Ann-Katrin Berger: "Fußball kann ein sehr brutaler Sport sein"

Der Traum ist geplatzt: Ann-Katrin Berger unterlag mit dem FC Chelsea im Finale der Champions League dem FC Barcelona mit 0:4. Im DFB.de-Interview blickt die 30 Jahre alte deutsche Nationaltorhüterin noch mal zurück. Vor allem aber schaut Berger nach vorne - auf das Achtelfinale im FA-Cup am Donnerstag und die anstehenden Länderspiele mit der DFB-Auswahl.

DFB.de: Ann-Katrin, Sie haben das Champions League-Finale mit dem FC Chelsea gegen den FC Barcelona klar verloren. Wie denken Sie jetzt mit etwas Abstand über dieses 0:4?

Ann-Katrin Berger: Es war ein bitteres Spiel, weil wir die Stärken von Barcelona kannten, sie aber trotzdem nicht in den Griff bekommen haben. Es war vor allem in der Anfangsphase auch sehr viel Pech dabei. Aber das will ich gar nicht als Argument für die Niederlage geltend machen, weil wir in den Runden zuvor auch das nötige Quäntchen Glück gehabt hatten. Wichtig ist, dass wir aus diesem Rückschlag lernen, um es beim nächsten Mal besser zu machen.

DFB.de: Wie haben Sie speziell das unglückliche 0:1 in der ersten Minute erlebt - ein Eigentor ausgerechnet von Melanie Leupolz?

Berger: Ich habe erst gar nicht realisiert, durch wen der Ball den Weg ins Tor gefunden hat. Erst als ich später die Wiederholung gesehen habe, habe ich es verstanden. Fußball kann ein sehr brutaler Sport sein.

DFB.de: Was geht einem als Spielerin durch den Kopf, wenn man in dem Champions-League-Finale nach 36 Minuten mit 0:4 zurückliegt?

Berger: Es war einfach schade, dass es so gekommen ist. Aufgeben war für uns trotz des frühen Rückstands kein Thema. In der zweiten Halbzeit haben wir uns deutlich besser verkauft und wir haben uns wirklich nie aufgegeben – zu keinem Zeitpunkt. Und deshalb bin ich trotz allem extrem stolz auf die Mannschaft.

DFB.de: Hatten Sie nach diesem Rückstand das Gefühl, noch mal zurückkommen zu können?

Berger: Ich sage es mal so: Wenn der Gegner gegen uns vier Tore in einer Halbzeit schießen kann, dann ist das auch für uns möglich. Wenn es die eine Mannschaft schafft, dann kann es die andere Mannschaft natürlich auch schaffen. Aber wir sind nicht zurückgekommen, auch weil es Barcelona in der Defensive sehr gut gemacht hat. Wir haben alles riskiert. In der zweiten Halbzeit haben wir gezeigt, welch starken Charakter die Mannschaft hat. Das war für mich fast die wichtigste Erkenntnis. Wir sind nicht untergegangen, obwohl alles gegen uns gelaufen ist.

DFB.de: Sie haben unter anderem Atletico Madrid, den VfL Wolfsburg und Bayern München aus dem Wettbewerb befördert. Was bleibt jetzt hängen? Enttäuschung über die Niederlage oder doch stolz über das Erreichte?

Berger: Ich bin eine der erfahreneren Spielerinnen in unserem Kader. Ich habe direkt nach der Siegerehrung in der Kabine klarzumachen versucht, dass wir keine schlechte Saison gespielt haben, nur weil wir das Champions League-Finale verloren haben. Diese Niederlage darf den Rest nicht runterziehen. Wir sind englischer Meister geworden. Wir haben zwei Pokalwettbewerbe gewonnen und stehen am Donnerstag im FA-Cup-Achtelfinale gegen den FC Everton. Im Pokal wollen wir den nächsten Titel holen. Die Fans können traurig sein, dass wir die Champions League nicht gewonnen haben, aber wir sollten auch stolz auf das Erreichte sein.

DFB.de: Wie war die Stimmung auf dem Rückflug nach dem Champions-League-Finale?

Berger: Jede Spielerin hat auf ihre eigene Weise versucht, das Erlebte zu verarbeiten. Einige haben sich die Partie noch mal angeschaut und analysiert, was schiefgelaufen ist. Andere haben geschlafen, weil so ein Spiel und so eine Niederlage einen mental und körperlich müde machen. Ich persönlich habe mir auch meine Gedanken gemacht und entschlossen, mich als Gewinnerin zu fühlen. Nicht viele können von sich behaupten, im Finale der Champions League gespielt zu haben. Viele Fußballerinnen arbeiten jahrelang dafür und schaffen es trotzdem nicht. Ich bin dankbar, dass ich es erleben durfte.

DFB.de: Ist es schwer, die Motivation für den FA Cup wieder hochzufahren?

Berger: Die Antwort habe ich auch schon vor der Mannschaft gegeben. Ich habe den Mädels gesagt: "Schaut, wir haben bislang eine wunderbare Saison gespielt. Warum sollen wir sie mit einem verloren Endspiel ruinieren? Wir werden diese Spielzeit nicht mit einer Niederlage beenden." Wir wollen gewinnen und den Titel holen. Die Kombination von Trauer und Ehrgeiz wird uns noch stärker machen. Da bin ich mir hundertprozentig sicher.

DFB.de: Sind sie froh, dass dann die Sommerpause nicht mehr weit weg ist?

Berger: Absolut. Ich kann es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und einfach abzuschalten. Die Saison war extrem intensiv durch die viele Begegnungen hier in England. Hinzu kommt, dass ich wegen Corona meine Familie jetzt ein Jahr lang nicht persönlich sehen konnte. Aber so ging es ja nicht nur mir, sondern auch meinen Mitspielerinnen. Der Fußball war unsere gemeinsame Medizin und hat uns zusammengeschweißt. Da sonst nichts ging, waren wir füreinander da. Das hat man auch auf dem Platz gemerkt. Jede hat für jede gekämpft.

DFB.de: Wie haben Sie die Pandemie in England erlebt?

Berger: Es war anstrengend. Aber ich bin eine Person, die gerne das Positive in allem sehen will. Ich war in einer besseren Situation als viele andere Menschen. Ich hatte die Chance, jeden Tag raus an die frische Luft zu kommen, dort zu trainieren und meiner geliebten Arbeit nachgehen zu können, während viele andere seit Wochen und Monaten im Homeoffice sitzen. Das weiß ich sehr zu schätzen. Viele andere haben unter der Pandemie bestimmt mehr gelitten als ich. Hinzu kommt, dass wir als Mannschaft zusammen waren. Das hat sehr geholfen, weil wir alle im selben Boot sitzen und uns gegenseitig unterstützen.

DFB.de: Bevor Sie in die verdiente Sommerpause gehen, stehen noch Länderspiele mit der DFB-Auswahl gegen Frankreich und Chile auf dem Programm.

Berger: Darauf freue ich mich. Wir wollen beide Begegnungen gewinnen und unsere positive Entwicklung fortsetzen. Ich freue mich auf die Herausforderungen, die auf uns warten. Mein persönliches, großes Ziel ist die Teilnahme an der Europameisterschaft in England im kommenden Jahr.

[sw]

Der Traum ist geplatzt: Ann-Katrin Berger unterlag mit dem FC Chelsea im Finale der Champions League dem FC Barcelona mit 0:4. Im DFB.de-Interview blickt die 30 Jahre alte deutsche Nationaltorhüterin noch mal zurück. Vor allem aber schaut Berger nach vorne - auf das Achtelfinale im FA-Cup am Donnerstag und die anstehenden Länderspiele mit der DFB-Auswahl.

DFB.de: Ann-Katrin, Sie haben das Champions League-Finale mit dem FC Chelsea gegen den FC Barcelona klar verloren. Wie denken Sie jetzt mit etwas Abstand über dieses 0:4?

Ann-Katrin Berger: Es war ein bitteres Spiel, weil wir die Stärken von Barcelona kannten, sie aber trotzdem nicht in den Griff bekommen haben. Es war vor allem in der Anfangsphase auch sehr viel Pech dabei. Aber das will ich gar nicht als Argument für die Niederlage geltend machen, weil wir in den Runden zuvor auch das nötige Quäntchen Glück gehabt hatten. Wichtig ist, dass wir aus diesem Rückschlag lernen, um es beim nächsten Mal besser zu machen.

DFB.de: Wie haben Sie speziell das unglückliche 0:1 in der ersten Minute erlebt - ein Eigentor ausgerechnet von Melanie Leupolz?

Berger: Ich habe erst gar nicht realisiert, durch wen der Ball den Weg ins Tor gefunden hat. Erst als ich später die Wiederholung gesehen habe, habe ich es verstanden. Fußball kann ein sehr brutaler Sport sein.

DFB.de: Was geht einem als Spielerin durch den Kopf, wenn man in dem Champions-League-Finale nach 36 Minuten mit 0:4 zurückliegt?

Berger: Es war einfach schade, dass es so gekommen ist. Aufgeben war für uns trotz des frühen Rückstands kein Thema. In der zweiten Halbzeit haben wir uns deutlich besser verkauft und wir haben uns wirklich nie aufgegeben – zu keinem Zeitpunkt. Und deshalb bin ich trotz allem extrem stolz auf die Mannschaft.

DFB.de: Hatten Sie nach diesem Rückstand das Gefühl, noch mal zurückkommen zu können?

Berger: Ich sage es mal so: Wenn der Gegner gegen uns vier Tore in einer Halbzeit schießen kann, dann ist das auch für uns möglich. Wenn es die eine Mannschaft schafft, dann kann es die andere Mannschaft natürlich auch schaffen. Aber wir sind nicht zurückgekommen, auch weil es Barcelona in der Defensive sehr gut gemacht hat. Wir haben alles riskiert. In der zweiten Halbzeit haben wir gezeigt, welch starken Charakter die Mannschaft hat. Das war für mich fast die wichtigste Erkenntnis. Wir sind nicht untergegangen, obwohl alles gegen uns gelaufen ist.

DFB.de: Sie haben unter anderem Atletico Madrid, den VfL Wolfsburg und Bayern München aus dem Wettbewerb befördert. Was bleibt jetzt hängen? Enttäuschung über die Niederlage oder doch stolz über das Erreichte?

Berger: Ich bin eine der erfahreneren Spielerinnen in unserem Kader. Ich habe direkt nach der Siegerehrung in der Kabine klarzumachen versucht, dass wir keine schlechte Saison gespielt haben, nur weil wir das Champions League-Finale verloren haben. Diese Niederlage darf den Rest nicht runterziehen. Wir sind englischer Meister geworden. Wir haben zwei Pokalwettbewerbe gewonnen und stehen am Donnerstag im FA-Cup-Achtelfinale gegen den FC Everton. Im Pokal wollen wir den nächsten Titel holen. Die Fans können traurig sein, dass wir die Champions League nicht gewonnen haben, aber wir sollten auch stolz auf das Erreichte sein.

DFB.de: Wie war die Stimmung auf dem Rückflug nach dem Champions-League-Finale?

Berger: Jede Spielerin hat auf ihre eigene Weise versucht, das Erlebte zu verarbeiten. Einige haben sich die Partie noch mal angeschaut und analysiert, was schiefgelaufen ist. Andere haben geschlafen, weil so ein Spiel und so eine Niederlage einen mental und körperlich müde machen. Ich persönlich habe mir auch meine Gedanken gemacht und entschlossen, mich als Gewinnerin zu fühlen. Nicht viele können von sich behaupten, im Finale der Champions League gespielt zu haben. Viele Fußballerinnen arbeiten jahrelang dafür und schaffen es trotzdem nicht. Ich bin dankbar, dass ich es erleben durfte.

DFB.de: Ist es schwer, die Motivation für den FA Cup wieder hochzufahren?

Berger: Die Antwort habe ich auch schon vor der Mannschaft gegeben. Ich habe den Mädels gesagt: "Schaut, wir haben bislang eine wunderbare Saison gespielt. Warum sollen wir sie mit einem verloren Endspiel ruinieren? Wir werden diese Spielzeit nicht mit einer Niederlage beenden." Wir wollen gewinnen und den Titel holen. Die Kombination von Trauer und Ehrgeiz wird uns noch stärker machen. Da bin ich mir hundertprozentig sicher.

DFB.de: Sind sie froh, dass dann die Sommerpause nicht mehr weit weg ist?

Berger: Absolut. Ich kann es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und einfach abzuschalten. Die Saison war extrem intensiv durch die viele Begegnungen hier in England. Hinzu kommt, dass ich wegen Corona meine Familie jetzt ein Jahr lang nicht persönlich sehen konnte. Aber so ging es ja nicht nur mir, sondern auch meinen Mitspielerinnen. Der Fußball war unsere gemeinsame Medizin und hat uns zusammengeschweißt. Da sonst nichts ging, waren wir füreinander da. Das hat man auch auf dem Platz gemerkt. Jede hat für jede gekämpft.

DFB.de: Wie haben Sie die Pandemie in England erlebt?

Berger: Es war anstrengend. Aber ich bin eine Person, die gerne das Positive in allem sehen will. Ich war in einer besseren Situation als viele andere Menschen. Ich hatte die Chance, jeden Tag raus an die frische Luft zu kommen, dort zu trainieren und meiner geliebten Arbeit nachgehen zu können, während viele andere seit Wochen und Monaten im Homeoffice sitzen. Das weiß ich sehr zu schätzen. Viele andere haben unter der Pandemie bestimmt mehr gelitten als ich. Hinzu kommt, dass wir als Mannschaft zusammen waren. Das hat sehr geholfen, weil wir alle im selben Boot sitzen und uns gegenseitig unterstützen.

DFB.de: Bevor Sie in die verdiente Sommerpause gehen, stehen noch Länderspiele mit der DFB-Auswahl gegen Frankreich und Chile auf dem Programm.

Berger: Darauf freue ich mich. Wir wollen beide Begegnungen gewinnen und unsere positive Entwicklung fortsetzen. Ich freue mich auf die Herausforderungen, die auf uns warten. Mein persönliches, großes Ziel ist die Teilnahme an der Europameisterschaft in England im kommenden Jahr.

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