Bierhoff: "Was Jogi Löw sich vornimmt, setzt er auch durch"

Mit einem 3:0 in Österreich startete die deutsche Nationalmannschaft in der vergangenen Woche in das EM-Jahr. Allerdings überzeugte die DFB-Auswahl nur phasenweise – die schwache Leistung in der ersten Halbzeit rief heftige Kritik hervor. Für Gesprächsstoff in diesem Zusammenhang sorgten mahnende Worte von Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff zwei Tage vor dem Länderspiel in Wien.

Im "DFB.de-Exklusivinterview" mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien erklärt Oliver Bierhoff (39), wie er seinen "Weckruf" verstanden wissen will und bekräftigt Joachim Löw in dessen Führungsstil, mit dem der Bundestrainer die Mannschaft seit der WM 2006 erfolgreich und mit großer Konsequenz führt.

Außerdem nimmt Bierhoff Stellung zur Leistung und derzeitigen Situation von Torhüter Jens Lehmann und beschreibt seine Erwartungen für die weitere EM-Vorbereitung mit dem nächsten Länderspiel gegen die Schweiz am 26. März in Basel.

Frage: Wie bewerten Sie mit dem Abstand von vier, fünf Tagen den Start der deutschen Nationalmannschaft ins EM-Jahr?

Oliver Bierhoff: Durchwachsen. Positiv ist auf jeden Fall, dass wir trotz einer schlechten Leistung in der ersten Halbzeit das Spiel 3:0 gewonnen haben. Dass die Mannschaft damit nach dem Wechsel eine Reaktion gezeigt und Stabilität bewiesen hat. Vor drei Jahren hätten wir solch ein Spiel noch nicht so deutlich gewonnen. Und niemand wird wohl bestreiten, dass wir mit unserer Chancenauswertung sehr effektiv waren.

Frage: Dennoch sehen viele Beobachter in der deutschen Vorstellung gegen Österreich ein weiteres Warnsignal vor der EM, mit dem Ihre mahnenden und aufrüttelnden Worte vor dem Abflug nach Wien unterstrichen worden seien. Fühlen Sie sich in Ihrem Appell an die Mannschaft bestätigt?

Bierhoff: Ich weiß sehr genau, dass die Spieler, wenn sie bei uns sind, optimal mitziehen. Meine in den Medien als Weckruf dargestellten Aussagen im Hinblick auf die EM im Juni 2008 in Österreich und der Schweiz sollten der Mannschaft und dem Umfeld signalisieren, dass man jeden Tag versuchen muss, sich weiterhin zu verbessern, und dass mit überdurchschnittlichem Engagement die EM-Vorbereitung in den nächsten Wochen vorangetrieben werden muss. Ich glaube, die Mannschaft hat gesehen, dass die EM und dabei auch das EM-Spiel gegen Österreich kein Spaziergang werden. Die erste Halbzeit hat gezeigt, dass wir Schwierigkeiten bekommen, wenn wir nicht vom Anpfiff an hoch konzentriert zur Sache gehen.

Frage: In Joachim Löws Stellungnahmen und in Ihre Äußerungen werden Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundestrainer und dem Manager der Nationalmannschaft hineininterpretiert. Ist das so?

Bierhoff: Keineswegs. Die Trainer und ich sind einer Meinung. Da die Arbeit unserer Trainer erschwert wird durch die kurze Vorbereitung und die geringe Zeit des Zusammenseins mit der Mannschaft, war mein Appell darauf ausgerichtet, eine bessere Basis zu schaffen. Der Trainerstab mit Joachim Löw an der Spitze hat gerade auch intern große Disziplin und hohe Konzentration gefordert. Es gibt keinerlei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundestrainer und mir. Joachim Löw und ich gehen einen gemeinsamen Weg. Mit meinem Appell wollte und will ich einzig und allein die schwierige Arbeit des Trainerstabs unterstützen, die teils durch verletzte Spieler, teils durch Sponsoren- und Medientermine sehr eingeschränkt und belastet ist.

Frage: Sie sehen sich also mit Ihrem Appell als Sprachrohr der sportlichen Leitung. Weshalb wurden Ihre externen und die gemeinsamen internen Aufrufe von der Mannschaft zumindest in der ersten Halbzeit in Wien nicht umgesetzt?

Bierhoff: Jogi hatte die Mannschaft wie immer absolut professionell auf dieses Spiel eingestellt, und wir waren meiner Meinung nach auch motiviert. Möglicherweise sind wir von der Dynamik und der Offensive der Österreicher etwas überrascht worden. Da fiel es zunächst schwer, darauf die richtige Antwort zu finden. Doch nach der Pause, in der sich die Mannschaft neu besinnen konnte, ist es besser geworden, weil wir uns mehr bewegt und schneller agiert haben.

Frage: Muss Joachim Löw im Hinblick auf die EM seinen Führungsstil modifizieren?

Bierhoff: Auf keinen Fall! Joachim Löw ist seit Beginn seiner Tätigkeit als Co-Trainer und als Bundestrainer seiner Linie treu geblieben. Das hat ihn stark gemacht und glaubwürdig gegenüber der Mannschaft. Wer glaubt, dass Jogi bestimmte Dinge vor der Mannschaft und in Einzelgesprächen nicht mit dem nötigen Nachdruck ansprechen kann, der irrt sich gewaltig. Die hier und da unterschwellig geäußerte Kritik an seinem Führungsstil ist überhaupt nicht nachzuvollziehen. Mit seinem Führungsstil hat er die Mannschaft nach der WM weiter auf ein neues höheres Niveau gebracht.

Frage: Die sportliche Leitung verlangt von jedem einzelnen Spieler im Hinblick auf die EM großes und viel zusätzliches eigenverantwortliches Handeln. Trauen Sie Joachim Löw ein ähnlich knallhartes und aufrüttelndes Signal an die Mannschaft zu, wie es Jürgen Klinsmann gesetzt hat mit der Nichtberücksichtigung von Kevin Kuranyi für den WM-Kader 2006?

Bierhoff: Jogi hatte damals diese Entscheidung voll mitgetragen. Er weiß, dass auf dem Weg zur EM und dann natürlich auch beim Turnier selbst einzig und allein die Leistung der Mannschaft im Vordergrund steht. Deshalb wird er beispielsweise bei der Nominierung des EM-Kaders auch vor unpopulären Maßnahmen nicht zurückschrecken, wenn diese für den Erfolg wichtig sind. Es gibt keinen Zweifel: Alle seine Maßnahmen und Entscheidungen werden einzig und allein darauf abzielen, die Leistung der Mannschaft zu optimieren. Was Jogi Löw sich vornimmt und was er verlangt von den Spielern, dass setzt er auch durch. Es ist natürlich schwer, bei einem nur zweitägigen Zusammensein mit den Spielern so intensiv zu arbeiten, wie man sich das vorstellt. Das wird während der unmittelbaren Vorbereitung auf die EM und bei der EM weitaus besser und umfangreicher werden.

Frage: Heftig unter Beschuss geraten in der öffentlichen Meinung ist Jens Lehmann nach seinem 52. Länderspiel in Wien. Zu Unrecht Ihrer Meinung nach? [wt]


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Mit einem 3:0 in Österreich startete die deutsche Nationalmannschaft in der vergangenen Woche in das EM-Jahr. Allerdings überzeugte die DFB-Auswahl nur phasenweise – die schwache Leistung in der ersten Halbzeit rief heftige Kritik hervor. Für Gesprächsstoff in diesem Zusammenhang sorgten mahnende Worte von Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff zwei Tage vor dem Länderspiel in Wien.

Im "DFB.de-Exklusivinterview" mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien erklärt Oliver Bierhoff (39), wie er seinen "Weckruf" verstanden wissen will und bekräftigt Joachim Löw in dessen Führungsstil, mit dem der Bundestrainer die Mannschaft seit der WM 2006 erfolgreich und mit großer Konsequenz führt.

Außerdem nimmt Bierhoff Stellung zur Leistung und derzeitigen Situation von Torhüter Jens Lehmann und beschreibt seine Erwartungen für die weitere EM-Vorbereitung mit dem nächsten Länderspiel gegen die Schweiz am 26. März in Basel.

Frage: Wie bewerten Sie mit dem Abstand von vier, fünf Tagen den Start der deutschen Nationalmannschaft ins EM-Jahr?

Oliver Bierhoff: Durchwachsen. Positiv ist auf jeden Fall, dass wir trotz einer schlechten Leistung in der ersten Halbzeit das Spiel 3:0 gewonnen haben. Dass die Mannschaft damit nach dem Wechsel eine Reaktion gezeigt und Stabilität bewiesen hat. Vor drei Jahren hätten wir solch ein Spiel noch nicht so deutlich gewonnen. Und niemand wird wohl bestreiten, dass wir mit unserer Chancenauswertung sehr effektiv waren.

Frage: Dennoch sehen viele Beobachter in der deutschen Vorstellung gegen Österreich ein weiteres Warnsignal vor der EM, mit dem Ihre mahnenden und aufrüttelnden Worte vor dem Abflug nach Wien unterstrichen worden seien. Fühlen Sie sich in Ihrem Appell an die Mannschaft bestätigt?

Bierhoff: Ich weiß sehr genau, dass die Spieler, wenn sie bei uns sind, optimal mitziehen. Meine in den Medien als Weckruf dargestellten Aussagen im Hinblick auf die EM im Juni 2008 in Österreich und der Schweiz sollten der Mannschaft und dem Umfeld signalisieren, dass man jeden Tag versuchen muss, sich weiterhin zu verbessern, und dass mit überdurchschnittlichem Engagement die EM-Vorbereitung in den nächsten Wochen vorangetrieben werden muss. Ich glaube, die Mannschaft hat gesehen, dass die EM und dabei auch das EM-Spiel gegen Österreich kein Spaziergang werden. Die erste Halbzeit hat gezeigt, dass wir Schwierigkeiten bekommen, wenn wir nicht vom Anpfiff an hoch konzentriert zur Sache gehen.

Frage: In Joachim Löws Stellungnahmen und in Ihre Äußerungen werden Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundestrainer und dem Manager der Nationalmannschaft hineininterpretiert. Ist das so?

Bierhoff: Keineswegs. Die Trainer und ich sind einer Meinung. Da die Arbeit unserer Trainer erschwert wird durch die kurze Vorbereitung und die geringe Zeit des Zusammenseins mit der Mannschaft, war mein Appell darauf ausgerichtet, eine bessere Basis zu schaffen. Der Trainerstab mit Joachim Löw an der Spitze hat gerade auch intern große Disziplin und hohe Konzentration gefordert. Es gibt keinerlei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundestrainer und mir. Joachim Löw und ich gehen einen gemeinsamen Weg. Mit meinem Appell wollte und will ich einzig und allein die schwierige Arbeit des Trainerstabs unterstützen, die teils durch verletzte Spieler, teils durch Sponsoren- und Medientermine sehr eingeschränkt und belastet ist.

Frage: Sie sehen sich also mit Ihrem Appell als Sprachrohr der sportlichen Leitung. Weshalb wurden Ihre externen und die gemeinsamen internen Aufrufe von der Mannschaft zumindest in der ersten Halbzeit in Wien nicht umgesetzt?

Bierhoff: Jogi hatte die Mannschaft wie immer absolut professionell auf dieses Spiel eingestellt, und wir waren meiner Meinung nach auch motiviert. Möglicherweise sind wir von der Dynamik und der Offensive der Österreicher etwas überrascht worden. Da fiel es zunächst schwer, darauf die richtige Antwort zu finden. Doch nach der Pause, in der sich die Mannschaft neu besinnen konnte, ist es besser geworden, weil wir uns mehr bewegt und schneller agiert haben.

Frage: Muss Joachim Löw im Hinblick auf die EM seinen Führungsstil modifizieren?

Bierhoff: Auf keinen Fall! Joachim Löw ist seit Beginn seiner Tätigkeit als Co-Trainer und als Bundestrainer seiner Linie treu geblieben. Das hat ihn stark gemacht und glaubwürdig gegenüber der Mannschaft. Wer glaubt, dass Jogi bestimmte Dinge vor der Mannschaft und in Einzelgesprächen nicht mit dem nötigen Nachdruck ansprechen kann, der irrt sich gewaltig. Die hier und da unterschwellig geäußerte Kritik an seinem Führungsstil ist überhaupt nicht nachzuvollziehen. Mit seinem Führungsstil hat er die Mannschaft nach der WM weiter auf ein neues höheres Niveau gebracht.

Frage: Die sportliche Leitung verlangt von jedem einzelnen Spieler im Hinblick auf die EM großes und viel zusätzliches eigenverantwortliches Handeln. Trauen Sie Joachim Löw ein ähnlich knallhartes und aufrüttelndes Signal an die Mannschaft zu, wie es Jürgen Klinsmann gesetzt hat mit der Nichtberücksichtigung von Kevin Kuranyi für den WM-Kader 2006?

Bierhoff: Jogi hatte damals diese Entscheidung voll mitgetragen. Er weiß, dass auf dem Weg zur EM und dann natürlich auch beim Turnier selbst einzig und allein die Leistung der Mannschaft im Vordergrund steht. Deshalb wird er beispielsweise bei der Nominierung des EM-Kaders auch vor unpopulären Maßnahmen nicht zurückschrecken, wenn diese für den Erfolg wichtig sind. Es gibt keinen Zweifel: Alle seine Maßnahmen und Entscheidungen werden einzig und allein darauf abzielen, die Leistung der Mannschaft zu optimieren. Was Jogi Löw sich vornimmt und was er verlangt von den Spielern, dass setzt er auch durch. Es ist natürlich schwer, bei einem nur zweitägigen Zusammensein mit den Spielern so intensiv zu arbeiten, wie man sich das vorstellt. Das wird während der unmittelbaren Vorbereitung auf die EM und bei der EM weitaus besser und umfangreicher werden.

Frage: Heftig unter Beschuss geraten in der öffentlichen Meinung ist Jens Lehmann nach seinem 52. Länderspiel in Wien. Zu Unrecht Ihrer Meinung nach?