Bernd Schröder: "Turbine ist mein Kind"

Abschied in den Ruhestand nach 45 Jahren. Von der ersten Stunde an bis heute hat Bernd Schröder bei Turbine Potsdam das Sagen. Als Chefdenker und "Familienvater", meist auch als Trainer. Diverse Alternativen scheiterten 1992-97 jeweils schnell. Am Pfingstmontag (ab 14 Uhr) absolviert er beim SV Werder Bremen sein letztes Spiel als Turbine-Trainer.

Mit 1,93 Meter Körpergröße ist Schröder, im Juli 74 Jahre alt, nicht zu übersehen. Ein autoritäres Urgestein, markant, kantig; eine ehrliche Haut mit rauher Schale und sensiblem Innenleben. Ein authentischer Typ, hoch geachtet. Vom lieben "Schrödi" über "Herr Schröder" bis zum "Bankbrüller von Babelsberg". Im Guinessbuch hat er als Rekordhalter der vereinstreuen Trainer den Franzosen Guy Roux abgelöst, der 44 Jahre lang bei AJ Auxerre mit kurzen Unterbrechungen das Sagen hatte (1961 bis 2005).

In seiner direkten Art und teils unbequemen Worten hat Schröder immer wieder schonungslos kontroverse Diskussionen angestoßen. Als Diplomat galt der in Travemünde geborene und in Droyßig (Sachsen-Anhalt) aufgewachsene Sohn eines Zimmermanns nie. In Droyßig habe jeder auf der Straße Fußball gespielt, der kein Holzbein hatte. Mit neun oder zehn Jahren angefangen, kickte er später für Stahl Silbitz als Torwart in der Bezirksliga und in der Oberliga bei Lok Leipzig. Als Student hütete er das Tor von Wissenschaft Freiberg.

Dort an der Bergakademie hatte Schröder Montanwissenschaften studiert, ehe es ihn als Ingenieur nach Potsdam verschlug – zum VEB Energieversorgung. Seit jenem Gründungsaufruf dort am Schwarzen Brett prägte Schröder Turbines Fußballfrauen, formte sie zum Spitzenklub, der auch nach der Wende in der Erfolgsspur blieb.

DFB.de: Bernd Schröder, wie haben Sie den Fall der Mauer erlebt?

Schröder: Ich saß nach dem Training mit Freunden in einer Gaststätte. Im Radio kam die Information, dass die Mauer offen sei. Wir waren sehr besorgt, wie das wohl ausgehen könnte. Schon ein Funken hätte ausgereicht, um einen Konflikt auszulösen.

DFB.de: Was vermissen Sie aus der Zeit der DDR?

Schröder: Die Menschlichkeit. Den Zusammenhalt in den Betrieben, Vereinen, mit Freunden und zwischen den Familien. Die sozialen Unterschiede waren relativ gering. Der Kapitalismus ist eine egoistische Gesellschaft. Die sichtbaren Unterschiede führen zu Neid, Missgunst und Gier. Es hat sich ein hoher Grad an Scheinheiligkeit und Heuchelei entwickelt.

DFB.de: Wie kann man gegensteuern?

Schröder: Wir brauchen mehr Vorbilder im Gesamtbereich der Gesellschaft. Leute, die das Bewusstsein für die eigene Verantwortung verinnerlicht haben für das, was man tut, und für das, was man unterlässt.

DFB.de: Sie sind seit 45 Jahren bei Turbine Potsdam. Die meiste Zeit als Trainer. Als Entscheider durchgängig von Beginn an.

Schröder: Turbine ist mein Kind. Ich habe vom Bergbau gelernt, dass man nicht bei einem Knistern im Deckgebirge Reißaus nehmen kann, wenn es um Menschen und eine Sache geht. Letztlich habe ich für alle Entscheidungen die Verantwortung getragen, in aller Konsequenz. Einige wenige loyale Mitstreiter waren stets an meiner Seite.

DFB.de: Sie sind quasi eine öffentliche Person.

Schröder: Es gibt eine TV-Dokumentation über meine Lebensgeschichte. Im Fokus der Öffentlichkeit sollte man Farbe bekennen. Aktuell für die Flüchtlinge, um ihnen zu helfen, sich im praktischen Leben zurecht zu finden. Nach einer Reihe beruflicher Ehrungen zu DDR-Zeiten, wie sechsmal "Aktivist der sozialistischen Arbeit" bekam ich 2005 den Landesverdienstorden Brandenburgs, 2011 das Bundesverdienstkreuz am Bande, eine Reihe Sportauszeichnungen sowie die Europa-Urkunde des Landes Brandenburg verliehen.



Abschied in den Ruhestand nach 45 Jahren. Von der ersten Stunde an bis heute hat Bernd Schröder bei Turbine Potsdam das Sagen. Als Chefdenker und "Familienvater", meist auch als Trainer. Diverse Alternativen scheiterten 1992-97 jeweils schnell. Am Pfingstmontag (ab 14 Uhr) absolviert er beim SV Werder Bremen sein letztes Spiel als Turbine-Trainer.

Mit 1,93 Meter Körpergröße ist Schröder, im Juli 74 Jahre alt, nicht zu übersehen. Ein autoritäres Urgestein, markant, kantig; eine ehrliche Haut mit rauher Schale und sensiblem Innenleben. Ein authentischer Typ, hoch geachtet. Vom lieben "Schrödi" über "Herr Schröder" bis zum "Bankbrüller von Babelsberg". Im Guinessbuch hat er als Rekordhalter der vereinstreuen Trainer den Franzosen Guy Roux abgelöst, der 44 Jahre lang bei AJ Auxerre mit kurzen Unterbrechungen das Sagen hatte (1961 bis 2005).

In seiner direkten Art und teils unbequemen Worten hat Schröder immer wieder schonungslos kontroverse Diskussionen angestoßen. Als Diplomat galt der in Travemünde geborene und in Droyßig (Sachsen-Anhalt) aufgewachsene Sohn eines Zimmermanns nie. In Droyßig habe jeder auf der Straße Fußball gespielt, der kein Holzbein hatte. Mit neun oder zehn Jahren angefangen, kickte er später für Stahl Silbitz als Torwart in der Bezirksliga und in der Oberliga bei Lok Leipzig. Als Student hütete er das Tor von Wissenschaft Freiberg.

Dort an der Bergakademie hatte Schröder Montanwissenschaften studiert, ehe es ihn als Ingenieur nach Potsdam verschlug – zum VEB Energieversorgung. Seit jenem Gründungsaufruf dort am Schwarzen Brett prägte Schröder Turbines Fußballfrauen, formte sie zum Spitzenklub, der auch nach der Wende in der Erfolgsspur blieb.

DFB.de: Bernd Schröder, wie haben Sie den Fall der Mauer erlebt?

Schröder: Ich saß nach dem Training mit Freunden in einer Gaststätte. Im Radio kam die Information, dass die Mauer offen sei. Wir waren sehr besorgt, wie das wohl ausgehen könnte. Schon ein Funken hätte ausgereicht, um einen Konflikt auszulösen.

DFB.de: Was vermissen Sie aus der Zeit der DDR?

Schröder: Die Menschlichkeit. Den Zusammenhalt in den Betrieben, Vereinen, mit Freunden und zwischen den Familien. Die sozialen Unterschiede waren relativ gering. Der Kapitalismus ist eine egoistische Gesellschaft. Die sichtbaren Unterschiede führen zu Neid, Missgunst und Gier. Es hat sich ein hoher Grad an Scheinheiligkeit und Heuchelei entwickelt.

DFB.de: Wie kann man gegensteuern?

Schröder: Wir brauchen mehr Vorbilder im Gesamtbereich der Gesellschaft. Leute, die das Bewusstsein für die eigene Verantwortung verinnerlicht haben für das, was man tut, und für das, was man unterlässt.

DFB.de: Sie sind seit 45 Jahren bei Turbine Potsdam. Die meiste Zeit als Trainer. Als Entscheider durchgängig von Beginn an.

Schröder: Turbine ist mein Kind. Ich habe vom Bergbau gelernt, dass man nicht bei einem Knistern im Deckgebirge Reißaus nehmen kann, wenn es um Menschen und eine Sache geht. Letztlich habe ich für alle Entscheidungen die Verantwortung getragen, in aller Konsequenz. Einige wenige loyale Mitstreiter waren stets an meiner Seite.

DFB.de: Sie sind quasi eine öffentliche Person.

Schröder: Es gibt eine TV-Dokumentation über meine Lebensgeschichte. Im Fokus der Öffentlichkeit sollte man Farbe bekennen. Aktuell für die Flüchtlinge, um ihnen zu helfen, sich im praktischen Leben zurecht zu finden. Nach einer Reihe beruflicher Ehrungen zu DDR-Zeiten, wie sechsmal "Aktivist der sozialistischen Arbeit" bekam ich 2005 den Landesverdienstorden Brandenburgs, 2011 das Bundesverdienstkreuz am Bande, eine Reihe Sportauszeichnungen sowie die Europa-Urkunde des Landes Brandenburg verliehen.

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DFB.de: Hatten Trainer in der DDR es leichter als heute?

Schröder: Die Betriebe waren interessiert an erfolgreichen Sportlern und Trainern, haben deshalb viele Sektionen unterstützt und honoriert. Anerkennung heute sieht anders aus. Der Frauenfußball hat von den konträren Systemen in Potsdam und Frankfurt mit entsprechenden Reibungen enorm profitiert. Inzwischen gibt es andere bedeutende Gegensätze, nämlich die der FFCs gegen die Ableger männlicher Profivereine. Dieses Spannungsfeld wird die Zukunft noch stärker prägen als bisher.

DFB.de: Wie wurde eigentlich aus dem eher zufälligen Trainer Schröder eine Lebensaufgabe?

Schröder: Es gibt Dinge im Leben, die irgendwann eine schwer steuerbare Eigendynamik erreichen, vergleichbar mit Goethes "Zauberlehrling": die Geister, die ich rief, werde ich nicht mehr los. Rationell kann man das nicht erklären.

DFB.de: Von Beginn an war Turbine erfolgreich. Gab es zwischendurch auch Momente des Verzweifelns?

Schröder: Mit der Wende brach unser Sportfördersystem völlig zusammen, da die Trägerbetriebe die Unterstützung für den Sport einstellten. Jeder war bemüht, die eigene Existenz zu sichern. Glücklicherweise fanden sich immer wieder einzelne tolle Menschen und Unternehmen, die mir zur Seite standen. Damals war der Grad zum Abgrund schmal.

DFB.de: Was bedeutet es Ihnen, wenn ehemalige Spielerinnen auch nach ihrer Karriere im Verein Verantwortung übernehmen?

Schröder: Wir haben uns immer als große Familie verstanden. Wenn ehemalige Spielerinnen selbst aus der Gründungsmannschaft heute noch ihre Dienste ehrenamtlich zur Verfügung stellen, zeigt das die unerschütterliche Verbundenheit zum Verein.

DFB.de: Sie haben mit Turbine 24 Titel errungen. Worauf sind Sie noch stolz im Verein?

Schröder: Unser Verein lebt das duale System vorbildlich. Viele ehemalige Spielerinnen haben es in den verschiedensten Berufen zu leitenden Stellungen gebracht. Als Lehrerinnen genauso wie in Ingenieursberufen oder als Juristinnen. Auf ihre Zeit bei uns sind sie alle stolz. Auch ich natürlich, weil es das Produkt einer gelebten Vorbildwirkung ist.

DFB.de: Die größten Tiefschläge in Ihrer Zeit?

Schröder: Sehr unangenehm war die Situation 1994, als ich nach unserem Bundesligaaufstieg nach einigen Spielen die Hoffnung auf den Klassenerhalt verloren hatte, den damaligen Trainer beurlaubte und damit auch sechs Spielerinnen aus dessen Fraktion verlor. 2009 brach mit dem 0:7 gegen FCR Duisburg beim letztmalig im Berliner Olympiastadion ausgetragenen DFB-Pokalfinale eine Welt zusammen.

DFB.de: Zu DDR-Zeiten waren Sie zwischenzeitlich gesperrt.

Schröder: Bei Turbine haben wir uns Leistungssport auf die Fahne geschrieben, brauchten internationale Vergleiche. Aber es war nur gestattet, gegen Mannschaften des Ostblockes zu spielen. In Polen, Ungarn und der CSSR gab es jährlich Turniere mit Mannschaften aus Westeuropa. Wir haben damals mit hoher "Kreativität" teilgenommen, gegen die Regeln unseres Sportverbandes. Als Verantwortlicher bei Turbine wurde ich deshalb für ein Jahr für jeglichen internationalen Spielbetrieb gesperrt. Aus dieser Zeit stammt auch meine Stasi-Akte.

DFB.de: Was bedeutet heute das einzige DDR-Länderspiel (0:3 gegen CSFR) für Sie als Trainer?

Schröder: Die damalige Generation war gewissermaßen ein Auslaufmodell. Im Prozess der großen Veränderungen gab es andere Prioritäten als Frauenfußball. Deshalb war der Spielzeitpunkt unglücklich. Vor allem fehlte ein realer Blick für die Zukunft.

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DFB.de: Das Ost-West-Verhältnis war zunächst nicht einfach. Der Westen lockte derart, dass der Boden unter den Füßen schwankte. Dazu kamen viele Vorurteile gegen den Osten. Wie hat sich dieses Verhältnis entkrampft?

Schröder: Entscheidend ist der Wille der Menschen zum Miteinander. Bei meiner "Abschiedstour" jetzt spüre ich Respekt und Anerkennung, insbesondere auch von gegnerischen Fans. Das ist ein Ergebnis eines langen Prozesses gegenseitiger Achtung. Dafür habe ich mich immer engagiert. Die Menschen haben ein Gespür, wer für eine Sache brennt.

DFB.de: Sie betonen gerne die Bedeutung von Turbines Philosophie und Identität.

Schröder: Wir sind nicht nur ein Aushängeschild Potsdams, sondern der gesamten Region und des ehemaligen Ostens. Turbine ist für viele Menschen zur Familie geworden. Wir sind Kulturgut dieser Stadt wegen unserer Erfolge und einer eigenen unverwechselbaren Philosophie. Diese Identität wollen wir uns bewahren. Ein eigenes Profil ist für die Zukunft besonders wichtig. Der Verein steht für Disziplin, Einsatzbereitschaft, Leidenschaft und Herzblut für die Sache.

DFB.de: Welche Rolle spielen für Sie der Bergbau mit dem "Steigerlied"?

Schröder: Ich habe vor Ort in der Steinkohle und im Salz riesigen Respekt vor den Menschen bekommen. 1200 Meter tief unter der Erde wird man gewissermaßen geerdet. Das "Steigerlied" dokumentiert diesen weltweit einmaligen Berufsstand.

DFB.de: Zu Ihren Tugenden gehören Disziplin, Ehrgeiz, Engagement ebenso wie Sensibilität und Teamfähigkeit. Warum das mitunter schroffe Auftreten?

Schröder: Erfolg führt nicht über den Konjunktiv. Die Stimme des Erfolgs ist eindeutig, klar und zuweilen auch rauh. Aufgesetzte Demokratie im Leistungssport führt zu endlosen Diskussionen. Übrigens: echte Diamanten entstehen immer unter hohem Druck.

DFB.de: Beim Gewinn des UEFA-Cups 2005 haben Sie im VIP-Raum des Stadions voller Inbrunst den "Jägerchor" aus Carl Maria von Webers Oper "Der Freischütz" gesungen.

Schröder: Gemeinsames Singen unterstützt die Teambildung. Deshalb habe ich schon meiner Premierenmannschaft von 1971 deutsches Liedgut näher gebracht. Auch den "Jägerchor". Ich selbst habe dabei immer den Solopart übernommen. Heute wäre das alles nicht mehr denkbar.

DFB.de: Sie beten täglich und lesen einen Psalm?

Schröder: Meine Eltern haben mich von Geburt an zum christlichen Glauben geführt. 2017 jährt sich zum 60. Mal der Tag meiner Konfirmation. Ich hatte in meinem Leben ausreichend Erlebnisse, die ohne gefestigten Glauben nur schwer erklärbar und verkraftbar gewesen wären.

DFB.de: Würden Sie im Nachhinein betrachtet bei Ihrem Wirken im Verein etwas anders machen?

Schröder: Ich habe meine Aufgabe immer als eine Mission gesehen, auch für den Frauenfußball. Ohne intakte Familie und zuverlässiges Umfeld funktioniert das nicht. Es war mir immer eine Ehre, der Sache zu dienen. Besonders stolz macht mich, dass ich nie ein Entgelt gefordert habe. So war es von der ersten Stunde an mündlich vereinbart.

DFB.de: Sie gehen ohne Wehmut?

Schröder: Ich habe alles intensiv durchdacht, lange vorbereitet und lange angekündigt. Deshalb gehe ich äußerlich ohne Wehmut. Der Verein ist gut und breit aufgestellt. Alles ist bestens bestellt.