Bierhoff im DFB-Team: Erster Doppelpack vor dem Golden Goal

Im Sommer 1996 wurde Deutschland zum dritten und bisher letzten Mal Europameister. Die beiden Jokertore von Oliver Bierhoff im Finale gegen Tschechien sind längst fester Bestandteil des Allgemeinwissens, nicht nur für Fußballfreunde. Schließlich war das berühmte 2:1 auch das erste Golden Goal der Fußballgeschichte. Dass es überhaupt so weit kam, liegt wesentlich am ersten Doppelpack des Oliver Bierhoff im DFB-Trikot. An den werden sich etwas weniger Menschen erinnern. Er fiel heute vor 24 Jahren in einem halbleeren Stadion bei einem Testspiel gegen Dänemark. Der Italien-Legionär war der einzige Torschütze des Abends. DFB.de blickt zurück.

Vor der EM 1996 hatte Bundestrainer Berti Vogts nach etwas wackliger Qualifikation etliche Personalien zu lösen. Nach dem WM-Aus in den USA 1994 gab es den nötigen Umbruch, viele Weltmeister traten zurück. Die Lücken, die Bodo Illgner, Andreas Brehme, Lothar Matthäus oder Thomas Berthold rissen, ließen sich schließen. Aber den idealen Sturmpartner von Jürgen Klinsmann, der mehr als sieben Jahre Rudi Völler geheißen hatte, suchte Vogts immer noch. Stefan Kuntz, Fredi Bobic, Heiko Herrlich und Ulf Kirsten hießen die heißesten Kandidaten aus der Bundesliga, deren Torschützenliste im Jahr eins nach dem Bosman-Urteil indes zwei Ausländer anführten: der Schwede Martin Dahlin und der Brasilianer Giovane Elber. Kein aktueller deutscher Anwärter drängte sich wirklich auf.

Aber es gab ja auch deutsche Torjäger im Ausland. Bundestrainer Vogts war es seit Amtsantritt 1990 gewohnt, über die Grenzen zu schauen, wo er vor allem in Italien viele Kandidaten für den DFB-Dress fand. Der Italien-Boom war zwar sechs Jahre nach dem WM-Titel etwas abgeflaut, aber in Udine spielte noch ein 1,91 Meter großer Hüne, der für den eher unbedeutenden Klub Udinese Calcio in schöner Regelmäßigkeit traf: Oliver Bierhoff.

"Ich wagte nicht, auf meine Chance zu hoffen"

Vogts kannte ihn persönlich, er war schon sein Mittelstürmer in der U 21 gewesen, für die Bierhoff von 1988 bis 1990 in zehn Einsätzen sechs Tore geschossen hatte. Auch die Fußballexperten kannten ihn, und die Fans rätselten: Hatte Bierhoff nicht mal in der Bundesliga gespielt? Uerdingen, HSV, Mönchengladbach - drei Klubs in vier Jahren, wenig Glück. Stammspieler war er nirgends, da zog es ihn in die Fremde. Erst Österreich, dann Italien, Serie B. Vogts hatte ihn nie aus den Augen verloren, aber eben auch lange nicht gebraucht. Im September 1994 lud er ihn mal zu einem Lehrgang - da war er noch Zweitligaspieler in Italien. Bierhoff: "Ich wagte nicht, auf meine Chance zu hoffen."

Aber je näher die EM rückte, desto mehr wünschte sich Vogts einen Mittelstürmer alter Schule, der in die Lücken stieß, die ein Klinsmann riss. Bierhoff war mittlerweile von Ascoli als Torschützenkönig der Serie B nach Udine gewechselt und spielte endlich in der Serie A. Auch dort machte er seine Tore –- und Vogts wagte es endlich, ihn einzusetzen.

Schon am 21. Februar 1996 in Porto gab Bierhoff als Joker sein Debüt und bereitete das 2:1-Siegtor vor. Gegen Dänemark in München sollte er am 27.März von Anfang an ran, da Herrlich länger und Bobic kurzfristig ausfiel und Kirsten im Formtief steckte. Bierhoffs Einsatz war quasi alternativlos, aber nach seinem 13. Saisontor in der Serie A beim 1:2 gegen Inter Mailand auch mehr als berechtigt.

"Die wussten nicht, wer ich bin"

Die Revanche gegen die Dänen, Sieger des EM-Finales 1992, war nicht gerade ein Straßenfeger, nur 26.000 Menschen kamen ins Münchner Olympiastadion. Bierhoff war zum Glück auch da, sogar unten auf dem Rasen. Österreichische Grenzbeamten hätten ihn beim Übergang nach Deutschland fast noch gestoppt, weil er mit seinem Auto einen Stau auf der Lkw-Spur umgangen hatte. Es blieb jedoch bei einem heftigen Anpfiff. Bierhoff: "Die wussten nicht, wer ich bin. So bekannt bin ich nicht."

Das sollte sich schnell ändern. Die ausgeglichene erste Hälfte, aus der Torwart Oliver Kahn nach 18 Minuten verletzt ausschied, ging schon ihrem Ende entgegen, als Christian Ziege seine starke Leistung mit einer Torvorlage von und mit links krönte. Abnehmer: Bierhoff (44.) aus fünf Metern, mit dem Fuß. Bekannter war er schon damals freilich für seine Kopfballstärke, und davon konnten sich die Zuschauer nach 62 Minuten überzeugen, als er einen Häßler-Freistoß zum 2:0 verlängerte, wobei Keeper Peter Schmeichel keine gute Figur machte. Es war ein quasi bestelltes Tor, wie Bierhoff augenzwinkernd berichtete: "Vor dem Spiel habe ich mit Icke Häßler noch geflachst und gesagt: 'Du musst mich einfach anschießen.' Genauso ist es gekommen."

Vom großen Unbekannten zur großen Entdeckung

Zehn Minuten später setzte der Mittestürmer einen Ball übers Tor, aber auch so blieb er der Mann des Abends. Der zwar keinen großen Fußball zeigte, wohl aber eine große Entdeckung hervorbrachte. Denn für die meisten Zuschauer, auch am TV, war der große Blonde auch der große Unbekannte.

Am wenigsten überrascht war noch Berti Vogts: "Oliver Bierhoff ist ein torgefährlicher Mann, deshalb haben wir ihn in die Nationalmannschaft geholt." Bierhoff betrieb nach seinem gelungenen Startelfdebüt etwas Eigenwerbung, mit Demut gepaart: "Selbstbewusstsein besitze ich, Zweifel darf man als Stürmer nicht haben. Ich versuche, in der Nationalelf sehr locker zur Sache zu gehen, freue mich über jeden Einsatz. Daran habe ich vor zwei, drei Jahren nicht geglaubt." Zur EM fahren zu dürfen, das wäre für mich natürlich eine tierisch gute Sache und eine Ehre."

Er fuhr zur EM, und es wurde eine gute Sache, damals in Wembley. Sechs Jahre gehörte der Spätstarter zum Kreis der Nationalmannschaft, wurde ihr Kapitän und trat nach 72 Länderspielen 2002 als Vizeweltmeister ab. Weltmeister wurde er dann auch noch, wenn auch nicht in kurzen Hosen.

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Im Sommer 1996 wurde Deutschland zum dritten und bisher letzten Mal Europameister. Die beiden Jokertore von Oliver Bierhoff im Finale gegen Tschechien sind längst fester Bestandteil des Allgemeinwissens, nicht nur für Fußballfreunde. Schließlich war das berühmte 2:1 auch das erste Golden Goal der Fußballgeschichte. Dass es überhaupt so weit kam, liegt wesentlich am ersten Doppelpack des Oliver Bierhoff im DFB-Trikot. An den werden sich etwas weniger Menschen erinnern. Er fiel heute vor 24 Jahren in einem halbleeren Stadion bei einem Testspiel gegen Dänemark. Der Italien-Legionär war der einzige Torschütze des Abends. DFB.de blickt zurück.

Vor der EM 1996 hatte Bundestrainer Berti Vogts nach etwas wackliger Qualifikation etliche Personalien zu lösen. Nach dem WM-Aus in den USA 1994 gab es den nötigen Umbruch, viele Weltmeister traten zurück. Die Lücken, die Bodo Illgner, Andreas Brehme, Lothar Matthäus oder Thomas Berthold rissen, ließen sich schließen. Aber den idealen Sturmpartner von Jürgen Klinsmann, der mehr als sieben Jahre Rudi Völler geheißen hatte, suchte Vogts immer noch. Stefan Kuntz, Fredi Bobic, Heiko Herrlich und Ulf Kirsten hießen die heißesten Kandidaten aus der Bundesliga, deren Torschützenliste im Jahr eins nach dem Bosman-Urteil indes zwei Ausländer anführten: der Schwede Martin Dahlin und der Brasilianer Giovane Elber. Kein aktueller deutscher Anwärter drängte sich wirklich auf.

Aber es gab ja auch deutsche Torjäger im Ausland. Bundestrainer Vogts war es seit Amtsantritt 1990 gewohnt, über die Grenzen zu schauen, wo er vor allem in Italien viele Kandidaten für den DFB-Dress fand. Der Italien-Boom war zwar sechs Jahre nach dem WM-Titel etwas abgeflaut, aber in Udine spielte noch ein 1,91 Meter großer Hüne, der für den eher unbedeutenden Klub Udinese Calcio in schöner Regelmäßigkeit traf: Oliver Bierhoff.

"Ich wagte nicht, auf meine Chance zu hoffen"

Vogts kannte ihn persönlich, er war schon sein Mittelstürmer in der U 21 gewesen, für die Bierhoff von 1988 bis 1990 in zehn Einsätzen sechs Tore geschossen hatte. Auch die Fußballexperten kannten ihn, und die Fans rätselten: Hatte Bierhoff nicht mal in der Bundesliga gespielt? Uerdingen, HSV, Mönchengladbach - drei Klubs in vier Jahren, wenig Glück. Stammspieler war er nirgends, da zog es ihn in die Fremde. Erst Österreich, dann Italien, Serie B. Vogts hatte ihn nie aus den Augen verloren, aber eben auch lange nicht gebraucht. Im September 1994 lud er ihn mal zu einem Lehrgang - da war er noch Zweitligaspieler in Italien. Bierhoff: "Ich wagte nicht, auf meine Chance zu hoffen."

Aber je näher die EM rückte, desto mehr wünschte sich Vogts einen Mittelstürmer alter Schule, der in die Lücken stieß, die ein Klinsmann riss. Bierhoff war mittlerweile von Ascoli als Torschützenkönig der Serie B nach Udine gewechselt und spielte endlich in der Serie A. Auch dort machte er seine Tore –- und Vogts wagte es endlich, ihn einzusetzen.

Schon am 21. Februar 1996 in Porto gab Bierhoff als Joker sein Debüt und bereitete das 2:1-Siegtor vor. Gegen Dänemark in München sollte er am 27.März von Anfang an ran, da Herrlich länger und Bobic kurzfristig ausfiel und Kirsten im Formtief steckte. Bierhoffs Einsatz war quasi alternativlos, aber nach seinem 13. Saisontor in der Serie A beim 1:2 gegen Inter Mailand auch mehr als berechtigt.

"Die wussten nicht, wer ich bin"

Die Revanche gegen die Dänen, Sieger des EM-Finales 1992, war nicht gerade ein Straßenfeger, nur 26.000 Menschen kamen ins Münchner Olympiastadion. Bierhoff war zum Glück auch da, sogar unten auf dem Rasen. Österreichische Grenzbeamten hätten ihn beim Übergang nach Deutschland fast noch gestoppt, weil er mit seinem Auto einen Stau auf der Lkw-Spur umgangen hatte. Es blieb jedoch bei einem heftigen Anpfiff. Bierhoff: "Die wussten nicht, wer ich bin. So bekannt bin ich nicht."

Das sollte sich schnell ändern. Die ausgeglichene erste Hälfte, aus der Torwart Oliver Kahn nach 18 Minuten verletzt ausschied, ging schon ihrem Ende entgegen, als Christian Ziege seine starke Leistung mit einer Torvorlage von und mit links krönte. Abnehmer: Bierhoff (44.) aus fünf Metern, mit dem Fuß. Bekannter war er schon damals freilich für seine Kopfballstärke, und davon konnten sich die Zuschauer nach 62 Minuten überzeugen, als er einen Häßler-Freistoß zum 2:0 verlängerte, wobei Keeper Peter Schmeichel keine gute Figur machte. Es war ein quasi bestelltes Tor, wie Bierhoff augenzwinkernd berichtete: "Vor dem Spiel habe ich mit Icke Häßler noch geflachst und gesagt: 'Du musst mich einfach anschießen.' Genauso ist es gekommen."

Vom großen Unbekannten zur großen Entdeckung

Zehn Minuten später setzte der Mittestürmer einen Ball übers Tor, aber auch so blieb er der Mann des Abends. Der zwar keinen großen Fußball zeigte, wohl aber eine große Entdeckung hervorbrachte. Denn für die meisten Zuschauer, auch am TV, war der große Blonde auch der große Unbekannte.

Am wenigsten überrascht war noch Berti Vogts: "Oliver Bierhoff ist ein torgefährlicher Mann, deshalb haben wir ihn in die Nationalmannschaft geholt." Bierhoff betrieb nach seinem gelungenen Startelfdebüt etwas Eigenwerbung, mit Demut gepaart: "Selbstbewusstsein besitze ich, Zweifel darf man als Stürmer nicht haben. Ich versuche, in der Nationalelf sehr locker zur Sache zu gehen, freue mich über jeden Einsatz. Daran habe ich vor zwei, drei Jahren nicht geglaubt." Zur EM fahren zu dürfen, das wäre für mich natürlich eine tierisch gute Sache und eine Ehre."

Er fuhr zur EM, und es wurde eine gute Sache, damals in Wembley. Sechs Jahre gehörte der Spätstarter zum Kreis der Nationalmannschaft, wurde ihr Kapitän und trat nach 72 Länderspielen 2002 als Vizeweltmeister ab. Weltmeister wurde er dann auch noch, wenn auch nicht in kurzen Hosen.

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