Bremens Ulbrich: "Wir sind immer auf dem Teppich geblieben"

Seit fast 13 Jahren ist die gebürtige Bremerin Michelle Ulbrich (27) für den SV Werder Bremen am Ball. Die Innenverteidigerin gehört zu den Leistungsträgerinnen und wird nach der schweren Knieverletzung von Lina Hausicke die Spielführerinnenbinde tragen. Im DFB.de-Interview spricht Ulbrich mit Mitarbeiter Ralf Debat über den Ausfall der Anführerin, ihre "neue" Rolle im Team und den Blick auf die Tabelle der Google Pixel Frauen-Bundesliga.

DFB.de: Mit einigen Tagen Abstand: Wie gut haben Sie die 0:3-Heimniederlage gegen den SC Freiburg und die Folgen verdaut, Frau Ulbrich?

Michelle Ulbrich: Wir sind noch dabei, um ganz ehrlich zu sein. Klar, das Spiel und das Ergebnis waren bitter. Noch schlimmer treffen uns aber die Verletzungen von Nina Lührßen, die einen Nasenbeinbruch erlitten hatte und operiert werden musste, sowie vor allem von Lina Hausicke, die uns mit einem Kreuzbandriss lange Zeit fehlen wird.

DFB.de: Wie schwer wiegt der langfristige Ausfall der Kapitänin?

Ulbrich: Das ist brutal und trifft uns hart. Lina ist der Fixpunkt in unserem Spiel, hinterlässt auf dem Platz und speziell auch in der Kabine eine große Lücke.

DFB.de: Trainer Thomas Horsch sprach vom "Leuchtturm" des Teams. Ein treffender Vergleich?

Ulbrich: Auf jeden Fall. Lina ist unsere Anführerin, geht immer voran. Sie ist für uns nicht eins zu eins zu ersetzen. Das müssen wir als gesamtes Team meistern.

DFB.de: Konnten Sie Ihr ein wenig Trost spenden?

Ulbrich: Die Situation ist für sie natürlich sehr traurig. Wir haben sie in den Arm genommen und versucht, ihr aufmunternde Worte mit auf den Weg zu geben. Wir alle werden immer für sie da sein und sind uns sicher, dass sie noch stärker zurückkommen wird.

DFB.de: Im Frauenfußball sind leider sehr viele Spielerinnen von Kreuzbandrissen betroffen. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Ulbrich: Das ist definitiv ein großes Thema in der Mannschaft. Es war beispielsweise sehr auffällig, dass es viele Spielerinnen nach der WM erwischt hat, vermutlich wegen der großen Belastung. Unser Athletiktrainer arbeitet deshalb viel mit uns im Bereich der Prophylaxe. Da sind wir schon sehr gut aufgestellt. Dennoch kann es natürlich immer passieren. Davor ist niemand gefeit. Ich selbst musste vor einigen Jahren mit einem Meniskusriss fünf Monate pausieren. Seitdem bin ich zum Glück gut durchgekommen.

DFB.de: Lina Hausicke musste gegen Freiburg schon Mitte der ersten Halbzeit beim Stand von 0:0 ausgewechselt werden, zur Pause folgte noch Nina Lührßen. Haben die Ausfälle letztlich auch zur ersten Niederlage im neuen Jahr geführt?

Ulbrich: Schwer zu sagen. Leichter wurde es für uns durch diese beiden Nackenschläge nicht. Ich muss aber auch zugeben, dass wir an diesem Tag von Beginn an nicht so gut im Spiel waren und es wahrscheinlich auch ohne die Verletzungen schwierig geworden wäre. Letztlich ist das aber hypothetisch.

DFB.de: Dank des guten Starts nach der Winterpause hätte der SV Werder mit einem Heimsieg gegen Freiburg bis auf drei Punkte an den Tabellendritten Eintracht Frankfurt herankommen können. Wurde eine große Chance verpasst?

Ulbrich: Ja, im Nachhinein kann man das sicherlich so sehen. Wir waren nach der Winterpause sehr gut gestartet, hatten uns in einen Flow gespielt und einige überragende Spiele bestritten. Wir sind aber auch nach den Erfolgen immer auf dem Teppich geblieben. Es war klar, dass auch mal wieder Rückschläge kommen würden.

DFB.de: Wie bewerten Sie insgesamt die Entwicklung in dieser Saison?

Ulbrich: Ich würde sagen, dass wir über die gesamte Spielzeit relativ konstante Leistungen gezeigt und auch gut gepunktet haben. Einige Partien haben wir sehr knapp verloren, einige enge Begegnungen aber auch noch auf unsere Seite gezogen. Dass wir jetzt auf Platz fünf stehen, kann sich sehen lassen.

DFB.de: Ist es bereits möglich, die internationalen Plätze anzugreifen?

Ulbrich: Langsam, langsam. Wir wissen ganz genau, woher wir kommen. Vor einem Jahr steckten wir noch ganz tief im Abstiegskampf, konnten uns erst im Laufe der Rückrunde befreien. Von daher geht unser Blick in der Tabelle erst einmal nach unten, auch wenn wir uns schon ein gutes Polster zugelegt haben. Unser längerfristiges Ziel ist es, uns dauerhaft im Mittelfeld der Bundesliga zu etablieren.

DFB.de: In welchen Bereichen muss sich das Team vor allem noch verbessern?

Ulbrich: Wir können uns sicherlich beispielsweise im Ballbesitzspiel noch steigern, um die Partien besser kontrollieren und uns mehr Torchancen herausspielen zu können. In den nächsten Wochen wird aber erst einmal im Vordergrund stehen, wie wir den Ausfall von Lina Hausicke wegstecken und kompensieren.

DFB.de: Kommt die Länderspielpause jetzt genau zur richtigen Zeit?

Ulbrich: Ja, ich glaube schon. Zum einen können wir jetzt ein wenig durchatmen. Zum anderen besteht vielleicht die Chance, dass Nina Lührßen nach ihrer Verletzung schon bis zum nächsten Spiel wieder zur Verfügung steht.

DFB.de: Im Saisonendspurt werden Sie die Spielführerinnenbinde tragen. Was bedeutet Ihnen das?

Ulbrich: Das macht für mich keinen großen Unterschied, um ehrlich zu sein. Ich kenne das schon, bin bereits ein paarmal eingesprungen, wenn Lina nicht dabei war. Ich mache mir deshalb auf jeden Fall keinen zusätzlichen Druck, wenn Sie das meinen.

DFB.de: Ändert sich denn nicht Ihre Rolle im Team?

Ulbrich: Ich werde zwar die Binde tragen und vielleicht auch ein wenig mehr reden als sonst. Die Verantwortung werden wir aber auf mehrere Schultern verteilen. Da sind auch andere erfahrene Spielerinnen gefragt wie etwa Ricarda Walkling, Rieke Dieckmann oder Juliane Wirtz.

DFB.de: Sonst gibt Lina Hausicke den Ton an. Können Sie auch eine "Lautsprecherin" sein?

Ulbrich: Lina ist in der Tat eine emotionale Leaderin, hat eine gute und manchmal auch laute Ansprache für das Team. Ich bin eher etwas ruhiger und bringe mich gerne bei der Organisation des Teams auf dem Platz und mit der einen oder anderen taktischen Anweisung ein, um meine Mitspielerinnen zu unterstützen.

DFB.de: Sie wurden in Bremen geboren, spielen seit 2011 für den SV Werder. Mehr Identifikation geht nicht, oder?

Ulbrich: Das kann man so stehen lassen. Ich bin dem Verein seit Kindertagen verbunden, stand als Jugendliche selbst in der Ostkurve. Neben dem Fußball arbeite ich auch noch in Teilzeit für Werder im Büro. Von daher ist definitiv eine große Verbundenheit mit dem Klub vorhanden. Das gilt aber nicht nur für mich. Wir haben mit Nina Lührßen, Reena Wichmann, Tuana Mahmoud oder Melina Kunkel noch eine ganze Reihe weiterer Spielerinnen, die ebenfalls aus Bremen kommen. Das ist für Bundesligaverhältnisse außergewöhnlich.

DFB.de: Können Sie sich überhaupt vorstellen, noch für einen anderen Verein zu spielen?

Ulbrich: Grundsätzlich kann ich mir das schon vorstellen, sofern sich eines Tages eine Möglichkeit ergeben sollte, die mich reizt. Auch das Ausland könnte durchaus interessant sein. Ich würde es zumindest nicht ausschließen. Es ist aber nichts in Sichtweite.

[mspw]

Seit fast 13 Jahren ist die gebürtige Bremerin Michelle Ulbrich (27) für den SV Werder Bremen am Ball. Die Innenverteidigerin gehört zu den Leistungsträgerinnen und wird nach der schweren Knieverletzung von Lina Hausicke die Spielführerinnenbinde tragen. Im DFB.de-Interview spricht Ulbrich mit Mitarbeiter Ralf Debat über den Ausfall der Anführerin, ihre "neue" Rolle im Team und den Blick auf die Tabelle der Google Pixel Frauen-Bundesliga.

DFB.de: Mit einigen Tagen Abstand: Wie gut haben Sie die 0:3-Heimniederlage gegen den SC Freiburg und die Folgen verdaut, Frau Ulbrich?

Michelle Ulbrich: Wir sind noch dabei, um ganz ehrlich zu sein. Klar, das Spiel und das Ergebnis waren bitter. Noch schlimmer treffen uns aber die Verletzungen von Nina Lührßen, die einen Nasenbeinbruch erlitten hatte und operiert werden musste, sowie vor allem von Lina Hausicke, die uns mit einem Kreuzbandriss lange Zeit fehlen wird.

DFB.de: Wie schwer wiegt der langfristige Ausfall der Kapitänin?

Ulbrich: Das ist brutal und trifft uns hart. Lina ist der Fixpunkt in unserem Spiel, hinterlässt auf dem Platz und speziell auch in der Kabine eine große Lücke.

DFB.de: Trainer Thomas Horsch sprach vom "Leuchtturm" des Teams. Ein treffender Vergleich?

Ulbrich: Auf jeden Fall. Lina ist unsere Anführerin, geht immer voran. Sie ist für uns nicht eins zu eins zu ersetzen. Das müssen wir als gesamtes Team meistern.

DFB.de: Konnten Sie Ihr ein wenig Trost spenden?

Ulbrich: Die Situation ist für sie natürlich sehr traurig. Wir haben sie in den Arm genommen und versucht, ihr aufmunternde Worte mit auf den Weg zu geben. Wir alle werden immer für sie da sein und sind uns sicher, dass sie noch stärker zurückkommen wird.

DFB.de: Im Frauenfußball sind leider sehr viele Spielerinnen von Kreuzbandrissen betroffen. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Ulbrich: Das ist definitiv ein großes Thema in der Mannschaft. Es war beispielsweise sehr auffällig, dass es viele Spielerinnen nach der WM erwischt hat, vermutlich wegen der großen Belastung. Unser Athletiktrainer arbeitet deshalb viel mit uns im Bereich der Prophylaxe. Da sind wir schon sehr gut aufgestellt. Dennoch kann es natürlich immer passieren. Davor ist niemand gefeit. Ich selbst musste vor einigen Jahren mit einem Meniskusriss fünf Monate pausieren. Seitdem bin ich zum Glück gut durchgekommen.

DFB.de: Lina Hausicke musste gegen Freiburg schon Mitte der ersten Halbzeit beim Stand von 0:0 ausgewechselt werden, zur Pause folgte noch Nina Lührßen. Haben die Ausfälle letztlich auch zur ersten Niederlage im neuen Jahr geführt?

Ulbrich: Schwer zu sagen. Leichter wurde es für uns durch diese beiden Nackenschläge nicht. Ich muss aber auch zugeben, dass wir an diesem Tag von Beginn an nicht so gut im Spiel waren und es wahrscheinlich auch ohne die Verletzungen schwierig geworden wäre. Letztlich ist das aber hypothetisch.

DFB.de: Dank des guten Starts nach der Winterpause hätte der SV Werder mit einem Heimsieg gegen Freiburg bis auf drei Punkte an den Tabellendritten Eintracht Frankfurt herankommen können. Wurde eine große Chance verpasst?

Ulbrich: Ja, im Nachhinein kann man das sicherlich so sehen. Wir waren nach der Winterpause sehr gut gestartet, hatten uns in einen Flow gespielt und einige überragende Spiele bestritten. Wir sind aber auch nach den Erfolgen immer auf dem Teppich geblieben. Es war klar, dass auch mal wieder Rückschläge kommen würden.

DFB.de: Wie bewerten Sie insgesamt die Entwicklung in dieser Saison?

Ulbrich: Ich würde sagen, dass wir über die gesamte Spielzeit relativ konstante Leistungen gezeigt und auch gut gepunktet haben. Einige Partien haben wir sehr knapp verloren, einige enge Begegnungen aber auch noch auf unsere Seite gezogen. Dass wir jetzt auf Platz fünf stehen, kann sich sehen lassen.

DFB.de: Ist es bereits möglich, die internationalen Plätze anzugreifen?

Ulbrich: Langsam, langsam. Wir wissen ganz genau, woher wir kommen. Vor einem Jahr steckten wir noch ganz tief im Abstiegskampf, konnten uns erst im Laufe der Rückrunde befreien. Von daher geht unser Blick in der Tabelle erst einmal nach unten, auch wenn wir uns schon ein gutes Polster zugelegt haben. Unser längerfristiges Ziel ist es, uns dauerhaft im Mittelfeld der Bundesliga zu etablieren.

DFB.de: In welchen Bereichen muss sich das Team vor allem noch verbessern?

Ulbrich: Wir können uns sicherlich beispielsweise im Ballbesitzspiel noch steigern, um die Partien besser kontrollieren und uns mehr Torchancen herausspielen zu können. In den nächsten Wochen wird aber erst einmal im Vordergrund stehen, wie wir den Ausfall von Lina Hausicke wegstecken und kompensieren.

DFB.de: Kommt die Länderspielpause jetzt genau zur richtigen Zeit?

Ulbrich: Ja, ich glaube schon. Zum einen können wir jetzt ein wenig durchatmen. Zum anderen besteht vielleicht die Chance, dass Nina Lührßen nach ihrer Verletzung schon bis zum nächsten Spiel wieder zur Verfügung steht.

DFB.de: Im Saisonendspurt werden Sie die Spielführerinnenbinde tragen. Was bedeutet Ihnen das?

Ulbrich: Das macht für mich keinen großen Unterschied, um ehrlich zu sein. Ich kenne das schon, bin bereits ein paarmal eingesprungen, wenn Lina nicht dabei war. Ich mache mir deshalb auf jeden Fall keinen zusätzlichen Druck, wenn Sie das meinen.

DFB.de: Ändert sich denn nicht Ihre Rolle im Team?

Ulbrich: Ich werde zwar die Binde tragen und vielleicht auch ein wenig mehr reden als sonst. Die Verantwortung werden wir aber auf mehrere Schultern verteilen. Da sind auch andere erfahrene Spielerinnen gefragt wie etwa Ricarda Walkling, Rieke Dieckmann oder Juliane Wirtz.

DFB.de: Sonst gibt Lina Hausicke den Ton an. Können Sie auch eine "Lautsprecherin" sein?

Ulbrich: Lina ist in der Tat eine emotionale Leaderin, hat eine gute und manchmal auch laute Ansprache für das Team. Ich bin eher etwas ruhiger und bringe mich gerne bei der Organisation des Teams auf dem Platz und mit der einen oder anderen taktischen Anweisung ein, um meine Mitspielerinnen zu unterstützen.

DFB.de: Sie wurden in Bremen geboren, spielen seit 2011 für den SV Werder. Mehr Identifikation geht nicht, oder?

Ulbrich: Das kann man so stehen lassen. Ich bin dem Verein seit Kindertagen verbunden, stand als Jugendliche selbst in der Ostkurve. Neben dem Fußball arbeite ich auch noch in Teilzeit für Werder im Büro. Von daher ist definitiv eine große Verbundenheit mit dem Klub vorhanden. Das gilt aber nicht nur für mich. Wir haben mit Nina Lührßen, Reena Wichmann, Tuana Mahmoud oder Melina Kunkel noch eine ganze Reihe weiterer Spielerinnen, die ebenfalls aus Bremen kommen. Das ist für Bundesligaverhältnisse außergewöhnlich.

DFB.de: Können Sie sich überhaupt vorstellen, noch für einen anderen Verein zu spielen?

Ulbrich: Grundsätzlich kann ich mir das schon vorstellen, sofern sich eines Tages eine Möglichkeit ergeben sollte, die mich reizt. Auch das Ausland könnte durchaus interessant sein. Ich würde es zumindest nicht ausschließen. Es ist aber nichts in Sichtweite.

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