Beckenbauer: „Ich sehe für EM noch keinen Bayern-Block“

Vor zwölf Jahren gelang der deutschen Nationalmannschaft bei der EM 1996 in England ihr letzter Titelgewinn. In der Anfangsformation beim damaligen Endspiel gegen Tschechien in London standen fünf Spieler von Bayern München. Hilfreich wäre ein Bayern-Block nach Meinung von Franz Beckenbauer auch bei der bevor stehenden EM-Endrunde 2008.

Ein Vierteljahr vor dem Anpfiff des Turniers in Österreich und der Schweiz sieht der Kapitän des Europameisters von 1972 mit damals sogar sechs Bayern-Spielern im Endspiel von Brüssel allerdings „noch keinen Bayern-Block“ für die Stammformation von Bundestrainer Joachim Löw.

Über die EM-Chancen der fünf Münchner Kandidaten, über Michael Ballacks Rolle bei der EURO 2008 und Deutschlands Status als einer der EM-Favoriten und weitere aktuelle Themen wie Jürgen Klinsmanns zukünftige Tätigkeit als Bayern-Trainer äußert sich Franz Beckenbauer im „DFB.de-Gespräch der Woche“ mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien.

Frage: Sie haben kürzlich Ihren Wohnsitz nach Salzburg verlegt und leben mit Ihrer Familie seitdem in einem Spielort der EURO 2008. Wie viel EM-Stimmung ist dort, genau drei Monate vor dem ersten EM-Vorrundenspiel zwischen Griechenland und Schweden am 10. Juni, schon zu spüren?

Franz Beckenbauer: Das mit dem Umzug stimmt nicht ganz. Ich lebe jetzt gewissermaßen in zwei Haushalten. Weiterhin in Oberndorf bei Kitzbühel, aber auch aus praktischen Gründen in Salzburg. Ich pendele hin und her.

Frage: Trotzdem nachgefragt: Gibt die Parole der Veranstalter 100 Tage vor Turnierbeginn - „Ganz Österreich am Ball“ - die Stimmung in Salzburg wider?

Beckenbauer: Es wird wirklich sehr viel getan mit Werbeaktionen und kulturellen Veranstaltungen. Gerade hier in Salzburg, die ja eine Sportstadt ist. Die ganz große Stimmung ist jedoch noch nicht da. Das war bei uns 2006 auch noch nicht der Fall. Doch man spürt Vorfreude. Die EM ist Tagesgespräch, und der Funken der Begeisterung wird noch auf die Bevölkerung überspringen.

Frage: Als ehemaliger Präsident des Organisationskomitees für die WM 2006 in Deutschland verfolgen Sie die EM-Vorbereitungen in Österreich und der Schweiz aus einem besonderen Blickwinkel. Wie ist Ihr Eindruck?



[bild1]

Vor zwölf Jahren gelang der deutschen Nationalmannschaft bei der EM 1996 in England ihr letzter Titelgewinn. In der Anfangsformation beim damaligen Endspiel gegen Tschechien in London standen fünf Spieler von Bayern München. Hilfreich wäre ein Bayern-Block nach Meinung von Franz Beckenbauer auch bei der bevor stehenden EM-Endrunde 2008.

Ein Vierteljahr vor dem Anpfiff des Turniers in Österreich und der Schweiz sieht der Kapitän des Europameisters von 1972 mit damals sogar sechs Bayern-Spielern im Endspiel von Brüssel allerdings „noch keinen Bayern-Block“ für die Stammformation von Bundestrainer Joachim Löw.

Über die EM-Chancen der fünf Münchner Kandidaten, über Michael Ballacks Rolle bei der EURO 2008 und Deutschlands Status als einer der EM-Favoriten und weitere aktuelle Themen wie Jürgen Klinsmanns zukünftige Tätigkeit als Bayern-Trainer äußert sich Franz Beckenbauer im „DFB.de-Gespräch der Woche“ mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien.

Frage: Sie haben kürzlich Ihren Wohnsitz nach Salzburg verlegt und leben mit Ihrer Familie seitdem in einem Spielort der EURO 2008. Wie viel EM-Stimmung ist dort, genau drei Monate vor dem ersten EM-Vorrundenspiel zwischen Griechenland und Schweden am 10. Juni, schon zu spüren?

Franz Beckenbauer: Das mit dem Umzug stimmt nicht ganz. Ich lebe jetzt gewissermaßen in zwei Haushalten. Weiterhin in Oberndorf bei Kitzbühel, aber auch aus praktischen Gründen in Salzburg. Ich pendele hin und her.

Frage: Trotzdem nachgefragt: Gibt die Parole der Veranstalter 100 Tage vor Turnierbeginn - „Ganz Österreich am Ball“ - die Stimmung in Salzburg wider?

Beckenbauer: Es wird wirklich sehr viel getan mit Werbeaktionen und kulturellen Veranstaltungen. Gerade hier in Salzburg, die ja eine Sportstadt ist. Die ganz große Stimmung ist jedoch noch nicht da. Das war bei uns 2006 auch noch nicht der Fall. Doch man spürt Vorfreude. Die EM ist Tagesgespräch, und der Funken der Begeisterung wird noch auf die Bevölkerung überspringen.

Frage: Als ehemaliger Präsident des Organisationskomitees für die WM 2006 in Deutschland verfolgen Sie die EM-Vorbereitungen in Österreich und der Schweiz aus einem besonderen Blickwinkel. Wie ist Ihr Eindruck?

Beckenbauer: Beide machen das wirklich hervorragend und sind hoch professionell aufgestellt. Organisatorisch wird das eine großartige Europameisterschaft. Aber auch sportlich. Schließlich sind ja bis auf England alle großen Fußballnationen dabei. Ich denke, dass wir viele gute Spiele sehen werden.

Frage: Welche Rolle wird die deutsche Mannschaft dabei spielen, nachdem sie bei den vergangenen beiden EM-Endrunden schon in der Vorrunde gescheitert war?

Beckenbauer: Nach dem Erreichen der Qualifikation hat man einen Gang zurückgeschaltet und bewegte sich mit dieser niedrigen Tourenzahl zuletzt immer noch. Langsam wird es Zeit, dass man jetzt wieder eine Schippe drauflegt. Es muss zwar noch nicht der ganz große Gang eingelegt werden. Den braucht unsere Mannschaft erst bei der EM. Doch sie muss jetzt die Kurve kriegen, um auf das hohe Niveau wieder zu kommen, auf dem sie bei der WM 2006 und in den Monaten danach gespielt hat.

Frage: Michael Ballack ist nach achtmonatiger Verletzungspause wieder fit. Auch fit genug für die erhoffte Führungsrolle bei der EM?

Beckenbauer: Es wird sicherlich noch etwas dauern, bis er seinen Rhythmus endgültig gefunden hat nach so langer Verletzungspause. Um ihn mache ich mir aber die wenigsten Sorgen. Wenn er bei Chelsea jetzt weiterhin kontinuierlich spielt, wird er im Juni auf seinem gewohnten Niveau sein und die wichtige Führungsrolle übernehmen. Da sehe ich überhaupt kein Problem.

Frage: Wie wird der neue Europameister heißen?

Beckenbauer: Ich hoffe, Deutschland. Und ich finde, es wäre ein Widerspruch, den EM-Titel als Ziel auszugeben, das Team aber nicht zum engeren Favoritenkreis zu zählen. Natürlich ist Deutschland einer der Topfavoriten.

Frage: Eine ähnliche Sensation wie 2004 mit Griechenland mit Trainer Otto Rehhagel als Gewinner des EM-Titels halten Sie für ausgeschlossen?

Beckenbauer: Das schließe ich nicht aus. Der Otto ist doch wieder dabei. Das Feld ist so ausgeglichen, dass eine Überraschung wie 2004 durchaus denkbar ist. Ich habe zum Beispiel die Kroaten im Hinterkopf, weil sie eine sehr erfahrene Mannschaft sind. Aber auch eine Wiederholung der griechischen Sensation halte ich nicht für unmöglich.

Frage: Welchen Beitrag kann der FC Bayern München für ein erfolgreiches EM-Abschneiden der DFB-Auswahl leisten? Zum Beispiel mit einem Bayern-Block wie 1996 mit fünf Münchner Spielern – Babbel, Ziege, Helmer, Scholl und Klinsmann – in der Startaufstellung des siegreichen EM-Finales in Wembley oder 1972 mit Ihnen und Sepp Maier, Paul Breitner, Georg Schwarzenbeck, Uli Hoeneß und Gerd Müller beim EM-Triumph in Belgien?

Beckenbauer: Es wäre hilfreich. Doch ich sehe für diese EM noch keinen Block. Klar, Klose und Lahm sind wohl gesetzt. Marcell Jansen ist wieder fit, und soviel Linksfüßer haben wir in der Nationalmannschaft ja nicht. Philipp Lahm würde dadurch mit seiner Vielseitigkeit frei für eine andere Position. Was Schweinsteiger und Podolski betrifft, so hoffe ich, dass der eine seine zuletzt beim FC Bayern gezeigten Leistungen jetzt stabilisiert und der andere noch rechtzeitig den Anschluss findet.

Frage: Mit Jürgen Klinsmann als Trainer beginnt beim FC Bayern im Juli 2008 eine neue Zeit. Was wird sich Ihrer Ansicht nach grundlegend ändern?

Beckenbauer: Er wird ein paar andere Abläufe einführen, mit neuen Trainingsmethoden arbeiten. Aber Revolutionäres kann ich mir nicht vorstellen.

Frage: Klinsmanns Verpflichtung haben Sie erst einen Tag vor der offiziellen Bekanntgabe erfahren. Fühlten Sie sich als Vereinspräsident bei der Entscheidungsfindung ausgegrenzt?

Beckenbauer: Überhaupt nicht! Die Trainersuche war Sache des Vorstands. Sie mussten dann ihre Entscheidung mir als dem Aufsichtsratsvorsitzenden vorlegen. Das haben sie getan, und ich war damit einverstanden, sonst wäre das nicht über die Bühne gegangen. Nachdem ich im Auftrag des Aufsichtsrates grünes Licht gegeben hatte, war die Geschichte erledigt. Am nächsten Tag erfolgte die Inthronisierung. Das lief ganz normal.

[bild2]

Frage: Sie haben die Nationalmannschaft und Bayern München als Teamchef und Trainer betreut. Was ist der entscheidende Unterschied, auf den sich Klinsmann wird einstellen müssen?

Beckenbauer: Er wird sich mit dem Tagesgeschäft auseinandersetzen müssen. Und ich hoffe, dass er dabei durchhält, weil das ein sehr mühsames Geschäft ist, sehr zermürbend. Ich weiß nicht, wie er das handhaben wird, jeden Tag Pressegespräche zu führen und permanent auf dem Präsentierteller zu sein. Zusammen mit den anderen Aufgaben ist das schon verdammt anstrengend.

Frage: Themenwechsel: Bei den Sitzungen des DFB-Präsidiums, dem Sie angehören, steht neuerdings auch die Arbeit des OK für die Frauen-WM 2011 auf der Agenda. Wie beurteilen Sie die bisherige Führungsrolle der OK-Präsidentin Steffi Jones?

Beckenbauer: Sie macht das bisher ganz hervorragend. Das ist mein Eindruck aus der Distanz, und das höre ich auch von allen Seiten.

Frage: Worauf muss sie sich aus Ihrer Sicht als ehemaliger OK-Chef in den kommenden drei Jahren besonders einstellen?

Beckenbauer: Ich sehe keine Hindernisse, weil die Bewerbung und die Durchführung der Frauen-WM 2011 in Deutschland eine breite Zustimmung haben. Sie kann unbeschwert arbeiten, mit einem Stab von Fachleuten, die zum größten Teil schon bei der WM 2006 mit dabei waren und jetzt hohe Kompetenz und wertvolle Erfahrungen einbringen.

Frage: Wie ist Ihre generelle Position zum Frauenfußball?

Beckenbauer: Sehr positiv. Ich habe ja den Frauenfußball beim FC Bayern gegen einige Widerstände auf das heutige Niveau durchgesetzt. Die Mannschaft war damals zweitklassig. Ich sagte: Moment mal, wir sind doch ein Fußballverein, wir müssen unsere Frauen stärken. Seitdem spielen wir in der Bundesliga.

Frage: Vor genau einem Jahr gaben Sie Ihren Einstand im FIFA-Exekutivkomitee. Wie beurteilen Sie inzwischen Ihre Rolle und Tätigkeit dort?

Beckenbauer: Wir kennen uns alle, deswegen war und ist es für mich dort relativ einfach. Ich bin dort Chef der Fußballkommission, und es macht Spaß - wie übrigens auch in der gleichen Kommission bei der UEFA - mit ehemaligen Kollegen wie Pelé, Platini, Savicevic, Hierro oder Markovic gewisse Dinge im Fußball zu diskutieren und auf den Weg zu bringen. Dann bin ich noch in den beiden Kommissionen der Frauen für U 17 und U 20 mit den WM-Endrunden in Neuseeland und Chile und in der technischen Kommission sowohl bei der FIFA und der UEFA. Ich habe mich dort etabliert.

Frage: Zum Abschluss eine persönliche Frage: Was halten Sie davon, dass im deutschen EM-Spielort Klagenfurt eine drei Meter hohe Beckenbauer-Statue aus Sand errichtet werden soll?

Beckenbauer: Sehr wenig. Auch, weil Sand eine sehr wacklige und vergängliche Angelegenheit ist.