Bernhard: "Eingleisigkeit hat die Qualität deutlich erhöht"

Die Frauen-Bundesliga geht in ihr 30. Jahr. In einer Serie schaut DFB.de ebenso auf besondere Momente in der Historie zurück wie auf aktuelle Entwicklungen zum Start der FLYERALARM Frauen-Bundesliga an diesem Freitag. Heute im Fokus Anouschka Bernhard und die Spielzeit 1997/1998. In jener Saison wurde die Frauen-Bundesliga erstmalig eingleisig durchgeführt.

Aufbruch, Angriff, Abschied, Anfang - für Anouschka Bernhard war die Saison 1997/1998 in vielerlei Hinsicht eine außergewöhnliche. Es war schließlich nicht nur die erste Spielzeit der Frauen-Bundesliga, die eingleisig durchgeführt wurde. Bernhard wurde mit dem FSV Frankfurt in jener Serie auch Deutscher Meister und beendete danach ihre aktive Karriere.

Karriereende nach Kreuzbandriss verschoben

Eigentlich wollte Bernhard ihre Laufbahn bereits im Herbst 1996 beenden. Aber einige Dinge haben sie damals zum Umdenken bewegt. "Ich hatte mir kurz vor den Olympischen Spielen einen Kreuzbandriss zugezogen", erinnert sie sich. "Das war bitter, weil ich gerne in Atlanta dabei gewesen wäre. Vor allem aber war mir klar, dass ich das Ende selbst bestimmen möchte und dass nicht eine Verletzung dafür ausschlaggebend sein sollte."

Sie kämpfte sich also zurück. Ihr Antrieb waren ihr eigener Ehrgeiz und die Tatsache, dass der DFB zur Saison 1997/1998 die Nord- und Süd-Staffeln der Frauen-Bundesliga zusammenführen wollte. "Das war ein großer Fortschritt für den Frauenfußball in Deutschland", sagt Bernhard im Rückblick. "Das hat die Qualität deutlich erhöht." Bis dahin durften sich 20 Klubs als Erstligisten bezeichnen, seit diesem Zeitpunkt sind es nur noch zwölf Teams.

"Für uns Spielerinnen hatte diese Umstellung fast nur Vorteile, wir haben dann Woche für Woche auf höchstem Niveau gespielt", betont die 47-malige deutsche Nationalspielerin. "Außerdem hatten wir plötzlich ganz neue Gegner, weil wir die Konkurrenten der anderen Staffel kaum kannten. Wir haben von der Eingleisigkeit sehr profitiert. Eine Umstellung für uns war auch, dass wir danach am Wochenende viel Zeit im Bus verbracht haben. Wir haben weite Teile von Deutschland aus einem ganz anderen Blickwinkel kennengelernt."

Bernhard dominiert mit FSV Frankfurt die Liga

Sportlich war der FSV Frankfurt mit Anouschka Bernhard das Maß aller Dinge. Nach 1995 konnte der Klub zum zweiten Mal die Deutsche Meisterschaft holen. Von den 22 Begegnungen gewann das Team 18 Partien, dazu kamen zwei Unentschieden und zwei Niederlagen. Sie sagt: "Wir hatten damals eine richtige gute Mannschaft zusammen. Katja Kraus, Sandra Smisek, Katja Bornschein, Birgit Austermühl, Steffi Jones - allesamt Nationalspielerinnen. Brigit Prinz ist mit 23 Treffern Torschützenkönigin geworden und hat uns so zum Titel geschossen."

Die Frankfurterinnen dominierten in jenem Jahr und hängten den Lokalkonkurrenten SG Praunheim deutlich ab. Auch der Drittplatzierte FCR Duisburg 55 hatte in der Meisterschaft keine Chance - und fügte dem FSV dennoch zwei bittere Niederlagen zu. "Wir standen kurz vor Saisonende bereits als Deutscher Meister fest und sind dann zum DFB-Pokalfinale nach Berlin gefahren", erinnert sich Bernhard. Dort kassierten die Frankfurterinnen eine bittere 2:6-Klatsche gegen den FCR Duisburg. Und auch am letzten Spieltag, der nach dem DFB-Pokalfinale ausgetragen wurde und für den Ausgang der Deutschen Meisterschaft unbedeutend war, unterlagen die Frankfurterinnen jenem Gegner - diesmal mit 1:4.

"Die ganz große Freude ist ausgeblieben"

"Dadurch hatte die Saison für uns ein unschönes Ende", sagt Bernhard. "Die ganz große Freude ist ausgeblieben." Hinzu kam, dass Topspielerinnen wie Katja Kraus, Birgit Prinz, Sandra Smisek, Steffi Jones und Anouschka Bernhard selbst den Verein verließen oder ihre Karriere beendeten. Der Verein konnte sich von diesem Umbruch nicht erholen. Der FSV spielte zwar noch einige Jahre in der Bundesliga. Aber das Ende kam näher und näher. 2006 verschwand der FSV von der Bildfläche.

"Nach dem Doublegewinn 1995 und der Deutschen Meisterschaft 1998 haben die Verantwortlichen meiner Meinung nach einige kleinere Fehler gemacht, die schwerwiegende Folgen hatten", sagt Bernhard. "Vor allem haben sie sich auf den Erfolgen ausgeruht und den Verein nicht weiterentwickelt." Gleichzeitig wurde in unmittelbarer Nachbarschaft aus der SG Praunheim der 1. FFC Frankfurt gegründet, der in den Jahren danach zum weltbesten Frauenfußballverein aufstieg.

Seltener Torerfolg 15 Minuten vor Saison- und Karriereende

Anouschka Bernhard hatte alles lange geplant. Die Saison 1997/1998 sollte ihre letzte als Spielerin sein. Sie hätte sie gerne mit dem Double beendet, aber auch die Deutsche Meisterschaft war schon ein beachtlicher Erfolg gegen starke Konkurrenten. Ihr allerletztes Pflichtspiel gegen den FCR Duisburg entwickelte sich dann zu einer ganz besonders emotionalen Angelegenheit.

"Ich war nicht dafür bekannt, besonders torgefährlich zu sein, ich hatte als Defensivspielerin andere Aufgaben", sagt Bernhard. Aber in diesem Fall hatte sich der Fußball mal wieder eine ganz besondere Geschichte einfallen lassen. 15 Minuten vor Saison- und Karriereende hatte Bernhard plötzlich die Gelegenheit, einen Treffer zu machen. Der Ball, das gegnerische Tor - sie überlegte nicht lange, sie verwandelte einfach.

"Ich weiß noch, dass ich auf dem Platz stand und dachte, dass ich ab diesem Zeitpunkt kein einziges Mal mehr an den Ball kommen möchte. Mit der letzten Ballberührung der Karriere ein Tor zu machen, wäre ein grandioser Abschluss gewesen." Das gelang zwar nicht, aber auch so war es der würdige Schlusspunkt ihrer beeindruckenden Laufbahn als Spielerin.

Titelsammlerin als Trainerin der DFB-Juniorinnen

Die FSV-Verantwortlichen wollten sie nicht ziehen lassen und machten sie direkt zur neuen Cheftrainerin. Es war eine große Chance und riesige Herausforderung zugleich für Bernhard, denn nach der Deutschen Meisterschaft veränderte sich das Gesicht der Mannschaft fast komplett.

"Wir haben unglaublich viel Qualität verloren" sagt Bernhard. "Ich konnte mich an einige Wochenenden erinnern, an denen ich am Tag vor dem Spiel nicht wusste, wie ich eine einigermaßen konkurrenzfähige Mannschaft auf den Platz bringen sollte. Das war teilweise wirklich kompliziert." Bernhard trainierte das Team bis zum Sommer 2002 und konnte den Verein in der erweiterten Spitzengruppe halten. Nach ihrem Abschied ging es bergab. Nach der Saison 2005/2006 wurde die Frauenfußballabteilung aufgelöst.

Bernhard  war zu diesem Zeitpunkt bereits Nachwuchskoordinatorin bei Hertha BSC. Es war eine spannende Aufgabe, die ihren Horizont deutlich erweiterte. Aber das reichte ihr nicht, sie wollte wieder eine Mannschaft hauptamtlich betreuen. 2009 schloss sie die Fußball-Lehrer-Ausbildung als Zweitbeste ab. Seit März 2011 trainiert Anouschka Bernhard die U 17-Juniorinnennationalmannschaften des DFB, für kurze Zeit übernahm sie zudem die U 16-Auswahl, die sie später an Ulrike Ballweg abgab. Mit der U 17 gewann die heute 48 Jahre alte Bernhard 2012, 2014, 2016 und 2017 jeweils die Europameisterschaft.

[sw]

Die Frauen-Bundesliga geht in ihr 30. Jahr. In einer Serie schaut DFB.de ebenso auf besondere Momente in der Historie zurück wie auf aktuelle Entwicklungen zum Start der FLYERALARM Frauen-Bundesliga an diesem Freitag. Heute im Fokus Anouschka Bernhard und die Spielzeit 1997/1998. In jener Saison wurde die Frauen-Bundesliga erstmalig eingleisig durchgeführt.

Aufbruch, Angriff, Abschied, Anfang - für Anouschka Bernhard war die Saison 1997/1998 in vielerlei Hinsicht eine außergewöhnliche. Es war schließlich nicht nur die erste Spielzeit der Frauen-Bundesliga, die eingleisig durchgeführt wurde. Bernhard wurde mit dem FSV Frankfurt in jener Serie auch Deutscher Meister und beendete danach ihre aktive Karriere.

Karriereende nach Kreuzbandriss verschoben

Eigentlich wollte Bernhard ihre Laufbahn bereits im Herbst 1996 beenden. Aber einige Dinge haben sie damals zum Umdenken bewegt. "Ich hatte mir kurz vor den Olympischen Spielen einen Kreuzbandriss zugezogen", erinnert sie sich. "Das war bitter, weil ich gerne in Atlanta dabei gewesen wäre. Vor allem aber war mir klar, dass ich das Ende selbst bestimmen möchte und dass nicht eine Verletzung dafür ausschlaggebend sein sollte."

Sie kämpfte sich also zurück. Ihr Antrieb waren ihr eigener Ehrgeiz und die Tatsache, dass der DFB zur Saison 1997/1998 die Nord- und Süd-Staffeln der Frauen-Bundesliga zusammenführen wollte. "Das war ein großer Fortschritt für den Frauenfußball in Deutschland", sagt Bernhard im Rückblick. "Das hat die Qualität deutlich erhöht." Bis dahin durften sich 20 Klubs als Erstligisten bezeichnen, seit diesem Zeitpunkt sind es nur noch zwölf Teams.

"Für uns Spielerinnen hatte diese Umstellung fast nur Vorteile, wir haben dann Woche für Woche auf höchstem Niveau gespielt", betont die 47-malige deutsche Nationalspielerin. "Außerdem hatten wir plötzlich ganz neue Gegner, weil wir die Konkurrenten der anderen Staffel kaum kannten. Wir haben von der Eingleisigkeit sehr profitiert. Eine Umstellung für uns war auch, dass wir danach am Wochenende viel Zeit im Bus verbracht haben. Wir haben weite Teile von Deutschland aus einem ganz anderen Blickwinkel kennengelernt."

Bernhard dominiert mit FSV Frankfurt die Liga

Sportlich war der FSV Frankfurt mit Anouschka Bernhard das Maß aller Dinge. Nach 1995 konnte der Klub zum zweiten Mal die Deutsche Meisterschaft holen. Von den 22 Begegnungen gewann das Team 18 Partien, dazu kamen zwei Unentschieden und zwei Niederlagen. Sie sagt: "Wir hatten damals eine richtige gute Mannschaft zusammen. Katja Kraus, Sandra Smisek, Katja Bornschein, Birgit Austermühl, Steffi Jones - allesamt Nationalspielerinnen. Brigit Prinz ist mit 23 Treffern Torschützenkönigin geworden und hat uns so zum Titel geschossen."

Die Frankfurterinnen dominierten in jenem Jahr und hängten den Lokalkonkurrenten SG Praunheim deutlich ab. Auch der Drittplatzierte FCR Duisburg 55 hatte in der Meisterschaft keine Chance - und fügte dem FSV dennoch zwei bittere Niederlagen zu. "Wir standen kurz vor Saisonende bereits als Deutscher Meister fest und sind dann zum DFB-Pokalfinale nach Berlin gefahren", erinnert sich Bernhard. Dort kassierten die Frankfurterinnen eine bittere 2:6-Klatsche gegen den FCR Duisburg. Und auch am letzten Spieltag, der nach dem DFB-Pokalfinale ausgetragen wurde und für den Ausgang der Deutschen Meisterschaft unbedeutend war, unterlagen die Frankfurterinnen jenem Gegner - diesmal mit 1:4.

"Die ganz große Freude ist ausgeblieben"

"Dadurch hatte die Saison für uns ein unschönes Ende", sagt Bernhard. "Die ganz große Freude ist ausgeblieben." Hinzu kam, dass Topspielerinnen wie Katja Kraus, Birgit Prinz, Sandra Smisek, Steffi Jones und Anouschka Bernhard selbst den Verein verließen oder ihre Karriere beendeten. Der Verein konnte sich von diesem Umbruch nicht erholen. Der FSV spielte zwar noch einige Jahre in der Bundesliga. Aber das Ende kam näher und näher. 2006 verschwand der FSV von der Bildfläche.

"Nach dem Doublegewinn 1995 und der Deutschen Meisterschaft 1998 haben die Verantwortlichen meiner Meinung nach einige kleinere Fehler gemacht, die schwerwiegende Folgen hatten", sagt Bernhard. "Vor allem haben sie sich auf den Erfolgen ausgeruht und den Verein nicht weiterentwickelt." Gleichzeitig wurde in unmittelbarer Nachbarschaft aus der SG Praunheim der 1. FFC Frankfurt gegründet, der in den Jahren danach zum weltbesten Frauenfußballverein aufstieg.

Seltener Torerfolg 15 Minuten vor Saison- und Karriereende

Anouschka Bernhard hatte alles lange geplant. Die Saison 1997/1998 sollte ihre letzte als Spielerin sein. Sie hätte sie gerne mit dem Double beendet, aber auch die Deutsche Meisterschaft war schon ein beachtlicher Erfolg gegen starke Konkurrenten. Ihr allerletztes Pflichtspiel gegen den FCR Duisburg entwickelte sich dann zu einer ganz besonders emotionalen Angelegenheit.

"Ich war nicht dafür bekannt, besonders torgefährlich zu sein, ich hatte als Defensivspielerin andere Aufgaben", sagt Bernhard. Aber in diesem Fall hatte sich der Fußball mal wieder eine ganz besondere Geschichte einfallen lassen. 15 Minuten vor Saison- und Karriereende hatte Bernhard plötzlich die Gelegenheit, einen Treffer zu machen. Der Ball, das gegnerische Tor - sie überlegte nicht lange, sie verwandelte einfach.

"Ich weiß noch, dass ich auf dem Platz stand und dachte, dass ich ab diesem Zeitpunkt kein einziges Mal mehr an den Ball kommen möchte. Mit der letzten Ballberührung der Karriere ein Tor zu machen, wäre ein grandioser Abschluss gewesen." Das gelang zwar nicht, aber auch so war es der würdige Schlusspunkt ihrer beeindruckenden Laufbahn als Spielerin.

Titelsammlerin als Trainerin der DFB-Juniorinnen

Die FSV-Verantwortlichen wollten sie nicht ziehen lassen und machten sie direkt zur neuen Cheftrainerin. Es war eine große Chance und riesige Herausforderung zugleich für Bernhard, denn nach der Deutschen Meisterschaft veränderte sich das Gesicht der Mannschaft fast komplett.

"Wir haben unglaublich viel Qualität verloren" sagt Bernhard. "Ich konnte mich an einige Wochenenden erinnern, an denen ich am Tag vor dem Spiel nicht wusste, wie ich eine einigermaßen konkurrenzfähige Mannschaft auf den Platz bringen sollte. Das war teilweise wirklich kompliziert." Bernhard trainierte das Team bis zum Sommer 2002 und konnte den Verein in der erweiterten Spitzengruppe halten. Nach ihrem Abschied ging es bergab. Nach der Saison 2005/2006 wurde die Frauenfußballabteilung aufgelöst.

Bernhard  war zu diesem Zeitpunkt bereits Nachwuchskoordinatorin bei Hertha BSC. Es war eine spannende Aufgabe, die ihren Horizont deutlich erweiterte. Aber das reichte ihr nicht, sie wollte wieder eine Mannschaft hauptamtlich betreuen. 2009 schloss sie die Fußball-Lehrer-Ausbildung als Zweitbeste ab. Seit März 2011 trainiert Anouschka Bernhard die U 17-Juniorinnennationalmannschaften des DFB, für kurze Zeit übernahm sie zudem die U 16-Auswahl, die sie später an Ulrike Ballweg abgab. Mit der U 17 gewann die heute 48 Jahre alte Bernhard 2012, 2014, 2016 und 2017 jeweils die Europameisterschaft.

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