Berti Vogts wird 65: Von Büttgen bis Baku

Berti Vogts hat es eilig. Natürlich würde er sich gerne mehr Zeit nehmen, aber der Terminkalender ist einfach zu voll. Baku ruft. Auch nach dem Abschluss der EM-Qualifikation ist die Mission in Aserbaidschan noch nicht erfüllt. Die Abreise zu einem Lehrgang mit 18- und 19-Jährigen und Gesprächen mit dem Verband steht an. Aber auch darüber hinaus hat der ehemalige Bundestrainer viel zu organisieren.

Immer rastlos, immer engagiert ist Berti Vogts. Heute feiert er seinen 65. Geburtstag, der noch immer mit dem Eintritt in das Rentenalter gleichgesetzt wird. Aber Ruhestand? Das ist nichts für Vogts, wie er Gregor Derichs, Fußballchef der Nachrichtenagentur dapd, bei einem Besuch erzählt hat.

"Sobald ich über die Rheinbrücke fahre, bin ich zu Hause"

Für seinen Sohn hat er fast immer Zeit. Justin ist zurück aus Schottland, wo er für den Schulabschluss auch noch geblieben war, als dort das Engagement von Berti Vogts als Nationaltrainer beendet wurde. "Er studiert in Aachen erneuerbare Energien", sagt Vogts und ruft den Filius, damit er beim Fototermin dabei ist. Das Haus in Korschenbroich, Ortsteil Kleinenbroich, ist die Konstante im Leben von Berti Vogts seit 1978. Hier hat Vogts ein echtes Heimspiel. Nur drei Kilometer entfernt, in Büttgen, wurde Hans-Hubert Vogts geboren. "Das ist für mich Heimat. Hier kann ich mich zurückziehen, hier bin ich bei netten Nachbarn willkommen", sagt er: "Sobald ich in Düsseldorf gelandet bin und über die Rheinbrücke fahre, bin ich zu Hause."

Das geschieht nach wie vor oft. Denn Vogts ist viel unterwegs. Rund 120 bis 150 Tage pro Jahr kommen etwa zusammen, bei jedem Länderspieltermin ist er für zwölf bis 14 Tage im 4200 Kilometer entfernten Aserbaidschan und auf Reisen zu den Auswärtsspielen seiner Mannschaft.

EM 2016 als Fernziel

Das Engagement, das er vor fast vier Jahren begonnen hat, ist keineswegs beendet. Dass viele Medien vor einem halben Jahr diese Behauptung aufstellten, kann Vogts nicht nachvollziehen. Unzufrieden war er mit einigen Verhältnissen, doch er hat mit den Verantwortlichen der Vereine so lange gerungen, bis sie seinen Vorstellungen von der Entwicklung der Nationalmannschaft entgegenkamen. Mehr Trainingseinheiten, eine höhere Belastungsintensität forderte Vogts in Baku seit seinem ersten Tag.

"Ich will die Spieler öfter bei der Nationalmannschaft haben, um sie auszubilden und mit ihnen an der Fitness zu arbeiten. Diese ist meilenweit von einem mitteleuropäischen Standard entfernt", sagt Vogts. Eigentlich sei er verrückt, weil er damit doch auch fordere, selbst mehr zu arbeiten, meint er und lacht. Die Ziele, die er dem Team und sich gesetzt hat, sind hoch: "2016, wenn die EM in Frankreich erstmals mit 24 Mannschaften ausgetragen wird, möchten wir uns qualifizieren."

Berti Vogts zum 65. Geburtstag

In der niederrheinischen Heimat arbeitet er an den Konzepten für den aserbaidschanischen Verband. Dort entspannt er und kann neuerdings auch wieder fußballerische Studien auf höchstem Niveau bei seiner alten, großen Liebe Borussia betreiben. "Ich habe für meinen Sohn und mich zwei VIP-Jahreskarten gekauft", erklärt er. Nicht jedes Heimspiel kann er sich anschauen, aber die meisten. "Ich finde die Entwicklung ganz und gar nicht erstaunlich. Sie ist allein Verdienst des Trainers. Lucien Favre setzt auf junge Leute, er hat richtig viel Ahnung von Taktik, er hat eine klare Philosophie", lobt Vogts den Kollegen: "Jeder Spieler weiß, was er zu tun hat. Die Mannschaft arbeitet wie ein Schweizer Uhrwerk. Favre gebührt der Dank, dass der Verein nicht abgestiegen ist und den Sprung an die Spitze geschafft hat." Mit großer Freude erlebt Vogts das sportliche Comeback des Traditionsvereins, mit dem er fünf deutsche Meisterschaften, zwei UEFA-Pokaltriumphe und einen DFB-Pokalsieg erlebte.

"Die Borussia ist mein sportliches Zuhause", sagt er: "Der Verein hat mir alles gegeben, was ich bin und habe. Ich bin bis heute sehr dankbar dafür, dass Hennes Weisweiler mich dort menschlich und sportlich gefördert hat." Nicht nur 419 Bundesligaspiele als Außenverteidiger hat Vogts bestritten, sondern auch 96 Länderspiele, darunter das WM-Finale 1974. Nur einer vergebenen Chance trauert er etwas nach. "Schade ist es, dass wir mit der Borussia 1977 in Rom gegen den FC Liverpool nur 25 Minuten Fußball gespielt haben. Sonst hätten wir auch den Europapokal der Landesmeister gewonnen. Ich hatte aber auch so eine tolle Laufbahn und habe es von der Kreisklasse bis in die Bundesliga geschafft."

"Das ist für mich ein normaler Geburtstag"

Zum Ende des Jahres wird Berti Vogts sich ein wenig Ruhe gönnen. Topfit ist er, die Arbeit als Fußballlehrer auf dem Platz hält jung und gesund. Dem 65. Geburtstag misst er keine besondere Bedeutung bei. "Das ist für mich ein normaler Geburtstag. Zu sagen, jetzt kommt die Rente, ist nichts für mich", sagt er. Den Ehrentag, den viele andere intensiv feiern, wird er in Dubai verbringen, mit Sohn Justin, "und ich treffe dort dann auch einige Freunde". Sein Berufsleben zu bilanzieren, dafür sieht er noch keinen Grund. "Der Abschnitt als Spieler war der schönste. Man muss nur seine Leistung bringen und sich mit nichts anderem auseinandersetzen", sagt er. Im zweiten Abschnitt als Trainer steckt Berti Vogts noch immer. Mittendrin.

"Viele sagen, mein größter Erfolg war der EM-Titel 1996, aber das sehe ich nicht so. Dass wir 1990 Weltmeister wurden mit einer Mannschaft, in der 18 von 22 Spielern in meinen Jugend-Nationalmannschaften gespielt hatten, darauf bin ich unheimlich stolz", sagt er. Aber, klar, die Europameisterschaft 1996 ist auch unvergesslich: "Unser tolles Team war in diesen Wochen von keiner Mannschaft der Welt zu schlagen. Es war mental sehr stark." Im September 1998 ging nach acht Jahren als Bundestrainer die Zeit beim Deutschen Fußball-Bund zu Ende. "Die 21 Jahre beim DFB waren eine intensive und wunderbare Zeit. Das war wie bei einer Familie", sagt er rückblickend.

"Titel bei der EM führt nur über Deutschland"

Danach folgten die Stationen Bayer Leverkusen (2000/2001), Kuwait (2001/2002), Schottland (2002–2004), Nigeria (2007/2008) und seit April 2008 Aserbaidschan. Von der deutschen Nationalmannschaft, an der er natürlich so hängt wie an der Borussia, ist er begeistert. "Die Titelvergabe bei der EM 2012 führt nur über Deutschland, das ist für mich keine Frage", sagt Vogts: "Die Mannschaft spielt gar nicht mehr typisch deutsch, sie spielt wunderbaren Kombinationsfußball. Ich finde, es ist eine Mischung des früheren holländischen Fußballs mit dem Fußball der Spanier. Ich kann Joachim Löw und seiner Crew nur ein ganz großes Lob zollen."

Das A-Team des DFB profitiere stark von der Nachwuchsarbeit, die entscheidend verbessert wurde, sagt Vogts. Und dass er in diesem Bereich auch vieles vorangetrieben hat, ist im Verband unbestritten. Seine Mission der Talentförderung setzt er in Baku fort. 2012 wird alles unverändert weitergehen. "Ich bin nicht in dem Alter, in dem ich zwei- oder dreimal die Woche die Golfschläger über die Fairways trage. Einmal in der Woche Golfen, das reicht mir", sagt Vogts. Sein Leben ist der Fußball, nach wie vor, auch mit Mitte sechzig.

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Berti Vogts hat es eilig. Natürlich würde er sich gerne mehr Zeit nehmen, aber der Terminkalender ist einfach zu voll. Baku ruft. Auch nach dem Abschluss der EM-Qualifikation ist die Mission in Aserbaidschan noch nicht erfüllt. Die Abreise zu einem Lehrgang mit 18- und 19-Jährigen und Gesprächen mit dem Verband steht an. Aber auch darüber hinaus hat der ehemalige Bundestrainer viel zu organisieren.

Immer rastlos, immer engagiert ist Berti Vogts. Heute feiert er seinen 65. Geburtstag, der noch immer mit dem Eintritt in das Rentenalter gleichgesetzt wird. Aber Ruhestand? Das ist nichts für Vogts, wie er Gregor Derichs, Fußballchef der Nachrichtenagentur dapd, bei einem Besuch erzählt hat.

"Sobald ich über die Rheinbrücke fahre, bin ich zu Hause"

Für seinen Sohn hat er fast immer Zeit. Justin ist zurück aus Schottland, wo er für den Schulabschluss auch noch geblieben war, als dort das Engagement von Berti Vogts als Nationaltrainer beendet wurde. "Er studiert in Aachen erneuerbare Energien", sagt Vogts und ruft den Filius, damit er beim Fototermin dabei ist. Das Haus in Korschenbroich, Ortsteil Kleinenbroich, ist die Konstante im Leben von Berti Vogts seit 1978. Hier hat Vogts ein echtes Heimspiel. Nur drei Kilometer entfernt, in Büttgen, wurde Hans-Hubert Vogts geboren. "Das ist für mich Heimat. Hier kann ich mich zurückziehen, hier bin ich bei netten Nachbarn willkommen", sagt er: "Sobald ich in Düsseldorf gelandet bin und über die Rheinbrücke fahre, bin ich zu Hause."

Das geschieht nach wie vor oft. Denn Vogts ist viel unterwegs. Rund 120 bis 150 Tage pro Jahr kommen etwa zusammen, bei jedem Länderspieltermin ist er für zwölf bis 14 Tage im 4200 Kilometer entfernten Aserbaidschan und auf Reisen zu den Auswärtsspielen seiner Mannschaft.

EM 2016 als Fernziel

Das Engagement, das er vor fast vier Jahren begonnen hat, ist keineswegs beendet. Dass viele Medien vor einem halben Jahr diese Behauptung aufstellten, kann Vogts nicht nachvollziehen. Unzufrieden war er mit einigen Verhältnissen, doch er hat mit den Verantwortlichen der Vereine so lange gerungen, bis sie seinen Vorstellungen von der Entwicklung der Nationalmannschaft entgegenkamen. Mehr Trainingseinheiten, eine höhere Belastungsintensität forderte Vogts in Baku seit seinem ersten Tag.

"Ich will die Spieler öfter bei der Nationalmannschaft haben, um sie auszubilden und mit ihnen an der Fitness zu arbeiten. Diese ist meilenweit von einem mitteleuropäischen Standard entfernt", sagt Vogts. Eigentlich sei er verrückt, weil er damit doch auch fordere, selbst mehr zu arbeiten, meint er und lacht. Die Ziele, die er dem Team und sich gesetzt hat, sind hoch: "2016, wenn die EM in Frankreich erstmals mit 24 Mannschaften ausgetragen wird, möchten wir uns qualifizieren."

Berti Vogts zum 65. Geburtstag

In der niederrheinischen Heimat arbeitet er an den Konzepten für den aserbaidschanischen Verband. Dort entspannt er und kann neuerdings auch wieder fußballerische Studien auf höchstem Niveau bei seiner alten, großen Liebe Borussia betreiben. "Ich habe für meinen Sohn und mich zwei VIP-Jahreskarten gekauft", erklärt er. Nicht jedes Heimspiel kann er sich anschauen, aber die meisten. "Ich finde die Entwicklung ganz und gar nicht erstaunlich. Sie ist allein Verdienst des Trainers. Lucien Favre setzt auf junge Leute, er hat richtig viel Ahnung von Taktik, er hat eine klare Philosophie", lobt Vogts den Kollegen: "Jeder Spieler weiß, was er zu tun hat. Die Mannschaft arbeitet wie ein Schweizer Uhrwerk. Favre gebührt der Dank, dass der Verein nicht abgestiegen ist und den Sprung an die Spitze geschafft hat." Mit großer Freude erlebt Vogts das sportliche Comeback des Traditionsvereins, mit dem er fünf deutsche Meisterschaften, zwei UEFA-Pokaltriumphe und einen DFB-Pokalsieg erlebte.

"Die Borussia ist mein sportliches Zuhause", sagt er: "Der Verein hat mir alles gegeben, was ich bin und habe. Ich bin bis heute sehr dankbar dafür, dass Hennes Weisweiler mich dort menschlich und sportlich gefördert hat." Nicht nur 419 Bundesligaspiele als Außenverteidiger hat Vogts bestritten, sondern auch 96 Länderspiele, darunter das WM-Finale 1974. Nur einer vergebenen Chance trauert er etwas nach. "Schade ist es, dass wir mit der Borussia 1977 in Rom gegen den FC Liverpool nur 25 Minuten Fußball gespielt haben. Sonst hätten wir auch den Europapokal der Landesmeister gewonnen. Ich hatte aber auch so eine tolle Laufbahn und habe es von der Kreisklasse bis in die Bundesliga geschafft."

"Das ist für mich ein normaler Geburtstag"

Zum Ende des Jahres wird Berti Vogts sich ein wenig Ruhe gönnen. Topfit ist er, die Arbeit als Fußballlehrer auf dem Platz hält jung und gesund. Dem 65. Geburtstag misst er keine besondere Bedeutung bei. "Das ist für mich ein normaler Geburtstag. Zu sagen, jetzt kommt die Rente, ist nichts für mich", sagt er. Den Ehrentag, den viele andere intensiv feiern, wird er in Dubai verbringen, mit Sohn Justin, "und ich treffe dort dann auch einige Freunde". Sein Berufsleben zu bilanzieren, dafür sieht er noch keinen Grund. "Der Abschnitt als Spieler war der schönste. Man muss nur seine Leistung bringen und sich mit nichts anderem auseinandersetzen", sagt er. Im zweiten Abschnitt als Trainer steckt Berti Vogts noch immer. Mittendrin.

"Viele sagen, mein größter Erfolg war der EM-Titel 1996, aber das sehe ich nicht so. Dass wir 1990 Weltmeister wurden mit einer Mannschaft, in der 18 von 22 Spielern in meinen Jugend-Nationalmannschaften gespielt hatten, darauf bin ich unheimlich stolz", sagt er. Aber, klar, die Europameisterschaft 1996 ist auch unvergesslich: "Unser tolles Team war in diesen Wochen von keiner Mannschaft der Welt zu schlagen. Es war mental sehr stark." Im September 1998 ging nach acht Jahren als Bundestrainer die Zeit beim Deutschen Fußball-Bund zu Ende. "Die 21 Jahre beim DFB waren eine intensive und wunderbare Zeit. Das war wie bei einer Familie", sagt er rückblickend.

"Titel bei der EM führt nur über Deutschland"

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Danach folgten die Stationen Bayer Leverkusen (2000/2001), Kuwait (2001/2002), Schottland (2002–2004), Nigeria (2007/2008) und seit April 2008 Aserbaidschan. Von der deutschen Nationalmannschaft, an der er natürlich so hängt wie an der Borussia, ist er begeistert. "Die Titelvergabe bei der EM 2012 führt nur über Deutschland, das ist für mich keine Frage", sagt Vogts: "Die Mannschaft spielt gar nicht mehr typisch deutsch, sie spielt wunderbaren Kombinationsfußball. Ich finde, es ist eine Mischung des früheren holländischen Fußballs mit dem Fußball der Spanier. Ich kann Joachim Löw und seiner Crew nur ein ganz großes Lob zollen."

Das A-Team des DFB profitiere stark von der Nachwuchsarbeit, die entscheidend verbessert wurde, sagt Vogts. Und dass er in diesem Bereich auch vieles vorangetrieben hat, ist im Verband unbestritten. Seine Mission der Talentförderung setzt er in Baku fort. 2012 wird alles unverändert weitergehen. "Ich bin nicht in dem Alter, in dem ich zwei- oder dreimal die Woche die Golfschläger über die Fairways trage. Einmal in der Woche Golfen, das reicht mir", sagt Vogts. Sein Leben ist der Fußball, nach wie vor, auch mit Mitte sechzig.