Bert Ehm: Fußball leben seit 60 Jahren

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt, im Schnitt finden 4400 Spiele statt - pro Tag. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga, der Nationalmannschaft, den Klubs wie Bayern München, Borussia Dortmund oder Schalke 04. Die heimlichen Helden aber spielen woanders, in der Verbands-, Bezirks-, Kreisliga, auf kleinen Sportplätzen, mit hingebungsvollen Ehrenamtlichen an ihrer Seite. Sie alle haben eines gemeinsam: die Liebe zum Fußball.

Diesen heimlichen Helden widmet sich DFB.de in seiner neuen Serie. Auf der Reise durch die Republik stellt die Redaktion jeden Dienstag einen Amateurverein vor - ob aufstrebender Newcomer oder gestrauchelter Traditionsklub, ob kleiner Dorf- oder städtischer Großverein, ob Oberligist oder C-Ligist, ob Jugendspielgemeinschaft oder reine Hobbytruppe. Wir zeigen, wie besonders der deutsche Fußball-Alltag ist. Heute: Bert Ehm, eine Hamburger Trainer-Institution seit Jahrzehnten.

Hamburger Trainer des Jahres 2008 und 2010

Ein Leben ohne Fußball? Das könnte sich Bert Ehm (65) kaum vorstellen. Seit fast 60 Jahren ist das runde Leder sein vielleicht wichtigster Lebensinhalt. "Ich lebe Fußball", sagt er. Überall im Büro des selbstständigen Versicherungskaufmanns hängen Bilder und Preise.

"Besonders stolz bin ich auf diese beiden Urkunden", zeigt Bert Ehm auf die Auszeichnungen zum Hamburger Trainer des Jahres 2008 und 2010. Die Leser von Bild-Hamburg hatten ihn dazu gewählt. Nicht ohne Grund: Bert Ehm ist Hamburgs erfolgreichster Amateur-Trainer der letzten 25 Jahre. Alleine mit dem SC Victoria holte er in der Oberliga Hamburg vier Meisterschaften in Folge, zudem zweimal den Hamburger Pokal.

"Es macht einfach Spaß, mit den jungen Menschen auf dem Fußballplatz zu stehen", erklärt Bert Ehm. Dafür nimmt er einiges in Kauf. Freizeit? Gibt es nicht. Eheleben? Ist aufgrund der mangelnden Zeit gescheitert. "Man muss eben Prioritäten setzen", sagt Bert Ehm lächelnd. Ganz so schlimm ist es nicht: Mittlerweile lebt er wieder mit seiner Ex-Frau zusammen. Sie hat offenbar eingesehen, dass der Fußball ein Teil des Hamburger ist.

Ersatz für Charly Dörfel

Bert Ehm war selbst ein ambitionierter Fußballer. Als B-Jugendspieler wechselte er zum Hamburger SV, spielte später für die Amateure. "Auf dem Sprung zum Profi war ich allerdings nicht", gibt er heute zu. Trotzdem gab es bei den "Rothosen" tolle Erlebnisse. Anfang der 1960er-Jahre durfte er in einem Testspiel den Nationalspieler Charly Dörfel vertreten. "Ich war aufgeregt ohne Ende", erinnert er sich.

Weitere Ausflüge in den erstklassigen Fußball gab es nicht. Bert Ehm spielte in den höchsten Hamburger Amateurklassen, bis die Achillessehne ihn als 32-Jährigen zum Karriere-Ende zwang. "Das hatte ich schnell verarbeitet. Ich freute mich auf meine neue Aufgabe als Trainer", so Bert Ehm, der bereits zu Spielerzeiten den Trainerschein machte.

"Meine Stärken lagen immer im zwischenmenschlichen Bereich", sagt der 65-Jährige, der einen engen Kontakt zu seinen Spielern pflegt. Umso bedauerlicher findet er, wie sich das Treiben auf den Fußballplätzen verändert hat. "Früher waren Spieler, Trainer und Schiedsrichter bis zum späten Abend zusammen in der Vereinskneipe. Die Freizeit hat sich auf den Fußball beschränkt. Heutzutage sind die Jungs kurz nach Abpfiff verschwunden."

Beste Zeit beim SC Victoria

Fragt man Bert Ehm nach seinen schönsten Stationen, weiß er kaum, welchen Verein er zuerst nennen soll. Zum Beispiel den VfL 93, wo man von der Bezirksliga bis in die Regionalliga aufstieg. Oder den SC Norderstedt, wo man den Hamburg-Pokal gewann, später im DFB-Pokal gegen den VfB Stuttgart antrat und nur 0:3 verlor. Seine beste Zeit hatte er jedoch beim SC Victoria. Eigentlich sollte er nur eine Saison einen Freund vertreten, der aufgrund privater Probleme verhindert war. "Letztendlich wurden daraus neun Jahre", sagt Bert Ehm grinsend.

Der DFB Pokal übt auf Bert Ehm einen besonderen Reiz aus. Nicht nur 1999 gegen den VfB Stuttgart, sondern auch 2007, als er mit dem SC Victoria gegen den frischgebackenen DFB-Pokalsieger 1. FC Nürnberg antrat. "Wir haben uns tolle Chancen herausgespielt, letztendlich aber 0:6 verloren", erzählt er.

Trotzdem gab es Lob vom gegnerischen Trainer Hans Meyer. "Er fand unsere offensive Spielweise super", sagt Bert Ehm und fügt lächelnd hinzu: "Vermutlich weil sie es dadurch besonders einfach gegen uns hatten." Am Abend saßen die beiden Trainer noch lange zusammen. Der Kontakt blieb per Telefon und SMS erhalten. "Er ist ein toller und locker Typ, ohne jegliche Arroganz", sagt Ehm über Meyer.

Im DFB-Pokal gegen Wolfsburg

2010 lief es im DFB-Pokal erfolgreicher. Der Fünftligist besiegte Zweitligist Rot-Weiß Oberhausen sensationell mit 1:0. "So richtig geglaubt haben wir nicht, dass wir gewinnen können", gibt Ehm mittlerweile zu. In der zweiten Runde war der VfL Wolfsburg zu Gast. Das Medieninteresse am Hamburger Traditionsverein stieg. "Es hat schon Spaß gemacht, als zum Beispiel ein Team von Sky einen Beitrag über uns machte", so Ehm.

Umso schwerer fiel es ihm, die Mannschaft für das Topspiel aufzustellen: "Es ist wirklich hart, einige Spieler auf die Tribüne zu schicken. Schließlich ist solch ein Spiel für jeden ein einmaliges Erlebnis." Ein betroffener Spieler zog sogar Konsequenzen und verließ den Verein. Für die Spieler auf dem Feld, auch für Bert Ehm, war das Spiel trotz des 1:3 unvergessen.

Alles dabei - vom Sensationssieg bis zur Entlassung

In der Oberliga stürzte der amtierende Meister bis ins Mittelfeld ab. "Sicherlich haben manche nicht 100 Prozent gegeben, weil sie die Pokalspiele in den Köpfen hatten. Möglicherweise hatten wir auch bei einigen Neuverpflichtungen kein glückliches Händchen", sagt Bert Ehm.

Mitte der Saison wurde er überraschend entlassen. Vier Meisterschaften, zwei Pokalsiege - all das zählte plötzlich nicht mehr. Bert Ehm macht um seine Enttäuschung keinen Hehl: "Das hat mich umgehauen. Auch die Meinung der Öffentlichkeit war, dass man so etwas nicht macht. Zumal ich zum Ende der Saison ohnehin aufgehört hätte."

Es geht immer weiter - demnächst in Schnelsen

Bert Ehm ist kein Mensch, der allzu lange mit seinem Schicksal hadert. Er fand beim Landesligisten FC Elmshorn eine neue Aufgabe, führte den Verein in der ersten Saison zur Meisterschaft. Nach einem Jahr endete die Zusammenarbeit aus vereinsinternen Gründen.

Zur neuen Saison beginnt er beim Oberligisten TuS Germania Schnelsen. "Es mag einen Zeitpunkt geben, an dem das mit dem Fußball nicht mehr geht", weiß er. "Aber daran möchte ich jetzt noch nicht denken." Elf Meisterschaften beziehungsweise Aufstiege sind seine stolze Bilanz. Gut möglich, dass die nächsten Jahre weitere hinzukommen.

[oj]

[bild1]

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt, im Schnitt finden 4400 Spiele statt - pro Tag. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga, der Nationalmannschaft, den Klubs wie Bayern München, Borussia Dortmund oder Schalke 04. Die heimlichen Helden aber spielen woanders, in der Verbands-, Bezirks-, Kreisliga, auf kleinen Sportplätzen, mit hingebungsvollen Ehrenamtlichen an ihrer Seite. Sie alle haben eines gemeinsam: die Liebe zum Fußball.

Diesen heimlichen Helden widmet sich DFB.de in seiner neuen Serie. Auf der Reise durch die Republik stellt die Redaktion jeden Dienstag einen Amateurverein vor - ob aufstrebender Newcomer oder gestrauchelter Traditionsklub, ob kleiner Dorf- oder städtischer Großverein, ob Oberligist oder C-Ligist, ob Jugendspielgemeinschaft oder reine Hobbytruppe. Wir zeigen, wie besonders der deutsche Fußball-Alltag ist. Heute: Bert Ehm, eine Hamburger Trainer-Institution seit Jahrzehnten.

Hamburger Trainer des Jahres 2008 und 2010

Ein Leben ohne Fußball? Das könnte sich Bert Ehm (65) kaum vorstellen. Seit fast 60 Jahren ist das runde Leder sein vielleicht wichtigster Lebensinhalt. "Ich lebe Fußball", sagt er. Überall im Büro des selbstständigen Versicherungskaufmanns hängen Bilder und Preise.

"Besonders stolz bin ich auf diese beiden Urkunden", zeigt Bert Ehm auf die Auszeichnungen zum Hamburger Trainer des Jahres 2008 und 2010. Die Leser von Bild-Hamburg hatten ihn dazu gewählt. Nicht ohne Grund: Bert Ehm ist Hamburgs erfolgreichster Amateur-Trainer der letzten 25 Jahre. Alleine mit dem SC Victoria holte er in der Oberliga Hamburg vier Meisterschaften in Folge, zudem zweimal den Hamburger Pokal.

"Es macht einfach Spaß, mit den jungen Menschen auf dem Fußballplatz zu stehen", erklärt Bert Ehm. Dafür nimmt er einiges in Kauf. Freizeit? Gibt es nicht. Eheleben? Ist aufgrund der mangelnden Zeit gescheitert. "Man muss eben Prioritäten setzen", sagt Bert Ehm lächelnd. Ganz so schlimm ist es nicht: Mittlerweile lebt er wieder mit seiner Ex-Frau zusammen. Sie hat offenbar eingesehen, dass der Fußball ein Teil des Hamburger ist.

Ersatz für Charly Dörfel

Bert Ehm war selbst ein ambitionierter Fußballer. Als B-Jugendspieler wechselte er zum Hamburger SV, spielte später für die Amateure. "Auf dem Sprung zum Profi war ich allerdings nicht", gibt er heute zu. Trotzdem gab es bei den "Rothosen" tolle Erlebnisse. Anfang der 1960er-Jahre durfte er in einem Testspiel den Nationalspieler Charly Dörfel vertreten. "Ich war aufgeregt ohne Ende", erinnert er sich.

Weitere Ausflüge in den erstklassigen Fußball gab es nicht. Bert Ehm spielte in den höchsten Hamburger Amateurklassen, bis die Achillessehne ihn als 32-Jährigen zum Karriere-Ende zwang. "Das hatte ich schnell verarbeitet. Ich freute mich auf meine neue Aufgabe als Trainer", so Bert Ehm, der bereits zu Spielerzeiten den Trainerschein machte.

"Meine Stärken lagen immer im zwischenmenschlichen Bereich", sagt der 65-Jährige, der einen engen Kontakt zu seinen Spielern pflegt. Umso bedauerlicher findet er, wie sich das Treiben auf den Fußballplätzen verändert hat. "Früher waren Spieler, Trainer und Schiedsrichter bis zum späten Abend zusammen in der Vereinskneipe. Die Freizeit hat sich auf den Fußball beschränkt. Heutzutage sind die Jungs kurz nach Abpfiff verschwunden."

Beste Zeit beim SC Victoria

Fragt man Bert Ehm nach seinen schönsten Stationen, weiß er kaum, welchen Verein er zuerst nennen soll. Zum Beispiel den VfL 93, wo man von der Bezirksliga bis in die Regionalliga aufstieg. Oder den SC Norderstedt, wo man den Hamburg-Pokal gewann, später im DFB-Pokal gegen den VfB Stuttgart antrat und nur 0:3 verlor. Seine beste Zeit hatte er jedoch beim SC Victoria. Eigentlich sollte er nur eine Saison einen Freund vertreten, der aufgrund privater Probleme verhindert war. "Letztendlich wurden daraus neun Jahre", sagt Bert Ehm grinsend.

Der DFB Pokal übt auf Bert Ehm einen besonderen Reiz aus. Nicht nur 1999 gegen den VfB Stuttgart, sondern auch 2007, als er mit dem SC Victoria gegen den frischgebackenen DFB-Pokalsieger 1. FC Nürnberg antrat. "Wir haben uns tolle Chancen herausgespielt, letztendlich aber 0:6 verloren", erzählt er.

Trotzdem gab es Lob vom gegnerischen Trainer Hans Meyer. "Er fand unsere offensive Spielweise super", sagt Bert Ehm und fügt lächelnd hinzu: "Vermutlich weil sie es dadurch besonders einfach gegen uns hatten." Am Abend saßen die beiden Trainer noch lange zusammen. Der Kontakt blieb per Telefon und SMS erhalten. "Er ist ein toller und locker Typ, ohne jegliche Arroganz", sagt Ehm über Meyer.

Im DFB-Pokal gegen Wolfsburg

2010 lief es im DFB-Pokal erfolgreicher. Der Fünftligist besiegte Zweitligist Rot-Weiß Oberhausen sensationell mit 1:0. "So richtig geglaubt haben wir nicht, dass wir gewinnen können", gibt Ehm mittlerweile zu. In der zweiten Runde war der VfL Wolfsburg zu Gast. Das Medieninteresse am Hamburger Traditionsverein stieg. "Es hat schon Spaß gemacht, als zum Beispiel ein Team von Sky einen Beitrag über uns machte", so Ehm.

Umso schwerer fiel es ihm, die Mannschaft für das Topspiel aufzustellen: "Es ist wirklich hart, einige Spieler auf die Tribüne zu schicken. Schließlich ist solch ein Spiel für jeden ein einmaliges Erlebnis." Ein betroffener Spieler zog sogar Konsequenzen und verließ den Verein. Für die Spieler auf dem Feld, auch für Bert Ehm, war das Spiel trotz des 1:3 unvergessen.

Alles dabei - vom Sensationssieg bis zur Entlassung

In der Oberliga stürzte der amtierende Meister bis ins Mittelfeld ab. "Sicherlich haben manche nicht 100 Prozent gegeben, weil sie die Pokalspiele in den Köpfen hatten. Möglicherweise hatten wir auch bei einigen Neuverpflichtungen kein glückliches Händchen", sagt Bert Ehm.

Mitte der Saison wurde er überraschend entlassen. Vier Meisterschaften, zwei Pokalsiege - all das zählte plötzlich nicht mehr. Bert Ehm macht um seine Enttäuschung keinen Hehl: "Das hat mich umgehauen. Auch die Meinung der Öffentlichkeit war, dass man so etwas nicht macht. Zumal ich zum Ende der Saison ohnehin aufgehört hätte."

Es geht immer weiter - demnächst in Schnelsen

Bert Ehm ist kein Mensch, der allzu lange mit seinem Schicksal hadert. Er fand beim Landesligisten FC Elmshorn eine neue Aufgabe, führte den Verein in der ersten Saison zur Meisterschaft. Nach einem Jahr endete die Zusammenarbeit aus vereinsinternen Gründen.

Zur neuen Saison beginnt er beim Oberligisten TuS Germania Schnelsen. "Es mag einen Zeitpunkt geben, an dem das mit dem Fußball nicht mehr geht", weiß er. "Aber daran möchte ich jetzt noch nicht denken." Elf Meisterschaften beziehungsweise Aufstiege sind seine stolze Bilanz. Gut möglich, dass die nächsten Jahre weitere hinzukommen.