Bierhoff: "Wir müssen wieder Nähe aufbauen"

Bevor Bundestrainer Joachim Löw den 23-köpfigen Kader für den Nations-League-Auftakt gegen Weltmeister Frankreich am 6. September (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in München und das Länderspiel gegen Peru am 9. September (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) in Sinsheim bekanntgab, hat Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff nicht nur das frühe WM-Aus nach der Vorrunde analysiert, sondern auch klar zu Vorwürfen wie Entfremdung und Kommerzialisierung sowie der Causa Mesut Özil Stellung bezogen. DFB.de hat mitgeschrieben.

OLIVER BIERHOFF ÜBER...

... die Zeit nach der WM: Über die Frage, wie das alles passieren konnte, mache ich mir jeden Tag meine Gedanken. Wir haben in den vergangenen Wochen alle möglichen Aspekte analysiert. Mir war es erst mal wichtig, mit den Beteiligten zu sprechen. Für mich war es aber auch wichtig, die Sichtweisen von Außenstehenden zu bekommen. Eines ist klar: Für die Darstellung nach außen und die Teamentwicklung nach innen bin ich verantwortlich. Einfach ausgedrückt muss ich sagen: Uns hat einfach die richtige Einstellung gefehlt, wir waren selbstgefällig. Wir haben unseren Erfolg und die Unterstützung der Fans für selbstverständlich gehalten. Wir haben einfach auch geglaubt, dass die Erfolgsgeschichte, die wir über 14 Jahre geschrieben haben, mit dem Confed-Cup, der WM 2014 und der tollen WM-Qualifikation, weitergeht und die WM ein Selbstläufer wird. Die Wucht, mit der die Kritik dann auf uns getroffen ist, zeigt doch, welch hohe Bedeutung die Nationalmannschaft für die Fans hat. Als Verantwortlicher steht man natürlich in der Kritik, und natürlich macht man sich Gedanken darüber, was hätte man anders machen müssen. Die Kritik hat geholfen, Dinge zu reflektieren. Mich ärgert, dass ich bei Entwicklungen und Mustern der vergangenen Monate nicht eingegriffen und dementsprechend gehandelt habe.

... den Rücktritt von Mesut Özil: Ich habe mit Mesut neun wunderbare Jahre in der Nationalmannschaft verbracht. Er ist einfach ein toller Fußballer und hat dazu beigetragen, dass wir diesen Erfolg hatten und Weltmeister geworden sind. Aber ich weise den Rassismus-Vorwurf klar zurück. Dass jetzt dieser Rücktritt so vollzogen wurde, schmerzt uns alle. Es tut uns leid, dass diese Situation so entstanden ist. Wir haben die Situation falsch eingeschätzt. Ich habe mich mit vielen Menschen unterhalten aus unterschiedlichen Schichten und politischen Ausrichtungen, und ich habe noch nie so viele unterschiedliche Meinungen gehört. Klar ist: Ein Nationalspieler kann keine Zielscheibe für rassistische Angriffe sein.

... die Identitfikation mit der Nationalmannschaft: Nationalspieler zu sein, ist etwas ganz Besonderes. Für sein Land zu spielen, ist die höchste Auszeichnung. Und wenn ich die Aussagen der Spieler in den vergangenen Wochen gelesen habe, erkenne ich: Die Spieler sehen das genauso. Sie haben Freude, sind stolz für Deutschland zu spielen, den Adler auf der Brust zu tragen. Sie wollten aiuch eine tolle WM spielen, alle hatten sich vor der WM akribisch vorbereitet. Ich werde in Zukunft wieder mehr einfordern und vorgeben. Wir haben 2006 einen Verhaltenskodex ein- und anschließend fortgeführt. Und das Schöne war, wir haben ihn irgendwann gelebt. Jetzt haben wir das vielleicht schleifen lassen. Ich werde nun verstärkt klare Vorgaben machen. Und wir wollen wieder näher an die Spieler rankommen, auch außerhalb der Länderspiele. Wir haben uns immer als Familie betrachtet. Um erfolgreich zu sein, muss man ein verschworener Kreis sein.

... die "Entfremdung" der Nationalmannschaft von den Fans: Diese Berichte haben mich besonders getroffen. Vor der WM gab es ein Fan-Länderspiel um 18 Uhr, fünf Euro Eintritt, im Trainingslager in Südtirol haben die Spieler Autogramme gegeben, sind mit dem Fahrrad zum Training gefahren. Irgendwie sind wir den Fanbedürfnissen trotzdem nicht näher gekommen. Diese Hinweise nehme ich ernst, die will ich nicht wegwischen, dieses Gefühl der Fans ist da. Wir werden in Zukunft daran arbeiten, Nahbarkeit und Bodenständigkeit zu intensivieren. Wir müssen wieder Nähe aufbauen. Ich kann für Oktober und November jeweils schon mal eine öffentliche Einheit versprechen.

... den Vorwurf der Kommerzialisierung der Nationalmannschaft: Mir wurde zu viel Kommerzialisierung der Nationalmannschaft vorgeworfen. Ich bin für ein gutes Auftreten der Nationalmannschaft verantwortlich - aber auch dafür, dass der DFB seine Einnahmen erhöhen kann. Und nur ein geringer Teil dieser Einnahmen fließt in die Nationalmannschaft. Wenn wir also über weniger Einnahmen sprechen, bedeutet das auch weniger Geld für den Gesamtfußball. Wir haben 2018, jetzt bei der WM, nicht mehr kommerzielle Aktivitäten durchgeführt als im Traumjahr 2014. Das muss man festhalten. Die Kampagne #zsmmn war ein DFB-Claim, der alle unsere Aktivitäten bündeln sollte. Das war nicht kommerziell. Wir sind ein verlässlicher Partner, aber wir werden mit unseren Partnern auch schauen, inwieweit wir anders und dezenter auftreten werden. Der Begriff "Die Mannschaft" wird analysiert, und dann wird eine Entscheidung getroffen, ob und wie man das ändern will.

... seine Aufgabenbereiche: Ich bin dankbar, dass ich ein kompetentes Team zusammenstellen konnte. Der neue Akademiechef Tobias Haupt soll neue Ausbildungskonzepte entwickeln. Der neue DFB-Sportdirektor, wenn Horst Hrubesch aufhört, muss ein Trainer sein. Da werden wir Gespräche führen. Zudem plane ich für meine gesamte Direktion Nationalmannschaften einen Beirat. Meine Aufgabe im DFB ist eine große Ehre, eine hohe Verantwortung. Hier muss ich ein Team entwickeln, Impulse setzen, Strategien entwickeln, damit wir bei der EM 2020 vielleicht wieder zu den Favoriten zählen. Aber auch damit wir in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Nachwuchsarbeit, wieder Weltspitze werden. Wir wollen wieder über Fußball reden, die Begeisterung unserer Fans gewinnen und die Schönheit dieses Sports in den Vordergrund stellen.

[dfb]

Bevor Bundestrainer Joachim Löw den 23-köpfigen Kader für den Nations-League-Auftakt gegen Weltmeister Frankreich am 6. September (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in München und das Länderspiel gegen Peru am 9. September (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) in Sinsheim bekanntgab, hat Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff nicht nur das frühe WM-Aus nach der Vorrunde analysiert, sondern auch klar zu Vorwürfen wie Entfremdung und Kommerzialisierung sowie der Causa Mesut Özil Stellung bezogen. DFB.de hat mitgeschrieben.

OLIVER BIERHOFF ÜBER...

... die Zeit nach der WM: Über die Frage, wie das alles passieren konnte, mache ich mir jeden Tag meine Gedanken. Wir haben in den vergangenen Wochen alle möglichen Aspekte analysiert. Mir war es erst mal wichtig, mit den Beteiligten zu sprechen. Für mich war es aber auch wichtig, die Sichtweisen von Außenstehenden zu bekommen. Eines ist klar: Für die Darstellung nach außen und die Teamentwicklung nach innen bin ich verantwortlich. Einfach ausgedrückt muss ich sagen: Uns hat einfach die richtige Einstellung gefehlt, wir waren selbstgefällig. Wir haben unseren Erfolg und die Unterstützung der Fans für selbstverständlich gehalten. Wir haben einfach auch geglaubt, dass die Erfolgsgeschichte, die wir über 14 Jahre geschrieben haben, mit dem Confed-Cup, der WM 2014 und der tollen WM-Qualifikation, weitergeht und die WM ein Selbstläufer wird. Die Wucht, mit der die Kritik dann auf uns getroffen ist, zeigt doch, welch hohe Bedeutung die Nationalmannschaft für die Fans hat. Als Verantwortlicher steht man natürlich in der Kritik, und natürlich macht man sich Gedanken darüber, was hätte man anders machen müssen. Die Kritik hat geholfen, Dinge zu reflektieren. Mich ärgert, dass ich bei Entwicklungen und Mustern der vergangenen Monate nicht eingegriffen und dementsprechend gehandelt habe.

... den Rücktritt von Mesut Özil: Ich habe mit Mesut neun wunderbare Jahre in der Nationalmannschaft verbracht. Er ist einfach ein toller Fußballer und hat dazu beigetragen, dass wir diesen Erfolg hatten und Weltmeister geworden sind. Aber ich weise den Rassismus-Vorwurf klar zurück. Dass jetzt dieser Rücktritt so vollzogen wurde, schmerzt uns alle. Es tut uns leid, dass diese Situation so entstanden ist. Wir haben die Situation falsch eingeschätzt. Ich habe mich mit vielen Menschen unterhalten aus unterschiedlichen Schichten und politischen Ausrichtungen, und ich habe noch nie so viele unterschiedliche Meinungen gehört. Klar ist: Ein Nationalspieler kann keine Zielscheibe für rassistische Angriffe sein.

... die Identitfikation mit der Nationalmannschaft: Nationalspieler zu sein, ist etwas ganz Besonderes. Für sein Land zu spielen, ist die höchste Auszeichnung. Und wenn ich die Aussagen der Spieler in den vergangenen Wochen gelesen habe, erkenne ich: Die Spieler sehen das genauso. Sie haben Freude, sind stolz für Deutschland zu spielen, den Adler auf der Brust zu tragen. Sie wollten aiuch eine tolle WM spielen, alle hatten sich vor der WM akribisch vorbereitet. Ich werde in Zukunft wieder mehr einfordern und vorgeben. Wir haben 2006 einen Verhaltenskodex ein- und anschließend fortgeführt. Und das Schöne war, wir haben ihn irgendwann gelebt. Jetzt haben wir das vielleicht schleifen lassen. Ich werde nun verstärkt klare Vorgaben machen. Und wir wollen wieder näher an die Spieler rankommen, auch außerhalb der Länderspiele. Wir haben uns immer als Familie betrachtet. Um erfolgreich zu sein, muss man ein verschworener Kreis sein.

... die "Entfremdung" der Nationalmannschaft von den Fans: Diese Berichte haben mich besonders getroffen. Vor der WM gab es ein Fan-Länderspiel um 18 Uhr, fünf Euro Eintritt, im Trainingslager in Südtirol haben die Spieler Autogramme gegeben, sind mit dem Fahrrad zum Training gefahren. Irgendwie sind wir den Fanbedürfnissen trotzdem nicht näher gekommen. Diese Hinweise nehme ich ernst, die will ich nicht wegwischen, dieses Gefühl der Fans ist da. Wir werden in Zukunft daran arbeiten, Nahbarkeit und Bodenständigkeit zu intensivieren. Wir müssen wieder Nähe aufbauen. Ich kann für Oktober und November jeweils schon mal eine öffentliche Einheit versprechen.

... den Vorwurf der Kommerzialisierung der Nationalmannschaft: Mir wurde zu viel Kommerzialisierung der Nationalmannschaft vorgeworfen. Ich bin für ein gutes Auftreten der Nationalmannschaft verantwortlich - aber auch dafür, dass der DFB seine Einnahmen erhöhen kann. Und nur ein geringer Teil dieser Einnahmen fließt in die Nationalmannschaft. Wenn wir also über weniger Einnahmen sprechen, bedeutet das auch weniger Geld für den Gesamtfußball. Wir haben 2018, jetzt bei der WM, nicht mehr kommerzielle Aktivitäten durchgeführt als im Traumjahr 2014. Das muss man festhalten. Die Kampagne #zsmmn war ein DFB-Claim, der alle unsere Aktivitäten bündeln sollte. Das war nicht kommerziell. Wir sind ein verlässlicher Partner, aber wir werden mit unseren Partnern auch schauen, inwieweit wir anders und dezenter auftreten werden. Der Begriff "Die Mannschaft" wird analysiert, und dann wird eine Entscheidung getroffen, ob und wie man das ändern will.

... seine Aufgabenbereiche: Ich bin dankbar, dass ich ein kompetentes Team zusammenstellen konnte. Der neue Akademiechef Tobias Haupt soll neue Ausbildungskonzepte entwickeln. Der neue DFB-Sportdirektor, wenn Horst Hrubesch aufhört, muss ein Trainer sein. Da werden wir Gespräche führen. Zudem plane ich für meine gesamte Direktion Nationalmannschaften einen Beirat. Meine Aufgabe im DFB ist eine große Ehre, eine hohe Verantwortung. Hier muss ich ein Team entwickeln, Impulse setzen, Strategien entwickeln, damit wir bei der EM 2020 vielleicht wieder zu den Favoriten zählen. Aber auch damit wir in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Nachwuchsarbeit, wieder Weltspitze werden. Wir wollen wieder über Fußball reden, die Begeisterung unserer Fans gewinnen und die Schönheit dieses Sports in den Vordergrund stellen.

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