Schneider: "Der weiße Brasilianer" wird 50

Er spielte 81-mal für Deutschland und stand sogar im WM-Finale. Seinen Gegenspielern gab er oft Rätsel auf, heute ist er trotzdem Spielerberater. Seine Heimat war, ist und bleibt Jena, wo Bernd Schneider, den alle nur "Schnix" riefen, wie auch seiner Mailadresse zu entnehmen ist, heute seinen 50. Geburtstag feiert.

Obwohl in der DDR aufgewachsen, hat Bernd Schneider vor Jahren dem kicker gestanden, das Schönste am Fußball sei für ihn gewesen, "die Nationalhymne zu singen". Dazu wurde ihm reichlich Gelegenheit geboten in der sehr turbulenten Zeit des deutschen Fußballs zu Beginn des Jahrhunderts. Von 1999 bis 2008 hatte Schneider vier Bundestrainer.

Spitzname: "Weißer Brasilianer"

Als an Länderspiele noch gar nicht zu denken war, durfte er gedanklich schon mal fremdgehen. Als 13-Jähriger, so gab er später zu, habe er im WM-Finale von Mexiko zu Argentinien gehalten - und nicht zu den Westdeutschen, – "wegen Maradona". Das muss man ihm nachsehen. An dessen Genialität kam auch Schnix nicht heran, aber sie waren doch fußballerische Geistesbrüder – wenn man sie so spielen sah.

Nicht umsonst trug der Mann, der zu den besten Fußballern gehört, die nie einen Mannschaftstitel gewannen, den Ehrennamen "Der weiße Brasilianer". Das war sein Titel! Geschmeidige Bewegungen, perfekte Ballkontrolle, die bei in der DDR ausgebildeten Spielern oft zu bewundernde Beidfüßigkeit, und Vorbereiter so manchen wichtigen Tores. Wenn er nicht den letzten Pass spielte, dann eben den vorletzten.

Fakt ist: Mit einem Schneider im deutschen Mittelfeld war die Nation optimistischer als ohne ihn, gerade in den düsteren Tagen um das Jahr 2000. Dabei war er ein Spätstarter.

Länderspieldebüt 1999 gegen Neuseeland

Schneider, der mit 17 Jahren und 269 Tagen 1991 zum jüngsten Zweitligaspieler von Carl Zeiss Jena avanciert war, kam erst mit 24 in die Bundesliga und kickte 1998/1999 für ein Jahr bei Eintracht Frankfurt, wo er in einer in Abstiegsgefahr schwebenden Mannschaft ein Lichtblick war. Bundestrainer Erich Ribbeck nahm ihn im Februar 1999 mit auf die USA-Reise, was er ihm schon im Dezember ankündigte und "das war für mich wie ein Weihnachtsgeschenk". Zum Einsatz kam er erst im Juli 1999 beim ominösen Confed-Cup, half, Neuseeland zu besiegen (2:0).

In jenem Sommer wechselte er nach Leverkusen, kam dreimal in der EM-Qualifikation zum Einsatz und verlor doch seinen Platz in der Nationalmannschaft. Die fatale EM 2000 blieb ihm erspart, aber auch das erste Jahr unter Rudi Völler. "Vom 0:0 in der EM-Quali gegen die Türkei im Oktober 1999 bis zu den Ukraine-Play-offs im November 2001 war ich nicht dabei. Dabei hatte ich kein Tief. Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich mal auf 75 Länderspiele käme, ich hätte es nicht geglaubt", sagte er im Oktober 2006 vor seinem Jubiläum.

Vorlage für Neuville "wichtigste Aktion"

Doch 2001 brach die große Zeit von Bayer Leverkusen an, an den Besten der Werkself kam Völler nicht vorbei und wollte es auch gar nicht. Michael Ballack, Jens Nowotny, Carsten Ramelow, Oliver Neuville und natürlich auch Schnix bildeten die größte Fraktion im DFB-Kader und bis auf den verletzten Nowotny flogen sie alle zur WM nach Asien.

Dort stand Schneider in allen sieben Spielen in der Startformation, gleich zum Auftakt gegen Saudi-Arabien (8:0) glückte ihm per Freistoß sein erstes von nur vier Toren im DFB-Dress, dem eine weit größere Zahl an Torvorlagen (20) gegenübersteht. Auf seiner Lieblingsposition im halbrechten Mittelfeld drehte er bei dieser WM groß auf. Die Vorlage auf Neuville im Achtelfinale gegen Paraguay zum 1:0 in letzter Minute hat er als "meine wichtigste Aktion" im DFB-Dress bezeichnet. Und die Party im Anschluss als die schönste im Kreise der Nationalmannschaft, damals in Südkorea.

Bekanntlich kam die Mannschaft mit einer Serie von 1:0-Siegen ins Finale gegen Brasilien, aus dem der alle überragende Schneider und seine Leverkusener Kollegen zum vierten Mal binnen sechs Wochen als Zweiter hervorgingen. Es war das Jahr, als "Vizekusen" geboren wurde. Mag man den Klub teils verspottet haben für seine verlorenen Endspiele, die Nationalmannschaft wurde auf dem Frankfurter Römer gefeiert und Schneider bezeichnete den Finaleinzug 2002 in einem Atemzug mit dem dritten Platz beim Sommermärchen 2006 als "größten Erfolg". Zuhause in Jena zogen sie damals dem Denkmal von Kurfürst Johann Friedrich dem Großmütigen vor lauter Stolz ein Schneider-Trikot über.

DFB-Kapitän beim WM-Eröffnungsspiel 2006

Zwischen seinen Weltmeisterschaften lag das Vorrunden-Aus bei seiner einzigen EM 2004 in Portugal, nach der Völler zurücktrat. Mit Jürgen Klinsmann bekam er dann seinen dritten Bundestrainer. Der Reformator testete Schneider mal als Rechtsverteidiger aus. Er nahm es hin ("Ich spiele, wo ich gebraucht werde") und war doch froh, dass Klinsmann das Experiment alsbald beendete. Bei der WM 2006 war Schneider wieder da, wo er hingehörte. Im Zentrum des Spiels, an der Seite von Kapitän Ballack, den er beim Eröffnungsspiel gegen Costa Rica vertreten durfte. "Zum Eröffnungsspiel die Mannschaft aufs Feld zu führen, das war schon etwas Besonderes", befand Schnix, der neunmal die Kapitänsbinde trug in seinen 81 Spielen.

Was blieb noch in Erinnerung von seiner WM 2006? Der wohltemperierte Pass auf Flügelflitzer David Odonkor vor dessen Flanke auf Neuville, der zum 1:0 gegen Polen traf und die WM-Euphorie erst so richtig auslöste, damals in Dortmund. Und zwei Wochen später, an selber Stelle, seine Großchance im Halbfinale gegen Italien. "Ich dachte, den mach' ich rein, treffe ihn gut – und gerate in Rücklage." Drüber! "Wer weiß, wie's ausgegangen wäre", sinnierte er noch Monate später.

"Das Schöne am Fußball ist ja: Es geht immer weiter"

Was gewesen wäre, wenn er zehn Jahre früher oder später geboren worden wäre, darüber hat Schneider nie viel nachgedacht. Bei den Europameistern 1996, deren Halbfinalsieg gegen England er in Wembley mit Kaufkarte als Fan verfolgt hatte, oder den Weltmeistern von 2014 hätte sich sicher ein Plätzchen für einen Filigrankicker wie ihn gefunden. Aber er hat nie wehmütig zurückgeschaut und über seine Serie zweiter Plätze mal gesagt: "Das Schöne am Fußball ist ja: Es geht immer weiter. Die nächste Saison kommt bestimmt. Und außerdem habe ich immer die Hoffnung gehabt, wieder in solche Endspiele zu kommen. Wie soll man das schaffen, wenn man sich stattdessen einbuddelt und sein Leid beklagt?"

Aber irgendwann kam auch seine letzte Saison. Ein Bandscheibenvorfall im Frühjahr 2008 kostete ihn die EM unter Jogi Löw, seinem vierten Bundestrainer. Für Deutschland spielte er nie mehr. Nach 398 Tagen kam er 2009 für einen letzten Bundesligaeinsatz zurück, gefeiert von den Bayer-Fans: "Das ging richtig unter die Haut."

Seine Bescheidenheit, die ihn manche Mark und später Euro gekostet haben mag ("Ich hätte mit Werbung viel mehr rausholen können") und seine Loyalität – er blieb trotz diverser Angebote zehn Jahre in Leverkusen – waren Teil seiner großen Beliebtheit.

So ging er standesgemäß mit einem Abschiedsspiel im Mai 2010 gegen eine All-Star-Auswahl. Es war der letzte Tanz des weißen Brasilianers auf großer Bühne, der für die Schönheit des Fußballs stand.

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Er spielte 81-mal für Deutschland und stand sogar im WM-Finale. Seinen Gegenspielern gab er oft Rätsel auf, heute ist er trotzdem Spielerberater. Seine Heimat war, ist und bleibt Jena, wo Bernd Schneider, den alle nur "Schnix" riefen, wie auch seiner Mailadresse zu entnehmen ist, heute seinen 50. Geburtstag feiert.

Obwohl in der DDR aufgewachsen, hat Bernd Schneider vor Jahren dem kicker gestanden, das Schönste am Fußball sei für ihn gewesen, "die Nationalhymne zu singen". Dazu wurde ihm reichlich Gelegenheit geboten in der sehr turbulenten Zeit des deutschen Fußballs zu Beginn des Jahrhunderts. Von 1999 bis 2008 hatte Schneider vier Bundestrainer.

Spitzname: "Weißer Brasilianer"

Als an Länderspiele noch gar nicht zu denken war, durfte er gedanklich schon mal fremdgehen. Als 13-Jähriger, so gab er später zu, habe er im WM-Finale von Mexiko zu Argentinien gehalten - und nicht zu den Westdeutschen, – "wegen Maradona". Das muss man ihm nachsehen. An dessen Genialität kam auch Schnix nicht heran, aber sie waren doch fußballerische Geistesbrüder – wenn man sie so spielen sah.

Nicht umsonst trug der Mann, der zu den besten Fußballern gehört, die nie einen Mannschaftstitel gewannen, den Ehrennamen "Der weiße Brasilianer". Das war sein Titel! Geschmeidige Bewegungen, perfekte Ballkontrolle, die bei in der DDR ausgebildeten Spielern oft zu bewundernde Beidfüßigkeit, und Vorbereiter so manchen wichtigen Tores. Wenn er nicht den letzten Pass spielte, dann eben den vorletzten.

Fakt ist: Mit einem Schneider im deutschen Mittelfeld war die Nation optimistischer als ohne ihn, gerade in den düsteren Tagen um das Jahr 2000. Dabei war er ein Spätstarter.

Länderspieldebüt 1999 gegen Neuseeland

Schneider, der mit 17 Jahren und 269 Tagen 1991 zum jüngsten Zweitligaspieler von Carl Zeiss Jena avanciert war, kam erst mit 24 in die Bundesliga und kickte 1998/1999 für ein Jahr bei Eintracht Frankfurt, wo er in einer in Abstiegsgefahr schwebenden Mannschaft ein Lichtblick war. Bundestrainer Erich Ribbeck nahm ihn im Februar 1999 mit auf die USA-Reise, was er ihm schon im Dezember ankündigte und "das war für mich wie ein Weihnachtsgeschenk". Zum Einsatz kam er erst im Juli 1999 beim ominösen Confed-Cup, half, Neuseeland zu besiegen (2:0).

In jenem Sommer wechselte er nach Leverkusen, kam dreimal in der EM-Qualifikation zum Einsatz und verlor doch seinen Platz in der Nationalmannschaft. Die fatale EM 2000 blieb ihm erspart, aber auch das erste Jahr unter Rudi Völler. "Vom 0:0 in der EM-Quali gegen die Türkei im Oktober 1999 bis zu den Ukraine-Play-offs im November 2001 war ich nicht dabei. Dabei hatte ich kein Tief. Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich mal auf 75 Länderspiele käme, ich hätte es nicht geglaubt", sagte er im Oktober 2006 vor seinem Jubiläum.

Vorlage für Neuville "wichtigste Aktion"

Doch 2001 brach die große Zeit von Bayer Leverkusen an, an den Besten der Werkself kam Völler nicht vorbei und wollte es auch gar nicht. Michael Ballack, Jens Nowotny, Carsten Ramelow, Oliver Neuville und natürlich auch Schnix bildeten die größte Fraktion im DFB-Kader und bis auf den verletzten Nowotny flogen sie alle zur WM nach Asien.

Dort stand Schneider in allen sieben Spielen in der Startformation, gleich zum Auftakt gegen Saudi-Arabien (8:0) glückte ihm per Freistoß sein erstes von nur vier Toren im DFB-Dress, dem eine weit größere Zahl an Torvorlagen (20) gegenübersteht. Auf seiner Lieblingsposition im halbrechten Mittelfeld drehte er bei dieser WM groß auf. Die Vorlage auf Neuville im Achtelfinale gegen Paraguay zum 1:0 in letzter Minute hat er als "meine wichtigste Aktion" im DFB-Dress bezeichnet. Und die Party im Anschluss als die schönste im Kreise der Nationalmannschaft, damals in Südkorea.

Bekanntlich kam die Mannschaft mit einer Serie von 1:0-Siegen ins Finale gegen Brasilien, aus dem der alle überragende Schneider und seine Leverkusener Kollegen zum vierten Mal binnen sechs Wochen als Zweiter hervorgingen. Es war das Jahr, als "Vizekusen" geboren wurde. Mag man den Klub teils verspottet haben für seine verlorenen Endspiele, die Nationalmannschaft wurde auf dem Frankfurter Römer gefeiert und Schneider bezeichnete den Finaleinzug 2002 in einem Atemzug mit dem dritten Platz beim Sommermärchen 2006 als "größten Erfolg". Zuhause in Jena zogen sie damals dem Denkmal von Kurfürst Johann Friedrich dem Großmütigen vor lauter Stolz ein Schneider-Trikot über.

DFB-Kapitän beim WM-Eröffnungsspiel 2006

Zwischen seinen Weltmeisterschaften lag das Vorrunden-Aus bei seiner einzigen EM 2004 in Portugal, nach der Völler zurücktrat. Mit Jürgen Klinsmann bekam er dann seinen dritten Bundestrainer. Der Reformator testete Schneider mal als Rechtsverteidiger aus. Er nahm es hin ("Ich spiele, wo ich gebraucht werde") und war doch froh, dass Klinsmann das Experiment alsbald beendete. Bei der WM 2006 war Schneider wieder da, wo er hingehörte. Im Zentrum des Spiels, an der Seite von Kapitän Ballack, den er beim Eröffnungsspiel gegen Costa Rica vertreten durfte. "Zum Eröffnungsspiel die Mannschaft aufs Feld zu führen, das war schon etwas Besonderes", befand Schnix, der neunmal die Kapitänsbinde trug in seinen 81 Spielen.

Was blieb noch in Erinnerung von seiner WM 2006? Der wohltemperierte Pass auf Flügelflitzer David Odonkor vor dessen Flanke auf Neuville, der zum 1:0 gegen Polen traf und die WM-Euphorie erst so richtig auslöste, damals in Dortmund. Und zwei Wochen später, an selber Stelle, seine Großchance im Halbfinale gegen Italien. "Ich dachte, den mach' ich rein, treffe ihn gut – und gerate in Rücklage." Drüber! "Wer weiß, wie's ausgegangen wäre", sinnierte er noch Monate später.

"Das Schöne am Fußball ist ja: Es geht immer weiter"

Was gewesen wäre, wenn er zehn Jahre früher oder später geboren worden wäre, darüber hat Schneider nie viel nachgedacht. Bei den Europameistern 1996, deren Halbfinalsieg gegen England er in Wembley mit Kaufkarte als Fan verfolgt hatte, oder den Weltmeistern von 2014 hätte sich sicher ein Plätzchen für einen Filigrankicker wie ihn gefunden. Aber er hat nie wehmütig zurückgeschaut und über seine Serie zweiter Plätze mal gesagt: "Das Schöne am Fußball ist ja: Es geht immer weiter. Die nächste Saison kommt bestimmt. Und außerdem habe ich immer die Hoffnung gehabt, wieder in solche Endspiele zu kommen. Wie soll man das schaffen, wenn man sich stattdessen einbuddelt und sein Leid beklagt?"

Aber irgendwann kam auch seine letzte Saison. Ein Bandscheibenvorfall im Frühjahr 2008 kostete ihn die EM unter Jogi Löw, seinem vierten Bundestrainer. Für Deutschland spielte er nie mehr. Nach 398 Tagen kam er 2009 für einen letzten Bundesligaeinsatz zurück, gefeiert von den Bayer-Fans: "Das ging richtig unter die Haut."

Seine Bescheidenheit, die ihn manche Mark und später Euro gekostet haben mag ("Ich hätte mit Werbung viel mehr rausholen können") und seine Loyalität – er blieb trotz diverser Angebote zehn Jahre in Leverkusen – waren Teil seiner großen Beliebtheit.

So ging er standesgemäß mit einem Abschiedsspiel im Mai 2010 gegen eine All-Star-Auswahl. Es war der letzte Tanz des weißen Brasilianers auf großer Bühne, der für die Schönheit des Fußballs stand.

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