Bester DDR-Fußballer: Jürgen Croy wird 75

Die DDR war noch gar nicht Geschichte, da wurde in den letzten Tagen des Jahres 1989 schon mit ihr abgerechnet. Auch im Fußball, gewählt wurde der beste Spieler in 40 Jahren DDR-Fußball. Gekürt wurde, erstaunlich genug, ein Torwart: Jürgen Croy aus Zwickau.

Ob er wirklich der Beste war, darüber wird es nie Einigkeit geben. Croy selbst hätte das jedenfalls nie von sich behauptet und noch heute, da er seinen 75. Geburtstag feiert, sagt er: "Ich betrachte das als eine große Auszeichnung. Gerade weil wir so tolle Fußballer hatten wie Peter Ducke, Hans-Jürgen Sparwasser oder Joachim Streich." Die Kameraden von einst leben alle noch, es wird sie freuen, das am Montag im Kicker gelesen zu haben. So ist Croy und so war er immer. Bescheidenheit und Teamgeist, auch ein Schuss Selbstlosigkeit ließen ihn zu dem werden, als was er nun immer bleiben wird: der offiziell beste Fußballer der untergegangenen DDR.

"Ich war technisch gut und konnte ein Spiel lesen"

Auch wenn Torhüter natürlich eine andere Spezies sind und mancher Experte behauptet, sie würden eine andere Sportart betreiben. Dabei konnte Croy auch sehr gut kicken, sagt er sogar selbst von sich: "Ich war technisch gut und konnte ein Spiel lesen. Es wäre kein Problem für mich gewesen, erster Aufbauspieler zu sein. Primär aber sollte ein Spieler seine Kiste sauber halten."

Damit begann er im Frühjahr 1959, als er "bei uns in Planitz Mittelstürmer gespielt" hatte, "aber irgendwie drängte es mich ins Tor." Er war schließlich erblich belastet, schon der 1944 verstorbene Onkel Heinz war ein Spitzenkeeper in Leipzig und in Planitz. Planitz ist eine Gemeinde von Zwickau, sein erster Verein war mit acht Jahren die BSG Aktivist Karl Marx Zwickau. Mit 17 wurde er zur größeren BSG Motor Zwickau delegiert, war bereits Juniorennationaltorwart (16 Spiele) und gab im Jahr, als sie inoffizieller Junioreneuropameister wurden (1965) sein Oberligadebüt. Nun hieß der Verein Sachsenring Zwickau.

Zwickau ein Leben lang

Die Vereinsnamen mochten sich ändern, die Stadt blieb immer die gleiche. Zwickau ein Leben lang – beruflich wie privat. Dafür steht Jürgen Croy, was deshalb besondere Erwähnung verdient, weil es gar nicht so einfach war als Spitzensportler in der DDR sesshaft zu werden. Seit 1967 war Croy A-Nationalspieler, fünf Jahre später wurde er nach Berlin zum Deutschen Turn- und Sportbund vorgeladen. Man machte ihm klar, dass er ab der Saison 1972/1973 für Dynamo Dresden zu spielen habe, ansonsten würde er zum Militär eingezogen und müsse bei irgendeinem Dorfklub in Thüringen spielen. Delegierung nannte man das im Osten, die Besten sollten auch bei den besten Klubs spielen. So geschah es noch sehr oft, ein Beispiel ist Thomas Doll, der von Rostock zum BFC Dynamo Berlin wechseln musste. Croy aber weigerte sich und durfte in Zwickau bleiben – zu dem Preis, endlich in die Partei, die SED, einzutreten. Es bedeutete ihm nichts, ihm lag nichts an dieser Führung, was er schon früh bewies als er eine Mitarbeit für die Stasi kategorisch ablehnte. Mit dem Parteiausweis in der Tasche aber konnte er da bleiben, wo er sich mit der Familie am wohlsten fühlte. Das zahlte sich aus.

Zwar wurde er mit Zwickau nie Meister, gewann aber zweimal den Pokal (1967 und 1975), 1976 kam Sachsenring bis ins Europacuphalbfinale der Pokalsieger. Überhaupt, die Siebziger des DDR-Fußballs schimmerten Gold. Es war das beste Jahrzehnt der Nationalmannschaft. 1972-1974-1976 – das war der Dreiklang des Erfolgs.

Olympia-Gold in Montreal

Croy war immer dabei: Olympiabronze in München, einzige WM-Teilnahme inklusive Sieg über den "Westen", schließlich Olympia-Gold in Montreal. 1976 wurde er zum zweiten Mal zum Fußballer des Jahres gewählt, nach 1972, und 1978 wurde aller guten Dinge drei. Ans Aufhören dachte er noch nicht, er stand noch mit 35 im Kasten der BSG (insgesamt 372 Oberligaspiele) und der DDR (94 Länderspiele). Nur zwei deutsche Torhüter haben ihn übertroffen: Manuel Neuer (107), der immer noch Einsätze sammelt, und Sepp Maier (95), sein Pendant im damals anderen Deutschland. Ihn zumindest hätte er übertreffen und auch die 100er Marke nehmen können, doch er wollte nicht mehr und beendete 1981 die Karriere in Folge einer Mittelfußverletzung. Damals sagte er: "Hans-Ulrich Grapenthin war zuletzt der Bessere. Außerdem, mit Zehn- oder Fünfzehn-Minuten-Einsätzen die 100 zu schaffen, das hätte mich nicht befriedigt."

Er fand seine Befriedigung darin, seiner Stadt zu dienen. Der gelernte Elektriker schlug eine erstaunliche Karriere nach der Karriere ein. Zunächst Sportlehrer, wurde er nach der Wende parteiloser Bürgermeister seiner Heimatstadt und von 2000 bis 2010 Geschäftsführer der Kultur und Messebetriebe der Stadt. Seinem Klub, der nunmehr schon lange FSV Zwickau heißt, diente er als Trainer, Vorstand und Aufsichtsrat, heute drückt er ihm im Stadion oder vor dem Fernseher die Daumen.

Die Liebe für seine Stadt und seinen Verein ist ihm geblieben in nun 75 Lebensjahren und dass er nie mal wo anders gewesen ist und mehr Geld verdient hat, als es möglich war? Sollte man einen wie ihn besser gar nicht erst fragen. Der Kicker tat es doch und bekam zur Antwort: "Innere Zufriedenheit ist mir wichtiger als Geld." Auch dazu kann man nur gratulieren.

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Die DDR war noch gar nicht Geschichte, da wurde in den letzten Tagen des Jahres 1989 schon mit ihr abgerechnet. Auch im Fußball, gewählt wurde der beste Spieler in 40 Jahren DDR-Fußball. Gekürt wurde, erstaunlich genug, ein Torwart: Jürgen Croy aus Zwickau.

Ob er wirklich der Beste war, darüber wird es nie Einigkeit geben. Croy selbst hätte das jedenfalls nie von sich behauptet und noch heute, da er seinen 75. Geburtstag feiert, sagt er: "Ich betrachte das als eine große Auszeichnung. Gerade weil wir so tolle Fußballer hatten wie Peter Ducke, Hans-Jürgen Sparwasser oder Joachim Streich." Die Kameraden von einst leben alle noch, es wird sie freuen, das am Montag im Kicker gelesen zu haben. So ist Croy und so war er immer. Bescheidenheit und Teamgeist, auch ein Schuss Selbstlosigkeit ließen ihn zu dem werden, als was er nun immer bleiben wird: der offiziell beste Fußballer der untergegangenen DDR.

"Ich war technisch gut und konnte ein Spiel lesen"

Auch wenn Torhüter natürlich eine andere Spezies sind und mancher Experte behauptet, sie würden eine andere Sportart betreiben. Dabei konnte Croy auch sehr gut kicken, sagt er sogar selbst von sich: "Ich war technisch gut und konnte ein Spiel lesen. Es wäre kein Problem für mich gewesen, erster Aufbauspieler zu sein. Primär aber sollte ein Spieler seine Kiste sauber halten."

Damit begann er im Frühjahr 1959, als er "bei uns in Planitz Mittelstürmer gespielt" hatte, "aber irgendwie drängte es mich ins Tor." Er war schließlich erblich belastet, schon der 1944 verstorbene Onkel Heinz war ein Spitzenkeeper in Leipzig und in Planitz. Planitz ist eine Gemeinde von Zwickau, sein erster Verein war mit acht Jahren die BSG Aktivist Karl Marx Zwickau. Mit 17 wurde er zur größeren BSG Motor Zwickau delegiert, war bereits Juniorennationaltorwart (16 Spiele) und gab im Jahr, als sie inoffizieller Junioreneuropameister wurden (1965) sein Oberligadebüt. Nun hieß der Verein Sachsenring Zwickau.

Zwickau ein Leben lang

Die Vereinsnamen mochten sich ändern, die Stadt blieb immer die gleiche. Zwickau ein Leben lang – beruflich wie privat. Dafür steht Jürgen Croy, was deshalb besondere Erwähnung verdient, weil es gar nicht so einfach war als Spitzensportler in der DDR sesshaft zu werden. Seit 1967 war Croy A-Nationalspieler, fünf Jahre später wurde er nach Berlin zum Deutschen Turn- und Sportbund vorgeladen. Man machte ihm klar, dass er ab der Saison 1972/1973 für Dynamo Dresden zu spielen habe, ansonsten würde er zum Militär eingezogen und müsse bei irgendeinem Dorfklub in Thüringen spielen. Delegierung nannte man das im Osten, die Besten sollten auch bei den besten Klubs spielen. So geschah es noch sehr oft, ein Beispiel ist Thomas Doll, der von Rostock zum BFC Dynamo Berlin wechseln musste. Croy aber weigerte sich und durfte in Zwickau bleiben – zu dem Preis, endlich in die Partei, die SED, einzutreten. Es bedeutete ihm nichts, ihm lag nichts an dieser Führung, was er schon früh bewies als er eine Mitarbeit für die Stasi kategorisch ablehnte. Mit dem Parteiausweis in der Tasche aber konnte er da bleiben, wo er sich mit der Familie am wohlsten fühlte. Das zahlte sich aus.

Zwar wurde er mit Zwickau nie Meister, gewann aber zweimal den Pokal (1967 und 1975), 1976 kam Sachsenring bis ins Europacuphalbfinale der Pokalsieger. Überhaupt, die Siebziger des DDR-Fußballs schimmerten Gold. Es war das beste Jahrzehnt der Nationalmannschaft. 1972-1974-1976 – das war der Dreiklang des Erfolgs.

Olympia-Gold in Montreal

Croy war immer dabei: Olympiabronze in München, einzige WM-Teilnahme inklusive Sieg über den "Westen", schließlich Olympia-Gold in Montreal. 1976 wurde er zum zweiten Mal zum Fußballer des Jahres gewählt, nach 1972, und 1978 wurde aller guten Dinge drei. Ans Aufhören dachte er noch nicht, er stand noch mit 35 im Kasten der BSG (insgesamt 372 Oberligaspiele) und der DDR (94 Länderspiele). Nur zwei deutsche Torhüter haben ihn übertroffen: Manuel Neuer (107), der immer noch Einsätze sammelt, und Sepp Maier (95), sein Pendant im damals anderen Deutschland. Ihn zumindest hätte er übertreffen und auch die 100er Marke nehmen können, doch er wollte nicht mehr und beendete 1981 die Karriere in Folge einer Mittelfußverletzung. Damals sagte er: "Hans-Ulrich Grapenthin war zuletzt der Bessere. Außerdem, mit Zehn- oder Fünfzehn-Minuten-Einsätzen die 100 zu schaffen, das hätte mich nicht befriedigt."

Er fand seine Befriedigung darin, seiner Stadt zu dienen. Der gelernte Elektriker schlug eine erstaunliche Karriere nach der Karriere ein. Zunächst Sportlehrer, wurde er nach der Wende parteiloser Bürgermeister seiner Heimatstadt und von 2000 bis 2010 Geschäftsführer der Kultur und Messebetriebe der Stadt. Seinem Klub, der nunmehr schon lange FSV Zwickau heißt, diente er als Trainer, Vorstand und Aufsichtsrat, heute drückt er ihm im Stadion oder vor dem Fernseher die Daumen.

Die Liebe für seine Stadt und seinen Verein ist ihm geblieben in nun 75 Lebensjahren und dass er nie mal wo anders gewesen ist und mehr Geld verdient hat, als es möglich war? Sollte man einen wie ihn besser gar nicht erst fragen. Der Kicker tat es doch und bekam zur Antwort: "Innere Zufriedenheit ist mir wichtiger als Geld." Auch dazu kann man nur gratulieren.

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