnerungen an die Zeit vor 22 oder 25 Jahren. Es ist ungemein reizvoll, an die damaligen Erfolge anzuknüpfen. Die Jungs sind wissbegierig, geben das Vertrauen zurück, das man ihnen entgegenbringt. Es ist mein großes Ziel, so viele Spieler wie möglich in den Profibereich zu bringen. Ich bin mir sicher, dass uns das gelingen kann. Im besten Fall natürlich auch den einen oder anderen beim BVB.

DFB.de: Von 1994 bis 1997 waren Sie bereits U 19-Trainer in Dortmund, wurden dreimal Deutscher Meister. Wie sehr lässt sich das mit Ihrer jetzigen Tätigkeit vergleichen?

Skibbe: Inhaltlich sind die Unterschiede gar nicht so groß. Es geht darum, täglich mit den jungen Spielern daran zu arbeiten, dass sie sich verbessern. Neben ihrem Talent und ihrer fußballerischen Qualität müssen sie vor allem die notwendige Bereitschaft mitbringen. Dann kann es klappen. Was die Rahmenbedingungen angeht, ist alles professioneller geworden.

DFB.de: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Veränderungen?

Skibbe: Als ich damals die U 19 trainiert habe, war ich der einzige hauptamtliche Mitarbeiter im Team. Ich hatte einen Co-Trainer, einen Physiotherapeuten und einen Betreuer, die jedoch alle auch noch voll berufstätig waren. Heute ist nahezu das gesamte Team um das Team herum in Vollzeit beschäftigt. An Rasen- oder Kunstrasenplätze mit Rasenheizungen, Krafträume, Computeranalysen und Ähnliches war auch noch nicht zu denken. Da hat sich vor allem durch die verpflichtende Einführung der Nachwuchsleistungszentren unheimlich viel bewegt. Unsere jungen Talente werden erstklassig ausgebildet.

DFB.de: Dennoch werden derzeit Überlegungen angestellt, welche Reformen notwendig sind, um wieder oder noch besser zu werden!

Skibbe: Es ist ja auch nicht falsch, immer wachsam zu sein und zu schauen, was die Konkurrenz anders und eventuell besser macht. Genau wie wir viele Nationen zwischenzeitlich überholt hatten, sind uns jetzt einige Länder ein Stück voraus. Dass die U 19-Nationalmannschaft die EM-Endrunde verpasst hat und die U 17 bereits in der Gruppenphase ausgeschieden ist, sind sicher wichtige Signale. Bei der U 21-EM habe ich aber auch gesehen, dass unser Team auf dem höchsten internationalen Niveau gespielt hat. Und das, obwohl viele junge Topspieler wie Julian Brandt, Leroy Sané, Timo Werner, Thilo Kehrer oder Kai Havertz schon vorzeitig den Sprung in die A-Nationalmannschaft geschafft haben und so gar nicht mehr zur Verfügung standen. Da muss uns also nicht bange sein.

DFB.de: Mit der U 19 des BVB übernehmen Sie den aktuellen Deutschen A-Junioren-Meister. Ist das eher eine Bürde oder ein besonderer Ansporn?

Skibbe: Wenn überhaupt, dann ein Ansporn. Die gute Nachwuchsarbeit bei Borussia hat ja schon Tradition und bringt dann auch den einen oder anderen Titel mit sich. Von daher ist das jetzt keine große Ausnahme. Entscheidend ist aber nicht die Menge der Meisterschaften, sondern die Anzahl der Spieler, die es nach oben schaffen.

DFB.de: Wie wichtig sind solche sportlichen Erfolge für die Weiterentwicklung der Talente?

Skibbe: Das hält sich aus meiner Sicht die Waage. Grundsätzlich ist es sicher hilfreich und zeugt auch von Qualität, Titel zu holen. Auf der anderen Seite lernen die Spieler manchmal vielleicht noch mehr aus Misserfolgen. Nicht immer lebt man auf der Sonnenseite, es gibt auch Regentage. Auch das müssen junge Profis verinnerlichen.

DFB.de: Während der Endphase der abgelaufenen Saison haben Sie schon einige Spiele der U 19 und der U 17 verfolgt. Wie viel Potenzial steckt in Ihrem neuen Team?

Skibbe: Sehr viel. Das heißt aber nicht, dass wir unserer sportlichen Konkurrenz jetzt deutlich überlegen sein werden. Ich sehe uns da eher auf Augenhöhe mit anderen Topklubs wie etwa Bayern München, Schalke 04, unserem Pokalgegner RB Leipzig, dem VfB Stuttgart, der TSG Hoffenheim oder dem 1. FC Köln, der uns im U 17-Finale bezwingen konnte. Man darf auch nicht vergessen, dass selbst unsere U 19 am letzten Spieltag der Bundesligasaison nicht zuletzt durch fremde Hilfe in die Endrunde gerutscht war. Auch das Finale ist erst nach einer Roten Karte für den Stuttgarter Kapitän Luca Mack gekippt. Wir sind also gut beraten, demütig zu bleiben. Dennoch ist es selbstverständlich unser sportliches Ziel, erneut um die Deutsche Meisterschaft mitzuspielen. Dafür wollen wir im Westen erneut einen der ersten beiden Tabellenplätze belegen. Am besten Rang eins.

DFB.de: Mit Youssoufa Moukoko gehört auch ein erst 14 Jahre alter Stürmer, der in der U 17 mit herausragenden Torquoten auf sich aufmerksam gemacht hat, zu Ihrem Aufgebot. Wie sehr müssen Sie mit ihm anders umgehen als mit jungen Erwachsenen?

Skibbe: Youssoufa ist jetzt schon einige Jahre bei uns, kennt daher praktisch alle Teamkollegen bereits über einen längeren Zeitraum, wohnt mit einigen auch im Jugendhaus zusammen. Dadurch merkt man im Umgang kaum große Unterschiede zu den anderen Spielern. Durch seine herausragende spielerische und fußballerische Qualität hat er sportlich das Niveau, um schon jetzt im U 19-Bereich mithalten zu können.

DFB.de: Trauen Sie ihm auch zu, gleich wieder durchzustarten?

Skibbe: Es wird für ihn sicher etwas schwieriger, weil die Konkurrenz in der U 19 größer ist und auch seine Gegenspieler jetzt deutlich weiter sind. Allerdings ist er ungemein wendig und schnell, hat dadurch oft einen Bewegungsvorteil. Ich traue ihm auf jeden Fall eine weitere kontinuierliche Entwicklung zu.

DFB.de: Sie hatten es schon angedeutet: Bei nur wenigen Vereinen ist der Sprung aus dem Nachwuchsbereich in die Profimannschaft so groß wie beim BVB. Ist es dennoch möglich, auch Talente für den eigenen Lizenzkader auszubilden?

Skibbe: Dass es geht, habe ich zu meiner früheren Zeit selbst mit Lars Ricken oder Vladimir But erlebt. Auch damals standen fast nur National- oder sogar Weltklassespieler beim BVB im Profikader. Dennoch haben sie den Sprung geschafft. Einen solchen Weg mitgestalten zu dürfen, ist mein großer Anreiz.

DFB.de: Wie war der erste Austausch mit Cheftrainer Lucien Favre?

Skibbe: Sehr freundschaftlich. Schließlich kennen wir uns seit vielen Jahren aus der Bundesliga, hatten schon damals ein sehr gutes und enges Verhältnis. Lucien war und ist immer ein angenehmer Trainerkollege. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit.

DFB.de: Ihr Vertrag läuft bis 2022. Ist es möglich, dass Sie noch einmal einen anderen Weg einschlagen oder ist das Kapitel Profifußball für Sie abgeschlossen?

Skibbe: Für diese drei Jahre kann ich das definitiv ausschließen. Ich habe mich festgelegt, hier eine Aufgabe zu übernehmen, die mir am Herzen liegt. Deshalb kam es für mich auch trotz einiger Angebote zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage, für viel Geld nach China oder Saudi-Arabien zu gehen. Nach rund 30 Jahren Trainertätigkeit bin ich zum Glück wirtschaftlich so unabhängig, dass ich nicht jedem Ruf folgen muss. Mein Ziel ist es, bis 2022 alles dafür zu tun, das ohnehin schon hohe Niveau der Nachwuchsarbeit bei Borussia vielleicht noch ein wenig anzuheben.

DFB.de: Sie haben mit dem DFB-Team unter anderem ein WM-Finale als Trainer erlebt, in Deutschland, der Türkei und der Schweiz in den höchsten Ligen gearbeitet und zuletzt drei Jahre die griechische Nationalmannschaft betreut. Was haben Sie von Ihren Stationen mitgenommen?

Skibbe: Ich kann auf jeden Fall sagen, dass ich alles sehr gerne gemacht und auf diesem Weg viele Freunde gewonnen habe. Ich habe zwar beispielsweise auch ein Desaster wie bei Hertha BSC mit fünf Niederlagen in fünf Spielen und der folgenden Beurlaubung erlebt. Die positiven Erfahrungen überwiegen aber bei weitem.

DFB.de: Bei Ihnen selbst war es erst als Trainer möglich: Würden Sie jungen Fußballern aber jetzt empfehlen, auch mal den Schritt in ein anderes Land zu machen?

Skibbe: Etwas Neues und eine andere Kultur kennenzulernen, ist auf jeden Fall eine wertvolle Erfahrung. Ich bin mir beispielsweise sehr sicher, dass die ausländischen Toptalente in unserem Team - wie der Holländer Immanuel Pherai, Kamal Bafounta aus Frankreich oder jetzt auch Giovanni Reyna aus den USA - aus Deutschland sehr viel für ihre weitere Karriere und ihren weiteren Lebensweg mitnehmen werden.

[mspw]

Fast 20 Jahre nach seinem Abschied ist Michael Skibbe zurück bei Borussia Dortmund. Der 53 Jahre alte Fußball-Lehrer, der 2002 an der Seite von Teamchef Rudi Völler mit der deutschen Nationalmannschaft Vize-Weltmeister wurde, kehrt zu seinen Wurzeln zurück und übernimmt wieder die U 19 des BVB. Im DFB.de-Interview spricht Skibbe mit Mitarbeiter Ralf Debat über seine neue, alte Aufgabe.

DFB.de: Nach mehr als 19 Jahren Abstinenz sind Sie wieder für Borussia Dortmund tätig. Hat es sich wie eine Heimkehr angefühlt, Herr Skibbe?

Michael Skibbe: Absolut, das kann ich nicht anders sagen. Genau so war es.

DFB.de: Dabei sind Sie gebürtiger Gelsenkirchener und waren auch viele Jahre für den großen BVB-Rivalen FC Schalke 04 aktiv.

Skibbe: Das habe ich auch nie verleugnet und bin meiner Heimat nach wie vor verbunden. Die elf Jahre, in denen ich für den BVB gearbeitet habe, waren jedoch mindestens genauso prägend. Hinzu kommt noch, dass ich bei Borussia auch nach fast 20 Jahren noch auf viele ehemalige Weggefährten wie Nachwuchskoordinator Lars Ricken, den Sportlichen Leiter Edwin Boekamp, Jugendleiter Wolfgang Springer und Sportdirektor Michael Zorc getroffen bin. Und das sind nur die bekanntesten Namen. Es spricht für die Kontinuität im Verein, wie viele Mitarbeiter über so viele Jahre für den BVB tätig sind. Davon bin ich sehr gerne wieder ein Teil.

DFB.de: Nach Ihrem frühzeitigen verletzungsbedingten Karriere-Ende wurden Sie bei Schalke 04 bereits mit 21 Jahren U 17-Trainer. War es für Sie nie ein Thema, eine Karriere außerhalb des Fußballs einzuschlagen?

Skibbe: Doch, schon. Ich war sogar kurz davor, in Münster ein Studium der Publizistik aufzunehmen. Schalkes Manager Rudi Assauer, der mich schon als junger Spieler immer intensiv begleitet hatte, war jedoch der Meinung, dass ich ein guter Nachwuchstrainer werden könnte, und hat mir sofort das Vertrauen geschenkt. Meines Wissens war ich damals sogar der erste Profi, der mit Unterstützung der Berufsgenossenschaft direkt zum Fußball-Lehrer umgeschult wurde. Dafür bin ich bis heute sehr dankbar. Wie sich später zum Glück herausgestellt hat, war es zumindest keine so schlechte Idee von Rudi. (lacht)

DFB.de: Bei Borussia Dortmund schafften Sie über die U 19 und die U 23 den Sprung zum Cheftrainer, haben inzwischen zahlreiche Stationen im nationalen und internationalen Profifußball hinter sich. Warum haben Sie sich jetzt für die Rückkehr in den Nachwuchsbereich entschieden?

Skibbe: Nach unserer gemeinsamen Zeit bei Borussia hatte ich noch bei verschiedenen Vereinen - unter anderem bei Galatasaray Istanbul, Eintracht Frankfurt und bei Hertha BSC - eng mit Eddie Boekamp zusammengearbeitet. Er war viele Jahre mein Co-Trainer. Schon damals hatten wir uns mal vorgenommen, eines Tages noch einmal zusammen im Jugendbereich zu arbeiten. Bei der Feier zu seinem 60. Geburtstag im Februar haben wir dann wieder von den alten Zeiten geschwärmt. Dabei kam ich auch mit Lars Ricken ins Gespräch, der als Jugendlicher und Profi mein Spieler war. Einige Wochen später rief mich Lars dann an, ob ich mir eine Rückkehr zur U 19 vorstellen könnte. Das kam für mich genau zum richtigen Zeitpunkt.

DFB.de: Was reizt Sie jetzt daran, wieder die Toptalente des BVB auf eine Profikarriere vorzubereiten?

Skibbe: Ich habe nur positive Erinnerungen an die Zeit vor 22 oder 25 Jahren. Es ist ungemein reizvoll, an die damaligen Erfolge anzuknüpfen. Die Jungs sind wissbegierig, geben das Vertrauen zurück, das man ihnen entgegenbringt. Es ist mein großes Ziel, so viele Spieler wie möglich in den Profibereich zu bringen. Ich bin mir sicher, dass uns das gelingen kann. Im besten Fall natürlich auch den einen oder anderen beim BVB.

DFB.de: Von 1994 bis 1997 waren Sie bereits U 19-Trainer in Dortmund, wurden dreimal Deutscher Meister. Wie sehr lässt sich das mit Ihrer jetzigen Tätigkeit vergleichen?

Skibbe: Inhaltlich sind die Unterschiede gar nicht so groß. Es geht darum, täglich mit den jungen Spielern daran zu arbeiten, dass sie sich verbessern. Neben ihrem Talent und ihrer fußballerischen Qualität müssen sie vor allem die notwendige Bereitschaft mitbringen. Dann kann es klappen. Was die Rahmenbedingungen angeht, ist alles professioneller geworden.

DFB.de: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Veränderungen?

Skibbe: Als ich damals die U 19 trainiert habe, war ich der einzige hauptamtliche Mitarbeiter im Team. Ich hatte einen Co-Trainer, einen Physiotherapeuten und einen Betreuer, die jedoch alle auch noch voll berufstätig waren. Heute ist nahezu das gesamte Team um das Team herum in Vollzeit beschäftigt. An Rasen- oder Kunstrasenplätze mit Rasenheizungen, Krafträume, Computeranalysen und Ähnliches war auch noch nicht zu denken. Da hat sich vor allem durch die verpflichtende Einführung der Nachwuchsleistungszentren unheimlich viel bewegt. Unsere jungen Talente werden erstklassig ausgebildet.

DFB.de: Dennoch werden derzeit Überlegungen angestellt, welche Reformen notwendig sind, um wieder oder noch besser zu werden!

Skibbe: Es ist ja auch nicht falsch, immer wachsam zu sein und zu schauen, was die Konkurrenz anders und eventuell besser macht. Genau wie wir viele Nationen zwischenzeitlich überholt hatten, sind uns jetzt einige Länder ein Stück voraus. Dass die U 19-Nationalmannschaft die EM-Endrunde verpasst hat und die U 17 bereits in der Gruppenphase ausgeschieden ist, sind sicher wichtige Signale. Bei der U 21-EM habe ich aber auch gesehen, dass unser Team auf dem höchsten internationalen Niveau gespielt hat. Und das, obwohl viele junge Topspieler wie Julian Brandt, Leroy Sané, Timo Werner, Thilo Kehrer oder Kai Havertz schon vorzeitig den Sprung in die A-Nationalmannschaft geschafft haben und so gar nicht mehr zur Verfügung standen. Da muss uns also nicht bange sein.

DFB.de: Mit der U 19 des BVB übernehmen Sie den aktuellen Deutschen A-Junioren-Meister. Ist das eher eine Bürde oder ein besonderer Ansporn?

Skibbe: Wenn überhaupt, dann ein Ansporn. Die gute Nachwuchsarbeit bei Borussia hat ja schon Tradition und bringt dann auch den einen oder anderen Titel mit sich. Von daher ist das jetzt keine große Ausnahme. Entscheidend ist aber nicht die Menge der Meisterschaften, sondern die Anzahl der Spieler, die es nach oben schaffen.

DFB.de: Wie wichtig sind solche sportlichen Erfolge für die Weiterentwicklung der Talente?

Skibbe: Das hält sich aus meiner Sicht die Waage. Grundsätzlich ist es sicher hilfreich und zeugt auch von Qualität, Titel zu holen. Auf der anderen Seite lernen die Spieler manchmal vielleicht noch mehr aus Misserfolgen. Nicht immer lebt man auf der Sonnenseite, es gibt auch Regentage. Auch das müssen junge Profis verinnerlichen.

DFB.de: Während der Endphase der abgelaufenen Saison haben Sie schon einige Spiele der U 19 und der U 17 verfolgt. Wie viel Potenzial steckt in Ihrem neuen Team?

Skibbe: Sehr viel. Das heißt aber nicht, dass wir unserer sportlichen Konkurrenz jetzt deutlich überlegen sein werden. Ich sehe uns da eher auf Augenhöhe mit anderen Topklubs wie etwa Bayern München, Schalke 04, unserem Pokalgegner RB Leipzig, dem VfB Stuttgart, der TSG Hoffenheim oder dem 1. FC Köln, der uns im U 17-Finale bezwingen konnte. Man darf auch nicht vergessen, dass selbst unsere U 19 am letzten Spieltag der Bundesligasaison nicht zuletzt durch fremde Hilfe in die Endrunde gerutscht war. Auch das Finale ist erst nach einer Roten Karte für den Stuttgarter Kapitän Luca Mack gekippt. Wir sind also gut beraten, demütig zu bleiben. Dennoch ist es selbstverständlich unser sportliches Ziel, erneut um die Deutsche Meisterschaft mitzuspielen. Dafür wollen wir im Westen erneut einen der ersten beiden Tabellenplätze belegen. Am besten Rang eins.

DFB.de: Mit Youssoufa Moukoko gehört auch ein erst 14 Jahre alter Stürmer, der in der U 17 mit herausragenden Torquoten auf sich aufmerksam gemacht hat, zu Ihrem Aufgebot. Wie sehr müssen Sie mit ihm anders umgehen als mit jungen Erwachsenen?

Skibbe: Youssoufa ist jetzt schon einige Jahre bei uns, kennt daher praktisch alle Teamkollegen bereits über einen längeren Zeitraum, wohnt mit einigen auch im Jugendhaus zusammen. Dadurch merkt man im Umgang kaum große Unterschiede zu den anderen Spielern. Durch seine herausragende spielerische und fußballerische Qualität hat er sportlich das Niveau, um schon jetzt im U 19-Bereich mithalten zu können.

DFB.de: Trauen Sie ihm auch zu, gleich wieder durchzustarten?

Skibbe: Es wird für ihn sicher etwas schwieriger, weil die Konkurrenz in der U 19 größer ist und auch seine Gegenspieler jetzt deutlich weiter sind. Allerdings ist er ungemein wendig und schnell, hat dadurch oft einen Bewegungsvorteil. Ich traue ihm auf jeden Fall eine weitere kontinuierliche Entwicklung zu.

DFB.de: Sie hatten es schon angedeutet: Bei nur wenigen Vereinen ist der Sprung aus dem Nachwuchsbereich in die Profimannschaft so groß wie beim BVB. Ist es dennoch möglich, auch Talente für den eigenen Lizenzkader auszubilden?

Skibbe: Dass es geht, habe ich zu meiner früheren Zeit selbst mit Lars Ricken oder Vladimir But erlebt. Auch damals standen fast nur National- oder sogar Weltklassespieler beim BVB im Profikader. Dennoch haben sie den Sprung geschafft. Einen solchen Weg mitgestalten zu dürfen, ist mein großer Anreiz.

DFB.de: Wie war der erste Austausch mit Cheftrainer Lucien Favre?

Skibbe: Sehr freundschaftlich. Schließlich kennen wir uns seit vielen Jahren aus der Bundesliga, hatten schon damals ein sehr gutes und enges Verhältnis. Lucien war und ist immer ein angenehmer Trainerkollege. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit.

DFB.de: Ihr Vertrag läuft bis 2022. Ist es möglich, dass Sie noch einmal einen anderen Weg einschlagen oder ist das Kapitel Profifußball für Sie abgeschlossen?

Skibbe: Für diese drei Jahre kann ich das definitiv ausschließen. Ich habe mich festgelegt, hier eine Aufgabe zu übernehmen, die mir am Herzen liegt. Deshalb kam es für mich auch trotz einiger Angebote zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage, für viel Geld nach China oder Saudi-Arabien zu gehen. Nach rund 30 Jahren Trainertätigkeit bin ich zum Glück wirtschaftlich so unabhängig, dass ich nicht jedem Ruf folgen muss. Mein Ziel ist es, bis 2022 alles dafür zu tun, das ohnehin schon hohe Niveau der Nachwuchsarbeit bei Borussia vielleicht noch ein wenig anzuheben.

DFB.de: Sie haben mit dem DFB-Team unter anderem ein WM-Finale als Trainer erlebt, in Deutschland, der Türkei und der Schweiz in den höchsten Ligen gearbeitet und zuletzt drei Jahre die griechische Nationalmannschaft betreut. Was haben Sie von Ihren Stationen mitgenommen?

Skibbe: Ich kann auf jeden Fall sagen, dass ich alles sehr gerne gemacht und auf diesem Weg viele Freunde gewonnen habe. Ich habe zwar beispielsweise auch ein Desaster wie bei Hertha BSC mit fünf Niederlagen in fünf Spielen und der folgenden Beurlaubung erlebt. Die positiven Erfahrungen überwiegen aber bei weitem.

DFB.de: Bei Ihnen selbst war es erst als Trainer möglich: Würden Sie jungen Fußballern aber jetzt empfehlen, auch mal den Schritt in ein anderes Land zu machen?

Skibbe: Etwas Neues und eine andere Kultur kennenzulernen, ist auf jeden Fall eine wertvolle Erfahrung. Ich bin mir beispielsweise sehr sicher, dass die ausländischen Toptalente in unserem Team - wie der Holländer Immanuel Pherai, Kamal Bafounta aus Frankreich oder jetzt auch Giovanni Reyna aus den USA - aus Deutschland sehr viel für ihre weitere Karriere und ihren weiteren Lebensweg mitnehmen werden.

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