Boy: "Wir wurden schon mit Hoffenheim verglichen"

Der 33-Jährige ist Kapitän des Tabellenletzten der 3. Liga, Holstein Kiel. Fünf Punkte beträgt der Abstand auf den ersten Nichtabstiegsplatz. Viel Holz, das weiß auch Sven Boy, der Gereon Tönnihsen im DFB.de-Exklusivinterview erklärt, warum er dennoch weiter an den Klassenverbleib glaubt.

DFB.de: Herr Boy, Sie standen als Kieler Spielführer gegen Wuppertal nicht im Kader. Warum?

Sven Boy: Weil ich einen Magen-Darm-Virus hatte. Bis auf ein, zwei Spieler hat das in unserer Mannschaft seit zwei Wochen die Runde gemacht, vom Zeugwart bis zum Physiotherapeuten. Unser Trainer Christian Wück ist bislang verschont geblieben. Ich habe das Spiel nur zu Hause im Live-Ticker verfolgen können. Seit Montag geht es mir endlich wieder besser. Ich muss jetzt erst mal den Kreislauf in Schwung bringen. Für das Spiel am Mittwoch gegen Stuttgart wird es wohl noch nicht reichen.

DFB.de: Gewinnt Kiel trotzdem?

Boy: Das hoffe ich. Es war sehr bitter, dass wir die Heimspiele gegen Unterhaching und Wuppertal nicht gewonnen haben. Die beiden Unentschieden bringen uns nicht wirklich weiter. Wir haben viel investiert, waren offensiv ausgerichtet, die Einstellung hat gepasst. Gegen Haching haben wir zweimal geführt, es aber nicht geschafft, den Sieg über die Zeit zu bringen. In solchen Spielen entscheiden oft Kleinigkeiten, die dann eine Riesenwirkung haben, leichte Ballverluste zum Beispiel. Uns fehlt ganz eindeutig die nötige Stabilität. Stuttgart ist eine Mannschaft, die noch in unserer Reichweite liegt. Wir müssen gewinnen, damit wir nicht den Anschluss verlieren. Jetzt zählen nur noch Siege. Gerade auswärts, wo wir oft belächelt wurden, wollen wir einen Befreiungsschlag schaffen.

DFB.de: Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass Kiel mit fünf Punkten Abstand zum rettenden Ufer Tabellenletzter ist?

Boy: Offensichtlich ist, dass wir zu viele Gegentore bei Standardsituationen bekommen. Da müssen wir einfach wacher, robuster und präsenter sein. Auch bei unseren eigenen Standards haben wir Probleme und treffen einfach zu selten. Das muss sich ändern, wenn wir noch drin bleiben wollen. Wir machen leichte Fehler, lassen zu viele Torchancen liegen. Bis auf drei, vier Spiele hätten wir eigentlich immer als Sieger vom Platz gehen können. Das ist das Ärgerliche: Wir betreiben einen riesigen Aufwand und stehen am Ende doch viel zu oft mit leeren Händen da.

DFB.de: Ist das vielleicht auch eine Frage der Qualität?

Boy: Das denke ich nicht. Wir haben eine gute Mischung in der Mannschaft. Spieler wie Müller und Jerat haben schon Erfahrung in Liga drei, andere wie Lamprecht, Henzler, Guscinas oder auch ich haben mal höherklassig gespielt. Und dann haben wir eben noch viele junge Leute wie Hummel oder Bruns. Das Potenzial ist vorhanden, aber wir setzen es zu selten um. Noch haben wir alle Möglichkeiten. Wir müssen uns in jedem Spiel mit aller Macht gegen den Abstieg stemmen.

DFB.de: Vor gut einem Jahr übernahm Falko Götz das Training der „Störche“. Offen wurde davon gesprochen, es sei das Ziel des Vereins, bis 2012 in der 2. Bundesliga zu sein - genau 100 Jahre nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Dieses Ziel ist, Stand März 2010, weit weg. Was ist davon geblieben?

Boy: Uns als Mannschaft war von Anfang an klar, dass wir nach unserem Aufstieg im Sommer erst mal gucken wollten, dass wir die Klasse halten. Wir hatten und haben einige Spieler dabei, die noch nie auf diesem Niveau gespielt haben. Aber wir wurden in der Öffentlichkeit ja sogar schon mit Hoffenheim verglichen, als Mitfavorit um den Aufstieg bezeichnet. Natürlich ehrt einen das, aber es war von der Realität eben ein gutes Stück entfernt. Dazu kommt, dass es bislang ein sehr turbulentes Jahr war.

DFB.de: Sie meinen den Wirbel um Ihren Ex-Trainer Falko Götz?

Boy: Ja, die Sache ging ja bis vors Arbeitsgericht. Wir haben dann einen Interimstrainer bekommen und schließlich Christian Wück. Auch von Co-Trainer Andreas Thom und Torwarttrainer Klaus Thomforde hat sich der Verein getrennt. Wir als Spieler haben uns allein auf unsere Leistung auf dem Platz zu konzentrieren, aber ganz unbeeindruckt lässt einen das nicht.

DFB.de: Wie ist derzeit die Stimmung in der Mannschaft?

Boy: Jeder spürt einen Rucksack auf dem Rücken, und mit jeder Niederlage kommt ein weiterer Stein hinein. Der Ton ist darum mitunter recht schroff, der Konkurrenzkampf ist in vollem Gange. Aber das gehört alles dazu. Wichtig ist, dass jeder will und engagiert ist. Das darf aber auch nicht ins Negative ausschlagen, so dass man nachher übermotiviert ist.

DFB.de: Was können Sie als Kapitän in solch einer Situation tun?

Boy: In den vergangenen Tagen relativ wenig, da lag ich im Bett. (lacht) Aber im Ernst: Ich lebe Fußball und will in Sachen Einsatz ein Vorbild sein. Jeder muss die richtige Einstellung mitbringen. Individuelle Klasse allein reicht nicht aus. Wichtig ist auch die Überzeugung. Schon wenn wir auf dem Weg zum Spiel sind, müssen wir wissen: Wir wollen und werden dieses Spiel gewinnen.

DFB.de: Sie sind seit fast sechs Jahren im Verein, haben Höhen und Tiefen mitgemacht. Haben Sie die Hoffnung, dass in Kiel bald Ruhe einkehrt?

Boy: Die Verantwortlichen sind ja schon dabei, noch mehr Professionalität hereinzubringen. Ein neuer Geschäftsführer ist gekommen, auch ein neuer Sportlicher Leiter. Die Trainingsbedingungen sind besser geworden, und unsere A- und B-Junioren spielen in der Bundesliga. Wir sind hinter den Handballern vom THW oft belächelt worden in der Stadt. Es ist richtig, in der Landeshauptstadt etwas aufzubauen. Viele gute und junge Spieler werden in nächster Zeit aus den eigenen Reihen in den Seniorenbereich wechseln. Allein schon das muss ein Ansporn sein, die Klasse zu halten. Ich bin jetzt 33. So lange werde ich nicht mehr spielen. Ich will etwas Anständiges hinterlassen. Oliver Kahns Leitspruch „Immer weitermachen“ gilt auch für uns. Wir werden bis zum letzten Spiel unsere Chance suchen, in jedem Training alles geben, damit wir bis zum Schluss im Rennen bleiben. 2007 sind wir nach guter Rückrunde nur wegen des schlechteren Torverhältnisses abgestiegen. Vielleicht wendet sich diesmal das Glück.

DFB.de: Was würde denn ein Abstieg bedeuten?

Boy: Das kann ich schwer sagen. Ich hoffe und glaube natürlich, dass es nicht so weit kommt. Falls doch, hoffe ich, dass wir weiter von unserem Umfeld unterstützt werden - und dass Holstein Kiel sich weiter entwickelt.

DFB.de: Und was ist mit Ihnen?

Boy: Ich bin topfit und traue mir zu, noch mindestens ein Jahr zu spielen. Ich hoffe, in der 3. Liga.

DFB.de: In Kiel oder anderswo?

Boy: Ich möchte nicht mehr wechseln. Ich fühle mich in Kiel wohl. Es wird sicher bald Gespräche geben, auch wenn mir klar ist, dass es in unserer derzeitigen Lage dafür nie einen guten Termin geben kann. Dann werden wir vielleicht auch darüber reden, ob ich nach meiner Laufbahn im Verein bleibe.

Zur Person: Sven Boy

Sven Boy, geboren am 2. Oktober 1976, kam über den FC Schöningen 08 und den VfL Wolfsburg als 18-Jähriger zu Eintracht Braunschweig, wo er drei Jahre blieb. Nach einjährigen Gastspielen bei Arminia Bielefeld und dem VfL Bochum schloss er sich im Jahr 2000 der SpVgg Greuther Fürth an. 2003 wechselte er zum VfB Lübeck, seit 2004 läuft er für Holstein Kiel auf. Für ihn stehen 117 Zweitliga- (ein Tor), elf Drittliga- sowie 109 Regionalligaspiele (sechs Tore) zu Buche.

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Der 33-Jährige ist Kapitän des Tabellenletzten der 3. Liga, Holstein Kiel. Fünf Punkte beträgt der Abstand auf den ersten Nichtabstiegsplatz. Viel Holz, das weiß auch Sven Boy, der Gereon Tönnihsen im DFB.de-Exklusivinterview erklärt, warum er dennoch weiter an den Klassenverbleib glaubt.

DFB.de: Herr Boy, Sie standen als Kieler Spielführer gegen Wuppertal nicht im Kader. Warum?

Sven Boy: Weil ich einen Magen-Darm-Virus hatte. Bis auf ein, zwei Spieler hat das in unserer Mannschaft seit zwei Wochen die Runde gemacht, vom Zeugwart bis zum Physiotherapeuten. Unser Trainer Christian Wück ist bislang verschont geblieben. Ich habe das Spiel nur zu Hause im Live-Ticker verfolgen können. Seit Montag geht es mir endlich wieder besser. Ich muss jetzt erst mal den Kreislauf in Schwung bringen. Für das Spiel am Mittwoch gegen Stuttgart wird es wohl noch nicht reichen.

DFB.de: Gewinnt Kiel trotzdem?

Boy: Das hoffe ich. Es war sehr bitter, dass wir die Heimspiele gegen Unterhaching und Wuppertal nicht gewonnen haben. Die beiden Unentschieden bringen uns nicht wirklich weiter. Wir haben viel investiert, waren offensiv ausgerichtet, die Einstellung hat gepasst. Gegen Haching haben wir zweimal geführt, es aber nicht geschafft, den Sieg über die Zeit zu bringen. In solchen Spielen entscheiden oft Kleinigkeiten, die dann eine Riesenwirkung haben, leichte Ballverluste zum Beispiel. Uns fehlt ganz eindeutig die nötige Stabilität. Stuttgart ist eine Mannschaft, die noch in unserer Reichweite liegt. Wir müssen gewinnen, damit wir nicht den Anschluss verlieren. Jetzt zählen nur noch Siege. Gerade auswärts, wo wir oft belächelt wurden, wollen wir einen Befreiungsschlag schaffen.

DFB.de: Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass Kiel mit fünf Punkten Abstand zum rettenden Ufer Tabellenletzter ist?

Boy: Offensichtlich ist, dass wir zu viele Gegentore bei Standardsituationen bekommen. Da müssen wir einfach wacher, robuster und präsenter sein. Auch bei unseren eigenen Standards haben wir Probleme und treffen einfach zu selten. Das muss sich ändern, wenn wir noch drin bleiben wollen. Wir machen leichte Fehler, lassen zu viele Torchancen liegen. Bis auf drei, vier Spiele hätten wir eigentlich immer als Sieger vom Platz gehen können. Das ist das Ärgerliche: Wir betreiben einen riesigen Aufwand und stehen am Ende doch viel zu oft mit leeren Händen da.

DFB.de: Ist das vielleicht auch eine Frage der Qualität?

Boy: Das denke ich nicht. Wir haben eine gute Mischung in der Mannschaft. Spieler wie Müller und Jerat haben schon Erfahrung in Liga drei, andere wie Lamprecht, Henzler, Guscinas oder auch ich haben mal höherklassig gespielt. Und dann haben wir eben noch viele junge Leute wie Hummel oder Bruns. Das Potenzial ist vorhanden, aber wir setzen es zu selten um. Noch haben wir alle Möglichkeiten. Wir müssen uns in jedem Spiel mit aller Macht gegen den Abstieg stemmen.

DFB.de: Vor gut einem Jahr übernahm Falko Götz das Training der „Störche“. Offen wurde davon gesprochen, es sei das Ziel des Vereins, bis 2012 in der 2. Bundesliga zu sein - genau 100 Jahre nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Dieses Ziel ist, Stand März 2010, weit weg. Was ist davon geblieben?

Boy: Uns als Mannschaft war von Anfang an klar, dass wir nach unserem Aufstieg im Sommer erst mal gucken wollten, dass wir die Klasse halten. Wir hatten und haben einige Spieler dabei, die noch nie auf diesem Niveau gespielt haben. Aber wir wurden in der Öffentlichkeit ja sogar schon mit Hoffenheim verglichen, als Mitfavorit um den Aufstieg bezeichnet. Natürlich ehrt einen das, aber es war von der Realität eben ein gutes Stück entfernt. Dazu kommt, dass es bislang ein sehr turbulentes Jahr war.

DFB.de: Sie meinen den Wirbel um Ihren Ex-Trainer Falko Götz?

Boy: Ja, die Sache ging ja bis vors Arbeitsgericht. Wir haben dann einen Interimstrainer bekommen und schließlich Christian Wück. Auch von Co-Trainer Andreas Thom und Torwarttrainer Klaus Thomforde hat sich der Verein getrennt. Wir als Spieler haben uns allein auf unsere Leistung auf dem Platz zu konzentrieren, aber ganz unbeeindruckt lässt einen das nicht.

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DFB.de: Wie ist derzeit die Stimmung in der Mannschaft?

Boy: Jeder spürt einen Rucksack auf dem Rücken, und mit jeder Niederlage kommt ein weiterer Stein hinein. Der Ton ist darum mitunter recht schroff, der Konkurrenzkampf ist in vollem Gange. Aber das gehört alles dazu. Wichtig ist, dass jeder will und engagiert ist. Das darf aber auch nicht ins Negative ausschlagen, so dass man nachher übermotiviert ist.

DFB.de: Was können Sie als Kapitän in solch einer Situation tun?

Boy: In den vergangenen Tagen relativ wenig, da lag ich im Bett. (lacht) Aber im Ernst: Ich lebe Fußball und will in Sachen Einsatz ein Vorbild sein. Jeder muss die richtige Einstellung mitbringen. Individuelle Klasse allein reicht nicht aus. Wichtig ist auch die Überzeugung. Schon wenn wir auf dem Weg zum Spiel sind, müssen wir wissen: Wir wollen und werden dieses Spiel gewinnen.

DFB.de: Sie sind seit fast sechs Jahren im Verein, haben Höhen und Tiefen mitgemacht. Haben Sie die Hoffnung, dass in Kiel bald Ruhe einkehrt?

Boy: Die Verantwortlichen sind ja schon dabei, noch mehr Professionalität hereinzubringen. Ein neuer Geschäftsführer ist gekommen, auch ein neuer Sportlicher Leiter. Die Trainingsbedingungen sind besser geworden, und unsere A- und B-Junioren spielen in der Bundesliga. Wir sind hinter den Handballern vom THW oft belächelt worden in der Stadt. Es ist richtig, in der Landeshauptstadt etwas aufzubauen. Viele gute und junge Spieler werden in nächster Zeit aus den eigenen Reihen in den Seniorenbereich wechseln. Allein schon das muss ein Ansporn sein, die Klasse zu halten. Ich bin jetzt 33. So lange werde ich nicht mehr spielen. Ich will etwas Anständiges hinterlassen. Oliver Kahns Leitspruch „Immer weitermachen“ gilt auch für uns. Wir werden bis zum letzten Spiel unsere Chance suchen, in jedem Training alles geben, damit wir bis zum Schluss im Rennen bleiben. 2007 sind wir nach guter Rückrunde nur wegen des schlechteren Torverhältnisses abgestiegen. Vielleicht wendet sich diesmal das Glück.

DFB.de: Was würde denn ein Abstieg bedeuten?

Boy: Das kann ich schwer sagen. Ich hoffe und glaube natürlich, dass es nicht so weit kommt. Falls doch, hoffe ich, dass wir weiter von unserem Umfeld unterstützt werden - und dass Holstein Kiel sich weiter entwickelt.

DFB.de: Und was ist mit Ihnen?

Boy: Ich bin topfit und traue mir zu, noch mindestens ein Jahr zu spielen. Ich hoffe, in der 3. Liga.

DFB.de: In Kiel oder anderswo?

Boy: Ich möchte nicht mehr wechseln. Ich fühle mich in Kiel wohl. Es wird sicher bald Gespräche geben, auch wenn mir klar ist, dass es in unserer derzeitigen Lage dafür nie einen guten Termin geben kann. Dann werden wir vielleicht auch darüber reden, ob ich nach meiner Laufbahn im Verein bleibe.

Zur Person: Sven Boy

Sven Boy, geboren am 2. Oktober 1976, kam über den FC Schöningen 08 und den VfL Wolfsburg als 18-Jähriger zu Eintracht Braunschweig, wo er drei Jahre blieb. Nach einjährigen Gastspielen bei Arminia Bielefeld und dem VfL Bochum schloss er sich im Jahr 2000 der SpVgg Greuther Fürth an. 2003 wechselte er zum VfB Lübeck, seit 2004 läuft er für Holstein Kiel auf. Für ihn stehen 117 Zweitliga- (ein Tor), elf Drittliga- sowie 109 Regionalligaspiele (sechs Tore) zu Buche.