Brych: "Jedes Mal Gänsehaut bei Champions-League-Hymne"

Es sind die allerbesten Mannschaften, die Meister, die Besten, die sich laut Hymne in der UEFA Champions League miteinander messen. DFB-Schiedsrichter Dr. Felix Brych durfte das musikalische Meisterwerk mittlerweile so oft wie kein zweiter Referee hören. Im DFB.de-Interview spricht der 45 Jahre alte Unparteiische mit Redakteur Arthur Ril über seinen besonderen Rekord in der Königsklasse, die ereignisreiche Saison 2019/2020 und den bevorstehenden Bundesligastart.

DFB.de: Herr Brych, wie würden Sie die vergangene Saison in wenigen Worten umschreiben?

Dr. Felix Brych: Die Saison 2019/2020 war außergewöhnlich und anspruchsvoll - auf und neben dem Platz. Durch die Umstände, die mit dem Corona-Break auf uns zugekommen sind, aber auch persönlich. Ich hatte viele enge Spiele, die bis zum Schluss umkämpft waren. Ich musste viele knifflige Situationen bewerten. Ich glaube, ich habe noch nie so viele Rote Karten wie in der vergangenen Saison gegeben. Sie hat mir wirklich einiges abverlangt, aber sie hat auch etwas Schönes zu Tage gebracht, zum Beispiel meinen Rekord in der Champions League.

DFB.de: Sie sind seit 1999 DFB-Schiedsrichter, seit 2004 in der Bundesliga und seit 2007 international im Einsatz. Welche neuen Erfahrungen haben Sie in der Spielzeit 2019/2020 gesammelt?

Brych: Eine neue Erfahrung waren natürlich die Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das war auch für mich etwas Neues, worauf ich mich einstellen musste. Nach der Vorsaison, die mit der WM nicht so gut für mich verlaufen war, wollte ich mich vollends zurückkämpfen. Ich hatte mir vorgenommen, dass ich 2019/2020 wieder an meine Leistungsgrenze gelange. Das habe ich in vielen Spielen geschafft, und deswegen bin ich aus sportlicher Sicht mit der Spielzeit 2019/2020 sehr zufrieden.

DFB.de: Und auf welchen Erfahrungsgewinn hätten Sie im Nachhinein gerne verzichtet?

Brych: Spiele im leeren Stadion sind anders als vor ausverkauftem Haus. Auch mich pusht die Atmosphäre, aber es hat mich dann auch motiviert, dass ich mich auf ein leeres Stadion vorbereiten musste, weil es für mich etwas Neues war. Ich habe gemerkt, dass ich mich sehr auf das erste Spiel nach dem Corona-Break gefreut habe. Eine weitere Besonderheit war, dass die Landesverbandsneutralität aufgehoben wurde, so dass ich in Bayern pfeifen durfte. Das hat irgendwo neue Kraft und damit wiederum neue Motivation in mir freigesetzt. Deshalb möchte ich diesen Erfahrungswert nicht ganz missen, aber natürlich freue ich mich, wenn irgendwann die Hütten wieder voll sind.

DFB.de: Unter den aktuell aktiven DFB-Schiedsrichtern haben Sie mit 283 Einsätzen mit großem Abstand die meisten in der Bundesliga. Und auch in der UEFA Champions League sind Sie in der vergangenen Saison im Achtelfinalhinspiel zwischen dem SSC Neapel und dem FC Barcelona zum Rekordreferee aufgestiegen. Hatten Sie dieses Ziel schon immer vor Augen?

Brych: Es war nie mein Ziel, aber in der letzten Zeit hatte ich schon gemerkt, dass dieser Rekord möglich ist - und dann wurde es mein Ziel. Insofern war dieses Spiel in Neapel ein wirklich besonderes Spiel.

DFB.de: Sie haben in der Geschichte der Champions League mit 57 Einsätzen die meisten Partien aller Schiedsrichter geleitet. Was bedeutet Ihnen dieser Rekord?

Brych: Sehr viel. Wobei natürlich nicht nur diese Rekordpartie etwas Besonderes ist, sondern vielmehr der gesamte Weg dorthin - und dass ich doch so lange durchgehalten habe. Jeder von uns durchschreitet hin und wieder auch mal ein Tal, manchmal funktionieren Dinge nicht so wie man will, man muss Rückschläge oder Niederlagen einstecken. Aber ich habe mich immer wieder zurückkämpfen und motivieren können - auf jedes Spiel, jedes Jahr aufs Neue. Als ich den Rekord dann in Sichtweite gesehen habe, habe ich wirklich angefangen, die Spiele zu zählen, und ich bin letztlich stolz darauf, dass es geklappt hat.

DFB.de: Im Achtelfinalrückspiel zwischen Manchester City und Real Madrid haben Sie Ihre eigene Bestmarke mit der Spielleitung sogar noch auf 58 Einsätze in der Königsklasse ausgebaut. Bekommen Sie bei der Champions-League-Hymne eigentlich noch Gänsehaut?

Brych: Die Hymne ist etwas ganz Besonderes für mich, und ich bekomme jedes Mal Gänsehaut, wenn ich sie höre, allerdings nicht unmittelbar vor dem Spiel. Da bin ich schon so fokussiert, dass ich das Drumherum fast nicht mehr wahrnehme. Ich habe alles drangesetzt, in dieser Liga pfeifen zu dürfen. Jeder Champions-League-Einsatz stellt nach wie vor ein Highlight für mich dar. Deshalb ist es mein Ziel, die Hymne noch ein paar Mal hören zu dürfen.

DFB.de: Nicht nur in der Königsklasse haben Sie sich in den Geschichtsbüchern verewigt. In der UEFA Europa League durften Sie das Halbfinale zwischen dem FC Sevilla und Manchester United in Köln leiten. Eine Europapokalpartie auf deutschem Boden zu pfeifen, dieses Erlebnis war bisher nur wenigen DFB-Schiedsrichtern vergönnt. Wie war es für Sie, einen internationalen Spielauftrag national ausüben zu dürfen?

Brych: Ich habe mich wahnsinnig auf diesen Einsatz gefreut, wobei dies auch gefährlich sein kann. Wenn die Vorfreude zu groß ist, kann es sein, dass man die Anspannung verliert, aber das ist mir nicht passiert. Ein Europapokalspiel zuhause pfeifen zu dürfen, dieses Glück wird nur ganz wenigen Schiedsrichtern zuteil.

DFB.de: Nach dem coronabedingten Restart der Bundesliga waren auch die DFB-Schiedsrichter dankbar und froh, wieder auf dem Platz stehen zu dürfen, um ihrer Leidenschaft wieder nachgehen zu können. Mit welchem Gefühl blicken Sie nun auf den anstehenden Bundesligastart?

Brych: Mit dem gleichen Gefühl wie auch nach dem Restart, mit einer gewissen Freude und Dankbarkeit, dass wir auf den Platz zurückkehren dürfen. Aber sicher ebenfalls mit dem einen oder anderen Fragezeichen, wie es jeder von uns hat: Wie geht es weiter? Wie entwickelt sich die gesundheitliche Lage national und international? Der Fokus ist klar auf das Sportliche gerichtet, aber der Blick geht auch nach links und rechts.

DFB.de: 36 Einsätze in nationalen und internationalen Wettbewerben. Wie erholt man sich eigentlich von so einer kräftezehrenden Saison? Konnten Sie die Sommerpause überhaupt genießen und abschalten? Anfang September standen schließlich schon das Trainingslager der DFB-Schiedsrichter in Grassau und die Vorbereitung auf die neue Spielzeit an.

Brych: Zwischen den Spielzeiten war richtige und tiefergehende Erholung nicht möglich, aber wir hatten alle die Corona-Pause von acht Wochen, die ich entsprechend genutzt habe - sowohl mental als auch körperlich. Im Laufe meiner Karriere habe ich gelernt, in ganz kurzer Zeit möglichst schnell und intensiv abzuschalten. Auch während der Saison, wenn drei Spiele in der Woche anstehen, muss ich das eine verarbeiten und das nächste schon wieder vorbereiten. Ich bin fit und freue mich auf die neue Saison - es kann losgehen.

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Es sind die allerbesten Mannschaften, die Meister, die Besten, die sich laut Hymne in der UEFA Champions League miteinander messen. DFB-Schiedsrichter Dr. Felix Brych durfte das musikalische Meisterwerk mittlerweile so oft wie kein zweiter Referee hören. Im DFB.de-Interview spricht der 45 Jahre alte Unparteiische mit Redakteur Arthur Ril über seinen besonderen Rekord in der Königsklasse, die ereignisreiche Saison 2019/2020 und den bevorstehenden Bundesligastart.

DFB.de: Herr Brych, wie würden Sie die vergangene Saison in wenigen Worten umschreiben?

Dr. Felix Brych: Die Saison 2019/2020 war außergewöhnlich und anspruchsvoll - auf und neben dem Platz. Durch die Umstände, die mit dem Corona-Break auf uns zugekommen sind, aber auch persönlich. Ich hatte viele enge Spiele, die bis zum Schluss umkämpft waren. Ich musste viele knifflige Situationen bewerten. Ich glaube, ich habe noch nie so viele Rote Karten wie in der vergangenen Saison gegeben. Sie hat mir wirklich einiges abverlangt, aber sie hat auch etwas Schönes zu Tage gebracht, zum Beispiel meinen Rekord in der Champions League.

DFB.de: Sie sind seit 1999 DFB-Schiedsrichter, seit 2004 in der Bundesliga und seit 2007 international im Einsatz. Welche neuen Erfahrungen haben Sie in der Spielzeit 2019/2020 gesammelt?

Brych: Eine neue Erfahrung waren natürlich die Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das war auch für mich etwas Neues, worauf ich mich einstellen musste. Nach der Vorsaison, die mit der WM nicht so gut für mich verlaufen war, wollte ich mich vollends zurückkämpfen. Ich hatte mir vorgenommen, dass ich 2019/2020 wieder an meine Leistungsgrenze gelange. Das habe ich in vielen Spielen geschafft, und deswegen bin ich aus sportlicher Sicht mit der Spielzeit 2019/2020 sehr zufrieden.

DFB.de: Und auf welchen Erfahrungsgewinn hätten Sie im Nachhinein gerne verzichtet?

Brych: Spiele im leeren Stadion sind anders als vor ausverkauftem Haus. Auch mich pusht die Atmosphäre, aber es hat mich dann auch motiviert, dass ich mich auf ein leeres Stadion vorbereiten musste, weil es für mich etwas Neues war. Ich habe gemerkt, dass ich mich sehr auf das erste Spiel nach dem Corona-Break gefreut habe. Eine weitere Besonderheit war, dass die Landesverbandsneutralität aufgehoben wurde, so dass ich in Bayern pfeifen durfte. Das hat irgendwo neue Kraft und damit wiederum neue Motivation in mir freigesetzt. Deshalb möchte ich diesen Erfahrungswert nicht ganz missen, aber natürlich freue ich mich, wenn irgendwann die Hütten wieder voll sind.

DFB.de: Unter den aktuell aktiven DFB-Schiedsrichtern haben Sie mit 283 Einsätzen mit großem Abstand die meisten in der Bundesliga. Und auch in der UEFA Champions League sind Sie in der vergangenen Saison im Achtelfinalhinspiel zwischen dem SSC Neapel und dem FC Barcelona zum Rekordreferee aufgestiegen. Hatten Sie dieses Ziel schon immer vor Augen?

Brych: Es war nie mein Ziel, aber in der letzten Zeit hatte ich schon gemerkt, dass dieser Rekord möglich ist - und dann wurde es mein Ziel. Insofern war dieses Spiel in Neapel ein wirklich besonderes Spiel.

DFB.de: Sie haben in der Geschichte der Champions League mit 57 Einsätzen die meisten Partien aller Schiedsrichter geleitet. Was bedeutet Ihnen dieser Rekord?

Brych: Sehr viel. Wobei natürlich nicht nur diese Rekordpartie etwas Besonderes ist, sondern vielmehr der gesamte Weg dorthin - und dass ich doch so lange durchgehalten habe. Jeder von uns durchschreitet hin und wieder auch mal ein Tal, manchmal funktionieren Dinge nicht so wie man will, man muss Rückschläge oder Niederlagen einstecken. Aber ich habe mich immer wieder zurückkämpfen und motivieren können - auf jedes Spiel, jedes Jahr aufs Neue. Als ich den Rekord dann in Sichtweite gesehen habe, habe ich wirklich angefangen, die Spiele zu zählen, und ich bin letztlich stolz darauf, dass es geklappt hat.

DFB.de: Im Achtelfinalrückspiel zwischen Manchester City und Real Madrid haben Sie Ihre eigene Bestmarke mit der Spielleitung sogar noch auf 58 Einsätze in der Königsklasse ausgebaut. Bekommen Sie bei der Champions-League-Hymne eigentlich noch Gänsehaut?

Brych: Die Hymne ist etwas ganz Besonderes für mich, und ich bekomme jedes Mal Gänsehaut, wenn ich sie höre, allerdings nicht unmittelbar vor dem Spiel. Da bin ich schon so fokussiert, dass ich das Drumherum fast nicht mehr wahrnehme. Ich habe alles drangesetzt, in dieser Liga pfeifen zu dürfen. Jeder Champions-League-Einsatz stellt nach wie vor ein Highlight für mich dar. Deshalb ist es mein Ziel, die Hymne noch ein paar Mal hören zu dürfen.

DFB.de: Nicht nur in der Königsklasse haben Sie sich in den Geschichtsbüchern verewigt. In der UEFA Europa League durften Sie das Halbfinale zwischen dem FC Sevilla und Manchester United in Köln leiten. Eine Europapokalpartie auf deutschem Boden zu pfeifen, dieses Erlebnis war bisher nur wenigen DFB-Schiedsrichtern vergönnt. Wie war es für Sie, einen internationalen Spielauftrag national ausüben zu dürfen?

Brych: Ich habe mich wahnsinnig auf diesen Einsatz gefreut, wobei dies auch gefährlich sein kann. Wenn die Vorfreude zu groß ist, kann es sein, dass man die Anspannung verliert, aber das ist mir nicht passiert. Ein Europapokalspiel zuhause pfeifen zu dürfen, dieses Glück wird nur ganz wenigen Schiedsrichtern zuteil.

DFB.de: Nach dem coronabedingten Restart der Bundesliga waren auch die DFB-Schiedsrichter dankbar und froh, wieder auf dem Platz stehen zu dürfen, um ihrer Leidenschaft wieder nachgehen zu können. Mit welchem Gefühl blicken Sie nun auf den anstehenden Bundesligastart?

Brych: Mit dem gleichen Gefühl wie auch nach dem Restart, mit einer gewissen Freude und Dankbarkeit, dass wir auf den Platz zurückkehren dürfen. Aber sicher ebenfalls mit dem einen oder anderen Fragezeichen, wie es jeder von uns hat: Wie geht es weiter? Wie entwickelt sich die gesundheitliche Lage national und international? Der Fokus ist klar auf das Sportliche gerichtet, aber der Blick geht auch nach links und rechts.

DFB.de: 36 Einsätze in nationalen und internationalen Wettbewerben. Wie erholt man sich eigentlich von so einer kräftezehrenden Saison? Konnten Sie die Sommerpause überhaupt genießen und abschalten? Anfang September standen schließlich schon das Trainingslager der DFB-Schiedsrichter in Grassau und die Vorbereitung auf die neue Spielzeit an.

Brych: Zwischen den Spielzeiten war richtige und tiefergehende Erholung nicht möglich, aber wir hatten alle die Corona-Pause von acht Wochen, die ich entsprechend genutzt habe - sowohl mental als auch körperlich. Im Laufe meiner Karriere habe ich gelernt, in ganz kurzer Zeit möglichst schnell und intensiv abzuschalten. Auch während der Saison, wenn drei Spiele in der Woche anstehen, muss ich das eine verarbeiten und das nächste schon wieder vorbereiten. Ich bin fit und freue mich auf die neue Saison - es kann losgehen.

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