Bielefeld gegen den HSV: Ein ganz besonderes Duell

Zu den prickelndsten Ansetzungen der 2. DFB-Pokalrunde gehört die Partie Arminia Bielefeld gegen den Hamburger SV. Alter Bundesligaadel trifft sich am Dienstag (ab 20.45 Uhr, live bei Sky) unter Flutlicht in einem engen, klassischen Fußballstadion, das nie eine Laufbahn gesehen hat. Es ist auch das Duell zweier Vereine, die in einer speziellen Beziehung stehen. Nicht nur, weil sie in den Farben vereint sind, aber es gibt tatsächlich einen Reim dazu: "Schwarz, weiß, blau - Arminia und der HSV!"

Hanseaten und Ostwestfalen liefen sich sportlich öfters mal über den Weg, allein 34 Mal in der Bundesliga, der sie nun beide nicht mehr angehören. 1979 feierte der HSV seine erste Bundesligameisterschaft auf der Bielefelder Alm mit einem schmucklosen 0:0, das die Arminia zum Abstieg verurteilte. Während sich der HSV bis 2018 mit dem Etikett "Bundesliga-Dino" schmücken konnte, war und ist Arminia ein klassischer Fahrstuhlklub, der gerade wieder zwei Abstiege in Folge hinter sich hat. Beide haben, das lässt sich ungestraft behaupten, schon bessere Zeiten gesehen.

Was auch an Menschen liegt, die für beide Klubs in verschiedenen Funktionen tätig waren. Das lässt sich zwar für viele Konstellationen behaupten, aber mit Arminia und dem HSV ist es schon etwas Besonderes. Dieses Verhältnis verkörpert niemand besser als Thomas von Heesen (62), der aus Höxter in Ostwestfalen stammt, für beide Klubs gespielt hat und auch als Funktionär tätig war.

Ehrgeizige Pläne mit Ex-HSVlern

Am Dienstag ist er nicht auf der Alm, obwohl es ihn reizt und er eine Einladung erhalten hatte, "aber es ist nun mal Halloween und da geht meine Tochter vor." Die Familie kommt im Leben des heute selbstständigen Unternehmers (Consulting-Agentur für Sportprojekte) also nicht zu kurz.

Einen gewissen Familiensinn bewies er aber auch schon vor rund 30 Jahren, als von Heesen in Bielefeld eine kleine HSV-Filiale aufmachte. Es war die berühmte Zeit der Ära Rüdiger Lamm/Ernst Middendorp. Arminia spielte 1994 noch drittklassig (Regionalliga West/Südwest) und ihr neuer Manager hatte ehrgeizige Pläne. Lamm wollte binnen drei Jahren in die Bundesliga, mit einem revolutionären Sponsorenmodell (250 Unternehmen; mit 10.000 DM war man dabei) sollte es gelingen. Lamms Devise: "Geht nicht gibt’s nicht!" Dafür wurden die Spieler, je namhafter desto besser, zuweilen in Werbemaßnahmen eingebunden.

Geld war also da, um Bundesligaprofis auf die Alm zu locken und mit von Heesen, damals 32, fing es an. Sieben Tage nach Dienstantritt nahm Lamm mit ihm im Januar 1994 Kontakt auf. Mit Erfolg: Nach drei Meisterschaften mit dem HSV, einem legendären Europapokalsieg (1983) und sieben Jahre nach dem letzten Titel (DFB-Pokal 1987) zog es von Heesen in die Heimat zurück zu einem reizvollen Projekt. "Ich sagte Lamm, dass wir für das Projekt mindestens vier bis fünf hoch qualifizierte Spieler holen müssen und dass es den einen oder anderen gebe, der mir da einfiele", erzählt er auf DFB.de. Dann hängte er sich ans Telefon und "verpflichtete" Armin Eck, Ex-Bayern-Profi, Jörg Bode und Thomas Stratos.

Von Heesen: "Wir waren nicht die Superstars"

Eck und Bode kamen direkt vom HSV zwei Ligen runter, Stratos hatte von 1990 bis 1992 dort gespielt und war dann nach Saarbrücken weitergezogen. Ein HSV-Quartett sowie der Stuttgarter Meisterstürmer und Torschützenkönig von 1992, Fritz Walter, und der Engländer Peter Hobday (früher Frankfurt) schnürten plötzlich im Amateurfußball die Schuhe - natürlich auch wegen des Geldes. Arminia galt als Millionentruppe, extern wurde sie angefeindet - aber wie war das Binnenklima? Von Heesen versichert: "Alle waren super integriert. Wir waren nicht die Superstars, es war keiner dabei, der aus der Reihe getanzt hat. Der Akzeptanz war es sicherlich auch förderlich, dass Stratos, Bode und ich aus der Gegend kamen." Es kam, wie es kommen sollte.

Arminia marschierte durch - von der 3. Liga in die Bundesliga. Den zweiten Teil des Weges ging auch Torwart Uli Stein mit, der 1995 nach seinem zweiten HSV-Aufenthalt nun ein zweites Mal bei der Arminia spielte. Mit 41! Von Heesen: "Uli war das I-Tüpfelchen, nun waren wir auf jeder Position top besetzt." In die Bundesligasaison 1996/1997 gingen sie mit fünf Ex-Hamburgern, dann machten sich bei einigen die Strapazen einer langen Karriere bemerkbar. Von Heesen kam nur noch sporadisch zum Einsatz (10 Mal in der Bundesliga), Eck auf gerade zwei Spiele. Beide beendeten ihre Profikarriere 1997, ebenso Uli Stein. Bode und Stratos waren die letzten Mohikaner und erlebten den Abstieg 1998 mit.

"Das ist ein 50:50-Spiel"

Von Heesen aber blieb im Verein und schaffte als Teammanager und Interimslösung ohne Trainerschein 1999 den erneuten Aufstieg. Sein Mittelstürmer war sein einstiger Mitspieler beim HSV - Bruno Labbadia, später noch zweimal HSV-Trainer. Klubmanager in jenen Tagen war nach Lamms Abgang Heribert Bruchhagen - der nächste Ostwestfale mit HSV-Vergangenheit. Er musste den Gigantismus der Ära Lamm ausbaden, Arminia hatte sich mit den Gehältern übernommen und fuhr in den nächsten Jahren fleißig Fahrstuhl. Von 2000 bis 2004 auf der Trainerbank: Benno Möhlmann, zuvor HSV-Spieler und Trainer, verpflichtet von Bruchhagen. Auch Möhlmann schaffte noch einen Aufstieg (2003). Es gab auch etliche, die den umgekehrten Weg gingen - wie Arminias Nationalspieler Ronny Maul, der in Hamburg aber scheiterte.

Einer der erfolgreichsten HSV-Trainer, allein schon wegen der Dauer seiner Amtszeit, war Frank Pagelsdorf (1997-2002), der den Klub mehrmals ins internationale Geschäft führte. Seine Bundesligakarriere startete 1978 auf der Bielefelder Alm.

All das ist lange her und doch nicht vergessen. Die Gegenwart würde von Heesen, der 2018 noch Vorstandsberater der Hamburger war, dagegen lieber ausblenden. "HSV in der 2. Liga, das fühlt sich falsch an. Arminia in der 3. Liga - noch falscher. Jetzt sind sie wieder da, wo wir damals begonnen haben. Dabei gehört sie mindestens in die 2. Liga mit dem Umfeld und dem Stadion. Der HSV ist in der 2. Liga personell weit überlegen, es wird Zeit dass er jetzt aufsteigt." Klingt nach einer klaren Sache für Dienstag, aber da ist von Heesen zu sehr Fußballer und auch ein bisschen Diplomat. "Das ist ein 50:50-Spiel, im Pokal vor der Kulisse - da geht es hier immer ab." Er wird es am Fernsehen schauen, sofern der Halloween-Spuk es erlaubt.

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Zu den prickelndsten Ansetzungen der 2. DFB-Pokalrunde gehört die Partie Arminia Bielefeld gegen den Hamburger SV. Alter Bundesligaadel trifft sich am Dienstag (ab 20.45 Uhr, live bei Sky) unter Flutlicht in einem engen, klassischen Fußballstadion, das nie eine Laufbahn gesehen hat. Es ist auch das Duell zweier Vereine, die in einer speziellen Beziehung stehen. Nicht nur, weil sie in den Farben vereint sind, aber es gibt tatsächlich einen Reim dazu: "Schwarz, weiß, blau - Arminia und der HSV!"

Hanseaten und Ostwestfalen liefen sich sportlich öfters mal über den Weg, allein 34 Mal in der Bundesliga, der sie nun beide nicht mehr angehören. 1979 feierte der HSV seine erste Bundesligameisterschaft auf der Bielefelder Alm mit einem schmucklosen 0:0, das die Arminia zum Abstieg verurteilte. Während sich der HSV bis 2018 mit dem Etikett "Bundesliga-Dino" schmücken konnte, war und ist Arminia ein klassischer Fahrstuhlklub, der gerade wieder zwei Abstiege in Folge hinter sich hat. Beide haben, das lässt sich ungestraft behaupten, schon bessere Zeiten gesehen.

Was auch an Menschen liegt, die für beide Klubs in verschiedenen Funktionen tätig waren. Das lässt sich zwar für viele Konstellationen behaupten, aber mit Arminia und dem HSV ist es schon etwas Besonderes. Dieses Verhältnis verkörpert niemand besser als Thomas von Heesen (62), der aus Höxter in Ostwestfalen stammt, für beide Klubs gespielt hat und auch als Funktionär tätig war.

Ehrgeizige Pläne mit Ex-HSVlern

Am Dienstag ist er nicht auf der Alm, obwohl es ihn reizt und er eine Einladung erhalten hatte, "aber es ist nun mal Halloween und da geht meine Tochter vor." Die Familie kommt im Leben des heute selbstständigen Unternehmers (Consulting-Agentur für Sportprojekte) also nicht zu kurz.

Einen gewissen Familiensinn bewies er aber auch schon vor rund 30 Jahren, als von Heesen in Bielefeld eine kleine HSV-Filiale aufmachte. Es war die berühmte Zeit der Ära Rüdiger Lamm/Ernst Middendorp. Arminia spielte 1994 noch drittklassig (Regionalliga West/Südwest) und ihr neuer Manager hatte ehrgeizige Pläne. Lamm wollte binnen drei Jahren in die Bundesliga, mit einem revolutionären Sponsorenmodell (250 Unternehmen; mit 10.000 DM war man dabei) sollte es gelingen. Lamms Devise: "Geht nicht gibt’s nicht!" Dafür wurden die Spieler, je namhafter desto besser, zuweilen in Werbemaßnahmen eingebunden.

Geld war also da, um Bundesligaprofis auf die Alm zu locken und mit von Heesen, damals 32, fing es an. Sieben Tage nach Dienstantritt nahm Lamm mit ihm im Januar 1994 Kontakt auf. Mit Erfolg: Nach drei Meisterschaften mit dem HSV, einem legendären Europapokalsieg (1983) und sieben Jahre nach dem letzten Titel (DFB-Pokal 1987) zog es von Heesen in die Heimat zurück zu einem reizvollen Projekt. "Ich sagte Lamm, dass wir für das Projekt mindestens vier bis fünf hoch qualifizierte Spieler holen müssen und dass es den einen oder anderen gebe, der mir da einfiele", erzählt er auf DFB.de. Dann hängte er sich ans Telefon und "verpflichtete" Armin Eck, Ex-Bayern-Profi, Jörg Bode und Thomas Stratos.

Von Heesen: "Wir waren nicht die Superstars"

Eck und Bode kamen direkt vom HSV zwei Ligen runter, Stratos hatte von 1990 bis 1992 dort gespielt und war dann nach Saarbrücken weitergezogen. Ein HSV-Quartett sowie der Stuttgarter Meisterstürmer und Torschützenkönig von 1992, Fritz Walter, und der Engländer Peter Hobday (früher Frankfurt) schnürten plötzlich im Amateurfußball die Schuhe - natürlich auch wegen des Geldes. Arminia galt als Millionentruppe, extern wurde sie angefeindet - aber wie war das Binnenklima? Von Heesen versichert: "Alle waren super integriert. Wir waren nicht die Superstars, es war keiner dabei, der aus der Reihe getanzt hat. Der Akzeptanz war es sicherlich auch förderlich, dass Stratos, Bode und ich aus der Gegend kamen." Es kam, wie es kommen sollte.

Arminia marschierte durch - von der 3. Liga in die Bundesliga. Den zweiten Teil des Weges ging auch Torwart Uli Stein mit, der 1995 nach seinem zweiten HSV-Aufenthalt nun ein zweites Mal bei der Arminia spielte. Mit 41! Von Heesen: "Uli war das I-Tüpfelchen, nun waren wir auf jeder Position top besetzt." In die Bundesligasaison 1996/1997 gingen sie mit fünf Ex-Hamburgern, dann machten sich bei einigen die Strapazen einer langen Karriere bemerkbar. Von Heesen kam nur noch sporadisch zum Einsatz (10 Mal in der Bundesliga), Eck auf gerade zwei Spiele. Beide beendeten ihre Profikarriere 1997, ebenso Uli Stein. Bode und Stratos waren die letzten Mohikaner und erlebten den Abstieg 1998 mit.

"Das ist ein 50:50-Spiel"

Von Heesen aber blieb im Verein und schaffte als Teammanager und Interimslösung ohne Trainerschein 1999 den erneuten Aufstieg. Sein Mittelstürmer war sein einstiger Mitspieler beim HSV - Bruno Labbadia, später noch zweimal HSV-Trainer. Klubmanager in jenen Tagen war nach Lamms Abgang Heribert Bruchhagen - der nächste Ostwestfale mit HSV-Vergangenheit. Er musste den Gigantismus der Ära Lamm ausbaden, Arminia hatte sich mit den Gehältern übernommen und fuhr in den nächsten Jahren fleißig Fahrstuhl. Von 2000 bis 2004 auf der Trainerbank: Benno Möhlmann, zuvor HSV-Spieler und Trainer, verpflichtet von Bruchhagen. Auch Möhlmann schaffte noch einen Aufstieg (2003). Es gab auch etliche, die den umgekehrten Weg gingen - wie Arminias Nationalspieler Ronny Maul, der in Hamburg aber scheiterte.

Einer der erfolgreichsten HSV-Trainer, allein schon wegen der Dauer seiner Amtszeit, war Frank Pagelsdorf (1997-2002), der den Klub mehrmals ins internationale Geschäft führte. Seine Bundesligakarriere startete 1978 auf der Bielefelder Alm.

All das ist lange her und doch nicht vergessen. Die Gegenwart würde von Heesen, der 2018 noch Vorstandsberater der Hamburger war, dagegen lieber ausblenden. "HSV in der 2. Liga, das fühlt sich falsch an. Arminia in der 3. Liga - noch falscher. Jetzt sind sie wieder da, wo wir damals begonnen haben. Dabei gehört sie mindestens in die 2. Liga mit dem Umfeld und dem Stadion. Der HSV ist in der 2. Liga personell weit überlegen, es wird Zeit dass er jetzt aufsteigt." Klingt nach einer klaren Sache für Dienstag, aber da ist von Heesen zu sehr Fußballer und auch ein bisschen Diplomat. "Das ist ein 50:50-Spiel, im Pokal vor der Kulisse - da geht es hier immer ab." Er wird es am Fernsehen schauen, sofern der Halloween-Spuk es erlaubt.

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