Billa vor Deutschland-Duell: "Druck empfinde ich überhaupt nicht"

Im Viertelfinale der Europameisterschaft in England trifft die Frauen-Nationalmannschaft in Brentford heute (ab 21 Uhr, live in der ARD und bei DAZN) auf Österreich, das sich mit einem 1:0 über Norwegen das Ticket für die Runde der letzten Acht sicherte. Den Treffer erzielte Nicole Billa, die seit sieben Jahren in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga für die TSG Hoffenheim spielt und sich mit ihren Toren und Leistungen die Auszeichnung zu Deutschlands Fußballerin des Jahres 2021/2022 verdient hat. Im DFB.deInterview spricht die 26 Jahre alte Stürmerin mit Mitarbeiter Steffen Lüdeke über die Stimmung in der österreichischen Nationalmannschaft, ihre Vorfreude auf das Prestigeduell mit dem Nachbarland und ihre Anfänge als Kickboxerin.

DFB.de: Vor dem EM-Viertelfinale gegen Deutschland: Was überwiegt bei Ihnen, Vorfreude oder Anspannung? Beschreiben Sie uns doch mal Ihre Gefühlwelt, Frau Billa!

Nicole Billa: Ich spüre große Freude. Das Spiel gegen Deutschland wird einfach ein richtig cooles Duell. Wir haben es wieder geschafft, ins Viertelfinale einzuziehen, das ist einfach gut. Druck empfinde ich überhaupt nicht, ich genieße das alles hier und habe richtig Lust auf das Spiel. Ganz klar: Ich habe ausschließlich positive Emotionen.

DFB.de: Wenn man sich über Sie informiert, fällt auf, dass Sie häufig als sehr cool beschrieben werden und dass Ihnen Nervosität fremd sei. Erinnern Sie sich noch, wann Ihnen zum letzten Mal so richtig die Düse gegangen ist?

Billa: Es stimmt, dass mich selten etwas aus der Ruhe bringt. Ein Eisklotz bin ich nicht, aber dass mich etwas mal richtig nervös gemacht hat, ist schon so lange her, dass ich mich daran nicht mehr erinnern kann. Bei mir war es von klein auf so, dass ich mich nur ganz selten habe stressen lassen. Meine Strategie war immer, cool zu sein und cool zu bleiben. Gelassenheit gehört ein Stück zur mir, nicht nur im Sport, sondern im Leben grundsätzlich.

DFB.de: Sehen Sie das ausschließlich positiv?

Billa: Was sollte daran negativ sein?

DFB.de: Es gibt Künstler, auch Sportler, die sagen, dass sie diese Anspannung benötigen, dass Nervosität und Lampenfieber Höchstleistungen erst möglich machen.

Billa: Ich habe nicht das Gefühl, dass mir Nervosität fehlt, um meine besten Leistungen zu bringen. Mit meiner Gelassenheit bin ich bisher ganz gut gefahren. Man darf Gelassenheit auch nicht mit Gleichgültigkeit verwechseln. Mir ist schon bewusst, dass es um viel geht, es regt mich nur nicht sonderlich auf. Ich finde, dass jeder Mensch seinen Weg finden muss, mit Herausforderungen umzugehen. Jeder reagiert anders, dem einen hilft Lampenfieber, dem anderen nicht.

DFB.de: Sie waren in Ihrer Kindheit und Jugend eine erfolgreiche Kickboxerin, haben diverse internationale Titel gewonnen. Gibt es Elemente aus dieser Sportart oder Erfahrungen aus dieser Zeit, von denen Sie heute als Fußballerin profitieren?

Billa: Extrem, ja. Als Individualsportlerin muss man sich sehr mit sich selbst beschäftigen, man lernt seinen Körper kennen, man lernt, schnell und auf sich gestellt Lösungen zu finden. Man lernt auch Verantwortung. Im Ring ist man alleine. Man hat zwar einen Trainer und ein Team hinter sich, aber in der Situation, im Kampf, kann man sich nur selbst helfen. Natürlich kann man das nicht eins zu eins auf den Fußball übertragen, aber die Erfahrungen, die ich im Ring erworben haben, geben mir auch im Fußball Selbstvertrauen.

DFB.de: Gilt dies für Sie in besonderer Weise, weil Sie Stürmerin sind? Beim Torschabschluss profitieren Sie zwar von der Vorarbeit Ihrer Mitspielerinnen, wenn Sie dann aber vor dem Tor stehen, sind Sie es, auf deren Fähigkeiten es ankommt. Sehen Sie da Parallelen zum Kickboxen?

Billa: Schon ein Stückchen. Fußball ist ein Mannschaftssport, und ich mag das sehr. Aber im Endeffekt stehen auch immer elf individuelle Sportlerinnen in einer Mannschaft, die in vielen Situationen individuelle Entscheidungen treffen müssen. Als Fußballerin bin ich Mannschaftssportlerin, aber natürlich auch weiter Individualsportlerin. Mein Anspruch ist es, für meine Mannschaft die beste Fußballerin zu sein, die ich sein kann. Und dazu gehören viele individuelle Elemente. Das beginnt schon im Training, wenn ich mich immer wieder selbst herausfordere, um noch besser zu werden. So geht es anderen ja auch. Abhängig von der Rolle auf dem Platz übt jede etwas anderes. Die eine arbeitet am besseren Zweikampfverhalten, die andere am besseren Passspiel oder an einer besseren Ballmitnahmen, ich zum Beispiel am besseren Abschluss. Durch meine Zeit als Kickboxerin bin ich diesen Kampf gegen sich selbst gewohnt, ich mag das, und das ist kein Nachteil.

DFB.de: Stimmt es, dass Sie beim Kickboxen fast nie mit den Füßen getreten haben?

Billa: Fast nie stimmt nicht, aber vergleichsweise selten, das ja.

DFB.de: Ist das nicht so, als würden Sie als Stürmerin sagen: "Ich schieße nur mit links." Warum haben Sie es sich so schwer gemacht?

Billa: Ich würde nicht sagen, dass ich es mir schwer gemacht habe. (lacht) Wenn ich die Füße benötigt habe, dann habe ich sie schon eingesetzt. Mein Kampfstil war einfach so, dass ich schnell auf den Beinen war, den Tritten der Gegnerinnen damit ausgewichen bin und viele Aktionen mit den Händen durchgeführt habe.

DFB.de: Im Fußball setzen Sie Ihre Beine sehr erfolgreich mit Tritten gegen den Ball ein. Sie sind Deutschlands Fußballerin des Jahres, waren zweimal Fußballerin des Jahres in Österreich, im Schnitt erzielen Sie in jedem zweiten Spiel ein Tor. So überragend Ihre Werte sind - im Rahmen von Europameisterschaften haben Sie lange auf einen Treffer warten müssen. Erst im letzten Gruppenspiel gegen Norwegen waren Sie erfolgreich, für Sie war es der erste Treffer im achten EM-Spiel. Wie hat sich das angefühlt, ist ein Knoten geplatzt?

Billa: Es war kein Knoten da, der hätte platzen müssen. Meine Stärke vor dem Tor hatte ich ja nicht verloren, es war nicht so, dass ich reihenweise große Chancen ausgelassen hätte. In den vergangenen Spielen war es einfach so, dass wir als Mannschaft und ich persönlich relativ wenig Torchancen hatten. Umso schöner ist es, dass ich der Mannschaft nun gegen Norwegen mit meinen Treffer helfen konnte. Und ja, mich freut es auch für mich, dass ich sagen kann: "Cool, ich hab' auch bei einer EM getroffen."

DFB.de: Die Siege gegen Nordirland und Norwegen haben Sie und die Mannschaft euphorisch gefeiert. Es gab Szenen wie sonst nur nach Titelgewinnen, etwa, dass die Mannschaft die Pressekonferenz nach dem Norwegen-Spiel gestürmt hat. Beschreiben Sie mal die Energie, die in der Mannschaft herrscht.

Billa: Wer uns kennt, der weiß, dass wir unseren Emotionen einfach freien Lauf lassen. Wir haben da keine Einschränkungen, es wäre auch falsch, uns hier bremsen zu wollen. Man darf auch nicht vergessen: Wir sind immer noch Österreich - dass wir bei einer EM dabei sind, ist immer noch ein Privileg. Wir haben uns das in den vergangenen Jahren hart erarbeitet, daher haben wir gesagt, dass wir diese EM so intensiv genießen wollen, wie es geht. Für manche ist es das erste Turnier, für manche das letzte, für alle ist es etwas Besonderes. Da ist es legitim, Siege so zu feiern, wie es die Emotionen einem in dem Moment vorgeben. Und das haben wir getan.

DFB.de: Sie bezeichnen die EM-Teilnahme als Privileg. Ist diese Zurückhaltung noch angemessen für eine Mannschaft, die bei der letzten EM kurz vor dem Einzug ins Finale stand?

Billa: Wir haben ein paar Topspielerinnen, und wir befinden uns insgesamt auf einem guten Weg. Aber in der Breite fehlt uns einfach etwas. Gerade im Vergleich zu Deutschland. Wenn man sich die Dichte an herausragenden Talenten anschaut, die in Deutschland Jahr für Jahr aus der Breite entsteht, da muss man sagen, dass wir da einfach nicht mithalten können. Alleine aus der Bevölkerungszahl ergibt sich hier ja ein riesiger Unterschied, er wird noch größer, wenn man sich die Zahl der aktiven Fußballerinnen anschaut. Deswegen bleibe ich dabei, dass es für uns alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist, bei einer EM dabei zu sein und die Runde der letzte Acht erreicht zu haben.

DFB.de: Das Spiel zwischen Deutschland und Österreich ist auch ein Spiel unter Bekannten, ein Duell der FLYERALARM Frauen-Bundesliga - auch 13 Österreicherinnen spielen in Deutschland. Hat es Einfluss auf die Vorbereitung, wenn man einander so gut kennt?

Billa: Ich finde, dass man Liga und Nationalmannschaft kaum miteinander vergleichen kann. Es gibt in Deutschland keinen Verein, der so spielen würde, wie es die deutsche Nationalmannschaft tut. Das ist noch mal ein anderes Level. Es gibt andere Strategien, andere Taktiken. Was passieren kann, ist, dass man eine Spielerin kennt und daher weiß, wie sie in Einzelsituationen reagiert, welche Stärken sie hat.

DFB.de: Für wen ist dieses Kennen vorteilhafter: Für Sie als Stürmerin oder für die deutschen Verteidigerinnen?

Billa: Wenn ich eine Spielerin aus der Bundesliga kenne, kann man davon ausgehen, dass auch sie mich kennt. Insofern gleicht sich das Ganze dann aus.

DFB.de: Sie als Stürmerin können Schwächen bewusst ausnutzen oder bewusst etwas anderes als sonst machen und Ihre Gegenspielerin damit überraschen.

Billa: Das stimmt schon. Wobei ich einen entscheidenden Vorteil dennoch nicht sehe. Und ganz ehrlich: Auf dem Platz mache ich viel intuitiv. Die Situation, dass ich mir vorher überlege, wie ich eine Gegenspielerin überraschen kann, indem ich etwas mache, mit dem sie nicht rechnet, weil sie mich so gut kennt, hat es so noch nicht gegeben.

DFB.de: Sie spielen seit sieben Jahren in der Bundesliga für die TSG Hoffenheim. Wie sehr haben Sie sich in dieser Zeit entwickelt und dabei auch von den Voraussetzungen in der Bundesliga profitiert?

Billa: Eine meiner Qualitäten bestand schon immer im Abschluss, aber natürlich habe ich auch hier profitiert von den Möglichkeiten, die ich in Deutschland hatte und von den Erfahrungen, die ich sammeln konnte. Meine Stärken habe ich im Strafraum, in der Box bin ich sehr gefährlich. Insgesamt bin ich kompletter, sicherer, und das liegt viel auch an dem, was ich in Deutschland gelernt habe.

DFB.de: Angesichts der vielen Österreicherinnen, die in Deutschland spielen - wäre die österreichische Nationalmannschaft für Deutschland ein weniger gefährlicher Gegner, wenn es die die deutsche Frauen-Bundesliga nicht geben würde?

Billa: Das kann man bestimmt so sagen. In der Bundesliga wird schon lange sehr professionell gearbeitet, und jedes Jahr werden die Bedingungen noch ein bisschen besser. Es gibt zwar von Verein zu Verein Unterschiede, für mich und für Hoffenheim kann ich aber sagen, dass mir der Wechsel sehr gutgetan hat und ich froh bin, damals diesen Schritt gesetzt zu haben.

DFB.de: Das Viertelfinale ist ein K.o.-Spiel. Kann es für Österreich ein Vorteil sein, dass durch die Niederlage zum Auftakt gegen England schon die Spiele in der Vorrunde gegen Nordirland und Norwegen K.o.-Spiele gewesen sind?

Billa: Schwer zu beurteilen. Wir sind einfach froh, dass wir die Gruppenphase so abgeschlossen haben, wie wir uns das gewünscht hatten. Wir stehen nun vor einem Spiel, das für uns ein Stück weit ein Bonusspiel ist. Wir können und wollen nun beweisen, dass wir auch gegen Deutschland als Team bestehen können.

DFB.de: Österreich und Deutschland haben bislang vor allem geglänzt durch die Defensivleistungen. Deutschlands Weste ist noch weiß, Österreich hat bislang lediglich einen Treffer kassiert. Was für ein Spiel erwarten Sie gegen Deutschland? Von einer Torflut ist wohl nicht auszugehen…

Billa: Wir werden als Mannschaft insgesamt wieder versuchen, unser Herz auf dem Platz zu lassen. Unsere Bestreben muss sein, den Deutschen so wenig Möglichkeiten wie möglich zu geben. Wenn uns das gelingt, sehe ich für uns gute Chancen. Denn wir haben bewiesen, dass wir vorne immer für ein Tor gut sind und aus wenigen Möglichkeiten viel machen können.

DFB.de: Bremst es die Vorfreude der Stürmerin Nicole Billa, wenn sie weiß, dass sie auf eine so starke Defensive wie die deutsche trifft - oder steigert es die Motivation?

Billa: Wenn eine Herausforderung meine Vorfreude bremsen würde, wäre ich fehl am Platz, dann könnte ich nicht Leistungssportlerin sein. Ich mag es, wenn ich gefordert bin, je mehr, desto besser. Wie gesagt: Ich freue mich sehr auf das Spiel gegen Deutschland. Ich kann kaum erwarten, dass es endlich angepfiffen wird.

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Im Viertelfinale der Europameisterschaft in England trifft die Frauen-Nationalmannschaft in Brentford heute (ab 21 Uhr, live in der ARD und bei DAZN) auf Österreich, das sich mit einem 1:0 über Norwegen das Ticket für die Runde der letzten Acht sicherte. Den Treffer erzielte Nicole Billa, die seit sieben Jahren in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga für die TSG Hoffenheim spielt und sich mit ihren Toren und Leistungen die Auszeichnung zu Deutschlands Fußballerin des Jahres 2021/2022 verdient hat. Im DFB.deInterview spricht die 26 Jahre alte Stürmerin mit Mitarbeiter Steffen Lüdeke über die Stimmung in der österreichischen Nationalmannschaft, ihre Vorfreude auf das Prestigeduell mit dem Nachbarland und ihre Anfänge als Kickboxerin.

DFB.de: Vor dem EM-Viertelfinale gegen Deutschland: Was überwiegt bei Ihnen, Vorfreude oder Anspannung? Beschreiben Sie uns doch mal Ihre Gefühlwelt, Frau Billa!

Nicole Billa: Ich spüre große Freude. Das Spiel gegen Deutschland wird einfach ein richtig cooles Duell. Wir haben es wieder geschafft, ins Viertelfinale einzuziehen, das ist einfach gut. Druck empfinde ich überhaupt nicht, ich genieße das alles hier und habe richtig Lust auf das Spiel. Ganz klar: Ich habe ausschließlich positive Emotionen.

DFB.de: Wenn man sich über Sie informiert, fällt auf, dass Sie häufig als sehr cool beschrieben werden und dass Ihnen Nervosität fremd sei. Erinnern Sie sich noch, wann Ihnen zum letzten Mal so richtig die Düse gegangen ist?

Billa: Es stimmt, dass mich selten etwas aus der Ruhe bringt. Ein Eisklotz bin ich nicht, aber dass mich etwas mal richtig nervös gemacht hat, ist schon so lange her, dass ich mich daran nicht mehr erinnern kann. Bei mir war es von klein auf so, dass ich mich nur ganz selten habe stressen lassen. Meine Strategie war immer, cool zu sein und cool zu bleiben. Gelassenheit gehört ein Stück zur mir, nicht nur im Sport, sondern im Leben grundsätzlich.

DFB.de: Sehen Sie das ausschließlich positiv?

Billa: Was sollte daran negativ sein?

DFB.de: Es gibt Künstler, auch Sportler, die sagen, dass sie diese Anspannung benötigen, dass Nervosität und Lampenfieber Höchstleistungen erst möglich machen.

Billa: Ich habe nicht das Gefühl, dass mir Nervosität fehlt, um meine besten Leistungen zu bringen. Mit meiner Gelassenheit bin ich bisher ganz gut gefahren. Man darf Gelassenheit auch nicht mit Gleichgültigkeit verwechseln. Mir ist schon bewusst, dass es um viel geht, es regt mich nur nicht sonderlich auf. Ich finde, dass jeder Mensch seinen Weg finden muss, mit Herausforderungen umzugehen. Jeder reagiert anders, dem einen hilft Lampenfieber, dem anderen nicht.

DFB.de: Sie waren in Ihrer Kindheit und Jugend eine erfolgreiche Kickboxerin, haben diverse internationale Titel gewonnen. Gibt es Elemente aus dieser Sportart oder Erfahrungen aus dieser Zeit, von denen Sie heute als Fußballerin profitieren?

Billa: Extrem, ja. Als Individualsportlerin muss man sich sehr mit sich selbst beschäftigen, man lernt seinen Körper kennen, man lernt, schnell und auf sich gestellt Lösungen zu finden. Man lernt auch Verantwortung. Im Ring ist man alleine. Man hat zwar einen Trainer und ein Team hinter sich, aber in der Situation, im Kampf, kann man sich nur selbst helfen. Natürlich kann man das nicht eins zu eins auf den Fußball übertragen, aber die Erfahrungen, die ich im Ring erworben haben, geben mir auch im Fußball Selbstvertrauen.

DFB.de: Gilt dies für Sie in besonderer Weise, weil Sie Stürmerin sind? Beim Torschabschluss profitieren Sie zwar von der Vorarbeit Ihrer Mitspielerinnen, wenn Sie dann aber vor dem Tor stehen, sind Sie es, auf deren Fähigkeiten es ankommt. Sehen Sie da Parallelen zum Kickboxen?

Billa: Schon ein Stückchen. Fußball ist ein Mannschaftssport, und ich mag das sehr. Aber im Endeffekt stehen auch immer elf individuelle Sportlerinnen in einer Mannschaft, die in vielen Situationen individuelle Entscheidungen treffen müssen. Als Fußballerin bin ich Mannschaftssportlerin, aber natürlich auch weiter Individualsportlerin. Mein Anspruch ist es, für meine Mannschaft die beste Fußballerin zu sein, die ich sein kann. Und dazu gehören viele individuelle Elemente. Das beginnt schon im Training, wenn ich mich immer wieder selbst herausfordere, um noch besser zu werden. So geht es anderen ja auch. Abhängig von der Rolle auf dem Platz übt jede etwas anderes. Die eine arbeitet am besseren Zweikampfverhalten, die andere am besseren Passspiel oder an einer besseren Ballmitnahmen, ich zum Beispiel am besseren Abschluss. Durch meine Zeit als Kickboxerin bin ich diesen Kampf gegen sich selbst gewohnt, ich mag das, und das ist kein Nachteil.

DFB.de: Stimmt es, dass Sie beim Kickboxen fast nie mit den Füßen getreten haben?

Billa: Fast nie stimmt nicht, aber vergleichsweise selten, das ja.

DFB.de: Ist das nicht so, als würden Sie als Stürmerin sagen: "Ich schieße nur mit links." Warum haben Sie es sich so schwer gemacht?

Billa: Ich würde nicht sagen, dass ich es mir schwer gemacht habe. (lacht) Wenn ich die Füße benötigt habe, dann habe ich sie schon eingesetzt. Mein Kampfstil war einfach so, dass ich schnell auf den Beinen war, den Tritten der Gegnerinnen damit ausgewichen bin und viele Aktionen mit den Händen durchgeführt habe.

DFB.de: Im Fußball setzen Sie Ihre Beine sehr erfolgreich mit Tritten gegen den Ball ein. Sie sind Deutschlands Fußballerin des Jahres, waren zweimal Fußballerin des Jahres in Österreich, im Schnitt erzielen Sie in jedem zweiten Spiel ein Tor. So überragend Ihre Werte sind - im Rahmen von Europameisterschaften haben Sie lange auf einen Treffer warten müssen. Erst im letzten Gruppenspiel gegen Norwegen waren Sie erfolgreich, für Sie war es der erste Treffer im achten EM-Spiel. Wie hat sich das angefühlt, ist ein Knoten geplatzt?

Billa: Es war kein Knoten da, der hätte platzen müssen. Meine Stärke vor dem Tor hatte ich ja nicht verloren, es war nicht so, dass ich reihenweise große Chancen ausgelassen hätte. In den vergangenen Spielen war es einfach so, dass wir als Mannschaft und ich persönlich relativ wenig Torchancen hatten. Umso schöner ist es, dass ich der Mannschaft nun gegen Norwegen mit meinen Treffer helfen konnte. Und ja, mich freut es auch für mich, dass ich sagen kann: "Cool, ich hab' auch bei einer EM getroffen."

DFB.de: Die Siege gegen Nordirland und Norwegen haben Sie und die Mannschaft euphorisch gefeiert. Es gab Szenen wie sonst nur nach Titelgewinnen, etwa, dass die Mannschaft die Pressekonferenz nach dem Norwegen-Spiel gestürmt hat. Beschreiben Sie mal die Energie, die in der Mannschaft herrscht.

Billa: Wer uns kennt, der weiß, dass wir unseren Emotionen einfach freien Lauf lassen. Wir haben da keine Einschränkungen, es wäre auch falsch, uns hier bremsen zu wollen. Man darf auch nicht vergessen: Wir sind immer noch Österreich - dass wir bei einer EM dabei sind, ist immer noch ein Privileg. Wir haben uns das in den vergangenen Jahren hart erarbeitet, daher haben wir gesagt, dass wir diese EM so intensiv genießen wollen, wie es geht. Für manche ist es das erste Turnier, für manche das letzte, für alle ist es etwas Besonderes. Da ist es legitim, Siege so zu feiern, wie es die Emotionen einem in dem Moment vorgeben. Und das haben wir getan.

DFB.de: Sie bezeichnen die EM-Teilnahme als Privileg. Ist diese Zurückhaltung noch angemessen für eine Mannschaft, die bei der letzten EM kurz vor dem Einzug ins Finale stand?

Billa: Wir haben ein paar Topspielerinnen, und wir befinden uns insgesamt auf einem guten Weg. Aber in der Breite fehlt uns einfach etwas. Gerade im Vergleich zu Deutschland. Wenn man sich die Dichte an herausragenden Talenten anschaut, die in Deutschland Jahr für Jahr aus der Breite entsteht, da muss man sagen, dass wir da einfach nicht mithalten können. Alleine aus der Bevölkerungszahl ergibt sich hier ja ein riesiger Unterschied, er wird noch größer, wenn man sich die Zahl der aktiven Fußballerinnen anschaut. Deswegen bleibe ich dabei, dass es für uns alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist, bei einer EM dabei zu sein und die Runde der letzte Acht erreicht zu haben.

DFB.de: Das Spiel zwischen Deutschland und Österreich ist auch ein Spiel unter Bekannten, ein Duell der FLYERALARM Frauen-Bundesliga - auch 13 Österreicherinnen spielen in Deutschland. Hat es Einfluss auf die Vorbereitung, wenn man einander so gut kennt?

Billa: Ich finde, dass man Liga und Nationalmannschaft kaum miteinander vergleichen kann. Es gibt in Deutschland keinen Verein, der so spielen würde, wie es die deutsche Nationalmannschaft tut. Das ist noch mal ein anderes Level. Es gibt andere Strategien, andere Taktiken. Was passieren kann, ist, dass man eine Spielerin kennt und daher weiß, wie sie in Einzelsituationen reagiert, welche Stärken sie hat.

DFB.de: Für wen ist dieses Kennen vorteilhafter: Für Sie als Stürmerin oder für die deutschen Verteidigerinnen?

Billa: Wenn ich eine Spielerin aus der Bundesliga kenne, kann man davon ausgehen, dass auch sie mich kennt. Insofern gleicht sich das Ganze dann aus.

DFB.de: Sie als Stürmerin können Schwächen bewusst ausnutzen oder bewusst etwas anderes als sonst machen und Ihre Gegenspielerin damit überraschen.

Billa: Das stimmt schon. Wobei ich einen entscheidenden Vorteil dennoch nicht sehe. Und ganz ehrlich: Auf dem Platz mache ich viel intuitiv. Die Situation, dass ich mir vorher überlege, wie ich eine Gegenspielerin überraschen kann, indem ich etwas mache, mit dem sie nicht rechnet, weil sie mich so gut kennt, hat es so noch nicht gegeben.

DFB.de: Sie spielen seit sieben Jahren in der Bundesliga für die TSG Hoffenheim. Wie sehr haben Sie sich in dieser Zeit entwickelt und dabei auch von den Voraussetzungen in der Bundesliga profitiert?

Billa: Eine meiner Qualitäten bestand schon immer im Abschluss, aber natürlich habe ich auch hier profitiert von den Möglichkeiten, die ich in Deutschland hatte und von den Erfahrungen, die ich sammeln konnte. Meine Stärken habe ich im Strafraum, in der Box bin ich sehr gefährlich. Insgesamt bin ich kompletter, sicherer, und das liegt viel auch an dem, was ich in Deutschland gelernt habe.

DFB.de: Angesichts der vielen Österreicherinnen, die in Deutschland spielen - wäre die österreichische Nationalmannschaft für Deutschland ein weniger gefährlicher Gegner, wenn es die die deutsche Frauen-Bundesliga nicht geben würde?

Billa: Das kann man bestimmt so sagen. In der Bundesliga wird schon lange sehr professionell gearbeitet, und jedes Jahr werden die Bedingungen noch ein bisschen besser. Es gibt zwar von Verein zu Verein Unterschiede, für mich und für Hoffenheim kann ich aber sagen, dass mir der Wechsel sehr gutgetan hat und ich froh bin, damals diesen Schritt gesetzt zu haben.

DFB.de: Das Viertelfinale ist ein K.o.-Spiel. Kann es für Österreich ein Vorteil sein, dass durch die Niederlage zum Auftakt gegen England schon die Spiele in der Vorrunde gegen Nordirland und Norwegen K.o.-Spiele gewesen sind?

Billa: Schwer zu beurteilen. Wir sind einfach froh, dass wir die Gruppenphase so abgeschlossen haben, wie wir uns das gewünscht hatten. Wir stehen nun vor einem Spiel, das für uns ein Stück weit ein Bonusspiel ist. Wir können und wollen nun beweisen, dass wir auch gegen Deutschland als Team bestehen können.

DFB.de: Österreich und Deutschland haben bislang vor allem geglänzt durch die Defensivleistungen. Deutschlands Weste ist noch weiß, Österreich hat bislang lediglich einen Treffer kassiert. Was für ein Spiel erwarten Sie gegen Deutschland? Von einer Torflut ist wohl nicht auszugehen…

Billa: Wir werden als Mannschaft insgesamt wieder versuchen, unser Herz auf dem Platz zu lassen. Unsere Bestreben muss sein, den Deutschen so wenig Möglichkeiten wie möglich zu geben. Wenn uns das gelingt, sehe ich für uns gute Chancen. Denn wir haben bewiesen, dass wir vorne immer für ein Tor gut sind und aus wenigen Möglichkeiten viel machen können.

DFB.de: Bremst es die Vorfreude der Stürmerin Nicole Billa, wenn sie weiß, dass sie auf eine so starke Defensive wie die deutsche trifft - oder steigert es die Motivation?

Billa: Wenn eine Herausforderung meine Vorfreude bremsen würde, wäre ich fehl am Platz, dann könnte ich nicht Leistungssportlerin sein. Ich mag es, wenn ich gefordert bin, je mehr, desto besser. Wie gesagt: Ich freue mich sehr auf das Spiel gegen Deutschland. Ich kann kaum erwarten, dass es endlich angepfiffen wird.

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