Beckenbauer: "Bayern gegen Barca das Wunschfinale"

Olympique Marseille gegen Bayern München am Mittwoch im Viertelfinale der Champions League (ab 20.45 Uhr, live auf Sat.1 und bei Sky) – für Franz Beckenbauer ist dieses Spiel zugleich ein Trip in die Vergangenheit. Die Saison 1990/1991 als Trainer und Technischer Direktor bei OM war für ihn eine in jeder Hinsicht unvergleichliche Erfahrung.

Im DFB.de-Exklusivinterview mit Redakteur Wolfgang Tobien beleuchtet Beckenbauer die Chancen des FC Bayern sowie dessen aktuelle Situation. Und er sagt, was die Münchner im Stade Velodrome erwartet und mit welchen Gefühlen Franck Ribéry als einstiger Publikumsliebling bei Olympique jetzt nach Marseille zurückkehren wird.

DFB.de: Gegen Olympique Marseille im Viertelfinale der Champions League – ist das auch in Ihren Augen ein Glückslos für Bayern München?

Franz Beckenbauer: Im Viertelfinale gibt es keine Glücklose. Auch die vermeintlich schwächeren Zyprioten aus Nikosia wären kein Glückslos gewesen. Schließlich sind sie Erster in ihrer Gruppe geworden und haben Lyon ausgeschaltet. Von Underdog zu sprechen, wäre respektlos. Mit Ausnahme von Real und Barcelona sind alle sechs Teams jetzt mehr oder weniger auf einem ähnlichen Niveau. Olympique ist ein wirklich starker Gegner. Das haben die Franzosen mit ihren beiden Siegen gegen Dortmund und im Achtelfinale mit ihrem Weiterkommen gegen Inter Mailand gezeigt. Für den FC Bayern werden es zwei richtig enge Spiele.

DFB.de: Hat der FC Bayern aber nicht alle Trümpfe gegen Olympique in der Hand? Das erste Spiel auswärts in Marseille, dazu das eigene Team seit Wochen im Höhenflug, Olympique dagegen immer stärker im Abwind und nun auch ausgeschieden im nationalen Pokal gegen einen Drittligisten.

Beckenbauer: Gott sei Dank spricht die Form im Moment für den FC Bayern. Vor drei, vier Wochen hätte ich noch anders reagiert auf diese Frage. Doch die Bayern haben ihr Formtief, glaube ich, überwunden. Deswegen ist es nicht falsch, wenn man den Bayern jetzt Vorteile bescheinigt. Was aber heißt das schon in einem Viertelfinale im Europapokal?

DFB.de: Trotzdem, den Franzosen fehlen am Mittwoch mit den gesperrten Torwart Mandanda und Innenverteidiger Diawara, der sich zudem auch noch schwer verletzt hat, die beiden wichtigsten Abwehrsäulen. Was also soll noch schief gehen im Stade Velodrome?

Beckenbauer: Wer den Enthusiasmus und die unglaubliche Fußball-Leidenschaft in Marseille kennt, der weiß, was die Bayern am Mittwoch dort erwartet. Das Stade Velodrome ist für mich gleichzusetzen mit der Anfield Road in Liverpool oder mit der besonders lautstarken und überschwänglichen Stimmung in Dortmund. Ein ganz wichtiger Bestandteil der Erfolge von Olympique Marseille ist das Publikum, die fantastischen Fans.



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Olympique Marseille gegen Bayern München am Mittwoch im Viertelfinale der Champions League (ab 20.45 Uhr, live auf Sat.1 und bei Sky) – für Franz Beckenbauer ist dieses Spiel zugleich ein Trip in die Vergangenheit. Die Saison 1990/1991 als Trainer und Technischer Direktor bei OM war für ihn eine in jeder Hinsicht unvergleichliche Erfahrung.

Im DFB.de-Exklusivinterview mit Redakteur Wolfgang Tobien beleuchtet Beckenbauer die Chancen des FC Bayern sowie dessen aktuelle Situation. Und er sagt, was die Münchner im Stade Velodrome erwartet und mit welchen Gefühlen Franck Ribéry als einstiger Publikumsliebling bei Olympique jetzt nach Marseille zurückkehren wird.

DFB.de: Gegen Olympique Marseille im Viertelfinale der Champions League – ist das auch in Ihren Augen ein Glückslos für Bayern München?

Franz Beckenbauer: Im Viertelfinale gibt es keine Glücklose. Auch die vermeintlich schwächeren Zyprioten aus Nikosia wären kein Glückslos gewesen. Schließlich sind sie Erster in ihrer Gruppe geworden und haben Lyon ausgeschaltet. Von Underdog zu sprechen, wäre respektlos. Mit Ausnahme von Real und Barcelona sind alle sechs Teams jetzt mehr oder weniger auf einem ähnlichen Niveau. Olympique ist ein wirklich starker Gegner. Das haben die Franzosen mit ihren beiden Siegen gegen Dortmund und im Achtelfinale mit ihrem Weiterkommen gegen Inter Mailand gezeigt. Für den FC Bayern werden es zwei richtig enge Spiele.

DFB.de: Hat der FC Bayern aber nicht alle Trümpfe gegen Olympique in der Hand? Das erste Spiel auswärts in Marseille, dazu das eigene Team seit Wochen im Höhenflug, Olympique dagegen immer stärker im Abwind und nun auch ausgeschieden im nationalen Pokal gegen einen Drittligisten.

Beckenbauer: Gott sei Dank spricht die Form im Moment für den FC Bayern. Vor drei, vier Wochen hätte ich noch anders reagiert auf diese Frage. Doch die Bayern haben ihr Formtief, glaube ich, überwunden. Deswegen ist es nicht falsch, wenn man den Bayern jetzt Vorteile bescheinigt. Was aber heißt das schon in einem Viertelfinale im Europapokal?

DFB.de: Trotzdem, den Franzosen fehlen am Mittwoch mit den gesperrten Torwart Mandanda und Innenverteidiger Diawara, der sich zudem auch noch schwer verletzt hat, die beiden wichtigsten Abwehrsäulen. Was also soll noch schief gehen im Stade Velodrome?

Beckenbauer: Wer den Enthusiasmus und die unglaubliche Fußball-Leidenschaft in Marseille kennt, der weiß, was die Bayern am Mittwoch dort erwartet. Das Stade Velodrome ist für mich gleichzusetzen mit der Anfield Road in Liverpool oder mit der besonders lautstarken und überschwänglichen Stimmung in Dortmund. Ein ganz wichtiger Bestandteil der Erfolge von Olympique Marseille ist das Publikum, die fantastischen Fans.

DFB.de: In Europa ist l'OM unter den besten Acht der Champions League, in Frankreich nicht einmal mehr unter den ersten Acht der Ligue 1. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären?

Beckenbauer: Es gibt solche kuriosen Konstellationen. Ich kann mich an meine Zeit beim FC Bayern erinnern. Damals waren wir mal Zwölfter oder Vierzehnter in der Tabelle und sind Europapokalsieger der Landesmeister geworden. In einer Situation, in der es national nicht richtig läuft, richtet eine erfahrene Mannschaft ihre ganze Energie auf den internationalen Wettbewerb, um damit die Saison zu einem guten Ende zu bringen. Daher kann ich mir vorstellen, dass die Franzosen ihre Konzentration auf die Champions League ausrichten.

DFB.de: Sie selbst haben während Ihrer einjährigen Tätigkeit als Trainer und Technischer Direktor Olympique Marseille in der Rolle als Frankreichs beliebtesten, aber auch umstrittensten Fußballklub erlebt, wurden mit l'OM 1991 Meister und erreichten das Finale im Europapokal der Landesmeister. Welchen Stellenwert hat diese Station bei Frankreichs damaligen Fußball-Aushängeschild in Ihrer Karriere?

Beckenbauer: Es zwar ein relativ kurzer, aber unglaublich intensiver und sehr schöner Ausflug, den ich wirklich nicht missen will. Ich hatte schon während der WM 1990 etliche Angebote von italienischen Klubs. Und auch Bernard Tapie hat noch während der WM bei mir angefragt. Ich habe sie alle auf die Zeit nach dem Turnier verwiesen.

DFB.de:Wieso hat danach Marseille mit seinem Präsidenten Tapie das Tauziehen um Sie gewonnen?

Beckenbauer: Weil er am hartnäckigsten war und nicht locker ließ. Dazu hat er mich mit seinem unglaublichen Charme umgarnt. Ich habe dann Holger Osieck angerufen, ob er als Assistent wie bei der WM 1990 jetzt auch mit mir nach Marseille gehen würde. Er sagte: Lass es uns versuchen. Und so begann eine Geschichte mit zwei völlig verschiedenen Gesichtern.

DFB.de: Nämlich?

Beckenbauer: Auf der einen Seite gab es diese Steuer- und Schwarzgeldaffäre im Verein, die praktisch jeden Tag in der Öffentlichkeit und in den Medien war. Ich denke immer noch an den einen Tag im September 1990. Ich war gerade ein paar Wochen da, als beim Training am Vormittag plötzlich die Polizei auf dem Platz erschien und drei meiner Spieler mitnahm. Zum Verhör. Da ging die ganze Misere los. Und genau in diese Zeit bin ich gekommen.

DFB.de: Auf der anderen Seite?

Beckenbauer: Olympique und Marseille als, wie soll ich sagen, ein wahnsinniges Gesamtkunstwerk. Besser kannst du es nicht haben. Marseille, diese pulsierende Stadt direkt am Meer, die traumhafte Gegend der Provence drumherum. Und dann dieser Verein! Eine Institution in Frankreich und vor allem in einer Stadt, die mit ihren Fans und ihrer Euphorie Fußball lebt wie kaum irgendwo anders. Dazu war dort in Bernard Tapie ein Präsident mit einem nicht zu bremsenden Engagement. Mit dieser totalen Hingabe hat er mich im Dezember 1990, als ich ihn in Paris bat, mich wegen des Steuerskandals im Verein aus meinem Vertrag als Trainer zu entlassen, zum Weitermachen bis zum Saisonende überredet. Als Technischer Direktor und Verantwortlicher für den Europapokal. Wenn diese andere Seite nicht gewesen wäre, diese Schwarzgeldaffäre, die alle verrückt gemacht hat, wäre ich vielleicht heute noch in Marseille. Es gibt kaum etwas Schöneres für einen Fußballer als diese Stadt und diesen Verein.

DFB.de: Wurmt sie heute noch die Niederlage im Europapokal-Finale gegen Belgrad in Bari? Wie denken Sie 20 Jahre später über die Gründe?

Beckenbauer: Raymond Goethals, mit dem ich ein sehr gutes Verhältnis hatte, wurde zur Rückrunde als Trainer verpflichtet. Für das Endspiel habe ich mit ihm zusammen für unsere Mannschaft, die ja gespickt war mit großartigen Spielern wie Stojkovic, Waddle, dem Brasilianer Mozer und dem Ghanaer Abedi Pelé sowie mit einem halben Dutzend herausragender französischer Nationalspieler um Tigana, Papin, Cantona, Amoros und Casoni eine Taktik zurecht gelegt, von der wir glaubten, die könnte passen gegen Roter Stern Belgrad.

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DFB.de: Warum hat es dann nicht gepasst?

Beckenbauer: Weil sich Bernard Tapie als Präsident ebenfalls Gedanken gemacht hat und das letzte Wort behielt. Er hat kurz vor dem Anpfiff die Taktik mehr oder weniger geändert. Dieses Recht nahm er sich heraus, und dieses Recht hat er, weil in Frankreich der Präsident eine weitaus größere Rolle spielt als in Deutschland. Er ist der Patron, quasi der Besitzer der Mannschaft. So sehr ich Bernard schätzte, seine Taktikänderung war vielleicht nicht ganz so günstig für uns.

DFB.de: Haben Sie Bernard Tapie mal wieder getroffen?

Beckenbauer: Wir haben uns zwei Jahre später schon wiedergesehen, als Marseille mit Rudi Völler das Champions-League-Finale gegen AC Mailand bei uns in München gewann. Auch danach haben wir einige Male gesprochen, seit ungefähr zehn Jahren aber keinen Kontakt mehr miteinander gehabt.

DFB.de: Eine Schlüsselrolle für die derzeitige Topform des FC Bayern spielt Frank Ribery. Mit welchen Gefühlen wird er als ehemaliger Publikumsliebling im Stade Velodrome jetzt nach Marseille zurückkehren?

Beckenbauer: Ich hoffe, dass er freundlich und respektvoll empfangen wird. Er hat ja ein Zeit lang in Marseille gespielt. Wenn man dann mit einer anderen Mannschaft wiederkommt, ist man der Gegner. Es wird bestimmt eine spezielle Situation für Franck Ribéry werden, der mit gemischten Gefühlen in dieses Spiel geht. Auf der einen Seite hängt sein Herz sicherlich noch ein wenig an Marseille, gerade weil er dort bei den Fans so gut ankam. Auf der anderen Seite ist er jetzt schon im fünften Jahr beim FC Bayern und fühlt sich dort bestens integriert. Für ihn wird der Mittwoch bestimmt ein besonderer Tag werden.

DFB.de: Mit dem Pokalsieg in Mönchengladbach bleibt dem FC Bayern die Hoffnung auf das Triple erhalten. Welche der drei Hürden ist dabei am höchsten?

Beckenbauer: Die nationale Meisterschaft ist das Fundament, weil dabei die Grundlage für die Teilnahme an der Champions League im nächsten Jahr gelegt werden muss. Die Champions League hat in den vergangenen Jahren ganz gewaltig an Bedeutung gewonnen. Sie ist praktisch eine Klub-Weltmeisterschaft und mittlerweile ungemein lukrativ. Dort spielen mit Real Madrid und FC Barcelona die derzeit beiden besten Mannschaften in Europa. Irgendwann musst du gegen die spielen, wenn du Europapokalsieger werden willst.

DFB.de: Was heißt das also?

Beckenbauer: Dass dies in meinen Augen schwieriger ist, als Deutscher Meister zu werden, obwohl das schwer genug sein wird bei momentan fünf Punkten Rückstand auf Dortmund. Doch wenn die Bayern ihre anstehenden beiden Spiele in der Bundesliga und im Pokalfinale gegen Dortmund gewinnen, dann ist für sie in ihrer derzeit wieder guten Form in Sachen Triple alles noch möglich.

DFB.de: Sehen Sie die Gefahr, dass der FC Bayern in seiner derzeitigen Topform schon an das mögliche Halbfinale gegen Real Madrid denkt?

Beckenbauer: Das kann ich mir nicht vorstellen. Die Mannschaft wird sich voll und ganz auf die Aufgabe gegen Marseille konzentrieren.

DFB.de: Wird es am 19. Mai in München zum europäischen Traumfinale FC Bayern gegen FC Barcelona kommen?

Beckenbauer: Das ist sicherlich die Wunschvorstellung von uns allen. Nicht nur aller Bayern-Fans. Irgendwie glaube ich an dieses Finale. Doch bis dahin ist es noch weit. Noch träume ich nur davon.