BFC Germania 1888: Der älteste Fußballverein Deutschlands

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: der BFC Germania 1888, der älteste Fußballverein Deutschlands.

Neue Trikots im Jubiläumsdesign

Eineinhalb Stunden vor dem Anpfiff ist Treffpunkt in der Kabine, aber Dieter Kraschewski ist schon viel früher da. Seit Wochen hat der Vorsitzende des BFC Germania sich auf diesen Sonntag im März gefreut - auf den Moment, an dem das so lange streng gehütete Geheimnis gelüftet wird und die Spieler die neuen Trikots im Jubiläumsdesign sehen. "Ganz stark", ruft einer von ihnen, als sein Blick auf die schwarzen Hemden mit dem goldenen Ährenkranz um das aufgestickte Vereinswappen fällt, und noch mal: "Ganz stark!"

Später, als das Spiel der Berliner Kreisliga B vor den üblichen zwei Dutzend Zuschauern schon läuft, die ebenfalls mit einem Raunen auf die neue Spielkleidung reagiert haben, wird Kraschewski zufrieden feststellen: "Das war schon ein großes Erlebnis." So schöne Tage sind selten geworden beim BFC Germania, der im Dreikaiserjahr 1888 gegründet wurde, als Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II. Deutschland regierten. Am 15. April ist der älteste deutsche Fußballklub 125 Jahre alt geworden. An sich ein Grund zum Feiern. Doch schon lange ist der Verein nur noch einer von vielen im Berliner Amateurfußball – und kämpft dagegen an, in der Versenkung zu verschwinden. "Diese Sorge muss man haben", sagt Kraschewski, doch zu lange möchte er diesem Gedanken nicht nachhängen.

Nicht an einem so schönen Tag. Der auf dem Kunstrasenplatz an der Götzstraße in Tempelhof auch gut beginnt gegen die Zweitvertretung von Cimbria Trabzonspor, doch beim 3:3 muss Germania in der gefühlten achten Minute der Nachspielzeit noch den Ausgleich hinnehmen – durch den Torwart des Gegners.

"Anfang des Jahrtausends hat es mehr Spaß gemacht"

Kreisliga B, das ist die zehnthöchste Spielklasse. "Anfang des Jahrtausends hat es mehr Spaß gemacht", sagt Kraschewski. Früher war alles besser – in diesem Fall stimmt es, und das letzte Hoch liegt noch gar nicht so lange zurück. Zwischen 2000 und 2004 spielte Germania in der höchsten Berliner Spielklasse, noch einmal flammte die alte Rivalität mit Viktoria 89 auf, noch so einem ehrenwerten Überbleibsel aus der Gründerzeit des deutschen Fußballs. Aber seit dem Rückzug des damaligen Vorsitzenden und des Sponsors ist alles weniger geworden: Geld, Spieler, Mitglieder.

Nachfolger als Vorsitzender ist Kraschewski, er ist seit 1963 im Verein, feiert in diesem Jahr also selbst 50. Jubiläum. Früher war er Torwart, kräftig zuzupacken ist der freundliche Mann gewohnt. Die Jubiläumstrikots waren seine Idee und sind Ausdruck des anspruchsvollen Spagats, den Kraschewski und seine wenigen Mitstreiter an der Spitze des Vereins ständig versuchen. Einerseits fühlen sie sich der Tradition verpflichtet. Immerhin ist Germania in gewisser Weise auch so etwas wie der erste inoffizielle Deutsche Meister der Geschichte – allerdings noch vor Gründung des DFB, als sechs im "Bund Deutscher Fußballspieler" zusammengeschlossene Vereine ihren Besten ermittelten. 1890 und 1891 war das: Germania. Andererseits ist schon der Alltag eine strapaziöse Tretmühle.

Im Jubiläumsjahr ist die Gelegenheit, die Historie mit der Moderne zu verbinden, aber noch einmal günstig. Am Geburtstag selbst findet im Rathaus Schöneberg eine Feierstunde statt, zu der auch die Spitzen der Berliner Politik bis hin zum Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit eingeladen sind. Am darauffolgenden Wochenende will der älteste deutsche Fußballverein sich selbst mit einem Spiel gegen den ältesten Fußballverein der Welt beschenken. Als solcher ist der 1857 gegründete Sheffield FC von der FIFA als einer von weltweit zwei Vereinen mit dem Verdienstorden "Centennial Order of Merit" ausgezeichnet worden - der andere ist Real Madrid als der sportlich erfolgreichste Verein auf dem Planeten.

Am 20. April gegen Sheffield FC - den ältesten Fußballverein der Welt

Am 20. April, so zumindest lautet der Organisationsauftrag an den ehrenamtlich tätigen Geschäftsführer Philipp Scheibe, soll Sheffield auf dem Tempelhofer Feld antreten. An historischer Stätte also, dort nämlich, wo Germania im April 1905 gegen die Amateure von Civil Service London 3:2 gewonnen hat. Kurzfristig hatte ein Staatstelegramm den Besuch von Kronprinz Wilhelm angekündigt, der auch erschien und prompt länger blieb als die angekündigten 30 Minuten. Es war der erste Besuch des Kaiserhauses beim Fußball, dem "Germanen"-Kapitän überreichte Wilhelm einen von ihm gestifteten Silberpokal.

Diese Geschichte und noch einige mehr hat Niklas Rotter im Internet gelesen. Der 19 Jahre alte Abiturient aus Tempelhof ist seit 2008 im Verein, im Sommer hat der Torwart den Übergang von der Jugend zu den Herren geschafft. Wenn man so will ist Rotter ein Ur-Ur-Urahn des ersten deutschen Nationaltorhüters Fritz Baumgarten. Der stand 1908 bei der Länderspielpremiere des DFB in Basel gegen die Schweiz zwischen den Pfosten. Die waren damals wie heute 7,32 Meter voneinander entfernt – natürlich, doch auch für dieses hierzulande längst selbstverständliche Wissen zeichnet ein "Germane" verantwortlich. Fritz Boxhammer gilt unter Historikern als treibende Kraft innerhalb eines Komitees, das die Regeln des Fußballspiels aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt und dem DFB-Bundestag zur Abnahme vorgelegt hat.

Etliche Pokal und "Germania"-Büste verloren

"Unser Verein", sagt Rotter, "blickt zurück auf eine bewegte und bewegende Geschichte." Genau hierin liegt das besondere Drama des Vereins: Wie soll eine Geschichte gelebt werden, die so verdammt weit zurückliegt, wenn kaum noch etwas an sie erinnert außer Erzählungen von damals? Denn außer Geschichten, die von Generation zu Generation weitergetragen werden, ist nicht viel übrig geblieben. Dutzende Pokale und auch eine bronzene Büste der Germania sind verloren gegangen, vermutlich unwiederbringlich. Manches ist im Laufe der Jahre und besonders der Kriegswirren zerstört worden, anderes ist bei einem Umzug des Vereinsheims in vermeintlich treue Hände gegeben worden und danach nie mehr aufgetaucht. "Was wir schon über Flohmärkte gelaufen sind", sagt Kraschewski bitter, doch auch dort bietet niemand die Erinnerungsstücke an. "Dabei sind die Sachen für Außenstehende doch ohne jeden Wert."

Immerhin, kürzlich hat jemand aus Hannover angerufen. Er hat eine Festschrift von 1953 gefunden und versprochen, sie dem Verein zukommen zu lassen. Selbst noch von dieser Zeit erzählen kann Dieter Kähne (76). Sogar schon seit 1950 gehört er Germania an und damit länger als alle anderen noch lebenden Mitglieder. Drei Jahre später hat Kähne als junger Kerl in der Herren-Mannschaft von Germania debütiert und in der Amateurliga unter anderem gegen Hertha BSC und Tasmania 1900 gespielt.

Auflösung in fünf Jahren?

Das Jubiläum in diesem Jahr sei "noch einmal eine Motivation für viele", sagt auch Karlheinz Fischer (72), noch so ein alter Recke mit immerhin 60-jähriger Vereinszugehörigkeit. Doch über kurz oder lang sieht er sogar den Fortbestand des Vereins in Gefahr. Grundsätzlich könne er "keinen Fortschritt erkennen", sagt Fischer. Die Kreisliga C, die unterste von allen Ligen, erscheint ihm realistischer als jeder Aufstieg. "Noch fünf Jahre vielleicht", fürchtet Fischer, "dann wird Germania sich womöglich auflösen."

Während diese beiden Vereine recht bald in die Vertragsliga als die zu der Zeit höchste Berliner Spielklasse aufgestiegen sind, blieb Germania auch da noch dem 1905 gefassten Votum seiner Mitglieder treu und rein dem Amateursport verschrieben. Wer heute mehr erreichen will als Freizeitniveau, muss Germania irgendwann verlassen. So klafft im Verein eine erhebliche Alterslücke. "Es fehlt das 'Mittelalter'", sagt Kähne, ein solides Fundament an 20- bis 50-Jährigen, die später einmal in seine Fußstapfen treten könnten.

Wurzeln weltweit, "Germanen" sind sie alle

Ins Bild dieser Schreckensvision eines jeden "Germanen" passt der ebenso plötzliche wie unerwartete Rücktritt von Volkmar Bauer Ende Februar als Trainer der Herrenmannschaft. Zwei Jahre lang hatte er ein für die Kreisliga recht strenges Regiment geführt und ein paar Grundregeln aufgestellt, die von Spielerseite aber allzu oft ignoriert worden sind. Für Bauer war das nicht länger hinnehmbar. "Der Mythos Germania ist für jeden in diesem Verein eine Verpflichtung", hatte der 42-Jährige gesagt, als er noch Trainer war. Auf Disziplin und pünktliches Erscheinen hat der Verein schließlich schon in seiner ersten Satzung Wert gelegt, die die Gründer um die vier Brüder Jestram Ende 1888 verfasst haben.

Bauer hat bei Germania die Jugend durchlaufen, er hat als 18-Jähriger den 100. Geburtstag des Vereins mitgefeiert und anschließend noch sieben Jahre bei den Männern gespielt. Sein Nachfolger Attila Sönmez kann mit alldem nicht dienen, trotzdem will er "die klare Linie meines Vorgängers weiterführen", sagt er. Und er ist ehrgeizig: Sein Anspruch ist es, mit Germania am Ende der kommenden Saison in die Kreisliga A aufzusteigen. Am ersten Sonntag im März hat der 31-Jährige zum ersten Mal die Verantwortung für den ältesten deutschen Fußballverein getragen. Dem Vorsitzenden Kraschewski ist dazu kurz und knapp ein schöner Satz eingefallen: "So fangen wir bei Germania auch nach 125 Jahren immer wieder von vorne an."

Der Trainer heißt Attila Sönmez, die Spieler haben Wurzeln in aller Herren Länder. "Germanen" sind sie alle. Vielleicht ist das der größte Erfolg des ältesten Fußballklubs Deutschlands.

Festakt im Rathaus Schöneberg

Mit einem Festakt im Rathaus Schöneberg feierte der älteste reine Fußballverein Deutschlands am Montag in Berlin seinen 125. Geburtstag. Der am 15. April 1888 von den vier Brüdern Paul, Max, Fritz und Walter Jestram gegründete Klub spielt derzeit in der Kreisliga B.

"Der BFC Germania war der erste deutsche Verein, der Fußball mit rundem Ball spielte, und er existiert bis heute - er ist also ohne jeden Zweifel der älteste deutsche Fußball-Verein", sagt Vereinschronist Thomas Schneider. 1890 gewann der Verein die erste inoffizielle deutsche Meisterschaft und stellte mit Fritz Baumgarten den Torhüter der deutschen Nationalmannschaft beim ersten Länderspiel 1908 gegen die Schweiz in Basel.

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Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: der BFC Germania 1888, der älteste Fußballverein Deutschlands.

Neue Trikots im Jubiläumsdesign

Eineinhalb Stunden vor dem Anpfiff ist Treffpunkt in der Kabine, aber Dieter Kraschewski ist schon viel früher da. Seit Wochen hat der Vorsitzende des BFC Germania sich auf diesen Sonntag im März gefreut - auf den Moment, an dem das so lange streng gehütete Geheimnis gelüftet wird und die Spieler die neuen Trikots im Jubiläumsdesign sehen. "Ganz stark", ruft einer von ihnen, als sein Blick auf die schwarzen Hemden mit dem goldenen Ährenkranz um das aufgestickte Vereinswappen fällt, und noch mal: "Ganz stark!"

Später, als das Spiel der Berliner Kreisliga B vor den üblichen zwei Dutzend Zuschauern schon läuft, die ebenfalls mit einem Raunen auf die neue Spielkleidung reagiert haben, wird Kraschewski zufrieden feststellen: "Das war schon ein großes Erlebnis." So schöne Tage sind selten geworden beim BFC Germania, der im Dreikaiserjahr 1888 gegründet wurde, als Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II. Deutschland regierten. Am 15. April ist der älteste deutsche Fußballklub 125 Jahre alt geworden. An sich ein Grund zum Feiern. Doch schon lange ist der Verein nur noch einer von vielen im Berliner Amateurfußball – und kämpft dagegen an, in der Versenkung zu verschwinden. "Diese Sorge muss man haben", sagt Kraschewski, doch zu lange möchte er diesem Gedanken nicht nachhängen.

Nicht an einem so schönen Tag. Der auf dem Kunstrasenplatz an der Götzstraße in Tempelhof auch gut beginnt gegen die Zweitvertretung von Cimbria Trabzonspor, doch beim 3:3 muss Germania in der gefühlten achten Minute der Nachspielzeit noch den Ausgleich hinnehmen – durch den Torwart des Gegners.

"Anfang des Jahrtausends hat es mehr Spaß gemacht"

Kreisliga B, das ist die zehnthöchste Spielklasse. "Anfang des Jahrtausends hat es mehr Spaß gemacht", sagt Kraschewski. Früher war alles besser – in diesem Fall stimmt es, und das letzte Hoch liegt noch gar nicht so lange zurück. Zwischen 2000 und 2004 spielte Germania in der höchsten Berliner Spielklasse, noch einmal flammte die alte Rivalität mit Viktoria 89 auf, noch so einem ehrenwerten Überbleibsel aus der Gründerzeit des deutschen Fußballs. Aber seit dem Rückzug des damaligen Vorsitzenden und des Sponsors ist alles weniger geworden: Geld, Spieler, Mitglieder.

Nachfolger als Vorsitzender ist Kraschewski, er ist seit 1963 im Verein, feiert in diesem Jahr also selbst 50. Jubiläum. Früher war er Torwart, kräftig zuzupacken ist der freundliche Mann gewohnt. Die Jubiläumstrikots waren seine Idee und sind Ausdruck des anspruchsvollen Spagats, den Kraschewski und seine wenigen Mitstreiter an der Spitze des Vereins ständig versuchen. Einerseits fühlen sie sich der Tradition verpflichtet. Immerhin ist Germania in gewisser Weise auch so etwas wie der erste inoffizielle Deutsche Meister der Geschichte – allerdings noch vor Gründung des DFB, als sechs im "Bund Deutscher Fußballspieler" zusammengeschlossene Vereine ihren Besten ermittelten. 1890 und 1891 war das: Germania. Andererseits ist schon der Alltag eine strapaziöse Tretmühle.

Im Jubiläumsjahr ist die Gelegenheit, die Historie mit der Moderne zu verbinden, aber noch einmal günstig. Am Geburtstag selbst findet im Rathaus Schöneberg eine Feierstunde statt, zu der auch die Spitzen der Berliner Politik bis hin zum Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit eingeladen sind. Am darauffolgenden Wochenende will der älteste deutsche Fußballverein sich selbst mit einem Spiel gegen den ältesten Fußballverein der Welt beschenken. Als solcher ist der 1857 gegründete Sheffield FC von der FIFA als einer von weltweit zwei Vereinen mit dem Verdienstorden "Centennial Order of Merit" ausgezeichnet worden - der andere ist Real Madrid als der sportlich erfolgreichste Verein auf dem Planeten.

Am 20. April gegen Sheffield FC - den ältesten Fußballverein der Welt

Am 20. April, so zumindest lautet der Organisationsauftrag an den ehrenamtlich tätigen Geschäftsführer Philipp Scheibe, soll Sheffield auf dem Tempelhofer Feld antreten. An historischer Stätte also, dort nämlich, wo Germania im April 1905 gegen die Amateure von Civil Service London 3:2 gewonnen hat. Kurzfristig hatte ein Staatstelegramm den Besuch von Kronprinz Wilhelm angekündigt, der auch erschien und prompt länger blieb als die angekündigten 30 Minuten. Es war der erste Besuch des Kaiserhauses beim Fußball, dem "Germanen"-Kapitän überreichte Wilhelm einen von ihm gestifteten Silberpokal.

Diese Geschichte und noch einige mehr hat Niklas Rotter im Internet gelesen. Der 19 Jahre alte Abiturient aus Tempelhof ist seit 2008 im Verein, im Sommer hat der Torwart den Übergang von der Jugend zu den Herren geschafft. Wenn man so will ist Rotter ein Ur-Ur-Urahn des ersten deutschen Nationaltorhüters Fritz Baumgarten. Der stand 1908 bei der Länderspielpremiere des DFB in Basel gegen die Schweiz zwischen den Pfosten. Die waren damals wie heute 7,32 Meter voneinander entfernt – natürlich, doch auch für dieses hierzulande längst selbstverständliche Wissen zeichnet ein "Germane" verantwortlich. Fritz Boxhammer gilt unter Historikern als treibende Kraft innerhalb eines Komitees, das die Regeln des Fußballspiels aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt und dem DFB-Bundestag zur Abnahme vorgelegt hat.

Etliche Pokal und "Germania"-Büste verloren

"Unser Verein", sagt Rotter, "blickt zurück auf eine bewegte und bewegende Geschichte." Genau hierin liegt das besondere Drama des Vereins: Wie soll eine Geschichte gelebt werden, die so verdammt weit zurückliegt, wenn kaum noch etwas an sie erinnert außer Erzählungen von damals? Denn außer Geschichten, die von Generation zu Generation weitergetragen werden, ist nicht viel übrig geblieben. Dutzende Pokale und auch eine bronzene Büste der Germania sind verloren gegangen, vermutlich unwiederbringlich. Manches ist im Laufe der Jahre und besonders der Kriegswirren zerstört worden, anderes ist bei einem Umzug des Vereinsheims in vermeintlich treue Hände gegeben worden und danach nie mehr aufgetaucht. "Was wir schon über Flohmärkte gelaufen sind", sagt Kraschewski bitter, doch auch dort bietet niemand die Erinnerungsstücke an. "Dabei sind die Sachen für Außenstehende doch ohne jeden Wert."

Immerhin, kürzlich hat jemand aus Hannover angerufen. Er hat eine Festschrift von 1953 gefunden und versprochen, sie dem Verein zukommen zu lassen. Selbst noch von dieser Zeit erzählen kann Dieter Kähne (76). Sogar schon seit 1950 gehört er Germania an und damit länger als alle anderen noch lebenden Mitglieder. Drei Jahre später hat Kähne als junger Kerl in der Herren-Mannschaft von Germania debütiert und in der Amateurliga unter anderem gegen Hertha BSC und Tasmania 1900 gespielt.

Auflösung in fünf Jahren?

Das Jubiläum in diesem Jahr sei "noch einmal eine Motivation für viele", sagt auch Karlheinz Fischer (72), noch so ein alter Recke mit immerhin 60-jähriger Vereinszugehörigkeit. Doch über kurz oder lang sieht er sogar den Fortbestand des Vereins in Gefahr. Grundsätzlich könne er "keinen Fortschritt erkennen", sagt Fischer. Die Kreisliga C, die unterste von allen Ligen, erscheint ihm realistischer als jeder Aufstieg. "Noch fünf Jahre vielleicht", fürchtet Fischer, "dann wird Germania sich womöglich auflösen."

Während diese beiden Vereine recht bald in die Vertragsliga als die zu der Zeit höchste Berliner Spielklasse aufgestiegen sind, blieb Germania auch da noch dem 1905 gefassten Votum seiner Mitglieder treu und rein dem Amateursport verschrieben. Wer heute mehr erreichen will als Freizeitniveau, muss Germania irgendwann verlassen. So klafft im Verein eine erhebliche Alterslücke. "Es fehlt das 'Mittelalter'", sagt Kähne, ein solides Fundament an 20- bis 50-Jährigen, die später einmal in seine Fußstapfen treten könnten.

Wurzeln weltweit, "Germanen" sind sie alle

Ins Bild dieser Schreckensvision eines jeden "Germanen" passt der ebenso plötzliche wie unerwartete Rücktritt von Volkmar Bauer Ende Februar als Trainer der Herrenmannschaft. Zwei Jahre lang hatte er ein für die Kreisliga recht strenges Regiment geführt und ein paar Grundregeln aufgestellt, die von Spielerseite aber allzu oft ignoriert worden sind. Für Bauer war das nicht länger hinnehmbar. "Der Mythos Germania ist für jeden in diesem Verein eine Verpflichtung", hatte der 42-Jährige gesagt, als er noch Trainer war. Auf Disziplin und pünktliches Erscheinen hat der Verein schließlich schon in seiner ersten Satzung Wert gelegt, die die Gründer um die vier Brüder Jestram Ende 1888 verfasst haben.

Bauer hat bei Germania die Jugend durchlaufen, er hat als 18-Jähriger den 100. Geburtstag des Vereins mitgefeiert und anschließend noch sieben Jahre bei den Männern gespielt. Sein Nachfolger Attila Sönmez kann mit alldem nicht dienen, trotzdem will er "die klare Linie meines Vorgängers weiterführen", sagt er. Und er ist ehrgeizig: Sein Anspruch ist es, mit Germania am Ende der kommenden Saison in die Kreisliga A aufzusteigen. Am ersten Sonntag im März hat der 31-Jährige zum ersten Mal die Verantwortung für den ältesten deutschen Fußballverein getragen. Dem Vorsitzenden Kraschewski ist dazu kurz und knapp ein schöner Satz eingefallen: "So fangen wir bei Germania auch nach 125 Jahren immer wieder von vorne an."

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Der Trainer heißt Attila Sönmez, die Spieler haben Wurzeln in aller Herren Länder. "Germanen" sind sie alle. Vielleicht ist das der größte Erfolg des ältesten Fußballklubs Deutschlands.

Festakt im Rathaus Schöneberg

Mit einem Festakt im Rathaus Schöneberg feierte der älteste reine Fußballverein Deutschlands am Montag in Berlin seinen 125. Geburtstag. Der am 15. April 1888 von den vier Brüdern Paul, Max, Fritz und Walter Jestram gegründete Klub spielt derzeit in der Kreisliga B.

"Der BFC Germania war der erste deutsche Verein, der Fußball mit rundem Ball spielte, und er existiert bis heute - er ist also ohne jeden Zweifel der älteste deutsche Fußball-Verein", sagt Vereinschronist Thomas Schneider. 1890 gewann der Verein die erste inoffizielle deutsche Meisterschaft und stellte mit Fritz Baumgarten den Torhüter der deutschen Nationalmannschaft beim ersten Länderspiel 1908 gegen die Schweiz in Basel.