Borowski: "Miro und ich haben uns blind verstanden"

Ein Duell mit Geschichte: 2006, genau heute vor vier Jahren, trafen sich Deutschland und Argentinien bereits im Viertelfinale der WM, damals in Berlin. Und Tim Borowski war einer der Matchwinner. Erst bereitete der Bremer das späte 1:1-Ausgleichstor seines Mannschaftskollegen Miroslav Klose vor, dann verwandelte er im Elfmeterschießen souverän.

Am Samstag (ab 16 Uhr, live im ZDF und bei Sky) wird der heute 30-Jährige das WM-Viertelfinale anno 2010 mit Freunden daheim in Bremen schauen - und so manches Mal an jenen 30. Juni 2006 denken. DFB.de-Redakteur Gereon Tönnihsen hat mit Borowski gesprochen.

DFB.de: Herr Borowski, was ging in Ihnen vor, als klar war, dass Deutschland wieder im WM-Viertelfinale gegen Argentinien spielen würde?

Tim Borowski: Klar, ich habe dann auch an das Spiel von 2006 denken müssen. Aber zunächst mal muss man der deutschen Mannschaft gratulieren zu dem grandiosen Sieg gegen die Engländer. Das war eine klare Angelegenheit, eine sehr überzeugende Leistung. Dass es jetzt gegen Argentinien geht, ist eine schöne Sache. Es wird ein sehr interessantes, intensives Spiel werden. Die Mannschaften haben sich im Vergleich zu 2006 stark verändert, unsere vor allem. Ich freue mich riesig auf das Spiel und hoffe, dass wir weiterkommen werden.

DFB.de: Vor vier Jahren sind Sie eine Viertelstunde vor dem Ende der regulären Spielzeit eingewechselt worden, haben dann fünf Minuten später gleich den Ausgleich vorbereitet. Trainer Jürgen Klinsmann scheint ein gutes Händchen gehabt zu haben.

Borowski: Kann man sagen. Wie es in mir aussah, kann sich vermutlich jeder vorstellen. Die Freude war unbeschreiblich. Die Vorlage zum 1:1 von Miro Klose war ein sehr emotionaler Moment, einer der wichtigsten Assists meiner Karriere. Vor allem, weil das Tor in einer Phase fiel, in der nach vorne nicht mehr viel zu gehen schien. Das 1:1 hat die Argentinier dann völlig aus dem Konzept gebracht, und wir haben wieder die Oberhand gewonnen - und den unbedingten Glauben daran, dass wir das Halbfinale würden erreichen können. Das war nicht nur für uns als Mannschaft wichtig, sondern auch für alle Fans, die in Berlin vor Ort waren.

DFB.de: War der Glaube denn nicht mehr vorhanden gewesen?

Borowski: Doch schon. Was ich nur meine, ist, dass Argentinien das Spiel kontrollierte und eigentlich nichts anbrennen ließ. Man hat das ja auch an den Auswechslungen gesehen. Argentiniens Trainer Pekerman hat Riquelme und Crespo vom Platz genommen, um das Ergebnis zu sichern. Unser Trainer hat zwei, drei wichtige Spieler reingebracht. (lacht) Er musste etwas verändern, das hat die Situation erfordert. Und es lief dann ja auch ganz gut.



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Ein Duell mit Geschichte: 2006, genau heute vor vier Jahren, trafen sich Deutschland und Argentinien bereits im Viertelfinale der WM, damals in Berlin. Und Tim Borowski war einer der Matchwinner. Erst bereitete der Bremer das späte 1:1-Ausgleichstor seines Mannschaftskollegen Miroslav Klose vor, dann verwandelte er im Elfmeterschießen souverän.

Am Samstag (ab 16 Uhr, live im ZDF und bei Sky) wird der heute 30-Jährige das WM-Viertelfinale anno 2010 mit Freunden daheim in Bremen schauen - und so manches Mal an jenen 30. Juni 2006 denken. DFB.de-Redakteur Gereon Tönnihsen hat mit Borowski gesprochen.

DFB.de: Herr Borowski, was ging in Ihnen vor, als klar war, dass Deutschland wieder im WM-Viertelfinale gegen Argentinien spielen würde?

Tim Borowski: Klar, ich habe dann auch an das Spiel von 2006 denken müssen. Aber zunächst mal muss man der deutschen Mannschaft gratulieren zu dem grandiosen Sieg gegen die Engländer. Das war eine klare Angelegenheit, eine sehr überzeugende Leistung. Dass es jetzt gegen Argentinien geht, ist eine schöne Sache. Es wird ein sehr interessantes, intensives Spiel werden. Die Mannschaften haben sich im Vergleich zu 2006 stark verändert, unsere vor allem. Ich freue mich riesig auf das Spiel und hoffe, dass wir weiterkommen werden.

DFB.de: Vor vier Jahren sind Sie eine Viertelstunde vor dem Ende der regulären Spielzeit eingewechselt worden, haben dann fünf Minuten später gleich den Ausgleich vorbereitet. Trainer Jürgen Klinsmann scheint ein gutes Händchen gehabt zu haben.

Borowski: Kann man sagen. Wie es in mir aussah, kann sich vermutlich jeder vorstellen. Die Freude war unbeschreiblich. Die Vorlage zum 1:1 von Miro Klose war ein sehr emotionaler Moment, einer der wichtigsten Assists meiner Karriere. Vor allem, weil das Tor in einer Phase fiel, in der nach vorne nicht mehr viel zu gehen schien. Das 1:1 hat die Argentinier dann völlig aus dem Konzept gebracht, und wir haben wieder die Oberhand gewonnen - und den unbedingten Glauben daran, dass wir das Halbfinale würden erreichen können. Das war nicht nur für uns als Mannschaft wichtig, sondern auch für alle Fans, die in Berlin vor Ort waren.

DFB.de: War der Glaube denn nicht mehr vorhanden gewesen?

Borowski: Doch schon. Was ich nur meine, ist, dass Argentinien das Spiel kontrollierte und eigentlich nichts anbrennen ließ. Man hat das ja auch an den Auswechslungen gesehen. Argentiniens Trainer Pekerman hat Riquelme und Crespo vom Platz genommen, um das Ergebnis zu sichern. Unser Trainer hat zwei, drei wichtige Spieler reingebracht. (lacht) Er musste etwas verändern, das hat die Situation erfordert. Und es lief dann ja auch ganz gut.

DFB.de: Beschreiben Sie bitte noch mal die Szene, wie das Tor zum 1:1 zu Stande kam.

Borowski: Wir sind im Angriff. Michael Ballack kommt über unsere linke Angriffsseite, setzt sich im Zweikampf durch. Ich spekuliere darauf, dass er den Ball weit in den Strafraum bringt und laufe mich frei. Der Ball kommt dann auch wirklich. Ich sehe, dass Miro sich in Position bringt. Wir haben ja damals auch bei Werder Bremen zusammen gespielt und uns praktisch blind verstanden, kannten unsere Laufwege. Deshalb brauchte ich den Ball nur dahin zu köpfen, wo Miro stand. Und er hat ihn dann reingemacht.

DFB.de: Sie haben die ersten 73 Minuten des Spiels auf der Bank verbracht. Ist die Anspannung dann größer, als wenn man auf dem Spielfeld steht?

Borowski: Ja, weil man auf der Bank machtlos ist. Man fiebert mit der Mannschaft mit, drückt die Daumen, würde am liebsten selbst spielen, kann dies aber nicht tun, aus welchem Grund auch immer. Man hofft die ganze Zeit, dass man reinkommt und seinen Beitrag leisten kann.

DFB.de: Kann man es denn ausblenden, dass man gerade ein Turnier im eigenen Land hat und die ganze Welt auf einen schaut?

Borowski: Man muss es und kann es auch. Der Druck war schon außergewöhnlich, noch viel größer als in der Bundesliga. Viele haben auf uns geschaut. Aber wir waren vorbereitet. Nach dem zweiten Gruppenspiel, dem 1:0 gegen Polen, haben wir alle überzeugen und mitreißen können. Von da an war der Druck im Grunde weg, und alles lief wie im Rausch.

DFB.de: Aus dem Spiel heraus fiel anschließend kein Tor mehr. Es gab Elfmeterschießen, auch Sie sind angetreten und haben Ihren Elfmeter verwandelt. Waren Sie arg nervös oder so fokussiert, dass alles nebensächlich wurde, außer den Ball ins Tor zu schießen?

Borowski: Man kann im Film „Deutschland - ein Sommermärchen“ sehen, dass wir schon Elfmeter trainiert hatten. Aber auf so eine Drucksituation wie in einem WM-Viertelfinale kann man sich nicht wirklich vorbereiten. Das Tor wird auf einmal so groß wie ein Eishockeytor. Da muss man versuchen, sich zu konzentrieren, die Ruhe zu bewahren, alles auszublenden, was einen ablenken könnte.

DFB.de: Was Ihnen gelungen zu sein scheint.

Borowski: Ich fühlte mich gut. Ich wusste, dass ich tags zuvor im Training gute Elfmeter geschossen hatte. Deshalb war ich mir ziemlich sicher, dass ich den im Spiel auch verwandeln würde. Darauf war ich fokussiert.

DFB.de: Es ist anschließend viel darüber spekuliert worden, ob es für Deutschland ein Vorteil war, dass sich Argentiniens Stammtorwart Abbondanzieri im Spiel verletzt hat. Er galt als Elfmeterkiller.

Borowski: So eine Spekulation ist müßig, sie bringt nichts. Darüber kann man in zehn Jahren noch sprechen und wird doch keine Antwort bekommen. Fakt ist, dass unsere Elfmeter allesamt gut geschossen waren.

DFB.de: Nach dem Spiel kam es dann zu einer Rangelei. Wie haben Sie diese Szenen miterlebt?

Borowski: Relativ unbeteiligt. Ich habe nur gesehen, dass einige Argentinier auf einmal durchgedreht sind. So etwas gehört nicht auf den Platz. Außerdem war es bitter, dass anschließend Torsten Frings gesperrt wurde. Es war auch generell sehr schade. Das Spiel war intensiv und von der Spannung geprägt. Darüber sollte man reden und nicht über Szenen nach dem Spiel.

DFB.de: Glauben Sie, dass die Vorkommnisse von damals heute noch eine Rolle spielen?

Borowski: Nein, das glaube ich auf keinen Fall. In vier Jahren hat man so viele Spiele, auch gegeneinander. Daran wird keiner mehr denken. Zumal die Spieler ja auch zum Teil nicht mehr die selben sind.

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DFB.de: Wie haben sich die Mannschaften seither verändert?

Borowski: Sie sind jünger geworden, das vor allem. Ich fand, dass Deutschland neben Argentinien bislang die interessantesten Spiele geboten hat. Das sind zum Teil junge, aber schon sehr erfahrene Spieler, die ein großes Potenzial und eine große Qualität haben. Bei uns zieht Jörg Butt, er möge es mir verzeihen, den Altersschnitt mit seinen 36 Jahren, ganz schön nach oben. Deshalb glaube ich, dass wir über Jahre eine sehr starke Truppe beisammen haben.

DFB.de: Sie sind von Haus aus defensiver Mittelfeldspieler. Wie kann man Lionel Messi stoppen?

Borowski: Messi ist ein Ausnahmefußballer. Er ist einfach besonders. Es gibt kein Patentrezept, ihn zu stoppen. Das kann man nur mit einer cleveren Taktik schaffen, zum Beispiel indem man versucht, Pässe auf ihn zu unterbinden, so dass er kaum ins Spiel findet. Aber immer auszuschalten ist er nicht.

DFB.de: Aber Argentinien ist ja auch mehr als Messi, wie man in den bisherigen Spielen konnte.

Borowski: Ja, das sehe ich auch so. Aber ich finde, dass eine Vorrunde so viel gar nicht aussagt. Das hat man bei uns doch gesehen. Nach dem zweiten Spiel und dem 0:1 gegen Serbien kam hierzulande plötzlich wieder Kritik auf. Und was ist jetzt? Serbien ist draußen, und wir sind im Viertelfinale, alles beim Alten. Deshalb: Warten wir ab, was noch kommt.

DFB.de: Was erwarten Sie denn vom Spiel?

Borowski: Ich hoffe, dass wir einen Sieg einfahren. Das Potenzial haben wir.

DFB.de: Ihr Bremer Mitspieler Mesut Özil schwingt sich immer mehr zum Taktgeber im deutschen Spiel auf. Überrascht Sie das?

Borowski: Nein, überhaupt nicht. Ich kenne sein Potenzial, wenn er mental gut drauf ist, kann er jeden Gegner an die Wand spielen. Das war ja auch gegen England zu sehen, als er vor dem 4:1 seinen Gegenspieler stehen ließ. Alle reden von internationalen Topstars, aber schauen Sie sich unsere Mannschaft an: Wir haben viele Spieler, die auch in diese Reihe gehören wie Özil, Lahm, Schweinsteiger und noch einige andere.

DFB.de: Was trauen Sie Deutschland und Argentinien bei dem Turnier zu?

Borowski: Ich denke, dass die Mannschaft, die sich in dem direkten Duell durchsetzt, ein gewichtiges Wort um den WM-Titel mitreden wird. Und ich hoffe natürlich, dass das Deutschland sein wird.

DFB.de: Stehen Sie mit einigen Spielern in Kontakt?

Borowski: Mit Per Mertesacker schreibe ich ab und an SMS und wünsche ihm viel Glück. Was man halt so schreibt in so einer Situation. Ich hoffe, dass er noch lange im Turnier bleibt.

DFB.de: Wie verfolgen Sie die WM?

Borowski: Vor dem Fernseher. Und auch dabei ist eine gewisse Anspannung da. Bislang hat die deutsche Mannschaft aber uns allen viel Spaß gemacht.