Bochums Pokal-Sensation 1968: "Gemerkt, dass was in der Luft lag"

Vor genau 50 Jahren hat der VfL Bochum für eine der größten Überraschungen im DFB-Pokal gesorgt. In der Saison 1967/1968 gelang dem damaligen Regionalligisten der Durchmarsch bis ins Endspiel. Auf dem Weg ins Finale räumten die Bochumer unter anderem den Titelverteidiger und amtierenden Europapokalsieger FC Bayern München aus dem Weg. Im Endspiel kassierten die Bochumer dann jedoch ein 1:4 gegen den 1. FC Köln.

Zwei Eckpfeiler jener Bochumer Mannschaften waren Torwart und Kapitän Horst Christopeit (78) sowie das VfL-Ugestein Gerd Wiesemes (74). Im DFB.de-Doppelinterview reisen beide gemeinsam 50 Jahre in die Vergangenheit zurück und erinnern sich an das Duell mit den Münchnern. Aber sie erzählen auch von überfüllten Stadien, von dritten Halbzeiten in der Vereinsgaststätte und von einer schlimmen Magen-Darm-Verstimmung nach dem Konsum von Kirschen und Bier am Tag vor dem Endspiel.

DFB.de: Herr Christopeit, Herr Wiesemes, was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie an die legendäre DFB-Pokalsaison des VfL Bochum in der Saison 1967/1968 denken?

Gerd Wiesemes: Der Sieg gegen den FC Bayern im Halbfinale überstrahlt alles. Ein größeres Ereignis hatte Bochum vorher noch nicht erlebt. 40.000 Fans waren im Stadion. Hinterher gab es eine riesige Party in der Stadt.

Horst Christopeit: Ich weiß noch, dass ich Schwierigkeiten hatte, meine Abstöße auszuführen. Das Stadion war völlig überfüllt. Heutzutage wäre das überhaupt nicht mehr vorstellbar. Die Anhänger standen praktisch direkt an den Seitenauslinien. Und das ist keine Übertreibung. Vor meinen Abstößen musste ich mir immer erst etwas Platz schaffen. So etwas hatte ich vorher noch nie erlebt.

Wiesemes: Bei Ecken oder Einwürfen hatten wir die gleichen Probleme. Nach heutigen Maßstäben hätten maximal 20.000 Zuschauer in dieses Stadion gedurft. Aber das war damals noch eine andere Zeit.

DFB.de: Wie haben Sie die Partie erlebt?

Wiesemes: Als ich mich vor dem Duell warm gemacht habe, war es im Stadion total still. Man hat gemerkt, dass irgendetwas in der Luft lag. Ich habe dann zum ersten Mal Franz Beckenbauer live gesehen. Er stand auf der anderen Seite in einem grünen Trainingsanzug. Ich wusste, dass wir ihn aus dem Spiel nehmen müssen.

Christopeit: Bayern war zu dieser Zeit Titelverteidiger im DFB-Pokal und hatte den Europapokal gewonnen. Dort standen neben Franz Beckenbauer große Spieler wie Sepp Maier, Gerd Müller und Georg Schwarzenbeck unter Vertrag.

Wiesemes: Aber wir waren uns dennoch vorher sicher, dass wir auch diese Partie gewinnen werden. Niemand von uns hat einen Gedanken an eine Niederlage verschwendet. Ich weiß nicht, woher diese Überzeugung kam. Sie war einfach da.

Christopeit: Die Tore für uns sind natürlich genau zum richtigen Zeitpunkt gefallen. Jürgen Jansen hat früh das 1:0 gemacht. Werner Balte hat kurz nach der Pause auf 2:0 erhöht. Bayern ist erst in der Schlussminute durch Rainer Ohlhauser der Anschlusstreffer gelungen. Da war es zu spät. Die Sensation war perfekt.



Vor genau 50 Jahren hat der VfL Bochum für eine der größten Überraschungen im DFB-Pokal gesorgt. In der Saison 1967/1968 gelang dem damaligen Regionalligisten der Durchmarsch bis ins Endspiel. Auf dem Weg ins Finale räumten die Bochumer unter anderem den Titelverteidiger und amtierenden Europapokalsieger FC Bayern München aus dem Weg. Im Endspiel kassierten die Bochumer dann jedoch ein 1:4 gegen den 1. FC Köln.

Zwei Eckpfeiler jener Bochumer Mannschaften waren Torwart und Kapitän Horst Christopeit (78) sowie das VfL-Ugestein Gerd Wiesemes (74). Im DFB.de-Doppelinterview reisen beide gemeinsam 50 Jahre in die Vergangenheit zurück und erinnern sich an das Duell mit den Münchnern. Aber sie erzählen auch von überfüllten Stadien, von dritten Halbzeiten in der Vereinsgaststätte und von einer schlimmen Magen-Darm-Verstimmung nach dem Konsum von Kirschen und Bier am Tag vor dem Endspiel.

DFB.de: Herr Christopeit, Herr Wiesemes, was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie an die legendäre DFB-Pokalsaison des VfL Bochum in der Saison 1967/1968 denken?

Gerd Wiesemes: Der Sieg gegen den FC Bayern im Halbfinale überstrahlt alles. Ein größeres Ereignis hatte Bochum vorher noch nicht erlebt. 40.000 Fans waren im Stadion. Hinterher gab es eine riesige Party in der Stadt.

Horst Christopeit: Ich weiß noch, dass ich Schwierigkeiten hatte, meine Abstöße auszuführen. Das Stadion war völlig überfüllt. Heutzutage wäre das überhaupt nicht mehr vorstellbar. Die Anhänger standen praktisch direkt an den Seitenauslinien. Und das ist keine Übertreibung. Vor meinen Abstößen musste ich mir immer erst etwas Platz schaffen. So etwas hatte ich vorher noch nie erlebt.

Wiesemes: Bei Ecken oder Einwürfen hatten wir die gleichen Probleme. Nach heutigen Maßstäben hätten maximal 20.000 Zuschauer in dieses Stadion gedurft. Aber das war damals noch eine andere Zeit.

DFB.de: Wie haben Sie die Partie erlebt?

Wiesemes: Als ich mich vor dem Duell warm gemacht habe, war es im Stadion total still. Man hat gemerkt, dass irgendetwas in der Luft lag. Ich habe dann zum ersten Mal Franz Beckenbauer live gesehen. Er stand auf der anderen Seite in einem grünen Trainingsanzug. Ich wusste, dass wir ihn aus dem Spiel nehmen müssen.

Christopeit: Bayern war zu dieser Zeit Titelverteidiger im DFB-Pokal und hatte den Europapokal gewonnen. Dort standen neben Franz Beckenbauer große Spieler wie Sepp Maier, Gerd Müller und Georg Schwarzenbeck unter Vertrag.

Wiesemes: Aber wir waren uns dennoch vorher sicher, dass wir auch diese Partie gewinnen werden. Niemand von uns hat einen Gedanken an eine Niederlage verschwendet. Ich weiß nicht, woher diese Überzeugung kam. Sie war einfach da.

Christopeit: Die Tore für uns sind natürlich genau zum richtigen Zeitpunkt gefallen. Jürgen Jansen hat früh das 1:0 gemacht. Werner Balte hat kurz nach der Pause auf 2:0 erhöht. Bayern ist erst in der Schlussminute durch Rainer Ohlhauser der Anschlusstreffer gelungen. Da war es zu spät. Die Sensation war perfekt.

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DFB.de: Wird es dieser Saison überhaupt gerecht, alles nur auf dieses 2:1 gegen München zu reduzieren?

Christopeit: Nicht wirklich. Erst haben wir den DFB-Pokal nicht so richtig ernst genommen. Ganz am Anfang hat ja niemand ahnen können, wie sich die ganze Geschichte entwickeln würde. Dieser absolute Glaube an das Weiterkommen, den Gerd eben angesprochen hat, hat sich erst im Laufe des Wettbewerbs entwickelt.

Wiesemes: Wir haben zunächst den Karlsruher SC rausgeschmissen. Danach den VfB Stuttgart und im Viertelfinale Borussia Mönchengladbach mit Günter Netzer. Man darf nicht vergessen, dass wir damals in der Regionalliga gespielt haben.

Christopeit: Das war die zweithöchste Spielklasse in Deutschland. Wir waren immer Außenseiter. Aber wir hatten einen unglaublichen Zusammenhalt. Das hat uns so stark gemacht.

DFB.de: Und dann kam in Ludwigshafen das große Endspiel gegen den 1. FC Köln...

Christopeit: ...das wir leider mit 1:4 verloren haben. Man muss sagen, dass diese Niederlage absolut in Ordnung ging. Köln hatte einen super Lauf und hat uns ziemlich deutlich die Grenzen aufgezeigt.

Wiesemes: Diese Begegnung stand unter keinem guten Stern. Wir hatten am Abend vorher noch einen Spaziergang gemacht. Da konnten wir Kirschen essen und später durfte jeder noch ein kleines Bier trinken. Rückblickend war das keine gute Idee. Für mich war die Kombination sogar eine Katastrophe. Ich habe die ganze Nacht auf der Toilette verbracht. Solche Magen-Darm-Probleme hatte ich vorher und nachher nie wieder. Ich weiß noch, dass ich sogar Hilfe von unserem Mannschaftarzt brauchte.

Christopeit: Und ich hatte mir im Abschlusstraining eine Verletzung an der rechten Hand zugezogen. Nach dem Duell hat sich herausgestellt, dass ich mir das Kahnbein gebrochen hatte. Nur dank einiger Schmerzmittel habe ich die 90 Minuten durchgestanden. Diese Fraktur war damals noch nicht durch eine Operation zu beheben und hat dann dazu geführt, dass ich meine Karriere beenden musste.

Wiesemes: Ich glaube, dass einige von uns in diesem Finale eigentlich nicht hätten spielen können. Ich weiß noch, dass drei oder vier von unseren harten Jungs angeschlagen in die Begegnung gegangen sind. Ich selbst war nach dieser Nacht im Grunde auch überhaupt nicht in der Lage, solch eine Partie zu bestreiten. Aber das wollte sich natürlich niemand entgehen lassen. Und wir haben es auch für den Verein gemacht. Nach dem Schlusspfiff bin ich ziemlich schnell in die Kabine gegangen und dort dann zusammengebrochen. Mein Kreislauf hat nicht mehr mitgemacht, so kaputt war ich. Ich bin weit über meine Grenzen hinausgegangen. Gereicht hat es leider trotzdem nicht.

DFB.de: Gab es hinterher trotz der Niederlage eine große Feier?

Christopeit: Auf jeden Fall. Für Bochum und den VfL war das eine riesige Geschichte. Wir sind mit einem Bus durch die Stadt gefahren und der Oberbürgermeister hat uns empfangen. Das waren großartige Tage damals.

DFB.de: War tatsächlich alleine der Zusammenhalt ausschlaggebend für diese Erfolge?

Wiesemes: Nicht nur. Wir hatten schon auch Qualität in der Mannschaft. Aber die Teams, die wir auf dem Weg ins Endspiel aus dem Weg räumen mussten, hatten sicher andere Möglichkeiten.

Christopeit: Ich weiß noch sehr gut, wie wir uns nach den Begegnungen immer in der Vereinsgaststätte getroffen haben. Das war unsere dritte Halbzeit. Wir haben dort viele schöne Stunden gemeinsam verbracht.

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DFB.de: Gibt es heute noch Kontakte zu den ehemaligen Weggefährten?

Christopeit: Leider werden es Jahr für Jahr weniger. Aber wir sehen schon zu, dass wir uns mindestens einmal im Jahr alle treffen.

Wiesemes: Damals sind natürlich Freundschaften entstanden. Die Ereignisse haben uns zusammengeschweißt. Aber man darf nicht vergessen, dass wir auch mit Rückschlägen umgehen mussten. Das oberste Ziel war immer der Aufstieg in die Bundesliga. Das haben wir einige Male verfehlt.

DFB.de: Drei Jahre später hat es dann geklappt.

Christopeit: Zu diesem Zeitpunkt hatte ich meine Karriere wegen der Kahnbeingeschichte leider schon beenden müssen.

Wiesemes: Für uns war das logischerweise sportlich und menschlich ein Verlust. Für mich hat sich damals der Kreis dann aber geschlossen. Nachdem wir aufgestiegen waren, haben wir wieder in Bochum gegen den FC Bayern gespielt. Und wieder haben wir nicht verloren. Die Begegnung ist damals 1:1 ausgegangen. Diese Saison war der Startschuss einer längeren Ära, in der der VfL in der Bundesliga gespielt hat.

DFB.de: Derzeit spielt Bochum in der 2. Bundesliga. Wie eng ist Ihre Verbindung noch zu dem Klub?

Wiesemes: Ich bin seit 66 Jahren Vereinsmitglied. Ich habe von der F-Jugend bis zu den Alten Herren für den VfL gespielt. In dieser Zeit habe ich zwischen 1500 und 1700 Begegnungen für den Klub bestritten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass niemand sonst in so vielen Spielen für den VfL auf dem Platz gestanden hat. Und auch zukünftig wird wohl niemand diese Zahl erreichen können. Der VfL ist ein ganz wichtiger Teil meines Lebens. Ich habe eine Dauerkarte und bin bei fast jedem Heimspiel im Stadion.

Christopeit: Dort sehen wir uns ja regelmäßig. Wenn ich nicht im Ausland unterwegs bin, bin ich zusammen mit meiner Frau auch immer da. Wir halten dem Verein logischerweise die Treue, auch wenn es schon bessere Zeiten gab.

DFB.de: Ist in dieser Saison der Aufstieg noch möglich?

Christopeit: Das wird sehr, sehr schwierig. Ehrlich gesagt glaube ich nicht daran. Dann müsste die Mannschaft schon eine überragende Rückrunde spielen und die Konkurrenten müssten schwächeln.

Wiesemes: Meiner Meinung nach wäre es in diesem Jahr ein Aufstieg gut möglich gewesen. Ich sehe in dieser Saison keine übermächtige Konkurrenz. Aber nach dieser Hinserie wird es fast unmöglich, da gebe ich Horst Recht. Ich habe sogar die Sorge, dass der VfL jetzt über einen längeren Zeitraum in der 2. Bundesliga spielen wird.

Christopeit: Die Ausgangslage ist nicht gut. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf.

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