Bierhoff: "Unsere Perspektiven sind bestens"

Für Oliver Bierhoff waren die vergangenen Wochen nochmals sehr arbeitsintensiv. Der Nationalmannschafts-Manager weilte zu einem längeren Aufenthalt in Südafrika, um sich einen Überblick geeigneter Quartiere für die WM 2010 zu verschaffen. Außerdem besuchte er mit einer 15 Personen umfassenden DFB-Delegation, der unter anderem Bundestrainer Joachim Löw, Sportdirektor Matthias Sammer und Generalsekretär Wolfgang Niersbach angehörten, das französische Leistungszentrum Clairefontaine.

Im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Mediendirektor Harald Stenger redet Oliver Bierhoff über seine aktuellen Eindrücke bei diesen Reisen und zieht eine Bilanz des Jahres 2008.

Frage: Zunächst zur Nationalmannschaft, der EURO 2008 und der WM-Qualifikation 2010. Sind die sportliche Entwicklung und das Abschneiden der DFB-Auswahl zufriedenstellend?

Oliver Bierhoff: Wir setzen ganz konsequent unseren Weg fort, den wir seit 2004 eingeschlagen haben. Dabei sind wir selbstkritisch. Gleichzeitig sind wir uns einig, dass es von Anfang an eine gemeinsame Stärke war, auf die eigene Urteilsfähigkeit zu vertrauen und uns nicht durch Stimmen von Außenstehenden vom Kurs abbringen zu lassen. Wir sind jederzeit für sachlich-konstruktive Kritik offen, doch manchmal sind die Kommentare eher oberflächlich oder gar populistisch. Das betrifft die Bewertungen der Leistungen der Nationalmannschaft oder auch die meiner Arbeit rund um das Team. Unabhängig davon fällt meine Jahresbilanz positiv aus. Allerdings hat das letzte i-Tüpfelchen gefehlt, die Niederlage im EM-Finale gegen Spanien war natürlich für alle enttäuschend. Trotzdem haben unsere Spieler bewiesen, dass sie international wieder ziemlich weit oben rangieren – nicht nur, weil wir in der FIFA-Weltrangliste auf Platz zwei stehen.

Frage: Wie fällt das Urteil über die EURO 2008 mit einer gewissen Distanz aus?

Oliver Bierhoff: Wir haben eine gute Europameisterschaft mit Höhen und Tiefen gespielt. Dass Spanien verdient das Finale und somit den Titel gewonnen hat, daraus haben wir nie einen Hehl gemacht. Dennoch müssen wir uns nicht verstecken. Unsere beste Leistung haben wir sicher unter schwierigen Voraussetzungen auf Grund der UEFA-Sperre für Joachim Löw im Viertelfinale gegen Portugal geboten, doch genauso eindrucksvoll war der Sieg im Halbfinale gegen die zuvor für ihre Last-Minute-Qualitäten gepriesenen Türken dank des Last-Minute-Tores von Philipp Lahm. Dieser Erfolg wurde aus meiner Sicht mehrheitlich in den deutschen Medien ebenso wie das Alles-oder-Nichts-Match gegen Österreich nicht richtig eingeordnet. Und es hätte uns auch nichts gebracht, wenn wir nach der Vorrunde wie die Niederländer überschwänglich gelobt worden und dann frühzeitig aus dem Turnier ausgeschieden wären. Die Mannschaft hat in vier von sechs Begegnungen durchaus beeindruckend ihre Siegermentalität bewiesen und Millionen Fans haben das bejubelt. Ohne jetzt nur allein auf die Ergebnisse zu schauen: Immerhin sind wir das einzige Team, das mit Platz drei bei der WM 2006 und Rang zwei bei der EURO 2008 unter den letzten Vier stand. Nicht nur deshalb sind unsere Perspektiven bestens.

Frage: Was bedeuten die jüngsten Grundsatzdiskussionen zwischen Bundestrainer Joachim Löw und Kapitän Michael Ballack für die künftige Atmosphäre in der DFB-Auswahl und die Zusammenarbeit?

Oliver Bierhoff:Dazu ist wirklich alles gesagt, und die Dinge sind damit geklärt. Wir schauen positiv nach vorne und hoffen, dass sich alle in den Dienst der Mannschaft stellen, damit uns die direkte WM-Qualifikation gelingt und wir dann in Südafrika eine gute Rolle spielen. Dafür sind die Vorgaben des Bundestrainers klar, das hat er zuletzt in seiner kurzen Ansprache vor dem England-Spiel mit deutlichen Worten zum Ausdruck gebracht. Nicht vergessen sollten wir ungeachtet aller Aufgeregtheiten und Schlagzeilen so ein Erlebnis wie am Geburtstag von Miro Klose während der EM, als er vor allen Mitspielern betont hat, wie wohl er sich in diesem Kreis fühlt und dass das Team für ihn seit vielen Jahren wie eine Familie ist.

Frage: Stichwort Südafrika: Wie ist der Stand der Quartiersuche im Land des WM-Gastgebers 2010?

Oliver Bierhoff:Bei unserem ersten längeren Aufenthalt Ende Oktober haben wir viele Städte besucht und uns vor Ort über die detaillierten Bedingungen informiert. Gemeinsam mit Georg Behlau, dem Leiter unseres Nationalmannschafts-Büros, und Wolfgang Wirthmann, dem Geschäftsführer des Euro Lloyd DFB Reisebüros, konnte ich viele wichtige Erkenntnisse sammeln, die wir nun auswerten. Die Planungen für die WM in Südafrika sind wesentlich komplizierter als bei vorausgegangenen Turnieren, denn Aspekte wie Klima, Sicherheit und Verkehrsanbindung müssen bei der Quartierwahl genau bedacht werden. Viele andere Verbände sind ebenfalls schon unterwegs. Auf dem Markt gibt es nicht so viele Hotels, die unter anderem mit Blick auf die Nähe des Trainingsgeländes und Medienzentrums unseren Kriterien entsprechen. Mein Ziel ist es daher, dass wir noch im Frühjahr 2009 eine Entscheidung treffen, um frühzeitig optimale Möglichkeiten zu schaffen – über allem steht in den nächsten Monaten selbstverständlich die Konzentration auf die sportlichen Herausforderungen in der WM-Qualifikation, allen voran das im Kampf um den Gruppensieg wohl entscheidende Duell mit den Russen am 10. Oktober 2009 in Moskau.

Frage: Zum Schluss eine Frage zum dreitägigen Frankreich-Trip Anfang Dezember. Zahlreiche, von Bundestrainer Joachim Löw angeführte DFB-Trainer, Sportdirektor Matthias Sammer und Generalsekretär Wolfgang Niersbach haben sich das französische Leistungszentrum in Clairefontaine angeschaut. Als Gesprächspartner der Gastgeber waren unter anderem Nationaltrainer Raymond Domenech und Sportdirektor Gérard Houllier dabei. Welche Eindrücke waren von besonderer Bedeutung, und welche Konsequenzen für den möglichen Bau eines DFB-Zentrums für alle deutschen Nationalmannschaften hat dieser Besuch?

Oliver Bierhoff:Wir reden darüber ja bereits seit geraumer Zeit. Präsident Dr. Theo Zwanziger und Schatzmeister Horst R. Schmidt haben uns den Auftrag erteilt, dafür ein Konzept vorzulegen, um danach inhaltlich und finanziell zu prüfen, ob ein solches Modell für den DFB realisierbar ist. Federführend dafür ist das von mir geleitete Sportkompetenz-Gremium. Der Besuch in Clairefontaine war in vielerlei Hinsicht aufschlussreich und beeindruckend. Eine kurzfristige Entscheidung ist jedoch nicht geplant, wir sind mit unseren Planungen erst im Anfangsstadium. Zunächst einmal wollten wir möglichst viele Eindrücke sammeln - und das ist gelungen.

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Für Oliver Bierhoff waren die vergangenen Wochen nochmals sehr arbeitsintensiv. Der Nationalmannschafts-Manager weilte zu einem längeren Aufenthalt in Südafrika, um sich einen Überblick geeigneter Quartiere für die WM 2010 zu verschaffen. Außerdem besuchte er mit einer 15 Personen umfassenden DFB-Delegation, der unter anderem Bundestrainer Joachim Löw, Sportdirektor Matthias Sammer und Generalsekretär Wolfgang Niersbach angehörten, das französische Leistungszentrum Clairefontaine.

Im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Mediendirektor Harald Stenger redet Oliver Bierhoff über seine aktuellen Eindrücke bei diesen Reisen und zieht eine Bilanz des Jahres 2008.

Frage: Zunächst zur Nationalmannschaft, der EURO 2008 und der WM-Qualifikation 2010. Sind die sportliche Entwicklung und das Abschneiden der DFB-Auswahl zufriedenstellend?

Oliver Bierhoff: Wir setzen ganz konsequent unseren Weg fort, den wir seit 2004 eingeschlagen haben. Dabei sind wir selbstkritisch. Gleichzeitig sind wir uns einig, dass es von Anfang an eine gemeinsame Stärke war, auf die eigene Urteilsfähigkeit zu vertrauen und uns nicht durch Stimmen von Außenstehenden vom Kurs abbringen zu lassen. Wir sind jederzeit für sachlich-konstruktive Kritik offen, doch manchmal sind die Kommentare eher oberflächlich oder gar populistisch. Das betrifft die Bewertungen der Leistungen der Nationalmannschaft oder auch die meiner Arbeit rund um das Team. Unabhängig davon fällt meine Jahresbilanz positiv aus. Allerdings hat das letzte i-Tüpfelchen gefehlt, die Niederlage im EM-Finale gegen Spanien war natürlich für alle enttäuschend. Trotzdem haben unsere Spieler bewiesen, dass sie international wieder ziemlich weit oben rangieren – nicht nur, weil wir in der FIFA-Weltrangliste auf Platz zwei stehen.

Frage: Wie fällt das Urteil über die EURO 2008 mit einer gewissen Distanz aus?

Oliver Bierhoff: Wir haben eine gute Europameisterschaft mit Höhen und Tiefen gespielt. Dass Spanien verdient das Finale und somit den Titel gewonnen hat, daraus haben wir nie einen Hehl gemacht. Dennoch müssen wir uns nicht verstecken. Unsere beste Leistung haben wir sicher unter schwierigen Voraussetzungen auf Grund der UEFA-Sperre für Joachim Löw im Viertelfinale gegen Portugal geboten, doch genauso eindrucksvoll war der Sieg im Halbfinale gegen die zuvor für ihre Last-Minute-Qualitäten gepriesenen Türken dank des Last-Minute-Tores von Philipp Lahm. Dieser Erfolg wurde aus meiner Sicht mehrheitlich in den deutschen Medien ebenso wie das Alles-oder-Nichts-Match gegen Österreich nicht richtig eingeordnet. Und es hätte uns auch nichts gebracht, wenn wir nach der Vorrunde wie die Niederländer überschwänglich gelobt worden und dann frühzeitig aus dem Turnier ausgeschieden wären. Die Mannschaft hat in vier von sechs Begegnungen durchaus beeindruckend ihre Siegermentalität bewiesen und Millionen Fans haben das bejubelt. Ohne jetzt nur allein auf die Ergebnisse zu schauen: Immerhin sind wir das einzige Team, das mit Platz drei bei der WM 2006 und Rang zwei bei der EURO 2008 unter den letzten Vier stand. Nicht nur deshalb sind unsere Perspektiven bestens.

Frage: Was bedeuten die jüngsten Grundsatzdiskussionen zwischen Bundestrainer Joachim Löw und Kapitän Michael Ballack für die künftige Atmosphäre in der DFB-Auswahl und die Zusammenarbeit?

Oliver Bierhoff:Dazu ist wirklich alles gesagt, und die Dinge sind damit geklärt. Wir schauen positiv nach vorne und hoffen, dass sich alle in den Dienst der Mannschaft stellen, damit uns die direkte WM-Qualifikation gelingt und wir dann in Südafrika eine gute Rolle spielen. Dafür sind die Vorgaben des Bundestrainers klar, das hat er zuletzt in seiner kurzen Ansprache vor dem England-Spiel mit deutlichen Worten zum Ausdruck gebracht. Nicht vergessen sollten wir ungeachtet aller Aufgeregtheiten und Schlagzeilen so ein Erlebnis wie am Geburtstag von Miro Klose während der EM, als er vor allen Mitspielern betont hat, wie wohl er sich in diesem Kreis fühlt und dass das Team für ihn seit vielen Jahren wie eine Familie ist.

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Frage: Stichwort Südafrika: Wie ist der Stand der Quartiersuche im Land des WM-Gastgebers 2010?

Oliver Bierhoff:Bei unserem ersten längeren Aufenthalt Ende Oktober haben wir viele Städte besucht und uns vor Ort über die detaillierten Bedingungen informiert. Gemeinsam mit Georg Behlau, dem Leiter unseres Nationalmannschafts-Büros, und Wolfgang Wirthmann, dem Geschäftsführer des Euro Lloyd DFB Reisebüros, konnte ich viele wichtige Erkenntnisse sammeln, die wir nun auswerten. Die Planungen für die WM in Südafrika sind wesentlich komplizierter als bei vorausgegangenen Turnieren, denn Aspekte wie Klima, Sicherheit und Verkehrsanbindung müssen bei der Quartierwahl genau bedacht werden. Viele andere Verbände sind ebenfalls schon unterwegs. Auf dem Markt gibt es nicht so viele Hotels, die unter anderem mit Blick auf die Nähe des Trainingsgeländes und Medienzentrums unseren Kriterien entsprechen. Mein Ziel ist es daher, dass wir noch im Frühjahr 2009 eine Entscheidung treffen, um frühzeitig optimale Möglichkeiten zu schaffen – über allem steht in den nächsten Monaten selbstverständlich die Konzentration auf die sportlichen Herausforderungen in der WM-Qualifikation, allen voran das im Kampf um den Gruppensieg wohl entscheidende Duell mit den Russen am 10. Oktober 2009 in Moskau.

Frage: Zum Schluss eine Frage zum dreitägigen Frankreich-Trip Anfang Dezember. Zahlreiche, von Bundestrainer Joachim Löw angeführte DFB-Trainer, Sportdirektor Matthias Sammer und Generalsekretär Wolfgang Niersbach haben sich das französische Leistungszentrum in Clairefontaine angeschaut. Als Gesprächspartner der Gastgeber waren unter anderem Nationaltrainer Raymond Domenech und Sportdirektor Gérard Houllier dabei. Welche Eindrücke waren von besonderer Bedeutung, und welche Konsequenzen für den möglichen Bau eines DFB-Zentrums für alle deutschen Nationalmannschaften hat dieser Besuch?

Oliver Bierhoff:Wir reden darüber ja bereits seit geraumer Zeit. Präsident Dr. Theo Zwanziger und Schatzmeister Horst R. Schmidt haben uns den Auftrag erteilt, dafür ein Konzept vorzulegen, um danach inhaltlich und finanziell zu prüfen, ob ein solches Modell für den DFB realisierbar ist. Federführend dafür ist das von mir geleitete Sportkompetenz-Gremium. Der Besuch in Clairefontaine war in vielerlei Hinsicht aufschlussreich und beeindruckend. Eine kurzfristige Entscheidung ist jedoch nicht geplant, wir sind mit unseren Planungen erst im Anfangsstadium. Zunächst einmal wollten wir möglichst viele Eindrücke sammeln - und das ist gelungen.