Braun-Stiftung und GermanDream starten gemeinsame Wertedialoge

Knapp zwei Dutzend Schülerinnen und Schüler der Werkrealschule Böblingen kamen gestern mit ehemaligen Fußballprofis zu einem digitalen Wertedialog zusammen. Die Veranstaltung war der Auftakt zur Kooperation der DFB-Stiftung Egidius Braun und der Bildungsinitiative GermanDream. Künftig werden die beiden Organisationen gemeinsam Wertedialoge veranstalten, um den teilnehmenden jungen Menschen zuzuhören, über ihre Probleme zu sprechen und ihnen wichtige Impulse für ihr Leben mit auf den Weg zu geben.

"GermanDream"? Was soll das sein? Man kennt den amerikanischen Traum, den Glauben daran, dass es jedem Menschen möglich sei, mit Persönlichkeit, harter Arbeit und einem Quäntchen Glück materiellen Reichtum zu erwirtschaften. Horatio Algers Groschenromane zu Beginn des 20. Jahrhunderts trivialisierten Vorstellungen, die etwa die Gründerväter der USA schon in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung zum Ausdruck gebracht hatten. Arthur Miller zeigte später Abgründe und Gefahren auf. 

"Meine Schüler haben abgerockt"

Aber was nun also ist dieser "deutsche Traum"? Nach 90 Minuten und ausgiebiger Nachspielzeit war eine Antwort gefunden: Die 9a der Werkrealschule Böblingen ist zumindest ein möglicher "GermanDream". 21 Schülerinnen und Schüler hatten sich im virtuellen Klassenzimmer mit Tuğba Tekkal, bis 2017 Bundesligaspielerin des 1. FC Köln (140 Spiele, 14 Tore) und Mark Pomorin, ehemals Spieler beim FC St. Pauli, über Werte unterhalten. Und die Lehrerinnen durften stolz sein. "Meine Schüler haben abgerockt", sagte Shano Rashid, Deutsch- und Ethiklehrerin an der Theodor-Heuss-Schule in Böblingen, zu ihrer Klasse. "Wir sind jetzt echt etwas gerührt. Ihr seid ein Traum."

Möglich gemacht hatten den "Wertedialog" die Bildungsinitiative "GermanDream" sowie die DFB-Stiftung Egidius Braun. Dieser "Wertedialog" war die Auftaktveranstaltung zu mehren geplanten Terminen in diesem Jahr. Was denn ihre Werte seien? Worauf es ankäme, was sei ihnen wichtig? Die Schüler*innen der 9a, eine Klasse mit vielen kulturellen "Backgrounds", etwa dem Iran, der Türkei und Kroatien, entschieden sich für: Familie, Gesundheit, Selbstständigkeit, Freunde, Gleichberechtigung und Bodenständigkeit.

Fußball vermittelt Werte und eröffnet neue Perspektiven

Tuğba Tekkals Wert ist die Freiheit. Die 36-Jährige, eines von elf Kindern einer türkisch-jesidischen Einwandererfamilie, hatte kämpfen müssen, bis sie die große Leidenschaft ihrer "Blütejahre", wie sie sagt, tatsächlich ausleben konnte. Sie wollte Fußball spielen. Aber sowohl die Freunde ihrer Brüder als auch ihre Eltern wollten nicht, dass sie das wollte. Erst als sie 16 Jahre alt war, meldete man sie im Verein an. Ein halbes Jahr später war aus der schlechten Schülerin eine deutlich bessere, aus dem verschüchterten stummen Mädchen die Schulsprecherin geworden. "Diese Bestätigung in einer Sache, die ich richtig gut konnte, machte alles andere für mich möglich. Ich habe mein Selbstbewusstsein, meine Hartnäckigkeit, meinen Willen dann vom Fußballplatz in die Schule mitgenommen. Und irgendwann war ich weg von den Fünfern und Vierern. Die Fußballschuhe haben mir das Tor zur Freiheit geöffnet."

Im Gespräch mit den Böblinger Schülerinnen und Schülern, alle zwischen 14 und 16 Jahre alt, hatte Tuğba Tekkal eine Botschaft, die bei allen gut ankam, egal ob sie im Sommer einen Ausbildungsplatz antreten, auf eine weiterführende Schule wechseln oder erst mal die Suche beginnt. "Andere Menschen glauben nicht an einen. So ist das Leben. Wichtig ist, dass man selbst niemals anfängt, nicht mehr bedingungslos an sich zu glauben." Noch etwas gab die Kölnerin den Teenagern mit auf den Weg: "Umgebt euch nicht mit Menschen, die euch immer nur defizitär betrachten."

Gespräch über Rassismus-Erfahrungen im Alltag 

Die gab es nämlich für Tekkal, auch als sie schon erfolgreiche Fußballerin war. "Die nächste Übung ist nur für Abiturientinnen. Tuğba, stell‘ dich hinten an" hatte ein Trainer mal zu ihr gesagt. Beim Auflaufen musste sie öfter hören: "Da kommt der Dönerspieß." Eine Einser-Schülerin aus einer Parallelklasse, so erzählt es die Lehrerin, saß zuletzt ein Kopftuch tragend im Bus und ihr direkt gegenüber sagten zwei Frauen: "Mit Maske sehen die noch gefährlicher aus." Eine 14-Jährige, deren Eltern aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet waren, erzählt von vor ein paar Tagen. "Eine Oma geht an mir vorbei und zischt plötzlich 'Scheiß Ausländer'."

Ein kleiner Termin zur großen Wetterlage. Dieses Gespräch über Vielfalt, über das, was uns ausmacht, was uns unterscheidet und uns zusammenhält, hört nie auf. Zum Abschluss des virtuellen Klassenzimmers wurde Artikel 3 des Grundgesetzes vorgelesen.

[th]

Knapp zwei Dutzend Schülerinnen und Schüler der Werkrealschule Böblingen kamen gestern mit ehemaligen Fußballprofis zu einem digitalen Wertedialog zusammen. Die Veranstaltung war der Auftakt zur Kooperation der DFB-Stiftung Egidius Braun und der Bildungsinitiative GermanDream. Künftig werden die beiden Organisationen gemeinsam Wertedialoge veranstalten, um den teilnehmenden jungen Menschen zuzuhören, über ihre Probleme zu sprechen und ihnen wichtige Impulse für ihr Leben mit auf den Weg zu geben.

"GermanDream"? Was soll das sein? Man kennt den amerikanischen Traum, den Glauben daran, dass es jedem Menschen möglich sei, mit Persönlichkeit, harter Arbeit und einem Quäntchen Glück materiellen Reichtum zu erwirtschaften. Horatio Algers Groschenromane zu Beginn des 20. Jahrhunderts trivialisierten Vorstellungen, die etwa die Gründerväter der USA schon in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung zum Ausdruck gebracht hatten. Arthur Miller zeigte später Abgründe und Gefahren auf. 

"Meine Schüler haben abgerockt"

Aber was nun also ist dieser "deutsche Traum"? Nach 90 Minuten und ausgiebiger Nachspielzeit war eine Antwort gefunden: Die 9a der Werkrealschule Böblingen ist zumindest ein möglicher "GermanDream". 21 Schülerinnen und Schüler hatten sich im virtuellen Klassenzimmer mit Tuğba Tekkal, bis 2017 Bundesligaspielerin des 1. FC Köln (140 Spiele, 14 Tore) und Mark Pomorin, ehemals Spieler beim FC St. Pauli, über Werte unterhalten. Und die Lehrerinnen durften stolz sein. "Meine Schüler haben abgerockt", sagte Shano Rashid, Deutsch- und Ethiklehrerin an der Theodor-Heuss-Schule in Böblingen, zu ihrer Klasse. "Wir sind jetzt echt etwas gerührt. Ihr seid ein Traum."

Möglich gemacht hatten den "Wertedialog" die Bildungsinitiative "GermanDream" sowie die DFB-Stiftung Egidius Braun. Dieser "Wertedialog" war die Auftaktveranstaltung zu mehren geplanten Terminen in diesem Jahr. Was denn ihre Werte seien? Worauf es ankäme, was sei ihnen wichtig? Die Schüler*innen der 9a, eine Klasse mit vielen kulturellen "Backgrounds", etwa dem Iran, der Türkei und Kroatien, entschieden sich für: Familie, Gesundheit, Selbstständigkeit, Freunde, Gleichberechtigung und Bodenständigkeit.

Fußball vermittelt Werte und eröffnet neue Perspektiven

Tuğba Tekkals Wert ist die Freiheit. Die 36-Jährige, eines von elf Kindern einer türkisch-jesidischen Einwandererfamilie, hatte kämpfen müssen, bis sie die große Leidenschaft ihrer "Blütejahre", wie sie sagt, tatsächlich ausleben konnte. Sie wollte Fußball spielen. Aber sowohl die Freunde ihrer Brüder als auch ihre Eltern wollten nicht, dass sie das wollte. Erst als sie 16 Jahre alt war, meldete man sie im Verein an. Ein halbes Jahr später war aus der schlechten Schülerin eine deutlich bessere, aus dem verschüchterten stummen Mädchen die Schulsprecherin geworden. "Diese Bestätigung in einer Sache, die ich richtig gut konnte, machte alles andere für mich möglich. Ich habe mein Selbstbewusstsein, meine Hartnäckigkeit, meinen Willen dann vom Fußballplatz in die Schule mitgenommen. Und irgendwann war ich weg von den Fünfern und Vierern. Die Fußballschuhe haben mir das Tor zur Freiheit geöffnet."

Im Gespräch mit den Böblinger Schülerinnen und Schülern, alle zwischen 14 und 16 Jahre alt, hatte Tuğba Tekkal eine Botschaft, die bei allen gut ankam, egal ob sie im Sommer einen Ausbildungsplatz antreten, auf eine weiterführende Schule wechseln oder erst mal die Suche beginnt. "Andere Menschen glauben nicht an einen. So ist das Leben. Wichtig ist, dass man selbst niemals anfängt, nicht mehr bedingungslos an sich zu glauben." Noch etwas gab die Kölnerin den Teenagern mit auf den Weg: "Umgebt euch nicht mit Menschen, die euch immer nur defizitär betrachten."

Gespräch über Rassismus-Erfahrungen im Alltag 

Die gab es nämlich für Tekkal, auch als sie schon erfolgreiche Fußballerin war. "Die nächste Übung ist nur für Abiturientinnen. Tuğba, stell‘ dich hinten an" hatte ein Trainer mal zu ihr gesagt. Beim Auflaufen musste sie öfter hören: "Da kommt der Dönerspieß." Eine Einser-Schülerin aus einer Parallelklasse, so erzählt es die Lehrerin, saß zuletzt ein Kopftuch tragend im Bus und ihr direkt gegenüber sagten zwei Frauen: "Mit Maske sehen die noch gefährlicher aus." Eine 14-Jährige, deren Eltern aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet waren, erzählt von vor ein paar Tagen. "Eine Oma geht an mir vorbei und zischt plötzlich 'Scheiß Ausländer'."

Ein kleiner Termin zur großen Wetterlage. Dieses Gespräch über Vielfalt, über das, was uns ausmacht, was uns unterscheidet und uns zusammenhält, hört nie auf. Zum Abschluss des virtuellen Klassenzimmers wurde Artikel 3 des Grundgesetzes vorgelesen.

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