Buchwald: "Holland-Spiel 1990 war Initialzündung für WM-Titel"

Guido Buchwald weiß aus eigener Erfahrung bestens um die besondere Brisanz der Länderspiele zwischen Deutschland und Nachbar Niederlande. Der 58 Jahre alte Weltmeister von 1990 blickt im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Tobias Gonscherowski vor der Neuauflage am Freitag (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) in der EM-Qualifikation zurück aufs legendäre WM-Achtelfinale 1990 und blickt auf den Umbruch der aktuellen Teams.

DFB.de: Herr Buchwald, was fällt Ihnen spontan zum Klassiker Deutschland gegen Holland ein?

Guido Buchwald: Natürlich das Achtelfinale bei der WM 1990 in Italien mit der Spuckattacke von Frank Rijkaard auf Rudi Völler. Es entwickelte sich danach ein sensationelles Spiel Zehn-gegen-Zehn. Ich glaube, so ein Spiel wird es nicht mehr geben, weil alles in der Partie drin war. Es war auch damals schon ein Klassiker. Beide Mannschaften gehörten zu den Topfavoriten auf den WM-Titel. Und wir sind schon im Achtelfinale aufeinandergetroffen. Die Holländer waren damals der amtierender Europameister.

DFB.de: Durch den Platzverweis von Rudi Völler rückten Sie ins Mittelfeld auf und haben den Führungstreffer von Jürgen Klinsmann vorbereitet.

Buchwald: Auch daran denke ich gerne zurück, ich habe nur positive Erinnerungen an das Spiel. Für uns war unbegreiflich, dass Rudi Völler vom Platz gestellt wurde, weil er wirklich nichts gemacht hatte. Aber im Nachhinein war das die Initialzündung für den Titel. Wir wussten, dass wir uns nur selbst schlagen konnten. In der Halbzeit haben wir uns noch mal motiviert und gesagt, dass diese Ungerechtigkeit, die uns und Rudi Völler widerfahren ist, nicht belohnt werden darf. Das hat uns zusätzlich motiviert, alles in dieses Spiel reinzuhauen.

DFB.de: Wie haben Sie die Rivalität auf dem Platz gespürt? Waren die Spiele intensiver als gegen andere Gegner?

Buchwald: Holland gegen Deutschland war immer ein Highlight. Der Rivalität geht ja eine Geschichte voraus. Es gab das Endspiel 1974, dann ist Deutschland vier Jahre später in Argentinien ausgeschieden und konnte Holland nicht schlagen. Und für uns waren die vielen Spiele zwischen 1988 und 1992 auch etwas Besonderes. Hinzu kam beim Achtelfinale 1990 in Mailand, dass es auch noch die Rivalität zwischen AC und Inter Mailand gab. Bei Milan spielten die Holländer Ruud Gullit, Marco van Basten und Frank Rijkaard, bei Inter unsere drei Deutschen Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann und Andreas Brehme.

DFB.de: War die Partie eines Ihrer besten Länderspiele, vielleicht sogar das beste?

Buchwald: Das ist schwer zu beurteilen. Bei der ganzen WM befand ich mich in Bestform. Aber das Holland-Spiel war etwas ganz Spezielles, absolut.

DFB.de: Sie waren auch bei den EM-Turnieren 1988 und 1992 dabei, hatten aber ausgerechnet die beiden verlorenen Spiele gegen die Niederlande verpasst.

Buchwald: Verletzungsbedingt. 1988 hatte ich mir im letzten Gruppenspiel gegen Dänemark einen Faserriss an der Leiste zugezogen. Und 1992 bin ich wegen einer Gehirnerschütterung ausgefallen.

DFB.de: Und ohne Guido Buchwald waren die Holländer damals nicht zu schlagen...

Buchwald: (lacht) So sieht es aus. Bei den beiden Qualifikationsspielen zur WM 1990 (0:0 und 1:1; Anm. d. Red.) war ich dafür dabei.

DFB.de: Was verbinden Sie mit dem niederländischen Fußball?

Buchwald: Das WM-Finale 1974, das ich als 13-jähriger Junge geguckt habe. Die Holländer hatten damals auch eine große Mannschaft mit Stars wie Johan Cruyff, Johan Neeskens oder Arie Haan, der dann ja später in Stuttgart mein Trainer wurde. Diese Mannschaft habe ich sehr bewundert. In meiner Generation hatten sie dann auch außergewöhnliche Spielerpersönlichkeiten wie van Basten, Gullit oder Rijkaard. Die Holländer sind eine Fußballnation. Für meine Entwicklung war Arie Haan sehr wichtig. Er konnte sehr gut Spiele analysieren. Ich war damals der Kapitän des VfB Stuttgart, wir haben viel miteinander gesprochen und diskutiert. Dabei habe ich auch viel über den holländischen Fußball erfahren. Das war eine sehr positive Erfahrung.

DFB.de: Kommen wir auf die Gegenwart zu sprechen. Holland verpasste die WM 2018, Deutschland schied in der Vorrunde aus. Beide Nationen befinden sich im Umbruch. Wie nah dran an der Weltspitze sind sie schon wieder?

Buchwald: Ich sehe eine gute Entwiclkung, der Weg zur Weltspitze ist für beide Teams nicht so weit. Die Holländer haben den Umbruch radikaler vollzogen als wir, weil sie auch nach der Nichtqualifikation mehr Zeit hatten, sich grundlegend Gedanken zu machen. Das ist ihnen gut gelungen. Und wir hatten auch schon vor der WM viele junge Spieler, die etwa den Confed Cup 2017 gewonnen haben. Wir haben einen breiten Kader mit viel Qualität. Das hat den Umbruch etwas leichter gemacht.

DFB.de: Welche jungen deutschen Spieler begeistern Sie besonders?

Buchwald: Leroy Sané mit seiner Qualität und Geschwindigkeit. Aber auch Julian Brandt und Kai Havertz haben sich sehr gut entwickelt, ebenso Leon Goretzka oder Joshua Kimmich als rechter Außenverteidiger. Sie haben in der Vorwärtsbewegung unheimlich viel Potenzial. Es macht riesigen Spaß, diese Mannschaft anzuschauen, weil sie gerade im Offensivspiel flexibel und variabel agiert.

DFB.de: Wagen Sie einen Tipp? Wie geht das Spiel im Volksparkstadion aus?

Buchwald: Hamburg ist ja eigentlich nicht das beste Pflaster für uns gegen Holland, wenn ich an das EM-Halbfinale 1988 (das 1:2 verloren wurde; Anm. d. Red.) denke. Trotzdem tippe ich auf ein 2:1 für Deutschland

[tg]

Guido Buchwald weiß aus eigener Erfahrung bestens um die besondere Brisanz der Länderspiele zwischen Deutschland und Nachbar Niederlande. Der 58 Jahre alte Weltmeister von 1990 blickt im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Tobias Gonscherowski vor der Neuauflage am Freitag (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) in der EM-Qualifikation zurück aufs legendäre WM-Achtelfinale 1990 und blickt auf den Umbruch der aktuellen Teams.

DFB.de: Herr Buchwald, was fällt Ihnen spontan zum Klassiker Deutschland gegen Holland ein?

Guido Buchwald: Natürlich das Achtelfinale bei der WM 1990 in Italien mit der Spuckattacke von Frank Rijkaard auf Rudi Völler. Es entwickelte sich danach ein sensationelles Spiel Zehn-gegen-Zehn. Ich glaube, so ein Spiel wird es nicht mehr geben, weil alles in der Partie drin war. Es war auch damals schon ein Klassiker. Beide Mannschaften gehörten zu den Topfavoriten auf den WM-Titel. Und wir sind schon im Achtelfinale aufeinandergetroffen. Die Holländer waren damals der amtierender Europameister.

DFB.de: Durch den Platzverweis von Rudi Völler rückten Sie ins Mittelfeld auf und haben den Führungstreffer von Jürgen Klinsmann vorbereitet.

Buchwald: Auch daran denke ich gerne zurück, ich habe nur positive Erinnerungen an das Spiel. Für uns war unbegreiflich, dass Rudi Völler vom Platz gestellt wurde, weil er wirklich nichts gemacht hatte. Aber im Nachhinein war das die Initialzündung für den Titel. Wir wussten, dass wir uns nur selbst schlagen konnten. In der Halbzeit haben wir uns noch mal motiviert und gesagt, dass diese Ungerechtigkeit, die uns und Rudi Völler widerfahren ist, nicht belohnt werden darf. Das hat uns zusätzlich motiviert, alles in dieses Spiel reinzuhauen.

DFB.de: Wie haben Sie die Rivalität auf dem Platz gespürt? Waren die Spiele intensiver als gegen andere Gegner?

Buchwald: Holland gegen Deutschland war immer ein Highlight. Der Rivalität geht ja eine Geschichte voraus. Es gab das Endspiel 1974, dann ist Deutschland vier Jahre später in Argentinien ausgeschieden und konnte Holland nicht schlagen. Und für uns waren die vielen Spiele zwischen 1988 und 1992 auch etwas Besonderes. Hinzu kam beim Achtelfinale 1990 in Mailand, dass es auch noch die Rivalität zwischen AC und Inter Mailand gab. Bei Milan spielten die Holländer Ruud Gullit, Marco van Basten und Frank Rijkaard, bei Inter unsere drei Deutschen Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann und Andreas Brehme.

DFB.de: War die Partie eines Ihrer besten Länderspiele, vielleicht sogar das beste?

Buchwald: Das ist schwer zu beurteilen. Bei der ganzen WM befand ich mich in Bestform. Aber das Holland-Spiel war etwas ganz Spezielles, absolut.

DFB.de: Sie waren auch bei den EM-Turnieren 1988 und 1992 dabei, hatten aber ausgerechnet die beiden verlorenen Spiele gegen die Niederlande verpasst.

Buchwald: Verletzungsbedingt. 1988 hatte ich mir im letzten Gruppenspiel gegen Dänemark einen Faserriss an der Leiste zugezogen. Und 1992 bin ich wegen einer Gehirnerschütterung ausgefallen.

DFB.de: Und ohne Guido Buchwald waren die Holländer damals nicht zu schlagen...

Buchwald: (lacht) So sieht es aus. Bei den beiden Qualifikationsspielen zur WM 1990 (0:0 und 1:1; Anm. d. Red.) war ich dafür dabei.

DFB.de: Was verbinden Sie mit dem niederländischen Fußball?

Buchwald: Das WM-Finale 1974, das ich als 13-jähriger Junge geguckt habe. Die Holländer hatten damals auch eine große Mannschaft mit Stars wie Johan Cruyff, Johan Neeskens oder Arie Haan, der dann ja später in Stuttgart mein Trainer wurde. Diese Mannschaft habe ich sehr bewundert. In meiner Generation hatten sie dann auch außergewöhnliche Spielerpersönlichkeiten wie van Basten, Gullit oder Rijkaard. Die Holländer sind eine Fußballnation. Für meine Entwicklung war Arie Haan sehr wichtig. Er konnte sehr gut Spiele analysieren. Ich war damals der Kapitän des VfB Stuttgart, wir haben viel miteinander gesprochen und diskutiert. Dabei habe ich auch viel über den holländischen Fußball erfahren. Das war eine sehr positive Erfahrung.

DFB.de: Kommen wir auf die Gegenwart zu sprechen. Holland verpasste die WM 2018, Deutschland schied in der Vorrunde aus. Beide Nationen befinden sich im Umbruch. Wie nah dran an der Weltspitze sind sie schon wieder?

Buchwald: Ich sehe eine gute Entwiclkung, der Weg zur Weltspitze ist für beide Teams nicht so weit. Die Holländer haben den Umbruch radikaler vollzogen als wir, weil sie auch nach der Nichtqualifikation mehr Zeit hatten, sich grundlegend Gedanken zu machen. Das ist ihnen gut gelungen. Und wir hatten auch schon vor der WM viele junge Spieler, die etwa den Confed Cup 2017 gewonnen haben. Wir haben einen breiten Kader mit viel Qualität. Das hat den Umbruch etwas leichter gemacht.

DFB.de: Welche jungen deutschen Spieler begeistern Sie besonders?

Buchwald: Leroy Sané mit seiner Qualität und Geschwindigkeit. Aber auch Julian Brandt und Kai Havertz haben sich sehr gut entwickelt, ebenso Leon Goretzka oder Joshua Kimmich als rechter Außenverteidiger. Sie haben in der Vorwärtsbewegung unheimlich viel Potenzial. Es macht riesigen Spaß, diese Mannschaft anzuschauen, weil sie gerade im Offensivspiel flexibel und variabel agiert.

DFB.de: Wagen Sie einen Tipp? Wie geht das Spiel im Volksparkstadion aus?

Buchwald: Hamburg ist ja eigentlich nicht das beste Pflaster für uns gegen Holland, wenn ich an das EM-Halbfinale 1988 (das 1:2 verloren wurde; Anm. d. Red.) denke. Trotzdem tippe ich auf ein 2:1 für Deutschland

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