Arne Friedrich und die Berliner Freiheit

Seit mehr als fünf Jahren ist Arne Friedrich kein Fußballprofi mehr. Viel gemacht hat er seitdem, verschiedene Dinge, die ihn interessiert haben, er ist viel gereist, hat viel gesehen, beruflich, privat. Und nie, sagt er, sei er so sehr bei sich gewesen wie jetzt. Ein Heimspiel in der Hauptstadt.

Es ist ein nasser und windiger Novembernachmittag. Die Bäume sind längst kahl, über Berlin hängt eine schwammige Wolkendecke. Arne Friedrich kommt förmlich hereingestürmt, er entschuldigt sich für seine kleine Verspätung. Er hat ein kleines Café in Prenzlauer Berg vorgeschlagen, einer seiner Lieblingsläden, wie er erzählt. Tatsächlich möchte er rasch noch eine junge Frau begrüßen, die er eben in seinem Augenwinkel erblickt hat. Er umarmt sie herzlich. "Ich bin ein Großstadtmensch geworden", erzählt Friedrich, und, dass er in Bad Oeynhausen, seiner Heimat, nicht mehr leben könne. Seine Eltern und seine beiden Brüder besuche er aber regelmäßig. Sie sind da geblieben, in Ostwestfalen. Ihn, den Fußballprofi, zog es in die Weite. Über Bielefeld, Berlin und Wolfsburg nach Chicago, wo er in der US-amerikanischen Major League Soccer zum Abschluss seiner Karriere kickte. Das war 2013. Dann war Schluss, nach 13 Jahren Profifußball. Der Rücken.

"Ich wollte raus aus der Komfortzone"

Arne Friedrich ist muskulöser geworden, als er es zu seiner aktiven Zeit war. Manche ehemaligen Fußballer werden eher runder. Dafür trägt er jetzt Vollbart, den er erst heute Vormittag beim Frisör hat etwas stutzen lassen. Als der Fotograf fragt, ob er seine vom Wind leicht zerzausten Haare noch etwas richten möchte, wischt Friedrich die Frage mit einer lässigen Handbewegung beiseite, er sei nicht so eitel, sagt er. Friedrich wirkt aufgeräumt und zugewandt. Den schwarzen Schal lässt er umgelegt. Später im Gespräch erfahren wir den Grund. Fünf Jahre ist es jetzt her, dass sein altes Leben plötzlich beendet war. Fußballspielen ging nicht mehr. Ein schlimmer Bandscheibenvorfall. "Fünf Wochen habe ich nur auf dem Rücken liegen können." Regelrecht "fertig" sei er gewesen, "für mich emotional die schwierigste Phase meines Lebens". Im selben Jahr trennte er sich von seiner langjährigen Freundin, "am Silvestertag, es regnete, wie im Film".

Arne Friedrich, bis dahin eine Art Musterbeispiel für einen Fußballprofi, Typ Schwiegersohn, wollte ausbrechen. Nichts war mehr so wie bisher. Kein geregelter Tagesablauf, keine Verpflichtungen, keine Termine, keine Zweisamkeit. Guatemala sollte es werden, eine Woche mit dem Rucksack, nur die erste Nacht war gebucht. "Ich wollte raus aus der Komfortzone", erzählt Friedrich. Mehr als die Hälfte seines Lebens hatte der Fußball bestimmt, 14 Jahre war er mit seiner Freundin liiert. Und jetzt das, Abenteuerurlaub in Zentralamerika, einem der gefährlichsten Länder der Erde. Ein älterer Herr sprach ihn an, ob er nicht Spanisch lernen wolle. Wollte er. "Dann komm‘ zu uns nach Hause, für 200 Dollar wohnst du bei uns und lernst bei meiner Frau", sagte der Herr. Friedrich willigte ein, dachte aber, den Mann nie wiederzusehen. Das Gegenteil war der Fall. Noch heute lernt er Spanisch mit Anna, der Frau des älteren Herrn. Einmal, manchmal auch dreimal die Woche, per Skype. Immer von Englisch auf Spanisch. Sie ist Lehrerin, spricht aber kein Deutsch.

Rausgehen, ausprobieren

"Die schönsten Dinge passieren außerhalb der Komfortzone", sagt Friedrich. Ja, Friedrich war privilegiert. Zwei Jahre spielte er als Profi für Arminia Bielefeld, acht Jahre für Hertha BSC, wo er von 2004 an bis zu seinem Weggang und dem Abstieg der Berliner 2010 Kapitän war. 82 Länderspiele hat er als Verteidiger für Deutschland bestritten (79 davon als Herthaner), eins mehr als Bernd Schneider, Wolfgang Overath oder Karlheinz Förster.

Erst nach einer bewegten und erfolgreichen Zeit habe er gelernt, sein eigenes Leben wirklich in die Hand zu nehmen. Einen Plan für das Leben danach habe er nicht explizit gehabt. Friedrich hatte das Fachabitur in der Tasche und sonst nur lose Gedanken. Ein Freund habe ihm damals geraten, rauszugehen und sich auszuprobieren. Friedrich probierte viel. Er machte den Fußball-Trainerschein, erst die B-Lizenz, dann die A-Lizenz. Zwischen 2014 und 2016 arbeitete er als Co-Trainer der deutschen U 18-Auswahl, und immer wieder kommentierte er als Experte für das chinesische Fernsehen die deutschen Spiele bei der WM 2014 und 2018. Gelegentlich auch für den amerikanischen Sportsender "Fox Sports". Ein Dreivierteljahr arbeitete er für eine renommierte Marketingagentur.

In der ersten Zeit nach dem Karriereende freue man sich über die Zeit, "die du plötzlich hast", sagt Friedrich. Erst einmal musste er aber ackern, um schmerzfrei zu werden. Zwei Jahre habe er gebraucht, um zu wissen, was ihm Spaß macht und er tun möchte. Obgleich er eine "wunderschöne Profizeit" hatte, sei er heute glücklicher als je zuvor, "nie war ich so sehr bei mir wie jetzt." Fußball sei sein Leben gewesen, "aber ich möchte nicht für eine feste Institution wie einen Verein arbeiten, jetzt jedenfalls nicht", sagt Friedrich.

Camps in den USA

Unter anderem ist er Gründungsmitglied einer Firma, die in den USA tätig ist und Fußballcamps für Jugendliche durchführt. Die Firma sitzt in Florida. Friedrich selbst ist viel in Los Angeles tätig, wo er neuerdings auch eine kleine Wohnung besitzt. Die Camps finden auch in Europa statt, zuletzt in München. Sie waren schon in Berlin und Rom. Es gehe um einen interkulturellen Austausch, aber auch darum sich sportlich messen zu können. In diesen Sommer vermittelte Friedrich den 18 Jahre alten Jamaikaner Coby Atkinson zu Arminia Bielefeld. Ein anderer junger Amerikaner kickt inzwischen in der B-Jugend des FC Bayern.

"Ich liebe das Mentoring", sagt Friedrich. In Vorträgen und persönlichen Gesprächen gibt er sein Wissen und seine Erfahrungen an junge Menschen weiter, er möchte sie in ihrer persönlichen und sportlichen Entwicklung beratend begleiten. "Ich habe wahnsinnig positive Erfahrungen als Sportler gemacht, aber auch schwierige Momente durchlebt, Rückschläge, Brüche." Es gibt Camps für Elf- bis 13-Jährige, die meisten seien zwischen 16 und 19 Jahre alt. Oft kämen sogar deren Eltern mit. Er möchte dabei aber niemandem das Leben erklären. "Am Ende geht es im Leben doch darum, Entscheidungen zu treffen", sagt Friedrich. Der vielleicht wesentlichste Einschnitt für ihn waren die eineinhalb Jahre in Chicago, "Amerika hat mich offener gemacht, es hat mich inspiriert." Vielleicht hätte er früher ins Ausland wechseln sollen. Für ihn sei es "eine Wahnsinnserfahrung" gewesen. In Deutschland, in der Bundesliga, habe er sich eine Art Schneckenhaus gebaut. "Heute ist es mir relativ egal, was die Leute denken."

Rückblickend haben das Ende der Karriere und die Trennung "viel gebracht". Er habe gelernt, Zeit mit sich selbst zu verbringen, sich kennenzulernen. Als Profi sei der Alltag strikt durchgetaktet, Training, Spiele, Reisen, Hotelübernachtungen und, und, und. Man habe kaum Zeit, sich zu reflektieren. "Ich war damals als Profifußballer zu wenig authentisch, ich wollte allen gefallen, nichts Falsches sagen. Heute kann ich Nein sagen." Natürlich weiß Friedrich um die Privilegiertheit auch seines jetzigen Lebens. "Ich gebe das offen und ehrlich zu, aber manchmal ist es auch gar nicht so gut, wirtschaftlich unabhängig zu sein." Man müsse ja nicht von dem, was man gerade tut, leben, das könne zu Trägheit führen.

Stiftung gegründet

Friedrich sagt: "Ich versuche Dankbarkeit zu leben." Seit einigen Jahren betreibt er eine Stiftung, die seinen Namen trägt. Er möchte sich aktiv für das Allgemeinwohl einsetzen. Die Stiftung widmet sich besonders den Themen Gesundheit, Bildung und Integration. "Ich möchte meine Zeit sinnvoll nutzen und möglichst vielen Kindern helfen ein besseres Leben zu führen, indem wir gezielt Projekte fördern und initiieren", sagt Friedrich. Er habe viele Menschen kennengelernt, die sehr viel "schlechtere Karten" in der Hand hielten als er. "Es haben nicht alle die gleichen Voraussetzungen, aber da, wo ich kann, versuche ich zu helfen."

Zwischendrin lernte er Klavierspielen, mittlerweile sei eine Gitarre dazugekommen, "aber ich spiele beides nicht", sagte Friedrich und lacht. Sport ist halt immer noch eher sein Ding. Boxen zum Beispiel. "Ein toller Sport", so komplex, so anstrengend, so befreiend. Wenn er ein neues Leben hätte, würde er Boxer werden wollen. Nur ist er dafür nicht gebaut oder schlicht etwas zu alt. Die Schulter musste operiert werden und jetzt wurde noch ein Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule diagnostiziert. "Richtig heftig", sagt Friedrich und zeigt ein Foto auf seinem Mobiltelefon. Der Schal wärmt.

Träume? Er sei nicht der Typ, der in Tagträumen lebe. Er schaue sich auch keine Spiele von früher an. Das sei alles zu rückwärtsgewandt. "Ich habe Lust aufs Leben, mit jungen Leute zu arbeiten." Man könne zwar nicht kontrollieren, was einem im Leben passiert, "aber ich kann kontrollieren, wie ich darauf reagiere." Demnächst reist er nach Asien: China, Hongkong und Macao stehen auf dem Programm. Dienstlich.

[dfb]

Seit mehr als fünf Jahren ist Arne Friedrich kein Fußballprofi mehr. Viel gemacht hat er seitdem, verschiedene Dinge, die ihn interessiert haben, er ist viel gereist, hat viel gesehen, beruflich, privat. Und nie, sagt er, sei er so sehr bei sich gewesen wie jetzt. Ein Heimspiel in der Hauptstadt.

Es ist ein nasser und windiger Novembernachmittag. Die Bäume sind längst kahl, über Berlin hängt eine schwammige Wolkendecke. Arne Friedrich kommt förmlich hereingestürmt, er entschuldigt sich für seine kleine Verspätung. Er hat ein kleines Café in Prenzlauer Berg vorgeschlagen, einer seiner Lieblingsläden, wie er erzählt. Tatsächlich möchte er rasch noch eine junge Frau begrüßen, die er eben in seinem Augenwinkel erblickt hat. Er umarmt sie herzlich. "Ich bin ein Großstadtmensch geworden", erzählt Friedrich, und, dass er in Bad Oeynhausen, seiner Heimat, nicht mehr leben könne. Seine Eltern und seine beiden Brüder besuche er aber regelmäßig. Sie sind da geblieben, in Ostwestfalen. Ihn, den Fußballprofi, zog es in die Weite. Über Bielefeld, Berlin und Wolfsburg nach Chicago, wo er in der US-amerikanischen Major League Soccer zum Abschluss seiner Karriere kickte. Das war 2013. Dann war Schluss, nach 13 Jahren Profifußball. Der Rücken.

"Ich wollte raus aus der Komfortzone"

Arne Friedrich ist muskulöser geworden, als er es zu seiner aktiven Zeit war. Manche ehemaligen Fußballer werden eher runder. Dafür trägt er jetzt Vollbart, den er erst heute Vormittag beim Frisör hat etwas stutzen lassen. Als der Fotograf fragt, ob er seine vom Wind leicht zerzausten Haare noch etwas richten möchte, wischt Friedrich die Frage mit einer lässigen Handbewegung beiseite, er sei nicht so eitel, sagt er. Friedrich wirkt aufgeräumt und zugewandt. Den schwarzen Schal lässt er umgelegt. Später im Gespräch erfahren wir den Grund. Fünf Jahre ist es jetzt her, dass sein altes Leben plötzlich beendet war. Fußballspielen ging nicht mehr. Ein schlimmer Bandscheibenvorfall. "Fünf Wochen habe ich nur auf dem Rücken liegen können." Regelrecht "fertig" sei er gewesen, "für mich emotional die schwierigste Phase meines Lebens". Im selben Jahr trennte er sich von seiner langjährigen Freundin, "am Silvestertag, es regnete, wie im Film".

Arne Friedrich, bis dahin eine Art Musterbeispiel für einen Fußballprofi, Typ Schwiegersohn, wollte ausbrechen. Nichts war mehr so wie bisher. Kein geregelter Tagesablauf, keine Verpflichtungen, keine Termine, keine Zweisamkeit. Guatemala sollte es werden, eine Woche mit dem Rucksack, nur die erste Nacht war gebucht. "Ich wollte raus aus der Komfortzone", erzählt Friedrich. Mehr als die Hälfte seines Lebens hatte der Fußball bestimmt, 14 Jahre war er mit seiner Freundin liiert. Und jetzt das, Abenteuerurlaub in Zentralamerika, einem der gefährlichsten Länder der Erde. Ein älterer Herr sprach ihn an, ob er nicht Spanisch lernen wolle. Wollte er. "Dann komm‘ zu uns nach Hause, für 200 Dollar wohnst du bei uns und lernst bei meiner Frau", sagte der Herr. Friedrich willigte ein, dachte aber, den Mann nie wiederzusehen. Das Gegenteil war der Fall. Noch heute lernt er Spanisch mit Anna, der Frau des älteren Herrn. Einmal, manchmal auch dreimal die Woche, per Skype. Immer von Englisch auf Spanisch. Sie ist Lehrerin, spricht aber kein Deutsch.

Rausgehen, ausprobieren

"Die schönsten Dinge passieren außerhalb der Komfortzone", sagt Friedrich. Ja, Friedrich war privilegiert. Zwei Jahre spielte er als Profi für Arminia Bielefeld, acht Jahre für Hertha BSC, wo er von 2004 an bis zu seinem Weggang und dem Abstieg der Berliner 2010 Kapitän war. 82 Länderspiele hat er als Verteidiger für Deutschland bestritten (79 davon als Herthaner), eins mehr als Bernd Schneider, Wolfgang Overath oder Karlheinz Förster.

Erst nach einer bewegten und erfolgreichen Zeit habe er gelernt, sein eigenes Leben wirklich in die Hand zu nehmen. Einen Plan für das Leben danach habe er nicht explizit gehabt. Friedrich hatte das Fachabitur in der Tasche und sonst nur lose Gedanken. Ein Freund habe ihm damals geraten, rauszugehen und sich auszuprobieren. Friedrich probierte viel. Er machte den Fußball-Trainerschein, erst die B-Lizenz, dann die A-Lizenz. Zwischen 2014 und 2016 arbeitete er als Co-Trainer der deutschen U 18-Auswahl, und immer wieder kommentierte er als Experte für das chinesische Fernsehen die deutschen Spiele bei der WM 2014 und 2018. Gelegentlich auch für den amerikanischen Sportsender "Fox Sports". Ein Dreivierteljahr arbeitete er für eine renommierte Marketingagentur.

In der ersten Zeit nach dem Karriereende freue man sich über die Zeit, "die du plötzlich hast", sagt Friedrich. Erst einmal musste er aber ackern, um schmerzfrei zu werden. Zwei Jahre habe er gebraucht, um zu wissen, was ihm Spaß macht und er tun möchte. Obgleich er eine "wunderschöne Profizeit" hatte, sei er heute glücklicher als je zuvor, "nie war ich so sehr bei mir wie jetzt." Fußball sei sein Leben gewesen, "aber ich möchte nicht für eine feste Institution wie einen Verein arbeiten, jetzt jedenfalls nicht", sagt Friedrich.

Camps in den USA

Unter anderem ist er Gründungsmitglied einer Firma, die in den USA tätig ist und Fußballcamps für Jugendliche durchführt. Die Firma sitzt in Florida. Friedrich selbst ist viel in Los Angeles tätig, wo er neuerdings auch eine kleine Wohnung besitzt. Die Camps finden auch in Europa statt, zuletzt in München. Sie waren schon in Berlin und Rom. Es gehe um einen interkulturellen Austausch, aber auch darum sich sportlich messen zu können. In diesen Sommer vermittelte Friedrich den 18 Jahre alten Jamaikaner Coby Atkinson zu Arminia Bielefeld. Ein anderer junger Amerikaner kickt inzwischen in der B-Jugend des FC Bayern.

"Ich liebe das Mentoring", sagt Friedrich. In Vorträgen und persönlichen Gesprächen gibt er sein Wissen und seine Erfahrungen an junge Menschen weiter, er möchte sie in ihrer persönlichen und sportlichen Entwicklung beratend begleiten. "Ich habe wahnsinnig positive Erfahrungen als Sportler gemacht, aber auch schwierige Momente durchlebt, Rückschläge, Brüche." Es gibt Camps für Elf- bis 13-Jährige, die meisten seien zwischen 16 und 19 Jahre alt. Oft kämen sogar deren Eltern mit. Er möchte dabei aber niemandem das Leben erklären. "Am Ende geht es im Leben doch darum, Entscheidungen zu treffen", sagt Friedrich. Der vielleicht wesentlichste Einschnitt für ihn waren die eineinhalb Jahre in Chicago, "Amerika hat mich offener gemacht, es hat mich inspiriert." Vielleicht hätte er früher ins Ausland wechseln sollen. Für ihn sei es "eine Wahnsinnserfahrung" gewesen. In Deutschland, in der Bundesliga, habe er sich eine Art Schneckenhaus gebaut. "Heute ist es mir relativ egal, was die Leute denken."

Rückblickend haben das Ende der Karriere und die Trennung "viel gebracht". Er habe gelernt, Zeit mit sich selbst zu verbringen, sich kennenzulernen. Als Profi sei der Alltag strikt durchgetaktet, Training, Spiele, Reisen, Hotelübernachtungen und, und, und. Man habe kaum Zeit, sich zu reflektieren. "Ich war damals als Profifußballer zu wenig authentisch, ich wollte allen gefallen, nichts Falsches sagen. Heute kann ich Nein sagen." Natürlich weiß Friedrich um die Privilegiertheit auch seines jetzigen Lebens. "Ich gebe das offen und ehrlich zu, aber manchmal ist es auch gar nicht so gut, wirtschaftlich unabhängig zu sein." Man müsse ja nicht von dem, was man gerade tut, leben, das könne zu Trägheit führen.

Stiftung gegründet

Friedrich sagt: "Ich versuche Dankbarkeit zu leben." Seit einigen Jahren betreibt er eine Stiftung, die seinen Namen trägt. Er möchte sich aktiv für das Allgemeinwohl einsetzen. Die Stiftung widmet sich besonders den Themen Gesundheit, Bildung und Integration. "Ich möchte meine Zeit sinnvoll nutzen und möglichst vielen Kindern helfen ein besseres Leben zu führen, indem wir gezielt Projekte fördern und initiieren", sagt Friedrich. Er habe viele Menschen kennengelernt, die sehr viel "schlechtere Karten" in der Hand hielten als er. "Es haben nicht alle die gleichen Voraussetzungen, aber da, wo ich kann, versuche ich zu helfen."

Zwischendrin lernte er Klavierspielen, mittlerweile sei eine Gitarre dazugekommen, "aber ich spiele beides nicht", sagte Friedrich und lacht. Sport ist halt immer noch eher sein Ding. Boxen zum Beispiel. "Ein toller Sport", so komplex, so anstrengend, so befreiend. Wenn er ein neues Leben hätte, würde er Boxer werden wollen. Nur ist er dafür nicht gebaut oder schlicht etwas zu alt. Die Schulter musste operiert werden und jetzt wurde noch ein Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule diagnostiziert. "Richtig heftig", sagt Friedrich und zeigt ein Foto auf seinem Mobiltelefon. Der Schal wärmt.

Träume? Er sei nicht der Typ, der in Tagträumen lebe. Er schaue sich auch keine Spiele von früher an. Das sei alles zu rückwärtsgewandt. "Ich habe Lust aufs Leben, mit jungen Leute zu arbeiten." Man könne zwar nicht kontrollieren, was einem im Leben passiert, "aber ich kann kontrollieren, wie ich darauf reagiere." Demnächst reist er nach Asien: China, Hongkong und Macao stehen auf dem Programm. Dienstlich.

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